Dachbegegnung
Als das Auto mit Diego, Dad und mir das Internat erreichte staunten wir: Die Schule war extrem offengebaut, es gab sehr viele Glaswände und im hinteren Teil vom Erdgeschoss gab es einfach keine Wand mehr. Bis auf den Zaun, der sich in einem Umkreis von ein/zwei Kilometer um das Grundstück schlang, war man also eigentlich Teil des Waldes. Außerdem schien jedes Zimmer einen eigenen Balkon zu haben, was ich auch wundervoll fand. Mit unserem Gepäck betraten wir die Eingangshalle (es gab hier einfach ein Schwimmbecken und die Cafeteria begann auch direkt hier) und fast sofort kam eine schwarzhaarige Frau auf uns zu. Als ich sie sah fielen mir fast die Augen aus dem Kopf und ein kleiner Blick zu Diego sagte mir, dass es ihm nicht anders ging: Es war Frau Federson, unsere ehemalige Mathelehrerin. „Sie ... sie sind auch ein Woodwalker?", stammelte ich und lächelnd nickte sie. Dann sagte sie: „Diego, Amelie, schön das ihr hergefunden habt! Eure Zimmersind die Treppe hoch im ersten Stock. Eure Namen stehen an den jeweiligen Türen. Hier ist das schwarze Brett, da drüben gibt es essen und dort sind die Klassenzimmer. Der Unterricht beginnt in drei Tagen, falls ihr noch Fragenhabt, kommt gerne auf mich oder meine Kollegen zu, wir stehen euch zur Verfügung. Ach so und noch was, der zweite Stock darf nur bis zur Krankenstation betreten werden, nicht weiter. Die restlichen Regeln hängen am schwarzen Brett, dort findet ihr außerdem die Klassenlisten, wo unter anderem auch die Zweitgestalten der anderen stehen, und eure Stundenpläne." Etwas perplex verarbeitete ich erstmal die Menge an Daten und meinte dann: „Danke." Frau Federson geleitete uns die Treppe hoch und wir trennten uns von einander, denn Diego musste bereits einen Gang vor mir abbiegen und Dad ging mit Frau Federson in ihr Büro (er durfte also in den zweiten Stock, interessant). Etwas verloren ging ich an den Toiletten vorbei, staunte nochmal über die Rutsche, die ins Schwimmbecken unter uns führte und bog dann in den Gang mit den Mädchenzimmern ab. Rechts und links gingen jeweils sechzehn Türen ab, von denen fünf Namen darauf stehen hatten und ich eine als Waschräume erkannte. Aber was mich nun am meisten interessierte war die Tür ganz am Ende vom Gang. Dort standen drei Namen drauf: Pauline, Lilli und Amelie. Das war dann wohl mein Zimmer. Vorsichtig öffnete ich die Tür, doch ich fand das Zimmer verlassen vor. Die Betten waren frisch gemacht und wenn ich nicht gerade mit Ordnungsfreaks in einem Zimmer war, hieß das, dass sie noch gar nicht da waren. Die drei Bettenstanden am Balkon, ein Einzelbett und direkt gegenüber ein Doppelbett. Ich entschied mich für das Einzelbett (falls ihnen das nicht passte konnten wir ja noch tauschen) und begann, meine Sachen in einen der Schränke zu räumen.
Von dem Fenster über meinem Bett aus konnte ich auf das flache Dach klettern, was ich nach dem Auspacken direkt machte. Gegenüber bei den Jungszimmern entdeckte ich einen dunkelblonden Jungen, der ebenfalls auf einem Dach saß, allerdings war das Dach drüben größer. Nun hatte er mich auch entdeckt, denn er rief zu mir herüber: „Gerade angekommen?" „Ja", rief ich zurück, „Ich bin Amelie Petersen!" „Tim Golderer", antwortete er und ging zurück ins Zimmer. Krasses Gespräch. Welches Tier Tim wohl war? Ich atmete noch einmal tief durch, dann ging auch ich wieder zurück in mein Zimmer und von da in die Eingangshalle, wo ich mich auf die Treppe setzte und auf Dad wartete, damit ich mich von ihm verabschieden konnte. Bereits wenige Minuten später kam er mit Frau Federson die Treppe herunter. Zum Abschied umarmte ich ihn. „Pass auf dich auf und schreib uns ab und zu mal!", meinte er und grinsend erwiderte ich: „Mach ich!" „Und wenn du nach Hause willst-", begann er und ich ergänzte: „Melde ich mich, ich weiß!" Dann ging Dad und ich winkte ihm bis er um eine Kurve fuhr und ich ihn nicht mehr sah.
Als ich wieder in der Eingangshalle war, ging ich zum schwarzen Brett. Meine Zimmernachbarinnen, Pauline und Lilli, waren laut der Liste ein Orca und Mustang (Pauline) und eine Schneeeule (Lilli), und Tim, der Junge vom Dachgegenüber, war ein Golden Retriever. Eine Tripel, wie cool! Alle dreiwaren ebenfalls in der Theaterklasse, was mich aufatmen ließ, denn so kannte ich immerhin schon jemanden. Danach ging ich wieder auf mein Zimmer und beschäftigte mich mit meinem Handy, bis es Zeit zum Abendessen war.
In der Cafeteria war noch nicht viel los und mehr würden es wahrscheinlich auch nicht werden. Als ich mein Essen hatte, stand ich etwas ratlos da. Diego saß mit drei anderen Jungs (unter anderem Tim) an einem Vierertisch, ich hätte also einen Stuhl dazu ziehen müssen und außerdem lachten die vier gerade zusammen. Wenn Diego es schaffte, sich so schnell mit jemandem anzufreunden, schaffte ich das garantiert auch. Also ging ich zu einem schwarzhaarigen Mädchen mit wunderschöner, karamellfarbener Haut, das alleine an einem sechs Personen Tisch saß und fragte: „Ist hier noch frei?" Sie blickte auf und lächelte. „Klar. Ich bin Cleo Milou und du?", stellte sie sich vor. „Amelie Petersen", antwortete ich und lächelte ebenfalls. „Du bist gerade erst angekommen, oder?", fragte sie neugierig und ich nickte: „Ja, mit Diego zusammen. Wir sind ne warte waren Nachbarn und auch in derselben Klasse. Frau Federson war unsere Mathelehrerin, sie hat wohl dafür gesorgt, dass wir hierher gehen." Das war für mich zumindest eine logische Erklärung, warum Diego plötzlich diesen Flyer in seinem Briefkasten hatte. Warum hatten wir eigentlich bisher keine Parallelen zwischen der Schule und unserer (ehemaligen) Mathelehrerin gezogen? Immerhin hatten beide den selben Name!
„Ist es nicht echt cool, dass es jetzt auch eine Wandlerschule in Deutschland gibt?", wollte Cleo wissen. „Und vor allem, dass sie im Schwarzwald ist!", fügte ich hinzu, „Sonst hätten meine Eltern das niemals erlaubt!" Wir redeten noch eine Weile mit einander und ich erfuhr, dass Cleo als Siamkatze in einer Familie aufgewachsen war, deren älteste Tochter Milou hieß, weswegen sie diesen Name als Nachname gewählte hatte und in der Sportklasse war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Cleo und ich noch gute Freundinnen werden konnten.
Gegen halb acht brachten wir unser Geschirr zurück und gingen wieder hoch in den ersten Stock. Auf der Treppe kamen uns zweikichernde Mädchen entgegen. Die eine hatte dunkle Haut und schwarze Haare, die andere wirkte als hätte sie in letzter Zeit viel Zeit in der Sonne verbracht, denn ihre Haut war etwas dunkler als ihre sandfarbenen Haare. Als wir an den beiden vorbei liefen, blickten sie mich neugierig an, sagten aber nichts. Im ersten Stock setzen Cleo und ich uns in zwei Sessel, die direkt vor dem Geländer standen, welches dafür sorgte, dass man nicht Ausversehen ins Schwimmbecken hinunter fiel. „Wer war das?", wollte ich von Cleo wissen. Sieseufzte: „Ruby und Kathi. Wir sind etwa gleichzeitig hier angekommen, aber sie haben mich bisher ziemlich ignoriert. Wahrscheinlich, weil Wölfe mit Katzen nicht so gut klar kommen." „Welche von beiden ist ein Wolf?", fragte ich neugierig nach und Cleo erwiderte: „Beide, das ist ja mein Problem." Ich verzog leicht das Gesicht, meinte dann aber: „Jetzt bin ich ja da." Sofort zierte ein Strahlen ihr Gesicht.
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