Aller Anfang ist schwer
Ich hasste diese Schule.
Ich hasste, wie besonders sich hier jeder fühlte.
Ich hasste, dass ich hier einfach nicht her passte.
Ich hasste, dass ich trotzdem jeden Tag hierher kommen musste.
Zusammen mit ein paar Mädels aus meiner Klasse lief ich einen Gang hinab, genau genommen liefen sie in einer Gruppe und ich wie ihre Schoßhündin hinterher. Dabei war ich keine Hündin sondern ein Reh, aber das konnte ich den anderen ja schlecht erzählen. Das Geheimnis der Woodwalker musste unbedingt geheim bleiben! Außerdem hätten sie mich für verrückt erklärt und ich wäre ganz allein gewesen. Und das wollte garantiert niemand, der zur Schule ging. Also gab ich mich tagtäglich mit diesen Mädchen ab (oder sie mit mir, so klar war das nicht). Immerhin war heute der letzte Schultag, also hatte ich nach den letzten vier Stunden endlich sechs Wochen Pause von ihnen. Mein Zeugnis war so wie ich erwartet hatte: Wenige Einsen, vereinzelt ein paar Dreien aber vor allem Zweien.
Nach der Schule merkte ich, dass mir einer meiner Klassenkameraden nach lief. Es war Diego, mein Nachbar. „Hey, warte mal!", rief er und rannte schneller. Ich wartete nicht, im Gegenteil, ich lief schneller, denn ich wollte nicht mit ihm reden. Er holte mich trotzdem ein. „Immer wenn du in meiner Nähe bist spüre ich so ein Kribbeln", erzählte er mir und ich versuchte seine Stimme auszublenden, doch das funktionierte leider nicht so gut. Ich brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was er da gesagt hatte und blickte ihn dann mit erhobenen Augenbrauen an. „Nein, nein, nein, so hab ich das nicht gemeint!", rief er und starrte mich mit aufgerissenen Augen an. „Wie dann?", erwiderte ich, obwohl es mir eigentlich egal war. Oder egal sein sollte. Schließlich war das immer noch der Diego, der früher mein bester Freund gewesen war. Der Diego, der seit der fünften Klasse – also schon fünf Jahre – kein Wort mehr mit mir geredet hatte. Und jetzt lief er neben mir und senkte seine Stimme: „Was ist deine Zweitgestalt?" Kurz erstarrte ich, doch dann überspielte ich es indem ich sagte: „Ich weiß nicht, was du meinst." Er konnte es nicht wissen. Es konnte einfach nicht sein! Woher auch? „Amelie, ich weiß, dass du ein Woodwalker bist!", erklärte er mir mit noch leiserer Stimme, „Ich bin selber einer!" Überrascht blickte ich ihn an. Diego, mein Nachbar, Klassenkamerad und ehemaliger bester Freund, war genauso wie ich? Na klar. Und doch vertraute ich ihm oder wollte es zumindest... „Sag du zuerst, welches Tier du bist!", forderte ich und er entgegnete: „Wolf, und jetzt sag, was du bist!" „Reh", antwortete ich. „Was hältst du davon, wenn wir mal zusammen in unseren Zweitgestalten in den Wald gehen?", schlug er vor und seufzend erwiderte ich: „Wölfe dürfen so gut wie jederzeit abgeschossen werden, schon vergessen?" Außerdem, was sollte das? Fünf Jahre ignorierte er mich, aber jetzt auf einmal wollte er Zeit mit mir verbringen? Er verzog das Gesicht. „Stimmt, da war was." Ich hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen waren, denn schon standen wir vor meinem Gartentor. „Bis morgen!", rief ich instinktiv, als ich hindurch ging. Denn das war die Wahrheit: Ich wollte wieder Zeit mit ihm verbringen, um zu sehen, ob ich es schaffen könnte diese fünf Jahre zu vergessen oder besser: Zu verdrängen „Bis morgen!", erwiderte er lächelnd und ging ebenfalls durch seinen Vorgarten. „Bin zuhause!", rief ich ins Haus hinein nachdem ich die Tür geschlossen hatte. „Kannst gleich essen kommen!", entgegnete Mum und ich betrat das Esszimmer. Da sie gleich weiterarbeiten musste gab es heute nur Spaghetti mit Bolognese, aber das fand ich nicht weiter schlimm.
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