Trauer und Liebe
~Moe~
Erschöpft lief ich die Straße entlang zu mir nach Hause. Ich hatte einen langen, anstrengenden Tag hinter mir. Der Atem gefror mir und ich zog meine rote Jacke enger um mich. Wenn nur diese verdammten Schläuche nicht im Weg wären!
Vor ungefähr zwei Jahren hatten die Ärzte bei mir Lungenkrebs diagnostiziert. Ich musste immer so eine Sauerstoffflasche mit mir herumtragen. Es standen so gut wie keine Chancen zur Heilung. Ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit zum Leben hatte. Deswegen genoss ich jeden Moment besonders.
Zum Beispiel mit meinen Freunden. Sie wussten über das alles natürlich Bescheid und unterstützen mich, so gut sie konnten. Heute würde Jin mich besuchen kommen. Er war einer meiner besten Freunde. Wenn ich so an ihn dachte und wie heute sein schönes Gesicht vor mir sah - sein Lächeln, wie das eines Engels - fragte ich mich, ob ich nicht doch mehr für ihn empfand...
Endlich war ich zu Hause angekommen. Ich schloss die Tür hinter mir und zog Jacke und Schuhe aus. Schnell machte ich mich auf den Weg ins Bad. Er würde gleich kommen und ich musste mir wenigstens noch die Haare kämmen.
Kaum war ich fertig, klingelte es an der Tür. Mein Herz begann wie wild zu pochen. Ich öffnete sie und da stand er. Schön wie immer und lächelte mich an. Schüchtern lächelte ich zurück. Jin umarmte mich zur Begrüßung. Mein Herz beruhigte sich immer noch nicht und ich hatte Angst, er könnte es bemerken.
"Du siehst wunderschön aus, Moe."
Wieder musste ich lächeln. Insgeheim hatte ich Angst gehabt, ihm könnte nicht gefallen, was er sah. Wegen der Schläuche und der Gasflasche.
"Kommst du?"
Ich nickte und zusammen traten wir ins Freie, um wieder einen gemeinsamen, schönen Tag miteinander zu verbringen.
***
Glücklich lief ich wieder einmal die Straße entlang. Ich war auf dem Weg zum Einkaufszentrum. Ich musste an gestern denken. Schon lange hatte ich nicht mehr so gelacht wie mit Jin.
Mittlerweile war ich mir sicher, dass ich ihn liebte. Seine Kumpels waren auch voll in Ordnung. Ich kam gut mit ihnen aus. Das würde also kein Problem darstellen. Die Frage war nur: Wie sagte ich ihm, was ich empfand?
Ich spielte alle möglichen Szenarien durch und kam zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, wenn ich es ihm einfach und direkt sagte. Glücklich über mich selbst, schlenderte ich ins Einkaufszentrum.
Auf einmal erfüllte mich ein schrecklicher Schmerz in meiner Brust. Ich bekam kaum noch Luft. Meine Atmung wurde flach. War etwas mit der Flasche nicht in Ordnung? Ich geriet in Panik. Hastig versuchte ich den Fehler zu finden. Meine Sicht wurde verschwommen. Ich wurde immer wackliger auf den Beinen. Ich fasste mir an den Hals. Ich brauche Luft! Ich will noch nicht sterben! Verzerrt nahm ich Stimmen um mich herum wahr. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich brach zusammen. Schmerzhaft schlug ich auf den Boden auf. Jetzt ist es aus! Jetzt werde ich es ihm nie sagen können! Das waren meine letzten Gedanken, bevor ich ganz in Ohnmacht fiel.
~Jin~
Ich presste die Lippen aufeinander um nicht los zu schluchzen. Immer wieder dachte ich mir: Das ist nur ein Alptraum! Das darf einfach nicht sein!
Mein Herz klopfte extrem schnell und ich hatte echte Probleme damit, mich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Warum? Warum musste so etwas immer so wundervollen Menschen wie Moe passieren?
Nachdem ich von Moes kleiner Schwester benachrichtigt wurde, bin ich auf dem schnellsten Weg Richtung Notaufnahme gefahren. Mich quälte vor allem der Gedanke, dass sie es vielleicht nicht schaffte und ich ihr nicht Mal sagen konnte, dass ich mehr für sie empfand, als ich bis jetzt zugegeben hatte. Warum bin ich auch so dumm gewesen es ihr nicht eher zu sagen?
Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und fing an zu weinen.
Zu lange! Ich brauchte viel zu lange! Wenn ich bei ihr ankomme, ist es vielleicht schon zu spät!
Ich trat auf das Gaspedal, komplett ignorant gegenüber den Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Nach einer zehnminütigen Autofahrt, die mir wie ein halbes Leben vorkam, rannte ich zur großen Eingangstür des weißen Gebäudes.
An der Rezeption erkundigte ich mich hastig und außer Atem: "Lee Moe?"
Die etwas ältere Frau schaute seelenruhig in ihrem Computer nach, sodass ich mich beherrschen musste, um sie nicht anzuschreien.
"Zimmer 14 im dritten Stock."
Ich rannte schnell, während sie das sagte, los. An den Fahrstühlen war schon eine Menschenmasse, weshalb ich mich entschied zu laufen.
So schnell ich konnte, rannte ich die Treppen nach oben. Ich hatte aufgehört zu weinen. Ich musste stark sein!
Endlich im dritten Stock angekommen riss ich die weiße Tür zu Zimmer 14 ohne anzuklopfen auf und rannte zu dem weißen großen Bett.
Moe schien so klein und zerbrechlich, ihre Haut war grau und eingefallen und der Glanz war ihr aus dem Haar und den Augen verschwunden.
Sie war an piepende Geräte und Schläuche angeschlossen und ein Computer zeigte ihren Herzschlag an.
Als sie mich sah, schien es, als ob sie versuchte, sich aufzusetzen, doch sie ließ sich kraftlos zurück auf ihr Kissen sinken.
"Danke, dass du gekommen bist", röchelte sie leise und kaum verständlich.
Ich musste mich stark zusammenreißen, um bei diesen kläglichen Sprechversuchen nicht wieder zu schluchzen. Also nickte ich nur, kniete mich an ihr Bett und nahm ihre kalte Hand in meine.
"Moe..." Weiter kam ich nicht, denn ich wurde von ihr unterbrochen.
"Shht bitte sag nichts. Ich wäre früher oder später sowieso gestorben und ob es nun heute oder nächste Woche ist, ist mir gleichgültig. Dass du gekommen bist, ist das einzige, was zählt. Ich wollte mich bei dir verabschieden", hauchte sie und lächelte schwach.
"Bitte Moe, verlass mich nicht", flüsterte ich mit zittriger Stimme.
"Ich liebe dich doch..."
Kurz war ein leichtes Zögern in ihrem Blick zu sehen. Dann jedoch antwortete sie: "Ich liebe dich auch."
Ich lächelte, aber die Tränen rannen mir in Strömen das Gesicht entlang.
"Bitte weine nicht um mich. Behalte mich in guter Erinnerung. Dann bin ich glücklich und kann mit dem Gewissen sterben, dass du mich geliebt hast. Hier."
Sie hielt mir zitternd ein kleines zusammengefaltetes Stück Papier hin, welches ich ebenfalls zitternd nahm. Dann lächelte sie wieder, stöhnte jedoch auf und die Geräte piepten immer hektischer.
"Ich muss... Dich...jetzt verlassen", bekam sie gerade noch heraus. Noch ein letztes Mal lächelte sie und ich erwiderte es unter Tränen. Dann schloss sie die Augen und ihre zierliche Hand erschlaffte in meiner.
Die Ärzte kamen herein gerannt und einer sah mich mitleidig an. Als sie bemerkten, dass es bereits zu spät war, fingen sie an, um mich herum Dinge umzuräumen und die Geräte abzubauen.
Still weinend saß ich an ihrem Bett und hielt weiterhin ihre Hand und spürte, wie sie langsam erkaltete.
***
2 Wochen später
Mit von Tränen verschwommenen Blick saß ich an ihrem Grab. In den Händen hielt ich den kleinen Zettel, den sie mir gegeben hatte, bevor sie starb.
Zum 1000. Mal las ich den Inhalt durch. Es war ein Songtext. Darüber stand in ihrer schönen Handschrift Awake.
Das war ihre ganz persönliche Art gewesen mir Lebewohl zu sagen. Hemmungslos begann ich wieder zu schluchzen. Dann fing ich leise und mit gebrochener Stimme an zu singen:
" 믿는 게 아냐
버텨보는 거야
할 수 있는 게
나 이것뿐이라서
머물고 싶어
더 꿈꾸고 싶어
그래도 말야
떠날 때가 됐는걸
Yeah it's my truth
It's my truth
온통 상처투성이겠지
But it's my fate
It's my fate
그래도 발버둥치고 싶어"
Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht schaue ich zum Himmel und flüstere: "Ruhe in Frieden, Moe"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro