16. Kapitel
„Wieso sollte er das denn nicht tun?" Harry klingt verwundert und ich kann mir nur zu gut seinen Gesichtsausdruck in diesem Augenblick vorstellen. Ohne, dass ich es gemerkt habe, schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen, aber das verschwindet so schnell, wie es gekommen ist, als Anny weiter spricht.
„Er ist ein Journalist, weißt du das nicht?" - „Ja und?" - „Er hat so viel Material! Er könnte vermutlich inzwischen seine eigene Zeitschrift raus bringen! Er könnte so viel Geld mit den Geschichten und Sachen machen, die er über dich weiß. Tut mir leid, aber ich bin gerade echt nicht sicher, ob du das vernünftig überdacht hast." meint sie skeptisch und am liebsten würde ich jetzt darein marschieren und ihr mal deutlich sagen, was ein Bullshit das ist. Trotzdem bleibe ich hier stehen und lausche Harrys Antwort.
„Das ist mir auch klar und du bist nicht die Erste, die mir das sagt. Ich hab mit Steven darüber gesprochen, als ich Louis kennengelernt habe und mit Harper auch... Louis und ich hatten Stress und natürlich ist das Thema wieder aufgekommen, aber inzwischen hat sich das alles geklärt und bisher hat er nie etwas veröffentlicht, womit ich nicht okay war." erwidert er und ich bin einerseits erleichtert, dass Harry mir vertraut, aber andererseits ärgere ich mich darüber, dass ich ihm durch dieses riesige Missverständnis einen Grund dazu gegeben habe, es wirklich wieder in Betracht zu ziehen.
Wäre ich jetzt sauer, dass Steven mich überprüft hat, hätte ich wohl immer noch nicht verstanden, wie wichtig Harrys Sicherheit eigentlich ist; mich wundert es nicht und er hatte mir schließlich auch gesagt, dass ich überprüft wurde, bevor ich das erste Mal den Palast betreten durfte.
„Ich finde ihn merkwürdig." Ja, danke, ich dich auch. „Wieso das?" fragt Harry daraufhin und kurz bleibt es still. „Er hat einfach keine Ahnung! Wie soll er denn bitte mit dir eine gesunde Beziehung führen, wenn er dich dazu zwingt, dich zu verstecken! Außerdem ist er Amerikaner, wie soll das bitte klappen? Du weißt doch selbst, was die Bürger von Amerikanern hält; das wird er niemals aushalten. Außerdem bezweifle ich, dass er sich vernünftig benehmen kann. Hast du dir mal angeschaut, wie er isst? Harry! So jemanden kannst du doch nicht an die Tafel des Hofes setzen!" sagt sie empört und ich schnappe nach Luft. Wie esse ich denn bitte?
„Er isst, wie ein ganz normaler Mann." entgegnet Harry erstaunlich gelassen. Würde jemand so über ihn mit mir sprechen, wäre ich vermutlich schon längst ausgeflippt, aber Harry bleibt ruhig und gefasst. „Er hat keine Manieren. Ich wette, er weiß nicht einmal, wie er deine Eltern begrüßen müsste. Oh und mir ist aufgefallen, dass er keine Ahnung, von der Rangfolge hier in England hat." merkt sie an. „Weil er vor mir gelaufen ist?" fragt Harry sie dann und verwirrt versuche ich zu verstehen, was daran so falsch ist.
„Ich durfte es nie. Keiner hier." antwortet sie ihm. Also doch, Harry ist der Ranghöchste und daher geht er voraus. Und ich habe natürlich ungefähr nie darauf geachtet. „Ich sage ja nicht, dass er nichts mehr zu lernen hat, aber er ist neu in dieser Gesellschaftsschicht. Du weißt das alles, seitdem wir Kinder sind -" - „Ja, und es hat lange genug gedauert, damit ich an alles denke. Das schafft er nicht, Harry und das weißt du genauso gut wie ich." - „Ja und? Dann dauert es eben, bis -" - „Das wird ein Skandal, Harry." unterbricht sie ihn und ich frage mich, wieso sie die ganze Zeit von diesen Regeln spricht, sie aber selbst bricht. Das ergibt natürlich Sinn.
„Ach was du nicht sagst, Anny. Ich weiß auch, dass sich alle auf uns stürzen werden; ich bin mit einem Mann zusammen, der keine Ahnung von Etikette hat, der dazu noch Journalist ist und über mich schreibt und ach ja, er ist Amerikaner, was ja eine absolute Todsünde ist." antwortet Harry nun etwas aufgebrachter und es ist, als würde mir jemand ein enges Korsett angelegt haben; ich atme flach und es fühlt sich an, als würde die Luft aus meinem Brustkorb gepresst werden.
„Er wird nicht an deiner Seite bleiben können, sobald du dazu verpflichtet bist, König zu sein." sagt Anny nun ernster, aber ruhiger. Harry antwortet ihr nicht. Er widerspricht ihr nicht und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Mir war irgendwie die ganze Zeit klar, dass ich wohl nicht die beste Qualifikation habe, um mit einem zukünftigen König zusammen zu sein, aber es so deutlich zu hören bekommen, noch dazu von jemandem, der sich mit allen Regeln auskennt, macht es nicht besser. Mir wird etwas kälter und ich spanne mich an.
„Wissen es deine Eltern?" fragt sie dann etwas leiser und ich schlucke. Eigentlich möchte ich die Antwort gar nicht hören, aber ich schaffe es nicht, einfach weg zu gehen. Ich bleibe hier stehen, als wären meine Schuhe am Boden festgeklebt worden, und lausche weiter.
„Inzwischen ja. Meine Mum ist okay damit, wir haben nicht wirklich darüber gesprochen, aber sie weiß es." - „Und der König?" - „Du weißt selbst gut genug, dass er nicht begeistert ist." Sie seufzt. „Ja, das war mir klar, aber habt ihr darüber gesprochen?" - „Wohl kaum. Mum meint zwar, ich werde so oder so König, aber mein Vater hat doch schon lange vorherbestimmt, wen ich heiraten werde. Ich bin ihr versprochen und das weißt du." antwortet er ihr und mir bleibt die Luft weg. Mein Herz bleibt für einen Moment stehen und bröckelt dann an einigen Stellen. Der Stacheldraht drum herum, zieht sich enger zusammen und bohrt sich hinein.
„Will er immer noch, dass du -" - „Ja, er lässt sich davon nicht abbringen. Sonst könnte ich es ja theoretisch so lange hinauszögern, bis er tot ist und ich König bin. Er weiß was er tut, Anny." Harry klingt mehr als nur unzufrieden. „Wenn er möchte, könnte er jeden Tag meine Hochzeit ankündigen und mich vor diesen Altar zwingen! Was soll ich denn machen? Ich habe schon so oft mit ihm darüber gesprochen, aber er hatte immer die Vorstellung, dass ich doch irgendwann Gefühle für sie entwickle." erzählt er und stöhnt dann genervt.
„Ich gehe also davon aus, deine Mum wird dir nicht helfen?" - „Wohl kaum noch. Sie weißt genauso gut wie ich, dass er sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen wird. Ich werde sie wohl heiraten und mich erst scheiden lassen können, wenn ich König bin."
Schweigen macht sich breit und ich drücke mit Zeigefinger und Daumen auf meine Nasenwurzel. Harry ist versprochen. Harry wird heiraten, aber nicht mich. Eine Frau. Wieso hat er mir das nicht gesagt? Wieso muss ich so davon erfahren, dass von Anfang an klar war, dass es keine Zukunft für uns gibt? Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange und versuche das brennen in meinen Augen zu ignorieren. Scheißdreck.
Dann habe ich plötzlich die Kontrolle über meinen Körper zurück. Ich wische mir über die Augen und Wangen und atme tief ein und wieder aus. Eigentlich hätte ich das nie hören dürfen; es war nicht für meine Ohren bestimmt, aber ich Idiot musste mich ja wie ein fünfjähriger Junge benehmen und lauschen. Verflucht.
Ich versuche mein schmerzendes Herz und die dutzenden Gedanken in meinem Kopf auszublenden und betrete den Stall. „Louis." Harry sieht zu mir und lächelt ein wenig. „Wo warst du so lange?" fragt Anny verwundert und sieht mich scheinheilig freundlich an. „Hab mich im Schloss verlaufen." antworte ich schnell und sie verdreht die Augen. Nicht jeder ist hier aufgewachsen! Harry nickt nur und sieht denn zu den Pferden. Maxwell und Geenie sind beide komplett fertig gemacht worden und fragend sehe ich ihn an. Anny ignoriert das vollkommen, löst das Seil von Geenie und führt sie nach draußen.
„Komm mit." lächelt Harry, löst Maxwell und wir gehen über den gepflasterten Platz zwischen den Ställen.
„Ähm... was wird das?" frage ich ihn irritiert, als wir einen großen Platz mit staubigem Boden betreten. Erst jetzt sehe ich, dass Yorick dort schon steht. Harry stellt sich neben Anny und Geenie. „Louis, stell dich auf die linke Seite von Geenie." weißt Yorick mich an und Geenie gibt mir die Zügel. Überfordert blicke ich zu Harry, der in diesem Moment auf Maxwell aufsteigt. „Du auch." meint Anny trocken und ich schlucke.
Okay, wie war das nochmal? Ich brauche zwar mehr als einen Versuch, aber dann sitze ich, ohne Hilfe, im Sattel. Anny stand sowieso nur an der Seite und hat zugeschaut, wie ich vermutlich alles falsch mache, anstatt zu reagieren. Ich atme tief durch und schaue zu Harry. Ich nehme die Zügel, wie Yorick es mir gestern erklärt hat und im gleichen Augenblick läuft die Stute auch schon los. Ich zucke zusammen und halte mich instinktiv am Riemen des Sattels fest.
Geenie läuft hinter Maxwell her, noch recht langsam, und ich lasse vorsichtig den Lederriemen wieder los.
„Also Louis, willkommen zu deiner ersten Reitstunde." - „Bitte was?" frage ich laut und Harry fängt an zu lachen. Anny verdreht die Augen und antwortet, „Am Hof kann jeder reiten, du wirst es also lernen müssen." Ich spanne mich an und nicke, auch wenn ich mich frage, warum. Ich bleibe doch anscheinend sowieso nicht mehr lange dort.
-- -- -- -- -- -- --
Harry ist also jemandem versprochen... was denkt ihr, wer es ist? Und Wird Louis ihn darauf ansprechen? Und was glaubt ihr, wie er sich bei seiner ersten Reitstunde schlagen wird?
Love L
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro