7 ⭒ John Howell
⟁ CW: Verletzungen, Gewalt, Mord, Kannibalismus (also im Prinzip, irgendwie... Sagen wir einfach Fenrir Greyback, der ist eine Warnung für sich selbst.), Selbstverletzung ⟁
22.12.1980
"Sirius? Sirius."
Sirius murrte nur leise und zog sich die Decke über den Kopf. Jemand rüttelte ihn unsanft.
"Sirius," drängte Regulus noch einmal. "Wach auf."
"Was ist?" Er öffnete die Augen einen Spalt. Regulus stand neben dem Sofa und im grauen Licht der Morgendämmerung, das ebenso träge durch das Fenster zu fallen schien, konnte er den besorgten Ausdruck auf seinem Gesicht sehen.
Verwirrt musterte er ihn. Warum war er nicht mehr in seinen Schlafklamotten?
"Das Medaillon."
"Medaillon? ...Hast du schlecht geträumt? Ich kann auf Moonys Seite schlafen, wenn du willst." Träge streckte er die Hand aus, um sie gegen Regulus' Stirn zu legen, auch wenn dieser davor sträubte.
Er hatte ihm das Bett gelassen und war zum Schlafen auf ihr Sofa umgezogen. Schließlich sollte Regulus sich von dem ersten Fieber dieses Winters so schnell wie möglich erholen und er hatte es eh nicht mehr ertragen können, die elendige leere Seite anzustarren. Nachdem er sich im August mit Dumbledore unterhalten hatte, war Remus mit nicht mehr als einer lauwarmen Entschuldigung wieder auf eine Mission verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht. Die Wut auf ihn hatte Sirius jedoch wenigstens eine Weile davon abgehalten, sich Sorgen um ihn zu machen.
Eigentlich war Regulus aber schon seit einer Woche wieder auf den Beinen und seine Stirn fühlte sich völlig normal an.
Regulus schob seine Hand weg, schüttelte den Kopf und deutete auf Remus' Kette um seinen Hals. Das Medaillon hatte Sirius in den Wahnsinn getrieben, an manchen Tagen hatte er stundenlang nur darauf gestarrt, also war Regulus dazu übergegangen, es ihm am Tag und auch in manchen Nächten abzunehmen.
"Es ist warm," sagte Regulus und nach einigen Sekunden, in denen Sirius ihn nur verschlafen anblinzelte und versuchte, zu verstehen, was er gesagt hatte, machte sein Herz einen Sprung.
Er setzte sich auf. "Warm?!"
Regulus nickte und nahm die Kette von seinem Hals, um ihm das Medaillon entgegen zu strecken. "Heiß. Noch nicht lang, vielleicht zwei Minuten."
Statt es zu berühren, schob er Regulus zur Seite, schlitterte ins Schlafzimmer und zog sich hektisch etwas über die alten Klamotten von Remus, in denen er schlief.
"Festhalten," murmelte er außer Atem. Dann packte er seinen Bruder beim Arm, legte den Zauberstab gegen das Medaillon und die Welt zog sich in einem Wirbelsturm um sie zusammen.
⁂
Sie landeten auf einer verschneiten Waldlichtung. Er sah sich um, blinzelte angestrengt gegen den heulenden Schneewind an. Das Medaillon sollte ihn zu Remus führen, doch er konnte ihn nicht entdecken...
Was, wenn sie zu spät waren?
"Moony! Remus, wir sind hier!", rief er und Regulus legte mit einem warnenden Blick den Zeigefinger gegen die Lippen, während er sich umsah.
"Die Gegend muss geschützt sein. Es hat uns so nahe wie möglich gebracht," sagte er leise und hob den Zauberstab. "Homenum Revelio! ...Remus würde doch als Mensch zählen, oder?"
"Was zur- Natürlich würde er als Mensch zählen, was soll denn das bitte heißen-!", zischte er beinahe reflexartig, bevor er selbst innehalten musste, um über die Frage nachzudenken.
"Es war eine Frage. Willst du ihn finden oder nicht!", gab Regulus genervt zurück, dann schien er in der Nähe etwas zu entdecken und nickte in die Richtung. Während sie vorsichtig auf die Stelle zugingen, spürte Sirius seine Hände in der eisigen Kälte bereits taub werden.
Mit ihrem nächsten Schritt traten sie durch eine Art Schleier, der für einen kurzen Moment seltsam schimmerte. Regulus setzte gerade an, zu sprechen, als etwas die Stille gewaltvoll durchriss.
Ein Schrei hallte in der sonst völlig stillen Umgebung wieder, und er erkannte die Stimme, die er viel zu oft vor Schmerzen schreien hörte.
Sein Instinkt fand die Richtung, bevor sein Verstand es tat, seine Beine trugen ihn, bevor er es realisierte.
Kaum versteckt hinter ein paar dünnen Bäumen entdeckte er eine Gestalt in dem Schnee, die sich in zerissenen schwarzen Roben über etwas aufbaute, und etwas hatte kupferbraune Haare und versuchte, sich mit blutigen Händen rückwärts zu ziehen, und etwas war Remus John Lupin und die Gestalt riss das Maul auf-
Ein animalisches Geräusch brach aus seiner eigenen Brust hervor. "NEIN!"
Es ließ selbst die Gestalt, das Monster, zu ihm aufsehen. Fenrir Greyback verzog das Gesicht zu einem fürchterlichen Grinsen, das Reihen an spitzen Zähnen offenbarte, von denen es dunkelrot tropfte-
Rot.
Er sah nichts als rot.
"Relashio!", brüllte er und stürzte auf die beiden zu, aus dem Augenwinkel konnte er Regulus das gleiche tun sehen, "Flipendo!"
Ihre Flüche prallten einfach an der Bestie ab, die nur höhnisch lachte.
Er schmiss seinen nutzlosen Zauberstab zu Boden, ging stattdessen auf Greyback los.
Unter seinen Händen bekam er warmes Fleisch zu spüren und er presste sie hinein, um es herauszureißen, um ihn völlig zu zerreißen und ihn nur noch in harmlosen Fetzen auf dem Waldboden zurückzulassen!
"Was zur-! Stopp!"
Er biss zu, noch bevor er sich überhaupt vollständig in den großen schwarzen Hund verwandelt hatte, um ihn zu zerfleischen-
"Hey!"
Ein Paar Hände packte ihn und er gab ein bedrohliches Knurren von sich, schnappte beinahe nach ihnen, bis er realisierte, dass sie Regulus gehörten, der ihn von Greyback wegzerrte.
Die Unterbrechung riss ihn aus seiner Trance heraus und eilig verwandelte er sich zurück, versuchte keuchend, das Blut in seinem Mund loszuwerden.
Fenrir Greybacks Blut. In seinem Mund. Am liebsten wollte er sich übergeben.
"Bist du völlig durchgedreht?!", zischte Regulus entsetzt und zog ihn mit sich rückwärts.
Greyback, der eben noch keuchend am Boden gelegen hatte, machte Anstalten, sich wieder aufzurichten, und noch immer war da dieses verdammte Grinsen auf seinen Lippen, auch, während er eine Hand über den großen Biss auf seiner Schulter legte. Das sadistische, hungrige Verlangen in seinen Augen.
Er entdeckte seinen Zauberstab nur wenige Schritte entfernt, doch noch bevor er ihn aufheben konnte, schnappte Regulus ihn ihm weg.
"Hey-!"
"Abacinato!", rief Regulus, den Zauberstab auf Greyback gerichtet.
Der Werwolf fror in seiner Bewegung ein, stolperte und fiel plötzlich auf die Knie. Dann schlug er die Hände vor die Augen und brüllte auf wie ein gequältes Tier.
Er konnte es sehen, wie sich seine groben Finger, die langen gelben Fingernägel, fest in sein dreckiges, blutbeschmiertes Gesicht gruben. Wie zwischen seinen Fingern eine dicke, weiße Flüssigkeit hervorquoll, die strahlte, als hätte man in ihr das Licht hunderter Flammen, vielleicht das der ganzen Sonne, gebündelt, und zäh seine Arme herabtropfte.
"Reg-!"
"Sag unsere Namen nicht! Niemand darf wissen, dass wir hier sind," unterbrach ihn Regulus, der Greyback mit etwas, das wie eine Mischung aus Schock und Ekel aussah, musterte.
"Was ist das?"
"Das ist... wortwörtlich sein Augenlicht. Lass uns einfach von hier verschwinden, und das so schnell wie möglich."
Er warf ihm seinen Zauberstab wieder zu, hielt den eigenen, den er aus einer Tasche zog, auf Greyback gerichtet, der noch immer wie vor Todesschmerzen jaulte, und sie rannten zu Remus, der sich mittlerweile aufgekämpft hatte und schwer atmend gegen einen Baum lehnte.
"Moony!"
Der Schnee um Remus war rot und er selbst war heiß und kalt zugleich, und plötzlich waren Sirius' Hände auch feucht und rot... Sein Pullover hing nur noch in blutgetränkten Streifen von ihm herab, Wunden klafften auf seinem Torso. Er griff sein Gesicht in seinen Händen und Remus' weit aufgerissene Augen trafen seine.
"Pads," faselte er. "Pads, Greyback-"
Sirius packte seine Schultern, als er ihn bedrohlich schwanken sah.
"Ist schon gut, ist schon gut, wir verschwinden von hier, er kann dir nichts mehr tun-"
Remus sackte gegen ihn, klammerte sich mit einer Hand an seine Jacke. "Hier sind Kinder. Kinder, ihr müsst sie..."
Er presste hektisch die Hand fest über den tiefen Biss auf seiner Seite und unterdrückte das Verlangen, noch einmal auf Greyback loszugehen. "Wir müssen was? Moony? Hey, Moony, komm schon-!"
"Greyback!" Ein junger Mann stürmte auf sie zu, und selbst in den Schatten der Bäume, kombiniert mit der dunklen Farbe seiner Haut, war der feindselige Ausdruck auf seinem Gesicht klar sichtbar.
"Vincent! Donna!", bellte Greyback, die Handballen noch immer in seine Augen, oder das, was von ihnen noch übrig zu sein schien, gepresst. "Bringt mir diese kleinen Bastarde! Bringt sie her!"
"Sieht aus, als hätte Howell Besuch bekommen!", rief eine Frau, die die gleichen schwarzen Roben trug und aus der anderen Richtung auf sie zurannte. Ihr blondes Haar war zu einem festen Knoten hochgesteckt, so dass man die breite, dunkle Narbe, die sich von ihrer Lippe aus über ihr halbes Gesicht zog, sehen konnte.
Sie mussten andere Werwölfe sein, die sie nun einkesselten...
Er zog Remus mit sich. Einer der Wölfe, Vincent, ging nach wenigen Sekunden, die er sich mit ihm duellierte, zu Boden, doch Donna, mit der sich Regulus angelegt hatte, schien ihm wesentlich mehr Parole bieten zu können.
"Reg, brauchst du-"
"Nein!", schnitt Regulus ihm das Wort ab und sah nur einen Moment über seine Schulter zu ihnen. "Renn, ich halte sie uns vom Leib!"
"Sicher? Wenn du-"
"Ja! Willst du ihn hier weg bekommen oder nicht?!"
Sie arbeiteten sich Rücken an Rücken voran. Der Weg, den sie gekommen waren, schien plötzlich unendlich länger.
Regulus wehrte Donnas Flüche ab und stellte sicher, dass Greyback und Vincent am Boden blieben, Sirius stolperte mit jedem Schritt über mehr nonexistente Hindernisse und verfluchte Remus unter seinem Atem für seine Größe, die es immer schwerer machte, ihn zu stützen.
"Stopp!"
Ein Mädchen, wohl kaum älter als sechzehn, schnitt ihnen wenige Meter vor der Lichtung den Weg ab, der Griff um ihren Zauberstab so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.
"Lass John los," zischte sie.
"Tut mir Leid, ich kenne keinen John. Und jetzt würde ich es schätzen, wenn du uns aus dem Weg gehst." Er gestikulierte mit dem eigenen Zauberstab, um seinen Appell zu verdeutlichen. "Ich will dich nicht schocken müssen, zwing mich nicht dazu. Bitte?"
Dünnes, strähniges braunes Haar fiel um ihr Gesicht, eine dunkle, offensichtlich noch ziemlich frische Narbe lag quer über ihrer Wange. Ihre Klamotten waren dreckig und zerrissen, doch die relativ unversehrte, an ihr grotesk große Strickjacke, die um ihre Schultern lag, erkannte Sirius sofort als die von Remus wieder.
Remus sackte weiter in sich zusammen und er fluchte leise, presste die Hand fester gegen die Bisswunde. Er hoffte, es würde auch so nicht nötig sein, den Zauberstab auf das Mädchen gerichtet zu halten.
"Du hast seine Jacke. Er hat sich um dich gekümmert, richtig?" Er warf einen Blick hinter sich, zu Regulus, der sich noch immer ein hitziges Duell mit Donna lieferte. "Du kannst mit uns mitkommen, wir bringen euch beide in Sicherheit. Aber wir haben keine Zeit mehr, wir müssen uns beeilen."
Der Argwohn stand in ihr Gesicht geschrieben. Sie lehnte sich leicht vorwärts, als würde sie versuchen, einen Blick auf Remus' Gesicht zu erhaschen. "John," flüsterte sie eindringlich und warf einen flüchtigen nervösen Blick zu Sirius. "John!"
"Re- John ist unser Freund. Wir bringen ihn nach Hause. Siehst du die Kette um seinen Hals? Damit hat er uns um Hilfe gerufen," sagte er und ihr Blick schnellte wieder zu ihm.
Misstrauisch verengte sie die Augen, doch als er ihr die Hand hinhielt, schien ihr Zauberstab beinahe etwas herabzusinken-
"Nicht ohne-", fing sie leise an.
"Sasha!", rief Donna durch den Wald.
Dann hob sie wieder den Zauberstab. "Ihr könnt ihn nicht mitnehmen," zischte sie entschlossen.
Er seufzte und wandte den Blick ab, als sie bewusstlos zu Boden fiel.
Donna war einige Meter zurückgefallen, doch nun konnte er in den Tiefen des Waldes immer mehr Werwölfe entdecken, die zwischen den Bäumen hervorkamen.
Die Lichtung aber war nur noch wenige Schritte entfernt und er wollte vor Erleichterung singen, als er durch den schimmernden Schleier des Tarnzaubers stolperte, Regulus knapp hinter ihm.
Sein Bruder fädelte hektisch einen Arm unter Remus' Schultern und sah atemlos zu Sirius. "Dorcas?"
"Ja- Nein! Nein, sie weiß nicht, dass er- Nein, ich kenne jemand besseren-"
Donna trat aus dem Tarnzauber hervor.
Er hielt die beiden so fest wie möglich und betete zu allen Mächten, die er kannte, während er sich auf der Stelle drehte.
⁂
Sie landeten in einem kleinen Wohnzimmer, das er zu seiner Erleichterung wiedererkannte, ebenso den Mann, der in das Zimmer stürmte, den Zauberstab gehoben.
"Du solltest deine Wohnung besser schützen, Dad. Das ist verdammt gefährlich," murmelte Remus und lächelte halbherzig, dann sackte er endgültig bewusstlos nach vorn, nur knapp von ihm und Regulus aufgefangen.
Lyall Lupins Gesicht verlor seine Farbe.
⁂
Lyall hatte ihn und Regulus auf den Flur geschoben, so sehr Sirius auch darauf bestanden hatte, dass er helfen könnte, die Tür abgeschlossen und mit einem Silencio belegt. Eine Weile lang starrte Sirius diese wie gelähmt an, dann sah er sich langsam um.
An den sonst ziemlich kahlen Wänden hingen zwei Bilder. Das kleinere war ein magisches, das die dreiköpfige Familie zeigte. Hope, links im Bild, schien bemüht still zu sitzen, während Lyall, der mehr denn je wie eine etwas ältere Version von Remus aussah, lachend versuchte, seinen Sohn davon abzuhalten, die Kamera zu stehlen. Remus konnte nicht älter als vier sein, das Gesicht frei von irgendwelchen Narben oder Sorgen, die es schon bald zeichnen sollten.
Das zweite war ein großes, schon verblassendes Muggelfoto, deswegen fesselte es ihn auf eine seltsame Weise besonders. Hope blickte unbewegt geradeaus, und ihre starren, glanzlosen Augen schienen ihn dennoch zu fixieren.
"Hope hat sich immer jemanden gewünscht, der sich um dich sorgen kann, wie sie es gern tun wollte."
Er sah herab auf das Blut an seinen Händen und folgte dann Regulus in das kleine Bad am Ende des Flurs, um es von ihnen zu schrubben.
"... Was machst du da?", fragte dieser skeptisch, nachdem er ihn einige Zeit lang still beobachtet hatte.
"Ich wasche meine Hände."
"Ich dachte, Lupin ist arm, du kannst nicht einfach Liter an heißem Wasser und Seife aufbrauchen. Außerdem, und verbesser mich, wenn ich da falsch liege, wolltest du dir die Hände waschen und nicht die Handknochen. Du bist auf dem besten Weg, die freizulegen, oder wie lang willst du deine Hände jetzt noch 'waschen'?"
"Ich wasche meine Hände," wiederholte er knapp angebunden und schrubbte weiter, "bis sie sauber sind."
Regulus gab seinen Sarkasmus auf und klang stattdessen plötzlich sehr unsicher. "Das waren sie schon vor fünf Minuten. ...Sirius, hör auf, du blutest."
"Wenn sie sauber sind."
"Sie sind sauber! Jetzt hör doch auf damit!"
"Sind sie nicht! Woher willst du das wissen?!", zischte er.
"Ich habe verdammte Augen im Kopf! Hör auf!" Regulus schubste ihn grob zur Seite und drehte den Wasserhahn aus. Dann starrte er ihn entgeistert an. "Lass das! Was ist falsch mit dir?! Erst gehst du völlig unbewaffnet auf Greyback los, und jetzt das hier-"
"Ich habe es ihm versprochen," gab er leise zurück und setzte sich auf den Rand der Badewanne.
"...Was?"
"Remus. Ich habe Remus versprochen, dass Greyback ihm nichts mehr antun kann, dass er ihn kein zweites Mal kriegen wird."
"Kein zweites Mal? ...War es Greyback, der ihn verwandelt hat?"
Er nickte matt. "Sein Vater hat ihn beleidigt. Greyback hat Remus angegriffen, um sich zu rächen. Er war noch nicht einmal fünf Jahre alt."
Als er aufsah, schluckte Regulus und sah auf den Fliesenboden. "Er ist schrecklich."
"Remus hätte nicht überlebt, wenn sein Vater nicht schnell genug bei ihm gewesen wäre, um ihn zu verarzten. Deswegen sind wir auch hierher ge-"
Die Wohnzimmertür quietschte und er sprang auf. Lyall im Türrahmen, trocknete sich mit einem Handtuch die blutigen Hände. Dann trat er mit einem starren Nicken beiseite, um sie in das Zimmer zu lassen.
Remus saß halbwegs aufrecht auf der Couch und auch, wenn er benommen und noch viel kränklicher als üblicherweise aussah, das wichtigste war, dass er lebte. Vorsichtig stieg er über die Haufen von Verbänden und kleinen Fläschchen und Tiegeln, die vor und neben dem Sofa verteilt waren und strich ihm durch die Haare, während er ihn musterte.
Ein großes Pflaster über seiner Wange versteckte die Hälfte des matten Lächelns, mit dem er die Berührung quittierte. Praktisch sein gesamter Torso war versteckt hinter dicken Verbänden, links auf seinem Brustkorb schien schon wieder etwas rot durch sie hindurch.
Bevor er überlegen konnte, was er sagen sollte, klingelte es an der Tür und Lyall, der sie wie Regulus nur schweigend beobachtet hatte, eilte aus dem Zimmer, um sie zu öffnen.
"Das ist der Orden," sagte Remus matt. "Ihr solltet Moody besser aus dem Weg gehen, er wird nicht gut gelaunt sein."
Das eilige Poltern der Beinprothese kündigte ihn bereits an.
"Was zur Hölle sollte das werden, Lupin!", knurrte Moody, sobald er Remus entdeckte und hinkte, scheinbar nahezu rasend vor Wut, auf sie zu. "Waren wir uns nicht einig, keine verdammte Heldenspielerei! Du hast verdammtes Glück, verletzt zu sein, sonst würde ich dir jetzt gerne eine so ordentliche Ohrfeige verpassen, dass du deine Zähne einzeln vom Boden einsammeln kannst!"
"Hey," zischte Sirius warnend und legte eine schützende Hand auf Remus' Schulter, doch Moody schenkte ihm keine Aufmerksamkeit.
"Weißt du, wie viel verdammte Arbeit es war, hinter dir aufzuräumen? Du solltest hoffen, dass es gereicht hat, diejenigen zu obliviieren, die wir noch erwischt haben. Aber wer weiß, wie viele, die wir nicht erwischt haben, zu viel über John Howell wissen!"
"Greyback selbst schien ihn nicht erkannt zu haben," meldete Regulus sich zu Wort. "Wenn wir Glück haben, hat er niemanden von uns erkannt, und unsere Gesichter wird er schon bald vergessen."
Aus dem Augenwinkel sah Sirius Lyall bei dem Namen "Greyback" in der Bewegung, um einige Heiltrankflaschen wieder in seinen Koffer zu sortieren, inne halten.
Moody musterte währenddessen, noch immer wütend, Regulus. "Wenn ihr verdammtes Glück habt."
"Es tut mir leid," murmelte Remus und hielt seinen Kopf gesenkt. "Sie wollten weiterziehen, weiter weg von London, aber ich wusste nicht, ob die beiden über eine längere Strecke apparieren könnten. Es ist auch beinahe alles gut gelaufen, ich hätte sie in das Ministerium gebracht und- Ich... Ich bin davon ausgegangen, dass die Verwandlung Greyback schwächt."
"Das hat sie sicher auch. Niemand überlebt Fenrir Greyback zwei Mal, wenn er bei voller Stärke ist. Auch nicht du," knurrte Moody, doch Sirius stellte mit Erleichterung fest, dass die wütende Falte zwischen seinen Augenbrauen weicher wurde.
"Es tut mir leid. Ich war leichtsinnig."
Dumbledore, der den Raum so gefasst und still hinter Moody betreten hatte, dass Sirius ihn erst jetzt registrierte, trat aus dem Türrahmen hervor. "Mehr als leichtsinnig. Ich bin wirklich enttäuscht, Remus," sagte er und weder in seinen Augen, noch in seiner Stimme konnte Sirius den gutmütigen Unterton wiederfinden, mit dem er früher die Rumtreiber ermahnt hätte. "Wahrscheinlich haben wir hiermit jeden Draht zu den Werwölfen verloren. Wir haben dich zu Greyback geschickt, damit-"
Sirius starrte Dumbledore schockiert an, doch Lyall zog alle Aufmerksamkeit auf sich, als er lautstark eine schwere Glasflasche auf den Sofatisch knallte, wo sie zu Bruch ging. Ein dickflüssiger, bläulicher Zaubertrank breitete sich auf dem Tisch aus. "Sie haben meinen Sohn zu Fenrir Greyback geschickt?"
"Es war seine Mission-"
Langsam richtete Lyall sich auf und ließ Dumbledore dabei nicht aus den Augen. "Sie haben meinen Sohn zu Fenrir Greyback geschickt?!"
Sirius spürte die gleiche Wut in sich aufbrodeln, doch er glaubte kaum, dass es vorteilhaft wäre, wenn er- oder Lyall- auf Dumbledore losgehen würde.
Diese Meinung schien Lyall, der seine Taschen nach seinem Zauberstab abtastete, nicht zu teilen. "Ihre Mission ist es, meine verdammte Wohnung zu verlassen, und das sofort! Raus hier, raus, bevor ich mich vergesse-!"
"Beruhigen Sie sich, Lyall. Niemand hat Remus gezwungen, auf die Mission zu gehen, es war seine freie Entscheidung," sagte Dumbledore beschwichtigend, doch Lyall drehte sich nicht ansatzweise weniger wütend zu seinem Sohn.
"Ich sagte, raus mit Ihnen! Und du! Wie kannst du dich darauf einlassen? Bist du durchgedreht?!"
"Hey!", mahnte Sirius erneut.
Remus schüttelte seine Hand ab, bevor er die Worte gefunden hatte, um ihn zu verteidigen und stand schwankend von dem Sofa auf. "Oh ja, du warst ja schon immer derjenige, der besonders besorgt darum war, mich vor Greyback zu beschützen!"
Lyalls Wut schien wie ein Ballon zu zerplatzen und seine Schultern sanken herab. "Nein... Und das tut mir-"
Remus ignorierte ihn und wandte sich noch immer kochend Moody und Dumbledore zu. "Die beiden sind Kinder! Ich musste sie retten! Er hat die beiden verwandelt und aus ihrer Familie entführt, hätte ich sie dort lassen sollen? Wer weiß, wie viele Vollmonde sie dort noch überstanden hätten! Haben Sie Theos Bein gesehen?! Jemand hat sich um Theos Bein gekümmert, richtig?", fragte er, an Sirius gewandt, der ihn nur ratlos ansehen konnte. "Ich schätze, es ist gebrochen, an einer schlechten Stelle, aber Dorcas hat sicher..."
"...Theo?", fragte Sirius zögerlich.
Remus sah zwischen Regulus und ihm hin und her. "...Theodore. Ihr- Ihr habt doch die Kinder... Ihr habt sie doch... " Sein Gesicht wurde schlagartig kreideweiß und Sirius zog ihn zurück auf das Sofa. Wie die seines Vaters war seine Wut mit einem Mal von ihm abgefallen. Für einen Moment starrte er nur geradeaus, dann suchte er hektisch Moodys Blick. "Theodore und Sasha. Fünf und vierzehn, dunkle Haut, braune Haare? Theos linkes Bein ist verbunden -nicht wirklich gut, aber ich hatte keine anderen Mittel-; Sasha- Sasha hat auf der Wange eine Narbe vom letzten Vollmond?"
"Wir haben sie nicht gesehen," sagte Moody nur und Remus sank in sich zusammen.
"...Wir schon," gestand Sirius zögerlich, obwohl er nicht wusste, ob das eine gute Idee war. "Oder zumindest Sasha. Sie wollte uns davon abhalten, mit dir zu verschwinden, aber der Junge war nicht bei ihr. Ich schwöre es dir, ich habe versucht, sie zu überzeugen, mit uns zu kommen, aber sie hat sich dagegen entschieden."
"Ihr habt sie umgebracht," stöhnte Remus verzweifelt und raufte sich die Haare. "Ihr habt sie umgebracht! Was glaubt ihr, was Greyback jetzt mit ihnen anstellt! Sirius, ihr habt sie umgebracht!"
"Das ist nicht unsere Schuld. Du wusstest sicher vorher, was passieren könnte, wenn dein Plan schiefgeht," stellte Regulus fest und ignorierte Sirius' warnenden Blick. "Wir waren beschäftigt damit, dich zu retten. Was hätte er tun sollen? Sie zwingen, mitzukommen, ohne ihren Bruder?"
Auch wenn Regulus nicht unbedingt unrecht hatte, wollte er nichts mehr, als ihm auf den Fuß zu treten. Stattdessen beließ er es bei einem mahnenden Blick und legte einen Arm um Remus, der das Gesicht in den Händen versteckte. "Sie ist ein schlaues Mädchen. Donna hat gesehen, dass ich sie schocken musste, um an ihr vorbeizukommen, also hat niemand einen Grund, zu glauben, dass sie freiwillig mit dir mitgekommen wären. Vielleicht sind sie dort sicherer, als wenn sie mit dir geflüchtet wären."
Remus schüttelte fiebrig den Kopf. "Ich muss zurück, ich muss zurück zu ihnen, sie wollten in den Norden ziehen... Bitte, ich kann sie nicht-" Er wehrte sich gegen Sirius' Griff und versuchte, von dem Sofa aufzustehen, doch Regulus kam ihm zur Hilfe. Gegen die beiden zusammen kam er nicht mehr an.
Moody musterte sie für einen Moment schweigend, dann schüttelte er auch den Kopf. "Es ist zu spät, Lupin. Es wird Monate dauern, bis wir sie wieder aufspüren. Wenn wir sie jemals wieder aufspüren."
Remus antwortete nichts mehr.
⁂
"...James und Lily haben sich sehr gefreut, dass du zurück bist," sagte er leise, um die Stille in dem kleinen Bad, nur von Zeit zu Zeit gestört durch das Glucksen und Herabprasseln des Badewassers, zu durchbrechen.
"Du hast ihnen geschrieben?!"
"Mhm." Als er sich weiter Remus' Locken widmen und sorgfältig das Shampoo in diese einmassieren wollte, drehte dieser den Kopf zu ihm, um ihn alarmiert anzusehen. "Ich werde ihnen nichts über die Mission sagen, wenn du das nicht willst," beschwichtigte er.
Erleichtert drehte Remus den Kopf zurück und schüttelte ihn. "Es ist schon schlecht genug, dass du, Regulus und jetzt auch noch mein Vater davon wissen."
"Ich werde schweigen wie ein Toter. Versprochen. Ich habe ihnen nur geschrieben, dass du zurück bist. Sie machen kein Fleisch für Heiligabend."
Remus nickte und ließ ihn seine Haare ausspülen. "...Bist du wirklich sicher, dass die Verbände wasserdicht sind? Poppy hätte mich dafür umgebracht, so früh Wasser daran kommen zu lassen."
"Dein Vater meinte, es ist okay."
"Mein Vater ist Experte für magische Geschöpfe, kein Heiler."
"...Du gibst ihm die Schuld daran, oder? Dass Greyback dich angegriffen hat?"
"Es ist seine Schuld. Hätte er sich ein einziges Mal beherrschen können... Ich glaube... Ich glaube, ich habe ihm verziehen, aber es ist nie wieder wie früher geworden zwischen uns."
"Das Bild auf dem Flur... Es sieht aus, als wärt ihr euch so nahe gewesen. "
"Wir waren es. Er hat keine Bilder von mir, auf denen ich älter als vier bin. Manchmal kann er es nichtmal ertragen, mich anzusehen, wenn ich vor ihm stehe. Noch am gleichen Abend, nachdem sie mich ins St. Mungo's gebracht haben, wollte er abhauen, meine Mum und mich allein lassen. Weil er es nicht ertragen konnte. Die Schuld, dass er mich nicht beschützt hat, oder die Schande, weil sein eigener Sohn jetzt eines von diesen Monstern war, die er so verabscheut, ich weiß es nicht."
"Es war die Schuld," versicherte Sirius ihm. "Du glaubst doch nicht ehrlich, er könnte dich jemals verabscheuen? Würde er sich dann so um dich kümmern?"
"Ich habe die Familie ruiniert-"
"Hast du nicht."
"Wir waren schon arm genug, und plötzlich mussten wir mindestens jährlich umziehen, damit die Nachbarn keinen Verdacht schöpften, und ständig haben wir irgendwelche Medizin gebraucht... Nur Mum hat uns alle zusammen gehalten. Und jetzt ist sie weg und..." Remus nahm einen tiefen Atemzug, seine Schultern sanken weiter herab. "Ich vermisse sie," flüsterte er und seine Stimme zitterte, "Ich vermisse sie so sehr."
Sirius strich ihm hilflos über den Rücken, fuhr mit dem Finger über die einzelnen Wirbel, die sich viel zu spitz unter der Haut abzeichneten, seine Rippen, dort, wo sie nicht von dem dicken Verband bedeckt waren. "Mrs Wu kann gar nicht so viel kochen, wie sie dir wahrscheinlich gerade gern einflößen würde," lenkte er ab und Remus schmunzelte.
"Ich bin so müde," murmelte er dann.
"Nicht einschlafen." Er zog ihn vorsorglich rückwärts, bis er mit dem Rücken an seiner Brust lehnte. "Wie soll ich das deinem Dad erklären? Hey, Lyall, ich habe deinen Sohn vor Greyback gerettet, aber dann ist er mir in der Badewanne ertrunken?"
Remus lachte leise. "Nicht so. ...Nicht nur so." Dann wurde sein Gesicht wieder ernst. "Von diesem elendigen Krieg da draußen. Von jedem Fortschritt, den wir sofort wieder mit zwei Verlusten bezahlen müssen. Von... einfach allem."
Langsam kämmte er die Finger durch Remus' braune Locken, arbeitete kleine Knoten heraus. "Wir müssen durchhalten, Moony."
Er schüttelte den Kopf und schluchzte. "Ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr..."
"Du kannst. Wir können. Wir müssen! Für Harry. - Hast du Dumbledores Hand gesehen?"
Für einen Moment öffnete er die Augen einen Spalt, um ihn skeptisch anzusehen und Sirius bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln.
"Völlig schwarz und abgestorben, irgendein schwarzmagischer Fluch. Er hatte Glück, Marlene hat ihn noch aufhalten können, damit hat er sicher noch ein Jahr."
"Und das ist... gut?"
"Er hat einen Horkrux gefunden. Ein altes Erbstück aus Voldemorts Familie. Und er hat ihn zerstört, auch wenn er dabei einen Fluch abgekriegt hat. Ein Tropfen Basiliskengift hat ausgereicht, mehr ist Dorcas von den Resten im Wald ja auch nicht mehr übrig geblieben. Aber das heißt, wir müssen nur noch drei Horkruxe finden."
"Vielleicht wandern wir vorher auch nach Askaban für den unerlaubten Besitz von Basiliskengift, eine der tödlichsten Substanzen der Welt."
"Hey, wir sind seit Jahren unregistrierte Animagi und das Ministerium weiß nichts."
"... Nur noch drei Horkruxe."
"Wir müssen," wiederholte er und legte die Hand gegen Remus' unverletzte Wange, ließ die andere in seinem Haar verweilen. "Für Harry. Für James und Lily. Für Pete und Dorcas und Marls... Für mich, okay? Du musst für mich durchhalten und ich für dich. Nicht mehr lang, versprochen."
"Ich..." Remus sah ihn nicht an. "Ich wünschte nur, ich wäre nicht so nutzlos."
"Du bist nicht nutzlos!"
"Ich habe eine einzige Mission und ich ruiniere alles! Ich weiß nicht, wie viele ich auf dem Gewissen habe, wenn Voldemort die Werwölfe jetzt endgültig auf seine Seite schlagen kann, weil wir jeden Anschluss an sie verloren haben! Nur, weil ich es nicht fertig kriege...- Und die Kinder!"
"Ich habe doch gesagt, sie sind sehr wahrscheinlich sicherer dort als auf der Flucht. Wenn Greyback sie schon einmal entführen konnte, warum glaubst du dann, er könnte und würde sie nicht wieder zurückholen? Und außerdem kann Dumbledore es doch nicht einfach auf deine Schultern legen, allein alle Werwölfe zu bekehren...!"
"Der Orden hat nur einen Werwolf. Wen sollten sie sonst schicken?"
"Du bist kein lebloses Werkzeug, das der Orden und vor Allem Dumbledore einfach irgendwo einsetzen kann, wie es ihm passt!"
"Ich bin freiwillig gegangen. Ich wollte helfen!"
"Ja, helfen, aber wolltest du ehrlich mit Greyback leben? Dem Mann, der dich für dein Leben gezeichnet hat? Dessen Namen du eine Zeit lang nichtmal hören konntest, ohne eine Panikattacke zu haben?! Du bist gegangen, weil du glaubst, in Dumbledores Schuld zu stehen."
"Natürlich tue ich das, ohne ihn-"
"Und Dumbledore weiß das ganz genau. Er weiß, dass du genau deswegen jede Drecksarbeit für ihn verrichten würdest, wenn er nur nett genug fragt. Darüber hat sich auch McGonagall so sehr aufgeregt, richtig?"
Remus starrte herab auf das Badewasser und nickte leicht.
"Du kannst dir nicht die Schuld für etwas geben, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, klar? Dumbledore hätte es nie wagen dürfen, dich wieder zu ihm zu schicken, nach dem, was er dir angetan hat."
In der Stille konnte er förmlich die Proteste hören, die Remus nicht aussprach.
"...Ich hätte ihn umgebracht. Greyback. Für dich."
Remus lehnte den Kopf wieder an seine Schulter und der Geist eines Schmunzelns zog sich über seine Lippen. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass du einen Werwolf gebissen hast. Auch, wenn das eine außerordentlich hirnrissige Aktion von dir war."
"Ich war schon immer speziell," gab er grinsend zurück.
"...Aber mach das bloß nicht. Was soll ich anstellen, während du für Mord in Askaban sitzt, hm?"
✩
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