58. Kapitel
„Kannst du mir das mal bitte erklären?!" höre ich jemand laut sagen und seufze unzufrieden. „Das ist doch nichts schlimmes, es -" - „Du weißt ganz genau, dass das nicht geht!" Ich bekomme mit, wie Harry lautstark unterbrochen wird. „Vater, bitte, Louis schläft, kannst du nicht etwas leiser sein?" fragt Harry drängend, aber zu spät, ich bin wach." Ich liege auf dem Bauch, als ich die Augen öffne und mich so drehe, dass ich meinen Freund sehen kann.
Ein Mann steht bei ihm, älter und wütend. Er hat ein Tablett in der Hand und schüttelt dann den Kopf. „Das ist gerade unwichtig. Wichtig ist, dass du jetzt in ganz schönen Schwierigkeiten steckst und wohl möglich noch das ganze Königshaus da mit reinziehst!" Harry verdreht die Augen und verschränkt die Arme vor der Brust. Er trägt lediglich eine schwarze Shorts, muss er sich wohl angezogen haben, bevor ich aufgewacht bin. Ich hingegen bin noch nackt und nur bis zur Hüfte zugedeckt. „Harry, du bist der Kronprinz! Du hast dich an gewisse Regeln zu halten, ich dachte, das wäre dir inzwischen endlich klar geworden?" fragt der Mann.
Harry seufzt. „Ich verstehe das Problem nicht? Ich bin nicht alleine raus gegangen, ich war auf keiner Party, war nicht total betrunken und es gibt auch keinen Skandal mit Harper -" - „Du kannst dich aber nicht einfach auf einem Netzwerk anmelden! Weißt du, was das für Sicherheitslücken mit sich bringt?! Ich dachte wirklich, du hättest mittlerweile wenigstens mehr oder weniger das Zeug dazu, König zu werden." - „Vater -" - „Widersprich mir nicht!"
Ich schlucke, als es mir dämmert. Es ist nicht irgendein Mann, der hier in Harrys Gemach steht und ihn an meckert, es ist sein Vater, der König von England. Harry sieht zu mir und schnell schließe ich meine Augen wieder.
„Und sieh zu, dass dieser Mann hier verschwindet. Ich dulde es nicht, dass du ihm das Bett teilst, wie oft noch?" - „Du weißt, ich liebe ihn." Harrys Tonfall ist hart, selbstbewusst. „Du wirst Harper heiraten, daran wird nichts geändert. Wenn raus kommt, dass du sie betrügst und das noch dazu mit einem Mann, der dir keine Nachkommen schenken kann.. Harry du weißt, das wird an den Fundamenten dieser Monarchie rütteln." - „Wir leben aber doch im 21. Jahrhundert!" Er versucht leise zu bleiben, aber seine Stimme zittert schon fast, weil er sich so aufregt.
„Schaff diesen Mann aus dem Palast und gehe deinen Pflichten nach." sagt der König harsch und einen Moment später höre ich, wie die Tür geschlossen wird. Nach dem Streit hatte ich zwar irgendwie erwartet, dass sie zugeknallt wird aber er schließt die erstaunlich leise. Vermutlich ist das aber wieder einer diese Benimmregeln. Harry seufzt leise und setzt sich auf die Bettkante. Er stützt sich mit den Armen links und rechts auf der Bettdecke ab und lässt den Kopf nach vorne fallen.
Leise setze ich mich auf. Er bemerkt erst gar nicht, dass ich mich bewege, ich rutsche zu ihm und umarme ihn einfach. Meinen Kopf platziere ich auf seiner Schulter und meine Arme schlinge ich um seinen Bauch. „Ich wollte dich nicht wecken." sagt er leise. „Hast du nicht, alles gut." entgegne ich schnell und mustere ihn von der Seite, aber er schließt nur die Augen und atmet tief ein und wieder aus. „Wie viel hast du mitbekommen?" möchte er dann wissen und ich zucke mit den Schultern. „Ich schätze mal genug?" entgegne ich vorsichtig. Harry antwortet daraufhin nichts. Ich lehne mich an ihn, streiche über seine Haut und frage mich, wie es wohl eine Lösung für das alles geben könnte.
„Es tut mir leid." murmelt er irgendwann, aber ich schüttle den Kopf „Nein, Harry, nicht. Du hast dieses Regelwerk doch nicht aufgesetzt." widerspreche ich ihm, aber er glaubt mir offenbar nicht. Ich ziehe ihn zu mir heran und Harry rutscht weiter auf das Bett. Dann nehme ich ihn einfach nur in den Arm und lasse mich zurück in die Kissen senken. Er drückt seine Nase in meine Halsbeuge, klammert sich hilfesuchend an mich und ich versuche ihm das Gefühl zu geben, nicht alleine zu sein. Denn das ist er nicht; alleine.
„Haz... wir schaffen das schon irgendwie." murmle ich. Er drückt ein Bein zwischen meine und ich streiche ihm durch die Locken. „Ich will das alles nicht mehr.." Seine Stimme ist so leise, dass ich es fast überhört hätte. „Dann nimm dir eine Auszeit?" schlage ich vor. „Und wo soll ich hin?" er lacht bitter. „Zu mir?" - „Zu dir." Er sieht auf und blickt mich verwirrt an. „Ja, wieso nicht?" Er überlegt viel zu lange. Man kann praktisch hören, wie sein Kopf arbeitet und seine Gedanken hin und her schwirren. „Komm einfach ein paar Tage zu mir, Harry. Einfach mal hier raus, in ein normales, langweiliges Leben."
„Und du meinst, das geht einfach so?" - „Ja, wieso denn nicht?" frage ich ihn und er möchte antworten, aber ich unterbreche ihn doch sofort. „Okay, vergiss die Gründe, lass es uns einfach probieren, ja?" bitte ich ihn und stehe auf. „Wir holen jetzt ein paar Klamotten und dann fahren wir zu mir." - „Ich sag Steven Bescheid." nickt er, aber ich schüttle den Kopf. „Wir machen jetzt etwas verrücktes und fahren mit der Tube." beschließe ich und Harry lächelt etwas. „Auf deine Verantwortung."
Ich nicke und wir gehen in sein Ankleidezimmer. Harry holt eine schwarze Reisetasche aus einer Schublade und packt einige wenige Shirts und Hosen zusammen. „Was brauche ich noch?" - „Deine Zahnbürste?" Er nickt und geht ins Bad. Einige Minuten später kommt er mit einem kleinen Kulturbeutel zurück und wirft auch ihn in die Reisetasche.
„Fertig?" frage ich dann, als wir beide angezogen sind und er nickt. Er trägt eine schwarze Jeans und einen Hoodie, dazu Sneaker, die er laut eigenen Angaben noch nie getragen hat. Erst wollte er zu seinen Oxford greifen, aber die habe ich ihm direkt aus der Hand genommen; normales Leben, normale Schuhe. Darüber trägt er eine einfache, ebenfalls schwarze Jacke. Er schnappt sich sein Handy und sieht mich fragend an. „Fertig?" - „Ja. Wie kommen wir hier unbemerkt raus?"
Er schmunzelt. „Es gibt viele Wege aus dem Palast." antwortet er nur und betritt als erster den Flur. Ich folge ihm stumm, aber mit bis zum Hals klopfendem Herzen. Er nimmt meine Hand, wir biegen um eine Ecke und gehen in einen anderen Raum. Es ist nur eine Besenkammer, aber als er ein Regal zur Seite schiebt, wird ein schmaler Gang frei. Die Wände sind nicht verputzt und die Steine darunter liegen frei. Spinnenweben ziehen sich an den Kanten entlang und ich habe das Gefühl in einem Film zu stecken.
Harry kennt sich in diesem Labyrinth bestens aus. Er zögert nicht, als sich der Gang wieder und wieder spaltet und führt uns geradewegs zu einer dicken Tür. Der Knauf ist aufwendig verziert und sie sich aus, als wäre sie mindestens zweihundert Jahre alt. Harry dreht ihn kräftig und sie springt auf. Wir kommen aber nicht raus, wie ich gedacht hatte, wir stehen in einem Lagerraum voller Fässer. Harry schließt die Tür hinter sich, die scheinbar in der Wand verschwindet. Niemals würde ich denken, diese Backsteine würden zu einer Tür gehören.
Zielsicher verlässt er diesen Raum und wir befinden uns in einer Kneipe Ein Mann kehrt gerade den Boden und sieht uns verwundert an. Dann nickt er Harry nur zu und wir gehen durch den Hinterausgang raus. „Er kennt dich?" - „Ich bin früher oft durch die Kneipe aus dem Palast abgehauen." meint er schulterzuckend. „Also kennt er den Gang?" - „Theoretisch, aber man braucht einen Schlüssel um die Tür von außen zu öffnen." meint er nur. Ich sehe zu dem Haus, aber da hängt kein Schild. „Von vorne ist es der Pub Buckinghams Arms." erklärt er mir. „Der Gang wurde kurz vor 1840 gebaut, also bevor hier in England die Opium-Prohibition stattfand. So konnten die Adligen auch weiterhin heimlich das Zeug konsumieren."- „So alt ist der Pub?" frage ich überrascht, aber er schüttelt den Kopf.
„Nicht ganz, er wurde 1898 neu aufgebaut und kurz danach umbenannt, aber ja, gewisse Ware kam bis Mitte des 20. Jahrhunderts dadurch in den Palast. Heute gibt es andere Wege dafür." meint er nur. „Aber der Gang wurde nie zugeschüttet und da der Lagerraum nie zerstört wurde, nur die Kneipe davor, gibt es ihn heute noch." erzählt er mir und erstaunt sehe ich ihn an. „Woher weißt du das alles?" - „Als Kind war ich oft in den Gängen unter dem Palast unterwegs und als ich 14 oder 15 war, wurde ich neugierig, ob es noch mehr gibt. Ich habe wochenlang nur in der Bibliothek gehangen und in alten Tagebüchern gelesen, da steht so viel mehr drin, als in diesen langweiligen offiziellen Wälzern." schmunzelt er.
„Du musst mir die anderen auch irgendwann mal zeigen." entgegne ich aufgeregt und er nickt. „Irgendwann." verspricht er, küsst meine Hand und wir gehen zur nächsten Tube Station. Harry hat die Kapuze über gezogen und eine dicke Brille mit Fenstergläsern auf der Nase. Es sieht komisch aus, aber man erkennt ihn tatsächlich nicht, wenn man nicht etwas länger hin sieht und außerdem nicht erwartet, den Prinzen mitten auf der Straße anzutreffen.
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Ob das so gut ist, das Harry abhaut? Und was meint ihr passiert wohl, wen die zwei ganz alleine über die Straßen von London laufen? Ideen? Wünsche?
Love, L
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