⟁ CW: Tod, Verletzungen, häusliche Gewalt⟁
25.10.1981
James sprang von den Treppen im Flur auf, als Regulus vorsichtig die Tür öffnete, und sah sich überrascht in der Runde um. "Professor McGonagall? ...Merlin, Reg, was hast du mit deinem-?!" Sein Blick schien an Remus hängen zu bleiben, dessen Lachanfall genauso schnell wieder vergangen wie gekommen war, und, obwohl Sirius es nicht für möglich gehalten hätte, noch mehr Farbe wich aus seinem Gesicht. "Moment- Wo ist-"
Sirius schnitt ihm mit einem vielsagenden Blick das Wort ab und steuerte Remus mit einer Hand auf seinem Rücken auf das Bad zu. Erleichtert stellte er fest, dass die anderen zu verstehen schienen und ihnen ihre Ruhe ließen.
"Ich bin gleich wieder da," versprach er und schob Remus vorsichtig auf den Badewannenrand. Genau dort saß er immer noch, als er wenig später mit frischen Klamotten zurückkehrte.
Er wusste, dass er irgendetwas sagen sollte, doch ihm fiel nichts hilfreiches ein, während er Remus half, seine blutige Kleidung auszuziehen. Als das heiße Wasser der Dusche auf sie herabprasselte - wahrscheinlich immer noch nicht heiß genug für Remus, von dem Sirius schon immer den Eindruck hatte, er würde am liebsten in siedendem Wasser duschen - schien langsam etwas Klarheit in seine Augen zurückzukehren. Mit dem abgewaschenen Makeup konnte er auch erkennen, dass darunter seine Gesichtszüge langsam wieder zu den eigenen wurden, dass sich blass die Spuren seiner Narben über sein Gesicht streckten. Jetzt, als sie sich gegenüber standen, überragte er Sirius schon wieder leicht.
"Es ist okay," murmelte er nach einer Weile und Sirius fühlte sich wie der größte Idiot der Welt. Remus hatte gerade seinen Vater verloren und hatte das Gefühl, Sirius trösten zu müssen? Remus war fantastisch in diesen Sachen; Sirius aus Albträumen aufzuwecken, ihm das Blut von den Händen zu waschen. Aber er war nicht Remus, und das hier war kein Albtraum. Dieses Blut war echt.
"Es ist nicht okay," sagte er schließlich und spülte das blutige Shampoo aus seinen Haaren, bevor er die Hände zu Remus' Seiten wandern und dort verweilen ließ; sicherstellte, dass er ihm in die Augen sah. "Und du musst nicht so tun, als wäre es das, hörst du?"
Remus wollte den Blick abwenden, doch er hielt ihn mit einer Hand auf seiner Wange auf sich gerichtet. Irgendwann in der Hektik des Krieges musste er vergessen haben, wie es war, tief in diese warmen braunen Augen mit ihren grasgrünen Sprenkeln zu sehen, und dem Ausdruck auf seinem Gesicht nach schien auch Remus sich gerade daran zu erinnern.
"Küsst du mich auch, wenn ich wie mein Vater aussehe?", flüsterte er.
"Ich küsse dich, egal, wie du aussiehst," gab er leise zurück, bevor er ihn an sich zog.
Als sie eine Weile später aus der Dusche stiegen, fing Remus zögernd an, zu erklären. "Ich habe seit siebzehn Jahren um meinen Vater getrauert. Um das, was ich mit ihm hätte haben können. ...Vielleicht kann das jetzt endlich zu einem Ende kommen."
Sirius schluckte schwer. Hatte er nicht sein ganzes Leben lang das Gleiche getan? Getrauert um die Eltern, die ein unschuldiges Kind verdient hatte, um die Version von Walburga und Orion, die Regulus, aber niemals er hätte haben können.
"Ich bin erleichtert, glaube ich. Das ist schrecklich." Er musterte sich selbst im Spiegel, fuhr wieder über die Haut, wo seine Narben versteckt waren. "Ich sollte mich fürchterlich fühlen, dass ich nicht um ihn trauere. Ich sollte um ihn trauern. Er war immer noch mein Vater, und er hat es doch versucht, er war ganz sicher nicht wie deine Eltern. Ich schulde es ihm, um ihn zu trauern. Und ich sollte meine Narben vermissen, ich sollte wollen, dass sie zurückkommen, das schulde ich denen, denen ich gepredigt habe, wir dürften uns für unsere Krankheit nicht schämen. Denen, die ihre nicht verstecken können."
Sein Blick traf im Spiegel den von Sirius, der ihn aufmerksam - und völlig sprachlos - beobachtet hatte. "Padfoot. Bin ich ein schlechter Mensch?"
Er ging auf ihn zu, schloss die Arme fest um seinen Torso, ohne den Blick je von seinem zu lösen, und küsste ihn auf die Wange (schließlich musste er es ausnutzen, so lang Remus noch etwas kleiner als sonst war). "Du bist kein schlechter Mensch," antwortete er, ohne Raum für Protest. "Und du schuldest dieser Welt gar nichts, Remus Lupin."
⁂
McGonagall saß mit James, Lily, Dorcas und Marlene zusammen in der Küche, und als sie dazukamen, sahen alle auf, als hätten sie die ganze Zeit still auf sie gewartet. Sirius hielt Remus' Hand fest in seiner.
"Wo ist Reg?", fragte er schließlich, als sie sich setzten und niemand anderes das erste Wort sagen zu wollen schien.
"Oben, um sich auszuruhen," erklärte James und musterte Remus besorgt. "Hat sich drei ganze Treppen allein hochgeschleppt, bevor er endlich meine Hilfe angenommen hat."
Er seufzte. "Alles andere hätte mich gewundert... Warum sind Sie hier, Professor?"
"Ich nehme an, ihr wart im Ministerium?"
Sie sahen sich an, als hätte die Professorin sie gerade für einen Streich in ihr Büro bestellt, und nach einem Moment gab Lily sich geschlagen und fischte die drei kleinen Flaschen Basiliskengift aus ihrer Tasche (Amateurin, ein wahrer Profi hätte zunächst alles abgestritten). "Was haben Sie denn erwartet? Sie haben uns den Hinweis gegeben."
McGonagall seufzte. "Dumbledore hat mich hergebracht, damit ich euch Vernunft einrede, aber ich hatte geahnt, dass es dafür schon lang zu spät ist. Ich hoffe, ihr wisst, dass ihr das ganze Ministerium und eigentlich die ganze britische Zaubererwelt in einen Ausnahmezustand versetzt habt? Von dem, was der Orden jetzt weiß, sind es mindestens sieben tote Arbeiter." Sie faltete die Hände auf dem Tisch und sah sich in der Runde um. "Ihr habt diese eine Chance, mir zu sagen, wozu ihr das Gift braucht. Welchen Auftrag Professor Dumbledore euch gegeben hat."
"Wir können es Ihnen nicht sagen, es ist zu gefährlich," seufzte James und fuhr sich durch die Haare.
"Wenn ihr dieses Geheimnis tragen könnt, dann kann ich es auch. Ihr habt keine Wahl. Der Schulleiter ist in geheimer Mission verreist, und er hat etwas in seinem Büro versteckt, das ich und zwei Ordensmitglieder um jeden Preis beschützen sollen. Auch vor euch. Ich nehme an, ihr braucht das, was er dort verwahrt hat, und ihr werdet es nicht bekommen, es sei denn, ihr habt vor, auch Hogwarts zu überfallen. So lang der Schutz von Hogwarts in meinen Händen liegt, kann ich euch versichern, das es euch nicht gelingen wird, und ich würde euch ungern in Azkaban sehen."
Sirius biss sich auf die Zunge, bis er die Stille nicht mehr ertragen konnte. "Okay. Sie wollten es so. ...Es sind Horkruxe. Lord Voldemort hat Horkruxe erschaffen." Er glaubte, dass er die Professorin bis jetzt noch nie so blass werden gesehen hatte. "Wir haben sie gefunden, wir glauben- wir hoffen, dass es alle sind, und sie dummerweise an Dumbledore gegeben, damit er sie sicher aufbewahrt. Wir brauchen das Basiliskengift, um die Horkruxe zu zerstören, dann können wir ihn wieder sterblich machen."
"Wir wissen, dass Voldemort an Halloween nach Godrics Hollow kommen wird, um mich, James und Harry zu töten," führte Lily fort und wippte Harry auf ihrem Knie auf und ab. "Regulus will ihm dann auflauern und ihn töten. Das geht nur, wenn wir sie zerstören."
Lang schwieg McGonagall nur und starrte mit geneigtem Kopf irgendwo in die Ferne. "Heute Abend, im Schutz der Dunkelheit, dann ist es am sichersten. Sirius, dein Bruder. Ist er fit genug, um mit euch zu kommen? Es wäre sicher weiser, sich nicht aufzuteilen."
"Von dem, was er mich vorhin sehen lassen hat, sollte es okay sein, solang ihn jemand von uns stützen kann," sagte Dorcas und steckte Sirius einen Zaubertrank zu. "Bring ihm das vorbei, wenn du kannst."
James nickte und legte den Kopf schief, als würde er schon über einen Plan nachdenken. "Okay. Heute Abend. Ihr solltet euch vorher ausruhen, wir brauchen euch bei voller Kraft."
⁂
Nachdem er Remus endlich überredet hatte, sich hinzulegen, schlich er sich nebenan in Regulus' Zimmer.
Eine einzige Kerze brannte auf seinem Nachttisch, warf spärliches Licht auf ihn, und wie üblich lag er auf dem Rücken, die Arme über der Brust verschränkt. Ein Stapel Kissen war unter sein Bein geschoben.
Leise setzte er sich auf die Bettkante, musterte ihn, musste daran denken, wie er zusammengesackt in dieser Kammer im Ministerium gesessen hatte. Musste sich dazu zwingen, den Gedanken zu verdrängen. "Hey. Schläfst du?", flüsterte er.
"Ja," murmelte Regulus. "...Wie geht's Remus?"
"Okay, denke ich. Erstmal. Und dein Bein?"
Dann öffnete er langsam die Augen, ließ den Blick zu Sirius gleiten, offensichtlich nicht in der Laune, sich sonst irgendwie zu bewegen. "Dorcas hat gesagt, es wird schnell wieder verheilen, mit ein bisschen Glück kann ich morgen wieder vernünftig auftreten und es bleiben keine Narben. Bis dahin wird es anscheinend einfach höllisch schmerzen."
"McGonagall will uns helfen, sie bringt uns heute Abend nach Hogwarts. Denkst du, du-"
"Ich lasse euch sicher nicht alleine die Horkruxe vernichten, für die ich fast gestorben bin, damit wir sie finden. Von so etwas lächerlichem lasse ich mich nicht aufhalten."
"Sowas lächerliches? Wenn ich mir sicher wäre, dass du mich nicht umbringst, würde ich dir an dieser Stelle schildern, wie beeindruckend weit der Knochen aus deinem Unterschenkel hervorstand-"
"Halt die Klappe," zischte Regulus und warf einen Arm über seine Augen. "Es ist schon schmerzhaft, das zu hören, halt bloß den Mund."
"Ah, dafür hat Dorcas mir was mitgegeben." Er zog zwei kleine Flaschen aus seiner Tasche und stellte sie auf Regulus' Nachttisch ab, der so viel aufgeräumter war als seiner. Dann deutete er auf die erste Flasche. "Für die Schmerzen. Nicht mehr als drei Schluck pro Tag, klar?"
"Klar..."
Sirius konnte es in Regulus' Augen sehen, als er die Aufschrift der zweiten Flasche erkannte. Schlaftrunk.
"Traumloser Schlaf," erklärte er leise. "Ich dachte, du könntest es vielleicht brauchen. Es ist keine Dauerlösung, aber zumindest ein paar Stunden..."
Zwar sah Regulus ihn dabei nicht an, doch er murmelte noch leiser ein "Danke."
"...Dann sollte ich dich wohl auch schlafen lassen." Er seufzte und klopfte Regulus ermutigend auf das Knie, bevor er aufstand. Eine Milisekunde zu spät realisierte er seinen Fehler, als Regulus schon hochgefahren war, die Hände zu seinem Bein geschnellt.
"Oh, Merlin! Tut mir-"
"Sirius, du-", zischte Regulus und brach prompt in eine Serie von Ausdrücken, die sich für den Erben des altehrwürdigen Hauses Black nun wirklich nicht schickten, aus.
Er zog scharf Luft zwischen seinen Zähnen ein und wartete geduldig ab, bis Regulus sich ausgeflucht hatte. "...Sorry. Wirklich."
Regulus ließ sich atemlos zurück in seine Kissen fallen, ließ die Augen geschlossen. "...Mhm. Sobald ich wieder rennen kann, bist du dran."
Er grinste und verschränkte die Arme. "Ohne deinen Zauberstab?"
Unbeeindruckt zog Regulus die Augenbrauen hoch. "Kein Problem. Wenn du jetzt gehst, lass ich dir den Vorsprung."
"Wir werden ja sehen." Mit einem leichten Grinsen schloss er die Tür hinter sich.
⁂
Als die Sonne dunkelrot am Horizont unterging und James ihn und Remus vorsichtig wachrüttelte, kämpfte Sirius sich nur schwer wieder aus dem Bett. Erschöpfung saß tief in jedem seiner Knochen, und obwohl er wusste, er sollte erleichtert sein, konnte er sich nicht dazu bringen. Der schwerste Teil war getan, sie hatten alle Horkruxe gefunden, von denen Regulus wusste, hatten das Gift, und mussten sie nur noch zerstören. Trotzdem, er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass am Ende diesen Weges nur noch Verderben auf sie wartete.
Seine Laune hob sich erst ein wenig, als er Regulus im Flur entdeckte, der mit zerzausten Haaren etwas orientierungslos auf dem Flur herumstand. James hatte wohl den Fehler gemacht und auch ihn aufgeweckt, obwohl Regulus ihm bis auf gemurmelte Drohungen noch nichts angetan hatte. Er protestierte nicht einmal, als Sirius seinen Arm über seine Schultern zog, um ihm die Treppen herab zu helfen.
"Du siehst müde aus," flüsterte er amüsiert. "Du hast doch nicht etwa wirklich geschlafen."
"Lass mich, so guten Schlaf hatte ich das letzte Mal, als ich wirklich die Drachenpocken hatte," murmelte er und rieb sich die Augen.
"Sicher, dass du mitkommen willst? Vielleicht solltest du dich einfach noch ein bisschen hin- Versteh schon," räumte er schnell ein, als Regulus ihm einen Blick zuwarf, der Antwort genug war.
Die anderen standen schon am Fuß der Treppe, in langen schwarzen Umhängen mit tiefen Kapuzen, die Schatten über ihr ganzes Gesicht warfen. McGonagall sah sie über ihre Brillengläser hinweg ungeduldig an.
"Ich sehe, Pünktlichkeit ist noch immer nicht eure Stärke."
⁂
Der Wind heulte durch Hogsmeades leere Straßen, als sie in einer dunklen kleinen Gasse apparierten. In manchen Häusern brannte noch ein mattes oranges Licht hinter den Fensterscheiben, doch in vielen Schaufenstern starrte ihnen nur noch gähnende Leere entgegen.
"Viele fliehen vor dem Krieg," erklärte McGonagall leise, während sie zielsicher ihnen voran durch das Dorf marschierte, vorbei am Honigtopf. Dabei hatte James ihnen vor wenigen Minuten noch erklärt, dass sie den Tunnel hinter der Statue der Einäugigen Hexe nutzen würden, um nach Hogwarts zu kommen, auch wenn sie die Steinrutsche hochklettern mussten. Zwar sagte Sirius sich selbst, dass McGonagall wohl einen besseren Weg gefunden hatte, doch er konnte den bitteren Geschmack der Nervosität in seinem Rachen nicht ganz herunterschlucken.
"Professor-", fing James an, doch sie kam schon vor einem anderen Haus zum Stehen.
Der Eberkopf.
Hinter den Fenstern war es pechschwarz und auch durch den Spalt unter der Tür fiel kein Licht, aber die Professorin hob die Hand, um in einem geübten Muster zu klopfen, und wenige Momente später steckte Aberforth Dumbledore seinen Kopf aus der Tür. Leise tauschten die beiden die klassischen Sicherheitsfragen des Ordens aus, dann ließ er sie alle eintreten.
Wie üblich war der Eberkopf nur spärlich von einigen flackernden Kerzen in dreckigen Gläsern beleuchtet und der Geruch von Staub und Rauch hing schwer in der stickigen Luft. In einer düsteren Ecke nahe der Treppen erhoben sich drei dunkle Figuren von einem kleinen Tisch. Aus dem Augenwinkel sah Sirius, dass er nicht der einzige war, dessen Hand sich fester um seinen Zauberstab schloss.
"Oh, ihr beiden," seufzte eine bekannte Stimme, und bevor er sie überhaupt zugeordnet hatte, warf eine der Figuren die Arme fest um ihn und Regulus.
"...Andy?"
"Sagt mir, dass ihr okay seid," murmelte Andromeda, und griff erst Sirius', dann Regulus' Gesicht in ihren Händen, um sie zu mustern. Sie selbst hatte tiefe Schatten unter ihren Augen. Sirius glaubte fast, eine graue Strähne in ihrem Haar zu sehen, doch vielleicht lag das nur am Licht. "Moody hat mir nicht erlaubt, euch zu sehen, nachdem sie euch befreit hatten..."
"Uns geht es gut," beruhigte Regulus. "Was machst du hier? Was ist mit-?"
"Ted passt auf die Kinder auf," erklärte sie.
"Und Neville ist bei meiner Mutter," ergänzte Frank, der zusammen mit Alice auch die anderen begrüßte.
Alice strich Harry fasziniert über die Haare. "Er ist so groß geworden, sieh doch nur, Frank. Wir haben euch viel zu lang nicht gesehen."
"Aber was macht ihr hier? Ihr seid doch nicht etwa nur wegen uns hier, wenn ihr bei euren Kindern sein könntet?", fragte Sirius.
"Doch, sind wir," erwiderte Alice, ohne den Blick von Harry lösen zu können, der sie zwar nicht zu erkennen schien, jedoch trotzdem glücklich über die Aufmerksamkeit vor sich hin kicherte, "Wir sind hier, weil wir wollen, dass unsere Kinder in einer sicheren Welt aufwachsen können."
"Anscheinend gibt es noch einige Mitglieder und Helfer des ehemaligen Ordens, die mir oder euch loyaler sind als Albus," sagte McGonagall. "Aberforth, Feuerwhiskey?"
"Des ehemaligen Ordens?", hakte James schließlich nach, während Aberforth an jeden von ihnen ein kleines Glas Feuerwhiskey "für die Nerven" austeilte.
"Der Orden des Phönix existiert nicht mehr. Oder nicht mehr in der Form, in der ihr ihn verlassen habt. Albus hat sich selbst nicht den Gefallen getan, den Grund für euren Ausstieg zu verschweigen, und es hat sich ein großer Riss zwischen den Mitgliedern aufgetan. Einige wie ich waren wenig begeistert von den Mitteln, die Albus und Alastor einsetzen wollten, um diesen Krieg zu gewinnen."
"Beispielsweise Siebzehnjährige als Spione allein zu Lord Voldemort und Fenrir Greyback zu schicken?", fragte James bitter.
"Unter anderem. ...Hört zu, ich will, dass ihr das wisst. Ich glaube fest daran, dass Albus Dumbledore ein guter Mensch ist. Ich habe noch nie daran gezweifelt, dass er seine Macht in diesem Krieg nur für die richtige Seite, für das beste Ziel einsetzt. Für eine freie, sichere, offene Zaubererwelt. Aber ich weiß auch, dass er nicht oft bemerkt, wie viel er von anderen verlangt; dass er genau weiß, wie er dafür sorgt, dass jemand in seiner Schuld steht.
Und Alastor... Alastor ist das, was dieser Krieg aus ihm gemacht hat. Ein paranoider, argwöhnischer, abgehärteter Auror. Dieser Krieg hat ihn sein Bein gekostet, ein Auge; Freunde, Familie, Mentoren, Schützlinge. Fenwick, Vance, die Prewetts. Keiner von ihnen war mehr als zehn Jahre älter als ihr. Alastor hat sie alle trainiert für diesen Krieg, jeder von ihnen stand unter seinem Schutz, und jeden von ihnen hat er sterben gesehen. Er hat zu lang in diesen Abgrund geblickt, ich befürchte, er wird nie wieder der Alte werden.
Ich war von Anfang an dagegen, als sie mir von den Plänen für eure Missionen erzählt haben, aber ich kann nicht annähernd behaupten, ich hätte genug getan, um sie davon abzuhalten, und das werde ich für immer bereuen. ...Es ist-"
"Minerva," warf Aberforth ein, "Ich wollte dich nicht unterbrechen, aber es ist alles vorbereitet."
Sie schwieg einen Moment, dann nickte sie und sah sich auffordernd in der Runde um. "Worauf wartet ihr? Lasst uns gehen, wir haben keine Zeit zu verlieren."
Aberforth führte sie in einen Hinterraum, vor ein großes, rechteckiges Loch in der Mauer, vor dem wohl ein Porträt zur Seite geklappt war und den langen, dunklen Tunnel dahinter offenbarte.
Der Gang zog sich Ewigkeiten lang und an einigen Stellen war die Decke so niedrig, dass sie fast kriechen mussten. Besonders Regulus schien dies zu schaffen zu machen, doch jedesmal, wenn er ihm leise anbot, eine Pause zu machen, schüttelte er nur den Kopf, biss die Zähne aufeinander und schleppte sich weiter.
Als sie endlich aus dem Tunnel hervortraten, standen sie in der Mitte eines Raumes, der ihm nur zu bekannt vorkam.
"Der Raum der Wünsche?", kam James ihm verwundert zuvor.
"Ich sagte doch, ich war auch einmal jung," erwiderte McGonagall, die ihnen unbekümmert weiter vorauslief, und er hörte ihr ein leichtes Schmunzeln an. "Beeilung," drängte sie.
So, wie sie McGonagall still durch die düsteren Gänge hinterherliefen, erinnerte es Sirius an die wenigen Male, vor Allem in ihren ersten Jahren an Hogwarts, die ihre Hauslehrerin sie nachts außerhalb der Betten erwischt hatte, bis sie schließlich gelernt hatten, wie man sich unentdeckt durch die Gänge schlich.
Er erinnerte sich an das Rauschen von Adrenalin durch seine Adern, das Gefühl, nach einem erfolgreichen (oder auch kläglich gescheiterten) Streich durch diese Gänge zu rennen, sich im erstbesten Raum zu verstecken vor empörten Professoren und Hausmeistern, das Gefühl, wenn vier aufgeregte Blicke sich trafen. Wie viel er doch geben würde, um die Zeit zurückdrehen, wieder Teil dieses Quartetts übermutiger, waghalsiger, sorgloser Jungen sein zu können. Um noch eine Chance zu bekommen, um diesmal alles richtig zu machen. Mit einem schweren Schlucken riss er sich von dem Gedanken los.
"Sirius," flüsterte Regulus. Die Hand, deren Arm nicht um Sirius' Schultern lag, hatte er fest um seinen Zauberstab geschlossen. "Ich glaube, da kommt jemand," murmelte er etwas lauter, so dass auch der Rest der Gruppe aufmerksam wurde.
Alice, Frank und Andromeda, die hinter dem Rest der Gruppe liefen, um ihnen Rückendeckung zu bieten, gingen sofort in Abwehrstellung.
Einen Moment lang hörte und sah Sirius selbst überhaupt nichts, und konnte sich nicht davon abhalten, sich besorgt zu fragen, ob Regulus' Sinne ihn nicht schon wieder täuschten. Dann wollte er gerade den nächsten Schritt machen, als sie plötzlich direkt vor Professor Slughorn und Madam Pomfrey standen, die um die Ecke gebogen waren.
"... müssen definitiv mit ihm sprechen, auf irgendeinen anderen Weg wird er es sonst auch erfahren, aber ich fürchte, da fehlt mir wirklich das nötige Fingerspitzenge- Minerva!", verwirrt musterte Slughorn sie alle. "Weiß der... Weiß der Schulleiter hiervon?"
Sirius glaubte kurz, seine eigenen Augen täuschten ihn, als er McGonagall den Zauberstab ziehen sah. Sie schien in dem dunklen Korridor noch viel größer zu wachsen, über dem Slytherin-Lehrer, der auch angebracht eingeschüchtert aussah, förmlich zu türmen. "So lang Albus nicht hier ist, bin ich die Schulleitung. Und ich nehme an, wir können das hier unter uns behalten, Horace?"
Während Slughorn ein wenig wie ein Fisch an Land zu ihr aufsah, musterte Madam Pomfrey die anderen, und obwohl sie sich bemühten, die Blicke gesenkt zu halten, schien sie kaum Schwierigkeiten zu haben, sie zu erkennen.
"Was macht ihr denn hier?", fragte sie überrascht und schlängelte sich an den anderen vorbei, um Remus mustern zu können. "Du bist schon wieder größer geworden..."
"Was machen Sie beide so spät noch auf den Gängen?", gab McGonagall die Frage zurück.
Slughorn seufzte. "Es ist wieder passiert."
Die beiden Professoren liefen ohne Widerworte mit der Gruppe mit, als McGonagall den anderen still deutete, weiterzugehen.
"Schon wieder eine ermordete Familie," erklärte Slughorn. Aus dem Augenwinkel warf Sirius einen Blick zu Marlene und Dorcas, die sich betroffen ansahen. "Der Schüler ist erst in der ersten Klasse, ich weiß wirklich nicht, wie wir es ihm sagen sollen..."
McGonagall schüttelte nur schweigend den Kopf und kam vor der Wendeltreppe mit dem Wasserspeier, die zum Schulleiterbüro führte, zum Stehen. "Darum müssen wir uns später kümmern. ...Poppy, Horace, Sie haben doch nichts dagegen, uns zu helfen?", fragte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. "Sie und Andromeda werden mit mir kommen, wir passen auf Harry auf. Alice und Frank, ihr bewacht diesen Eingang. Und ihr- Ihr geht in dieses Büro und tut, was ihr tun müsst."
Andromeda und die Longbottoms gingen sofort auf Position, doch James schien noch einen Moment zu zögern, Harry an McGonagall zu reichen. Er und Lily sahen sich lang an, bevor sie Harry zum Abschied küssten und ihm leise etwas zumurmelten.
McGonagall nahm ihn an sich. "Ich beschütze ihn mit meinem Leben, wenn es sein muss," sagte sie, und murmelte dem Wasserspeier das Passwort zu.
Sirius' Blut rauschte so laut in seinen Ohren, als die Wendeltreppe sie zum Korridor herauftrug, dass er nicht verstand, was die anderen leise besprachen.
Das große, runde Büro sah noch genau so aus, wie er es in Erinnerung hatte. Es war bis an die Decken gefüllt mit den seltsamsten Objekten, und von zahlreichen Kerzen ausgeleuchtet. Fawkes grüßte sie mit einem neugierigen Krächzen.
McGonagall schien schon Vorbereitungen für sie getroffen zu haben. Die Porträts der ehemaligen Schulleiter waren mit schweren Tüchern verdeckt, und der Schreibtisch war leergeräumt. Bis auf den Kelch von Helga Hufflepuff, das Diadem von Rowena Ravenclaw und das Tagebuch von Tom Riddle, die dort sauber aufgereiht waren.
Er musste schwer schlucken, sah zurück zu der hohen Tür, die sie hinter sich geschlossen hatten. War es wirklich zu spät, umzukehren und wieder zu gehen?
Aus ihrer Tasche zog Dorcas vier Paar Handschuhe, von dem sie eines selbst anzog. "Mit Basiliskengift sollte man besser einfach nichts riskieren, vor Allem in solchen dünnen Flaschen. Ich will gar nicht wissen, welchen Amateuren die Auroren das abgenommen haben," murmelte sie vor sich hin und teilte die restlichen Paare an Regulus, Lily und Marlene aus, bevor sie ihnen aus einer anderen Tasche je einen feinen Silberdolch überreichte. Diese hatte sie schon im Grimmauldplatz sorgfältig in dem Gift getränkt.
Obwohl Regulus sich leise beschwerte, dass er die paar Schritte schon alleine schaffte, half er ihm zum Schreibtisch, bevor er wie die anderen einige Schritte Abstand nahm. Marlene stellte sich vor dem Tagebuch, Lily vor dem Diadem und Regulus vor dem Tagebuch auf.
"Drei...", fing Lily an, herunterzuzählen.
Remus griff seine Hand fest in seiner.
"Zwei..."
Er konnte das Gefühl nicht herunterschlucken. Das war keine gute Idee, irgendetwas würde schrecklich schief gehen. "Tut es nicht," murmelte er, doch niemand hörte ihn.
"Eins. Jetzt!"
Er kniff die Augen zu. So seltsam es war, er hatte das Gefühl, den Anblick nicht ertragen zu können.
Einige Momente verstrichen. Nichts geschah.
Vorsichtig öffnete er die Augen wieder, und sah nur in ebenso verwunderte Gesichter. Die drei standen dort, als wären sie eingefroren, den Dolch noch immer hoch über dem Kopf, an der Seite, vor der Brust erhoben.
Ein Geräusch drängte sich langsam in den Vordergrund seines Bewusstseins, ein hohes Summen, das den ganzen Raum erfüllte und von den Wänden widerhallte und sich selbst verstärkte. Als es lauter und lauter wurde, verzogen die anderen die Gesichter, pressten die Hände über die Ohren, er glaubte, es war Dorcas, die er stöhnen hörte, als würde es ihnen Schmerzen bereiten. Die anderen duckten und krümmten sich, als könnten sie dem Klang so entkommen, doch Sirius reckte das Kinn, streckte sich ihm mit dem ganzen Körper entgegen.
Der Klang war nicht schmerzhaft, er war himmlisch. Er war der erste volle Atemzug frischer Luft, der seine Lungen füllte, als wäre er nach Jahren unter der Wasseroberfläche hervorgebrochen. Er war eine Sommerbrise in seinem Haar, er war Schweben, hoch über dem Wolken, hoch über allem Sterblichen, er war pure Elektrizität, die durch seine Adern zuckte, unaufhaltsam, ungebändigt.
"Kommt schon! Zerstört es!", rief jemand neben ihm über den Klang hinweg.
Er riss die Augen auf, sog gierig Luft in seine Lungen, und sein Blick zuckte zu den drei Figuren vor dem Schreibtisch.
Marlenes Arme zitterten, als kämpfte sie gegen eine unsichtbare Macht an. "Ich kann nicht!"; presste sie zwischen den Zähnen hervor, "Ich kann nicht zustechen!"
"Tut es nicht!", rief er diesmal.
"Hört nicht auf ihn!", zischte Regulus. "Wir müssen sie zerstören!" Das Zittern beherrschte seinen ganzen Körper, es war offensichtlich, dass ihm schon zum Stehen die Kraft ausging.
Erbärmlich. Und er glaubte wirklich, er würde einen Horkrux vernichten?
"Sirius?" Eine andere Stimme neben ihm, der er keine Aufmerksamkeit schenkte.
Er spürte etwas wie ein Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte. Jetzt wusste er, was zu tun war.
Zuerst den Schwächling, dann Marlene. Das Schlammblut würde dann schon Gehorsam leisten, wenn er sie zwang, ihren kleinen Freunden in die leblosen Augen zu starren.
Jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter, doch er schob ihn mühelos von sich, hörte ihn noch in etwas im Hintergrund stolpern, um ihn würde er sich gleich kümmern...
Der Silberdolch fiel klappernd zu Boden, als seine Hände sich um Regulus' blassen Hals schlossen. Mit einem überraschten Keuchen drehte sich dieser erbärmliche Junge zu ihm, traf mit geweiteten Augen seine. Regulus' Bein gab unter ihm nach, er knickte ein, doch er hatte die Hände fest um den Stoff seiner Jacke geballt und riss ihn mit sich zu Boden.
Sie prallten hart auf, ihr Fall nirgendwo abgedämpft, doch er ließ seinen Griff keinen Bruchteil einer Sekunde locker, kniete jetzt über ihm, und so sehr er sich wenden würde, er würde ihm nie wieder entkommen. Endlich hatte er ihn.
"Du wirst sterben," zischte er und starrte auf ihn herab, "hier und jetzt, du elendiger Verräter."
Er drückte noch fester zu, bis er ihn unter sich röcheln und husten hörte. Und doch waren seine Hände viel zu schwach in diesem sterblichen Körper, als wollten sie ihm nciht ganz gehorchen. Statt köstlicher Angst verzog ein Grinsen die blau anlaufenden Lippen dieses dreckigen Diebes.
"Komm schon, Tom," keuchte er, und legte die diebischen Hände über seine, drückte fester zu. Bellatrix hätte sie beide abhacken sollen. "Tu es."
Ein Schrei der Wut durchzuckte ihn. Wie konnte er es wagen?! Wie konnte dieser niederträchtige-
Etwas Dumpfes kollidierte mit voller Wucht mit seiner Schläfe, warf ihn zu Boden, von dem er sich für einen Moment nicht mehr aufkämpfen konnte, in dem die Zeit sich endlos lang zu ziehen schien.
Er sah Regulus sich zur Seite rollen und hustend liegen bleiben, sah das Glänzen von Silber auf dem Parkett, eine dunkle Hand, die den Dolch schnappte, bevor er jemals die eigene danach ausstrecken konnte.
Potter rannte auf den Schreibtisch zu.
Blendende Angst riss sich durch ihn, er stürzte ihm hinterher.
"JETZT!"
Das Silber blitzte im hohen Bogen durch die Luft-
"NEIN!"
und sank mit einem ohrenbetäubenden Zischen in Silber, Leder und Gold.
Er hörte sich selbst schreien, spürte es, wie sie die Dolche wieder herausrissen, als würden sie ihn zerreißen, hörte das Summen anschwellen zu einem schrillen Klingeln, sah eine riesige schwarze Wolke von dem Tisch aufsteigen und alles verschlucken, hörte sie die Fenster sprengen-
Sirius schwankte in der Dunkelheit, wusste nicht mehr, wo vorn war, wo hinten, was oben und unten, doch er wusste, dass er kippte, dass er kippte und fiel, in die endlose Dunkelheit hinein.
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