22. Kapitel
Ich folge schon seit einer guten halben Stunde einem der Feldwege und trotzdem geistert dieses wieder in meinen Gedanken herum. Es kann doch nur bedeuten, dass zwischen Anny und Harry mal etwas lief. Wieso hat er es nicht erzählt? Es ist etwas anderes, wenn es nur eine Freundin, oder wenn es seine Ex-Freundin ist. Sie waren zusammen, oder zumindest waren sie irgendetwas.
Abgesehen davon, würde es Annys Verhalten erklären, wieso sie offenbar so sehr darauf aus ist, Harry in ihrer Nähe zu haben. Bisher habe ich versucht mit einzureden, dass es nur so ist, weil sie Harry sehr selten sieht, aber wenn da wirklich mal etwas lief, dann könnte es doch auch sein, dass sie noch nicht damit abgeschlossen hat. Ob Harry merkt, dass sie vielleicht doch noch mehr von ihm will?
Wieder etwas, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn darauf ansprechen soll. Irgendwie häufen sich diese Themen, seitdem wir hier angekommen sind rapide. Und dabei hatte ich mich so darauf gefreut, mit Harry einfach mal Zeit zu verbringen, ohne an den ganzen Kram denken zu müssen.
Die Koppel links neben mir scheint gar kein Ende mehr zu nehmen, rechts von mir ist ein großes Feld, wo Mais wächst. Mit den Händen tief in den Taschen vergraben laufe ich den Hügel hinunter und sehe am Himmel die Zugvögel in Formation am Himmel entlang nach Süden fliegen. Ab und an wechseln sie ihre Position, aber trotzdem dauert es nicht lange, bis sie hinterm Horizont verschwunden sind.
Zu gerne würde ich Harrys Hand nehmen und den Winter über auch auswandern; irgendwo in den Süden, wo uns niemand findet und wo Harry nicht heiraten kann. Wieso können wir die kalten Monate denn nicht irgendwo vor Afrika auf seiner Yacht verbringen? Da sind dann bestimmt auch keine Paparazzi. Wäre es denn so schlimm, wenn der Prinz von England für ein paar Wochen von der Bildfläche verschwindet.
Ich laufe an einem Bach entlang und ziehe die Jacke enger um mich. Es ist inzwischen recht kalt geworden, aber als ich darüber nachdenke, stelle ich mir sofort vor, wie Harry und ich auf dem Sofa unter einer decke kuscheln, irgendetwas Warmes trinken und dabei einen Weihnachtsfilm sehen. Das sollte definitiv auf unsere To-Do-Liste.
Ich laufe weiter und vor mir erstrecken sich weitere Felder mit Nutzpflanzen, von denen Harry mir erzählt hat. Es ist ein riesiges Areal und ich frage mich, wie viele Gärtner wohl jeden Tag hier bei Wind und Wetter arbeiten, damit es so gepflegt, aber doch nicht zu ordentlich aussieht. Ein Hase vor mir auf dem Weg flüchtet in die hohe Wiese und ich lächle. Ich mag den Gedanken, wie vielen Tieren hier ein Zuhause gegeben wird, ohne, dass ständig Chemikalien auf sie gegossen werden.
Etwas später denke ich, dass ich auf dem Weg zurück bin, aber irgendwie laufe und laufe ich und trotzdem kommt mir nichts bekannt vor. Ich habe ein ungefähres Gefühl in welcher Richtung das Schloss liegt, aber wirklich sicher bin ich mir nicht. Als ich es über mein Handy herausfinden möchte, muss ich feststellen, dass ich hier draußen tatsächlich kein Empfang habe. Ich bin auf einem königlichen Gestüt und habe kein Netz?
Seufzend stecke ich mein Handy wieder ein. Ich bin schon mehr als ein einhalb Stunden unterwegs und allzu viel Zeit sollte ich mir mir nicht mehr lassen. Ich laufe einen Hügel hoch, aber auch danach bin ich weiterhin umgeben von hohen Feldern. Es sind Kürbisse zu meiner Rechten und auf der anderen Seite stehen Apfelbäume. Ich gehe weiter und genieße dabei noch die Ruhe, die frische Luft und diese Unbeschwertheit, die die Umgebung ausstrahlt.
Ich gehe weiter, aber auch nach zwanzig weiteren Minuten, habe ich keine Ahnung, wo ich bin. Seufzend schaue ich mich und versuche noch einmal, ein Signal zu bekommen, aber das ist leider unmöglich. Ich sehe mich um und hoffe, vielleicht das Lavendelfeld, oder gar die Koppel wiederzufinden. Nichts, ich kenne hier absolut überhaupt gar nichts.
Wieso gibt es hier auch keine Schilder, wo es zum Schloss geht? Wie soll man sich denn auch hier zurecht finden?
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Sie kommen an der Koppel an und der Mann fährt sich durch die Haare, als er den Helm abnimmt und ihn an die Seite legt. Schnell sind die beiden Pferde von jeglichem Geschirr befreit, geputzt und laufen sofort wieder zu der grünen Wiese der Koppel.
„Ich dachte schon, du hättest es verlernt." grinst die junge, hübsche Frau, aber der Mann sieht sie nur empört an, fängt dann aber zu lachen. „Ich doch nicht! Wie könnte ich!" Sie zuckt mit einer Schulter und öffnet ihren Zopf. Ihre langen, glatten Haare fallen ihr über die Schultern und umrahmen ihr Gesicht.
„Wann musst du los?" fragt Anny dann und Harry zuckt mit den Schultern. „Yorick?" - „In zwei Stunden." antwortet er ihm und er nickt. Sie waren jetzt fast zwei Stunden draußen, Harry überlegt, noch kurz unter die Dusche zu springen, Zeit genug wäre ja.
„Wo ist Louis?" möchte er dann von dem Älteren wissen, aber dieser zuckt mit den Schultern. „Er ist wohl noch spazieren, er meinte vorhin, er läuft ein wenig über das Gelände." Harry nickt wissend, fragt sich aber trotzdem, ob er wohl wirklich nicht im Schloss ist. „Aber er sollte doch längst hier sein." sagt Anny dann auch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so lange durch die Gegend läuft." überlegt sie und auch Harry bezweifelt es eigentlich.
„Vielleicht ist er ja schon oben?" meint sie dann und Harry beschließt, einfach mal in sein Gemach zu gehen. Vielleicht ist Louis auch einfach durch den Haupteingang ins Gebäude gegangen und deswegen hat Yorick es nicht mitbekommen. Sie gehen die Treppen hoch, aber als er die Tür öffnet, sieht es genauso aus, wie vorhin, als sie zusammen zum Frühstück gegangen sind.
„Und?" fragt Anny, die auf der Treppe steht. Ihre kleine Wohnung ist eine Etage tiefer. Harry geht zur Brüstung stützt sich darauf und schüttelt den Kopf. Die Badezimmertür war geöffnet, dort ist er also auch nicht. „Nein, ich glaube, ich gehe noch einmal raus." sagt er dann und schlägt den Weg zur Küche ein. Gut möglich, das Louis dort ist. Susan kennt er schließlich und außerdem gibt es gleich Mittagessen.
„Suchst du was?" fragt die Köchin verwundert, als die mit einer großen Kiste in den Händen nur einen Moment nach Harry das Speisezimmer betritt. „Louis." sagt Harry nun etwas ernster, aber Susan schüttelt den Kopf. „Der junge Mann war hier nach dem Frühstück nicht noch einmal, tut mir leid." Harry nickt und geht wieder auf den Hof, wo Yorick gerade mit einem der Mitarbeiter spricht.
„Er ist nicht im Schloss." sagt Harry und unterbricht damit die Unterhaltung. In könnte es kaum weniger interessieren, es wird sowieso niemand etwas dazu sagen; dürfte niemand. Harry weiß das natürlich und auch, wenn er nicht oft auf diese Regel baut, ist es ihm gerade ganz recht, nicht erst warten zu müssen.
„Meinst du, er ist noch draußen?" fragt Yorick ihn dann und Harry zuckt mit den Schultern. Dann zieht er sein Handy aus der Hosentasche und versucht ihn anzurufen. „Das wird nichts bringen." meint Yorick direkt. „Der Sendemast im Norden ist schon wieder kaputt." Sie haben seit gut zwei Jahren mit diesem Mast zu kämpfen und viele Techniker sind schon daran gescheitert, herauszufinden, was genau das Problem ist. Eigentlich ist Harry davon ausgegangen, dass es inzwischen behoben ist, aber offensichtlich wäre es einfacher, einen neuen Mast aufzustellen, als den vorhandenen zu reparieren.
Deswegen hat man nur ab und an dort Empfang; am Schloss immer aber auf den Feldern nicht. Eigentlich ist es kein Problem, aber Harry ärgert es dennoch. „Sieh zu, das er repariert wird." antwortet er mit fester, befehlender Stimme. „Und ich möchte in zwei Minuten Anderson fertig haben. Ohne Sattel." fügt er hinzu und Yorick nickt.
Anderson ist das schnellste Pferd auf dem Hof und dadurch braucht Harry auch gar nicht sagen, was er vorhat. Er reitet zurück. Anderson Galopp ist gleichmäßig und auch, wenn Harry ein Sattel natürlich lieber wäre, ist es unpraktisch, wenn er Louis gleich finden sollte. Er sieht sich um, läuft einige Meter hin und her, da wird Anderson auch schon gebracht. Er ist ein Englischer Vollblut und ist früher Rennen gelaufen, bis er nach einigen Niederlagen nicht mehr interessant für die Sportwelt war.
Yorick konnte nicht anders, als ihn aufzunehmen und hierzubehalten. Harry reitet nicht oft, aber schon ab und an auf Anderson, er kennt das Pferd gut und daher wartet er gar nicht erst auf die vier weiteren Mitarbeiter, die ihn begleiten sollten.
Anderson prescht los und fliegt förmlich über Stock und Stein. Harry weiß, dass Louis es zum Schloss schaffen würde, wenn er die Koppel sehen würde, daher reitet er daran vorbei und erst auf dem Hügel dahinter kommt Anderson zum stehen. Er hört, dass die anderen auf ihren Pferden herangaloppiere kommen, aber das könnte ihn nicht weniger interessieren.
Rechts von ihm werden die Kürbisfelder kommen, links die Weinfelder. Er entscheidet sich en Weg nach links einzuschlagen und sollte Louis dort nicht sein, nach rechts rüber zu ziehen. Gemütlich trabt Anderson über die Felder und immer wieder ruft Harry Louis' Namen.
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Ob Harry Louis wohl finden wird? Und wo Louis wohl mittlerweile ist? Was meint ihr, wo wird er wieder auftauchen?
Love L
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