Sechsundvierzig
„Sind wir hier richtig?"
„Minie, vertraust du mir etwa nicht?", fragte er grinsend und sah seinem besten Freund von der Seite her an.
Der Ältere hob seinen Kopf an und blickte ihm in die Augen und für einen Moment stand seine Welt stehen. Chen wusste, dass irgendwas anders war. Das hatte er sonst nämlich noch nie erlebt. Es bereitete ihm nur Sorgen, da es mit einem Mal da war.
Xiumin fing an zu lächeln und nickte dann. „Natürlich vertrau ich dir." Chen lächelte ebenfalls. „Aber wir brauchen doch nicht ernsthaft drei Stunden bis zu diesem Aussichtspunkt, nur um das Feuerwerk zu sehen, oder?"
Ihr Lachen hallte über das Feld, durch das sie liefen, und für diesen einen Moment war alles vollkommen. Keine Kinder, keine alten Liebschaften, keine unschöne Vergangenheit.
Bei ihm konnte er er selbst sein.
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Jongdae rümpfte seine Nase, als er etwas an seiner Wange spürte. Die Berührung war federleicht, doch gleichzeitig so liebevoll fordernd und warm, dass sein Herz gar nicht mehr aufhörte schnell zu schlagen.
Zaghaft öffnete er seine Augen, um zu erfahren woher die Berührung kam, auch wenn er es eigentlich schon wusste.
Xiumin lag neben ihm, die Sonne im Hintergrund ließ ihn in einem hellen Licht erstrahlen, in dem Chen ihn selbst im dunkelsten Raum sehen würde. Sie waren im Apartment seines besten Freundes, in seinem Bett und sie waren ganz sicher nicht zusammen.
Das ging schon eine ganze Weile so. Sie trafen sich und es fühlte sich so leicht an. Doch gleichzeitig waren da diese Gedanken, die sich einfach nicht abschalten ließen und weswegen sie nie wirklich darüber sprachen. Sie wussten es, aber keiner sagte einen Ton. Sie legten sich lediglich nebeneinander und schliefen, bis sie dann wieder der Alltag abholen würde.
Und wie jedes Mal konnte Jongdae nur schweigen.
„Weißt du eigentlich, dass du schnarchst?" Xiumin schmunzelte sanft, während seine Finger durch Chen's Haare fuhren. „Ab und zu kommt auch ein leichtes Grunzen."
Er brachte kein Wort heraus, doch er wollte. Er wollte ihm so vieles sagen, wollte ihm sagen, wie er wirklich fühlte. Wollte ihm sagen, dass es sich gut angefühlt hatte, als Minie ihn das erste Mal auf die Wange geküsst hatte - der Tag an dem beide es wussten, aber entschieden zu schweigen.
Sein Mund war trocken und sein Hals zugeschnürt. Dieser Druck auf seinem Herzen wollte die Worte hoch würgen, aber er zitterte vor Angst. Dieses Gefühl war das schlimmste, denn er wusste nicht was er dagegen tun konnte.
Xiumin sah ihn aus traurigen Augen an. Er kannte die Wahrheit und das brach ihnen beiden das Herz. „Du solltest gehen. Deine Kleine wartet bestimmt."
Er konnte nichts sagen. Selbst als seine große Liebe aufstand und im Bad verschwand, vermutlich um ihn nicht auch noch mit Tränen aufzuhalten. Chen kannte ihn. Und manchmal brachte es ihn zum schreien.
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„Ziehst du dich immer noch zurück?" Seine Stimme klang so ruhig, aber Jongdae wusste um die Angst darin.
Sie standen in seiner kleinen Küche, gefährlich nahe, während die einzigen Geräusche durch das Fenster hinter ihnen hallten. Chen wusste nicht wie genau es passiert war, aber mit einem Mal standen sie sich gegenüber.
Seine Hände versuchten ihren Weg zu seinem besten Freund zu finden, aber er hielt es zurück, hielt sich zurück, während seine Atmung ihn verriet. Seine Augen suchten jedes Merkmal in Xiumin's Gesicht ab und sein Freund ließ seine Finger den Weg zu seinem Shirt finden, vergrub sie in den Stoff an seiner Brust, damit er nicht sofort wieder fliehen konnte.
„Minie..." Vorsichtig trat er einen Schritt zurück und wendete sein Gesicht ab. Das hatte er nicht verdient, aber er konnte ihm nicht das geben, was sie beide brauchten.
„Chen..." Niemand hatte seinen Namen je diesen liebevollen Klang gegeben, wie nur Xiumin es schaffte. „Wir können es versuchen."
Jongdae presste seine Lippen aufeinander und schluckte kräftig. Er sah zu ihm, nur um dann in Panik zu geraten und sich von ihm wegzudrehen. Er lief aus der Küche in sein Wohnzimmer. Er raufte sich die Haare und versuchte ruhig zu bleiben.
„Verdammt, du weißt genau, was ich für dich empfinde!", rief Xiumin und in dem Moment stoppten beide.
Jongdae drehte sich langsam um und sah ihm in die Augen. Die Augen, die in diesem Moment so viel Entschlossenheit zeigten. Chen wurde schlecht, als er daran dachte was nun kommen würde. Aber er konnte es nicht aufhalten. Es passierte einfach.
„Bitte, Minie. Nicht."
Er hätte sich schlagen können, als Xiumin's Ausdruck nur noch verzweifelter wurde und ihn flehentlich in seinen Träumen heimsuchen würde.
„Ich liebe dich." - „Ich ziehe weg!"
Beide sagten es gleichzeitig und beide hätten sie es am liebsten nie ausgesprochen.
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Jongdae erinnerte sich an diesen Tag jede Nacht, versuchte in seinen Träumen eine andere Entscheidung zu treffen, mit der sie beide hätten glücklich werden können. Doch er wusste um den Hass in den Augen ihrer Familien, wären sie zusammen gewesen. Er wusste, dass sie es nicht dulden würden, dass sie - zwei Männer - ein Paar wären. Er wusste, dass es mit ihm nur schlimmer geworden wäre, war er doch einst verheiratet und nun geschieden und hatte eine Tochter, die ihm weggenommen wurde. Er wusste, dass er sie nur wiedersehen konnte, wenn er sich zurückhält was Liebschaften betraf. Und er wusste, dass Xiumin seine Eltern durch eine Partnerschaft verlieren würde.
Es spielten so viele Faktoren gegen sie und dennoch. Er träumte jede Nacht von diesem Tag. Erinnerte sich zu jedem Morgengrauen an Xiumin's sanfte Finger. Erinnerte sich zu jeder Minute, schmerzhaft, an sein Lächeln und sein Lachen - Gott, sein Lachen. Er erinnerte sich an jedes einzelne Erlebnis und hütete diese Erinnerungen wie einen Schatz.
Es tat weh ihn nicht berühren zu können. Aber diese letzten Monate, als er ihn nicht einmal mehr sehen durfte, waren noch schlimmer.
Etwas kitzelte seine Nase und mit einem Mal bemerkte er etwas helles, das durch seine Augenlider strahlte. Es war warm.
Ob Xiumin nun vor ihm lag?
Stirnrunzelnd öffnete er langsam seine Augen, nur um sie kurz darauf wieder zusammenzukneifen. Die Sonne schien ihm ununterbrochen ins Gesicht, weswegen er seine Hand hob und sich auf die Augen legte. Er hörte einen erschrockenen Atemzug und spürte im nächsten Moment eine Hand auf seiner Schulter.
„Ch-Chen."
Diese Stimme hätte er unter tausenden wiedererkannt, hatte er ihn doch die letzten Monate jeden Tag zur Weißglut gebracht. Doch im Gegensatz zu den sonst so scharfen Worten, waren sie dieses Mal sanft und voller Vorsicht ausgesprochen.
„Pass auf, setz dich nicht zu schnell auf.", sagte Taehyung, als er ihm aufhalf. Er sah noch immer nichts richtig, dafür aber hörte er umso mehr. Sie schienen auf einem Schiff zu sein, denn Wasserrauschen hatte ihn aufgeweckt und es roch nach dem Meer. „Chen, sieh mal. Wir sind fast zu Haus."
Jongdae blinzelte ein paar Male, bevor er Taehyung endlich sehen konnte. Er sah ihm in die Augen und dann in die Runde. Zu seiner Überraschung saßen all seine Kameraden um ihn herum und musterten ihn mit besorgten Mienen oder einem dicken Grinsen im Gesicht. Hatten sie etwa Angst um ihn gehabt?
Ohne etwas zu sagen drehte Chen seinen Kopf zur Seite, und versuchte durch die Reling zu blicken. Nur um dann einen weit entfernten Punkt zu finden, der wohl Festland bedeuten sollte.
Tae musterte ihn, auch wenn er nur seinen Hinterkopf sehen konnte. Er versuchte zu deuten, was Jongdae wohl fühlte, aber es gelang ihm nicht.
Erst als er sich wieder zu ihnen drehte und ihm in die Augen sah.
„Wir sind..."
Tae presste seine Lippen aufeinander und nickte hektisch. „Ja, Chen. Wir-wir sind zu Hause."
Jongdae starrte ihn ungläubig an, bemerkte gar nicht, dass er weinte. Und mit einem Mal packte ihn jemand bei der Schulter und er sah in die Augen von seinem Anführer, der ihn mit Erleichterung umarmte.
Yoongi atmete zittrig aus und es fühlte sich so an, als hätte er die Luft seit Ewigkeiten angehalten. Jimin sah ihn aus feuchten Augen an und sie lächelten beide, als sie sich einander schmiegten.
Sie konnten es kaum glauben. Sie waren zu Hause.
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Fünf Stunden später konnten sie endlich am Hafen aus den Zelten heraustreten, in denen noch einmal untersucht wurde, ob sie denn alle gesund waren. In den nächsten Wochen durften sie sich nur auf dem militärischen Gelände aufhalten, aber für die Freiheit war das ein Preis, den sie zu zahlen bereit waren.
Trotzdem sie eigentlich niemanden sehen durften, hatten sich viele Verwandte und neugierige Leute, sowie auch Reporter eingefunden und versuchten an jeden Menschen heranzukommen, der an ihnen vorbeigeführt wurde. Sie interviewten gerade Frau Kim, die voller Erleichterung berichtete, dass sie auch nach den verbliebenen Leuten auf dieser Insel suchen würden. Bis alles geklärt sein würde, würde aber noch einige Zeit vergehen.
Jihoon wurde von einigen Soldaten gebeten, ihnen zu ein paar Forschungslaboren zu folgen, woraufhin er einwilligte und sich von seiner Familie verabschiedete. Jin sah dem Ganzen etwas schmollend zu, hatte er seinen Sohn doch gerade erst wiedergefunden.
Als sie sich der Menschenmasse näherten, erkannte er Herr Jung, den Reporter und führte seine Familie zu ihm, um ihn freundlich zu begrüßen.
„Herr Jung!"
„Herr Kim! Wie schön, dass Sie wohlauf sind. Sie haben mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt, als ich Ihre Nachricht gelesen habe. Auf einmal waren Sie weg, um Ihre Familie zu suchen."
Jin lächelte und es war als würden seine Augen zum ersten Mal richtig leuchten. „Und ich hab sie gefunden. Darf ich vorstellen. Mein Ehemann und meine Söhne. Einer ist gerade auf dem Weg in ein Forschungslabor, um ein Gegenmittel zu finden."
„Eomma, ich glaube nicht, dass du das sagen solltest.", meinte Yoongi, musste aber schmunzeln, weil Jin eben immer geradeheraus war.
Herr Jung wedelte jedoch ab. „Ihr Vater hat mir erste Hand Informationen versprochen und er hält nur sein Wort. Davon abgesehen kommt eh irgendwann alles raus, es gibt immer Leute die plaudern."
„Einen haben wir wohl gefunden.", grinste Jimin, doch Jin gab ihm einfach nur einen Kuss auf seine Stirn.
Der Reporter lächelte. „Es freut mich Sie endlich mal kennenzulernen."
Während sich die Familie weiter unterhielt, wurden die anderen durch die Menge gezogen. Chen fühlte sich etwas unwohl und versuchte nicht gleich auszurasten, als ein paar Leute nach ihm griffen und ihm Fragen stellen wollten. Kyungsoo allerdings schien es zu merken und schaute über seine Schulter, um ihn aufmunternd zuzulächeln.
„Du schaffst das schon, großer Mann."
Chen grunzte. „Im Moment wäre ich gerne Tae, der hat wohl seinen Spaß."
„Machst du Witze? Er hat Angst in solchen Massen und klammert sich gerade an Kookie, der ihn praktisch durch die Menge schleift."
„Der Kleine passt wohl gut auf ihn auf, huh?"
Kyungsoo's Lächeln wurde sanfter. „Ja, das tun sie beide. Wir brauchen also keine Angst mehr um sie zu haben. Wenn sie weg sind, dann sind sie zusammen."
Und Chen realisierte, dass es vermutlich genauso kommen würde. Tae würde nicht für immer bei ihnen bleiben. Eines Tages wäre er mit Sicherheit weg - nicht für immer, aber für eine Weile, in der er und Jungkook vermutlich versuchten ihren Albträumen hinterherzujagen und sie zu erlegen. Und er hoffte inständig, dass sie es schaffen würden.
Ein wenig aus der Bahn geworden blieb er kurz stehen und atmete einmal tief durch. Wieder griffen ein paar Hände nach ihm und er sah zu den Menschen, die ihn versuchten anzusprechen. Ein Soldat trat zwischen sie, damit er in Ruhe weiterlaufen konnte, doch als er über seine Schulter sah stoppte sein Herz.
Und in diesem Moment war der Streit vergessen und es gab nur noch Xiumin.
„Hey, Sie dürfen dort nicht lang!", brüllte der Soldat ihm hinterher, doch vergebens. Chen war schon in der Masse verschwunden, die um ihn herum immer lauter zu werden schien.
„Ich m-muss hier durch.", sagte er, war aber kaum zu hören. „M-Min...Minie-"
Ein paar starke Hände hielten ihn an seinem Arm fest und schon in der nächsten Sekunde stand er vor ihm. Sein bester Freund. Seine Liebe.
Jongdae zögerte keinen Moment mehr und umarmte den Menschen, den er in den letzten Monaten am meisten vermisst hatte. Reue und Wut breiteten sich in seinem Körper aus, gleichzeitig aber auch Angst und Liebe.
„E-es tut mir leid." Er vergrub seine Nase in Xiumin's Schulter. „Es tut mir s-so leid, Minie."
„Mir auch.", hörte er ihn schluchzen und spürte, wie sich sein Griff verstärkte. „Tut mir leid."
„Nein." Es war das einzige, das er sagen konnte, weil Xiumin sich nicht entschuldigen brauchte. Er hatte das getan, wofür er selbst zu feige war. Vorsichtig entfernte er sich von ihm, um ihn in die Augen sehen zu können. Erleichtert seufzte er auf und strich ihm durch die Haare. „Du bist noch so bezaubernd wie vorher."
Ein kleines Glucksen entfuhr ihm, als er sich ein paar Tränen wegwischte und laut schluchzte. Er wollte was sagen, aber seine Gefühle überwältigten ihn, was Jongdae als Chance ansah alles wieder gut zu machen.
Er lehnte sich vor, bis ihre Stirnen aneinander lehnten, und er sprach mit solch einer Leichtigkeit, dass es ihm das Herz beinahe aus der Brust sprengte. „Ich liebe dich auch."
Xiumin war überwältigt, das konnte Chen durch seine eigenen Tränen hinweg sehen. Er küsste die Lippen von seiner Liebe nur einen Moment lang, bevor er ihm über die Wange strich.
„Du solltest nicht weinen.", flüsterte Jongdae.
Xiumin schüttelte kaum merklich den Kopf. „Du solltest dich nicht darum kümmern."
„Das werde ich aber." Erneut verband er ihre Stirnen miteinander. „Mein Leben lang."
Er hielt sein Gesicht in den Händen, während Xiumin's seine Arme dort hielten, damit er sich ja nicht wieder herauswinden konnte. Es war schon einmal passiert. Und es würde nie wieder vorkommen. Ebenso wenig wie ihre Albträume.
Diese wundervollen Tage fingen nun endlich an.
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Endlich mal ein Einblick in Jongdae's Leben - es ist nicht viel aber genug damit man Bescheid weiß. Wenn ihr euch fragt warum er zu den meisten so ist: war er schon immer, es gibt keinen genauen Grund nur auf der Insel ist klar dass durch den Stress und allem es schlimmer wurde. Ansonsten ist er nen Häschen, wenn es um seine Liebe geht.
Hoffe euch hat es gefallen :) es kommt noch ein Prolog und dann ist die Geschichte tatsächlich auch schon vorbei.
2267 Wörter
Love ya
💐
~safemenow
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