⟁ CW: Mord, Tod, Verletzungen, Folter, Häusliche Gewalt ⟁
17.10.1981
Sirius zog gerade die letzte Naht fest, als Moody wieder aus der Küche kam, seine Nase augenscheinlich notdürftig selbst verarztet.
"Fast fertig," versuchte er, Regulus aufzumuntern. Dieser hatte keinen Mucks von sich gegeben, hielt James' Hand dafür jedoch immer noch fest umklammert. Er klopfte ihm auf das Knie, nachdem er Nadel und Faden zur Seite gelegt hatte, und sah dann zu Moody, der im Türrahmen stand, als wartete er auf den Augenblick, um etwas zu sagen.
"Alastor," kam Molly ihm leise zuvor und schien in seinem Blick etwas zu suchen. "Gideon? Fabian?"
Moody senkte den Blick und schüttelte den Kopf. "Es tut mir leid, Molly." Seine Stimme war schwer mit so viel Mitleid, wie Sirius es von ihm noch nie gehört hatte.
Zögerlich zog Sirius die Zauberstäbe der Brüder aus seiner Tasche, um sie auf dem Wohnzimmertisch abzulegen, während Molly nur schweigend ins Nichts starrte.
Dann zog auch Moody etwas aus seinem Umhang und legte es vor sie auf den Kaffeetisch: Es war ein schmaler Bogen Pergament, und als er ihn mit dem Zauberstab antippte, erschien eine Art Tabelle mit drei langen Spalten darauf:
Vermisst/ Geflohen:
Azkaban:
Tot:
"Hier," sagte er knapp. "Ich weiß nicht, ob ihr sie haben wollt. Jeder Auror vor Ort hat eine."
Er zückte einen kleinen Federkiel, beugte sich über die Liste und strich drei Namen ganz oben aus der ersten Spalte, die verblassten, sobald er die Linien fertig gezogen hatte: Sirius Black. Remus Lupin. Regulus Black. Unter der dritten Spalte ergänzte er dafür einen Namen: Evan Rosier.
Sirius überraschte es kaum, dass es der letzte Name war, an dem er Regulus' Blick hängen bleiben sah.
Moody schien noch etwas sagen zu wollen, dann schüttelte er nur den Kopf und schob die Zauberstäbe der Prewetts ein wenig zurecht. "...Es hat sechs Todesser gebraucht, um die beiden unterzukriegen. Mehr als sechs, höchstwahrscheinlich. Wir können nicht wissen, wie viele von diesen Feiglingen direkt geflohen sind. Du kannst wirklich stolz auf sie sein, Molly."
Erst, als die Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen war, ging Molly langsam auf die Liste zu, strich mit dem Finger über die Namen ihrer beiden Brüder, hoch oben in der viel zu langen dritten Spalte.
"Ich hätte sie lieber feige und schwach, und- und dafür lebendig..."
Dann schluchzte sie auf, presste die Hand vor den Mund und stürmte aus dem Wohnzimmer. Die betroffenen Blicke der anderen folgten ihr.
"...Oh nein. Emmeline Vance wird vermisst," las Lily plötzlich leise vor. Gerade, als Sirius wieder auf den Pergamentbogen sah, zog sich eine schiefe Linie durch ihren Namen, der in wenigen Sekunden völlig verblasst war. Dafür setzte in der zweiten Spalte, Azkaban, eine schräge, saubere Handschrift an, die Marlene leise als die von Vance bestätigte.
Doloh
Vance stoppte und Sirius' Magen verkrampfte sich mit einer unheilvollen Vorahnung.
"Was ist mit ihr?", murmelte James unruhig, griff nach der Liste, als könnte er Vance durch sie hindurch bei den Schultern packen und schütteln, damit sie weiterschrieb.
Stattdessen strich jemand den Anfang des Namens aggressiv heraus und Sirius' Vorahnung bestätigte sich, als dieser jemand Antonin Dolohov in die Spalte Vermisst/ Geflohen kritzelte.
"Dieser Bastard," zischte Remus, doch sie alle konnten nichts als hilflos zusehen, wie er Emmelines Namen wieder auf die Liste setzte, diesmal jedoch unter Tot.
Schließlich, als würde er noch auf ihr Grab spucken, ergänzte Dolohov etwas hinter seinem Namen:
:)
Sirius drehte sich um und schlug die Faust gegen die nächste Wand. "Ich gehe nach Dorcas sehen," murmelte er, mehr als dankbar für die Ausrede, aus dem Haus zu entkommen.
⁂
Er fand sie früher als erwartet. Dorcas kauerte auf den Stufen vor der Haustür, den Kopf auf den Knien abgelegt, die sie fest an sich hielt.
"Hey, Meadowes, ist es nicht kalt?"
"Ein bisschen, Black," antwortete sie, ohne sich zu ihm umzudrehen.
Er nickte und legte ihr vorsichtig die Decke, die Molly ihm wohl irgendwann in die Hand gedrückt haben musste, er konnte sich nicht erinnern, um die Schultern. "Warum sitzt du dann hier draußen? Das Haus ist wirklich groß genug, um wenigstens im Warmen eine Krise zu haben."
Dorcas seufzte und zupfte die Decke zurecht. "Weißt du, Sirius, wenn Menschen aus einem Haus flüchten, dann tun sie das manchmal mit Absicht, und nicht gerade, weil sie unbedingt die Menschen darin sehen wollen."
"Du musst es bloß sagen. Sag mir nur, dass du mit niemandem darüber reden willst, und ich verzieh mich wieder ins Haus. "
Sie schwieg einen Moment. "...Du solltest dich ausruhen," murmelte sie.
"Mir haben sie nichts getan."
Er stand noch immer beinahe völlig hinter ihr, doch er konnte sie vor seinem inneren Auge skeptisch die Augenbrauen heben sehen.
"Klar."
Vorsichtig setzte er sich zu ihr, als würde er versuchen, eine Katze nicht aufzuscheuchen. "Es muss etwas Heftiges sein, dass es Dorcas Meadowes so aufwühlen kann."
"Wenn es dir nicht heftig genug ist, dass ihr von Bellatrix Lestrange entführt und gefoltert wurdet und der Orden in einem Kampf so viele seiner fähigsten Kämpfer verloren hat... Oder dass James für eine gute Minute tot war."
Er zündete sich eine Zigarette an, nach der es ihn schon die ganze Zeit in den Fingerspitzen gejuckt hatte. "Du hast auch sonst immer einen kühlen Kopf behalten."
Als er ihren Blick auf sich bemerkte, bot er ihr die Zigarette an. Sie drehte sie zwischen den Fingern, dann nahm sie einen kurzen Zug, bei dem sie die blutige Schramme in ihrer Lippe bemüht von dem Papier fernhielt, und gab sie ihm zurück.
"Willst du mir sagen, es ist möglich, in so einer Situation einen kühlen Kopf zu behalten? Hast du's?"
"Ich würde nie behaupten, dass mich das kalt lässt. Oder dass ich in den letzten Stunden auch nur einmal vernünftig gehandelt habe. Aber dich erkenne ich trotzdem fast nicht wieder."
Dann entdeckte er einen zerissenen Bogen Pergament neben ihr. Moody schien ihr auch eine Liste gegeben zu haben.
"-Fuck, Dorcas, du hast das mit Em gesehen? Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen-"
"Es ist meine Schuld. Hätte ich die Mission nicht versaut, hätten sie nie erfahren, dass wir Horkruxe suchen. Vielleicht hätten sie euch dann nie gejagt. Es hätte zu all dem nicht kommen müssen."
"Bullshit, Dorcas. Fang damit gar nicht an, hörst du? Sie haben uns gejagt, weil der Spion ihnen verraten hat, dass ich der Geheimniswahrer bin."
Dorcas lachte trocken und zog ihm die Zigarette aus der Hand, bevor er sie zu seinem Mund führen konnte. "Was, willst ausgerechnet du mir jetzt vorschreiben, worüber ich mich schuldig fühlen darf? Ich bitte dich, dein Zweitname ist Schuldkomplex."
Er schmunzelte. "Orion, tatsächlich, aber nur ganz knapp falsch."
Nach einem langen Zug sah sie ihn einen ebenso langen Moment nur an, dann brach sie in Tränen aus.
Für eine Schocksekunde konnte er sie nur anstarren. "Whoa- hey, was-"
"Es ist meine Schuld, dass sie ihren Namen kannten! Sie haben Marlenes ganze Familie umgebracht und euch entführt und die Prewetts und Benjy und Emmeline sind tot und James hätte es sein können und- und es ist meine verdammte Schuld!"
Vor Schock sprachlos legte er ihr eine Hand auf die Schulter und sie schluchzte lauter, dann schüttelte sie sie schlagartig ab und zog hektisch ihren Zauberstab.
"Dorcas!"
Er packte ihre Arme, bevor sie ihn an ihre Kehle führen konnte. Obwohl sie mit den letzten Resten ihrer Kraft gegen seinen Griff ankämpfte, konnte sie ihn nicht abschütteln.
"Dorcas, verdammt, was soll das-!"
"Sie sind tot!", schrie sie so laut, dass ein Gnom im Garten der Weasleys verschreckt den Kopf aus einem Busch steckte.
Langsam ließ er sie los und rollte ihren Zauberstab außer Reichweite. Schluchzend legte sie das Gesicht in die Hände. "Sie sind tot und es ist meine Schuld..."
"Ist... Ist es okay, wenn ich dich umarme?"
Sie nickte kaum merkbar, so dass er für einen Moment überlegte, ob er es sich nur eingebildet hatte.
Als er die Arme um sie legte, streifte seine Hand eine feuchte, heiße Stelle an ihrer Seite und er war sich sicher, dass es Blut war, ohne seine Hand ansehen zu müssen. Mit seiner sauberen Hand rieb er ihr über den Rücken.
"Langsam. Was ist passiert?"
"Wir- Vance meinte, bei ihr wäre es nicht sicher genug, also wollten wir eine Weile bei den McKinnons untertauchen, aber-" Obwohl sie nie der Typ für Umarmungen gewesen war, klammerte sie sich jetzt beinahe schmerzhaft fest an ihn und schluchzte in seine Schulter. "Sie haben sie alle umgebracht. Ihre Mutter und ihren Vater, ihre Brüder und ihre kleine Schwester! Sie hätten nicht gewusst, wer Marls ist, wenn ich es nicht verraten hätte!"
Sirius schauderte, als er sich wieder an den Kommentar des Todessers und Marlenes Reaktion erinnerte. "Aber- Das ist doch nicht deine Schuld. Die Mission ist schiefgelaufen, das hätte jedem passieren können, aber du hast euch beide lebendig da raus geholt!"
"Aber ihre Familie nicht!"
Während er nach den passenden Worten suchte, lockerte er seine Arme etwas, doch Dorcas machte keine Anstalten, ihn von sich zu schieben. Er fragte sich still, wie lang sie diese Umarmung wohl schon gebraucht hatte.
"Es hätte nicht schief laufen sollen. Wir hatten es alles so gut geplant..."
"Es war nicht deine Schuld, dass es schief gelaufen ist."
"Doch! Doch, war es, ich war so nervös, ich konnte mich nicht mehr konzentrieren! Nur deswegen konnten sie uns einholen, und dann habe ich unsere Namen ausgeplappert! Und alles nur wegen-" Sie wurde still.
Vorsichtig tastete er sich voran, besorgt, dass er zu weit vordringen und sie verschrecken würde, wenn sie sich endlich mal jemandem geöffnet hatte. "Ihr habt ein Stück von Voldemorts Seele gestohlen, umringt von seinen höchsten Todessern. Ich würde mir Sorge machen, wenn jemand dann nicht nervös wäre."
"Wegen Yaxley," gestand sie leise. "Merlin, er ist so widerlich, und ich musste mit ihm tanzen und- Sirius, seine Hände..."
Sirius' Magen wurde tonnenschwer.
Nein...
Erst Marlene, jetzt auch noch Dorcas?
Wenigstens war Yaxley im Gegensatz zu Hammond noch am Leben, und er müsste sich keine Sorgen um das Ministerium machen, könnte es vielleicht sogar eine Ordensmission nennen, obwohl der Muggelweg auch verlockend klang...
"Dorcas," murmelte er und seine Stimme bebte vor Wut. "Wenn er dir- oder Marlene- irgendwas..."
"Nein, nein." Sie löste sich aus der Umarmung. "Aber..."
Er bemühte sich, seine Erleichterung nicht zu sehr zu zeigen, vor Allem, bis er erfuhr, was nach dem "aber" folgen würde.
"Er war einer von den Todessern, die meine Eltern umgebracht haben. Und die ganze, die ganze Zeit konnte ich nur daran denken. Dass er mich erkennen könnte. Dass er mich mit Händen anfasst, mit denen er meine Eltern brutal ermordet hat."
"...Ich- Ich dachte, du wusstest nie, wer es getan hat?"
Sie nickte. "Bis vor Kurzem wusste ich es auch nicht. Ich habe es in seiner Akte gelesen, als ich im Ministerium beim Sortieren geholfen habe. - Du hast recht, sonst behalte ich immer einen kühlen Kopf, aber plötzlich- plötzlich konnte ich es einfach nicht mehr, ich weiß nicht, aber es war einfach weg." Neue Tränen füllten ihre Augen.
"Jeder hat mal sein Limit erreicht."
"Marls redet seitdem kein Wort mit mir," murmelte sie und starrte auf die Treppen.
"Du denkst doch nicht etwa, sie gibt dir die Schuld?"
"Wie sollte sie nicht? Es ist-"
"Nicht deine Schuld. Und ich glaube kaum, dass Marlene da anders denkt. ...Wie hast du dich gefühlt, als deine Eltern gestorben sind?"
Sie hielt inne. "Ich weiß nicht, traurig eben? ... Leer, so verdammt leer, wie jetzt."
"Weißt du noch, wie die anderen waren, als sie ihre Eltern verloren haben? Remus, James, Lily... Pete, als sein Dad abgehauen ist. Sie sind auch ein bisschen seltsam geworden, wie soltlen sie auch nicht, sie haben schließlich ihre Familie verloren. Aber ist irgendeiner von ihnen so geblieben? Nein. Sie haben nur Zeit gebraucht. Genau wie Marls nur Zeit braucht."
"Sicher?", fragte sie und begann, sich vergeblich über die Wangen zu wischen.
"Ja, ich schwöre es dir sogar. Und Sirius Schuldkomplex Black steht zu seinem Wort." Er drückte die Zigarette aus, die unbeachtet neben ihnen gelegen hatte. "Und jetzt komm wieder rein, bevor du auskühlst. Wenn du willst, rede ich auch für dich mit Marlene, aber vorher lässt du jemanden deine Seite anschauen. Und dann legst du dich hin und ruhst dich ein Mal in deinem Leben einfach aus."
Sie lächelte matt und ließ sich von ihm aufhelfen, akzeptierte sogar den stützenden Arm, den er um ihre Schultern legte, nachdem er ihren Zauberstab eingesteckt hatte.
Offensichtlich schafften sie es gerade rechtzeitig wieder in das Haus, denn mit jedem von den wirklich wenigen Schritten zurück ins Wohnzimmer lastete mehr von Dorcas' Gewicht auf ihm, bis er sie praktisch tragen musste.
Genau wie beim letzen Mal, das er auf seiner Suche nach Dorcas an dem Wohnzimmer vorbeigelaufen war, war der Großteil der Gruppe in einen erschöpften Halbschlaf verfallen.
"Dorcas, komm schon- Leute, helft mir?", fragte er, um auf sich aufmerksam zu machen, und wenigstens Peter, Lily und Marlene sahen zu ihm auf. Vorsichtig schob er Dorcas auf das Sofa, auf dem sie beinahe haltlos in sich zusammensackte. Als die anderen das Blut- viel Blut, viel zu viel Blut, stellte er fest und sein Magen drehte sich um- an seiner Hand und mittlerweile auch seinem Arm und seiner Seite und- überall musterten, konnte er den genauen Moment erkennen, in dem jeder von ihnen bemerkte, dass es frisch war.
"Dorcas!", rief Lily schockiert und weckte damit auch die anderen, während sie aufsprang und an Dorcas' Seite eilte. Auch Marlene raffte sich hastig wieder von ihrem Platz neben dem Sessel, von dem aus sie Sirius assistiert hatte, auf und schob Dorcas' Koffer vor das Sofa.
Es schien Dorcas nicht einmal mehr gelingen zu wollen, ihr Shirt auszuziehen. Nachdem Lily einen Blick zu Marlene geworfen hatte, welche Dorcas nur reglos anstarrte, kam stattdessen sie ihr zur Hilfe, um den dunklen Stoff abzuziehen, wo er blutgetränkt an ihrer Seite haftete.
Dorcas selbst schien leicht geschockt, als sie einen Blick auf die Wunde warf. Ein tiefer, langer Schnitt streckte sich über ihre Rippen, Blut war über ihren gesamten Torso verschmiert, Merlin sei Dank auf ihrer dunklen Haut jedoch nur knapp zu erkennen.
"Sieht aus wie Sectumsempra," meldete sich James besorgt zu Wort.
"Keine Ahnung, irgendein Fluch muss mich gestreift haben," murmelte Dorcas und zuckte mit den Schultern. Ihr Atem war beängstigend flach geworden.
"Lily, du kennst doch noch den-"
"Warum zur Hölle hast du nichts gesagt?", fragte Marlene und Dorcas zuckte zusammen. Ihr Ton war eiskalt.
"Ich-" Dorcas sah zu ihr auf und schluckte. Sie konnte ihr nicht in die Augen sehen. "Weil ich..."
Weil ich dachte, dass ich eure Hilfe nicht verdiene, vervollständigte die Stimme in Sirius' Kopf für sie.
Marlene hob ruckartig die Hand und Sirius zuckte an Dorcas' Stelle vor der Bewegung zurück, während diese völlig still saß. Beinahe sofort spürte er mindestens einen Blick, vermutlich zwei, die sich in seinen Hinterkopf bohrten, doch er ignorierte sie gekonnt.
Marlenes Hand hatte sich nicht bewegt, um zu verletzen, stattdessen legte sie sich sanft gegen Dorcas' Wange. Beinahe sofort strömten neue Tränen diese herab, und wenige Momente später auch Marlenes.
Dorcas legte eine Hand über die von Marlene, als fürchtete sie, sie würde sie wieder wegziehen. "Es tut mir so-"
"Ich weiß," schnitt Marlene ihr die geschluchzte Entschuldigung ab und drückte ihren Kopf fest an sich. "Ich kann dich nicht verlieren, Dorcas," flüsterte sie gegen ihre Haare. "Das kannst du mir nicht antun, nicht auch noch dich..."
Die anderen schienen sich einig zu sein, den beiden einen Moment zu lassen, und wandten ihre Blicke ab. Sirius' Augen wanderten, scheinbar magisch angezogen, herab auf seine Hände.
Sie klebten von dem Blut, das langam auf ihnen trocknete. Verdammt, er war bedeckt von Blut. Über seiner Brust hatte sich sein Shirt mit Remus' Blut vollgesogen, über seine Seite verteilten sich Handabdrücke, Flecken von Regulus' Blut. Dorcas' Blut mischte sich dazu, vielleicht auch das von Fabian Prewett.
Trotzdem war es nicht sein Shirt, das ihn wirklich störte, es waren seine Hände. Seine Hände, an denen ihr Blut klebte.
Vage registrierte er, dass schon wieder jemand ihn mit sich zerrte, jedoch wesentlich sanfter als Moody. Er stolperte demjenigen hinterher, ohne seinen Blick zu heben.
Seine Hände, die nicht nach Remus und Regulus greifen und sie beschützen hatten können.
Eine Tür öffnete sich, jemand knipste ein Licht an.
Seine Hände, mit denen er das Rasseln in Fabian Prewetts Lungen durch seinen ganzen Körper hatte spüren können.
Seine Hände, die Blut auf James' Handgelenk verschmiert hatten, auf James' Handgelenk, unter dem kein Puls mehr geschlagen hatte, seine Hände, die James' schlaffen Körper geschüttelt hatten.
Remus schob ihn auf den Rand der Badewanne und drehte den Wasserhahn auf-
Remus? Badewanne?
Er blinzelte. Das musste das Badezimmer der Weasleys sein.
Remus lächelte schief und zupfte an seinem Shirt. "Hey, Pads. Gib mir deine Hände."
"-Was?"
"Sirius, seine Hände..."
Er schauderte.
Remus' Finger waren kalt, als sie sich um seine Handgelenke legten. Einen Moment wartete er, bis das Wasser aus dem Wasserhahn warm geworden war und machte sich dann an die Arbeit, seine Hände gründlich einzuseifen.
Er gab sein bestes, sich auf Remus' dürre Finger zu konzentrieren. Dünne, silbrige Fäden von Narben zogen sich hier und da in einem Muster, das er in- und auswendig kannte, über seine Hände. Manche seiner Fingerknöchel waren rot, fast schon violett, die Reihe der Knöchel seiner linken Hand war geschwollen und blutig.
Hilflos bemerkte er, wie sein Blick abschweifte, dem dreckigen Wasser folgte, das in den Abfluss gesogen wurde, ein immer schwächeres orange-rot.
"Siehst du, schon sind sie sauber. Viel besser."
Sie waren nicht sauber. Sie waren dreckig, so dreckig, besudelt mit Blut, es hatte sich in einer dicken Schicht auf ihnen abgesetzt, gegen die konnten Remus und dieses lächerliche Stückchen Seife nichts ausrichten. Seine Hände, seine Hände, seine-
"Pads." Remus griff sein Gesicht in seinen eigenen, nassen Händen. "Sie sind sauber, sieh sie an. Sieh sie an. Kein Blut. Nirgendwo mehr Blut, okay?" Mit einem Daumen massierte er Kreise in seinen Handrücken.
Sirius starrte auf die beiden Gliedmaßen herab, die sich nicht und zugleich viel zu sehr wie seine eigenen anfühlten. Die blasse Haut war beinahe makellos, kein getrocknetes Blut, kein einziger Fleck.
Warum konnte er es dann immernoch spüren, wie eine Hülle aus ewigem Dreck, die sich um sie gelegt hatte, eine Hülle, die das Wasser nie durchdringen würde?
Scham schnürte ihm die Kehle zu. Merlin, er verlor den Verstand.
"Tut mir leid," nuschelte er und stand langsam von dem Badewannenrand auf.
"Entschuldige dich nicht für solche Sachen," gab Remus fast schon vorwurfsvoll zurück und presste einen Kuss gegen seine Schläfe.
"Alles, was passiert ist-"
"Dafür erst recht nicht."
"Ich habe euch- ich habe euch ihnen einfach ausgeliefert..."
"Oh ja, ich kann mich klar und deutlich daran erinnern, wie du Bellatrix angeschaut und zu ihr gesagt hast: 'Da sind sie, tu ihnen an, was du willst.' Wie immer, einfach typisch für dich... Sirius, ernsthaft. Eigentlich war ich sicher, dass, wenn wir es überaupt schaffen sollten, ohne Lily und James zu verraten, mindestens einer sterben müsste. Aber wir leben noch."
"Mrs. Wu nicht. Die McKinnons nicht. Die Prewetts nicht. Emmeline nicht."
"Und wann-" Remus stockte. "Die McKinnons?"
Er nickte nur, nicht in der Laune oder überhaupt in der Lage für weitere Erklärungen, und musterte Remus lieber. Er hatte das Blut schon von seinem Torso gewaschen, ein sauberer, weißer Verband verdeckte die Wunden auf seinem Hals. Allein ein paar Schrammen und Flecken in seinem Gesicht und seine Finger verrieten, dass ihm überhaupt etwas zugestoßen war.
"Wie schlimm ist es? Sei ehrlich."
"Es-" Er seufzte und lehnte sich gegen das Waschbecken. "Ich hab geglaubt, ich verlier den Verstand. Aber das glaube ich jeden Monat... Es geht wirklich schon wieder. Ich bin nur unglaublich müde."
"Wie immer." Sirius kämpfte sich ein Schmunzeln ab, das jedoch nicht lang anhielt. Sein Blick fixierte sich auf Remus' Brust, er streckte die Hand aus, um die weiche, kalte Haut unter seinen Fingern zu spüren.
Es schien so absurd. Sirius hatte damals auf seiner eigenen Brust vielleicht ein Netz von schwarzen, verbrannten Nerven erwartet, das von einer Stelle knapp über seinem Herzen seine Arme über seinen ganzen Körper ausbreitete. Ein Fluch, der solche Qualen verursachte, und er hinterließ keine einzige Spur. Silbrige und pinke Narben und einzelne Sommersprossen webten sich dort ungestört zu dem Muster zusammen, das Sirius sich noch im Schlaf vor die Augen rufen könnte.
Remus schob seine Hand plötzlich von sich. Bevor er überhaupt die Chance hatte, sich zu entschuldigen - er hätte es besser wissen müssen, als ihn nach all dem so einzuengen- entdeckte auch er Bill (oder war es Charlie?), der im Türrahmen stand und sie verschlafen musterte.
"Hey, du sollst doch bestimmt im Bett sein."
Bill, er war sich ziemlich sicher, dass es Bill war, schüttelte den Kopf. "Ich soll euch sagen, dass Dad drei Zimmer für euch fertig gemacht hat. Was ist hier überhaupt los?"
"Du glaubst uns nicht, wenn wir dir sagen, dass alles gut ist, oder?"
Der Junge schüttelte wieder den Kopf und rieb sich die Augen. "Wieso weint Mum?"
"Wir sind alle in Sicherheit, das ist das wichtigste," meldete sich Remus zu Wort. "Jetzt geh schon zurück ins Bett, bevor du noch im Stehen einschläfst. Alles andere kann bis morgen früh warten."
"Warum sieht das bei dir immer so einfach aus?", murmelte er frustriert, als Bill ohne Diskussion in sein Bett zurücktrottete.
⁂
Regulus saß schon auf dem Bett in dem Zimmer, allem Anschein nach das eines der älteren Jungen, das Arthur für sie vorbereitet hatte, immer noch über Moodys Liste gebeugt. Ein dicker Verband war um seinen Arm gewickelt, einige lockere Bandagen um seine rechte Hand.
"Lucius Malfoy ist tot," war das erste, was er zu ihnen sagte, ohne aufzusehen. "Narcissa ist in Azkaban."
"Oh." Sirius sah ihn überfordert an.
Welche Reaktion erwartete Regulus von ihm? Betroffenheit? Narcissa war ihrer ältesten Schwester schon immer vorzuziehen gewesen, doch sie hatte einfach zugesehen. Sie hatte einfach zugesehen und nichts getan, während Bellatrix Regulus folterte. Den Jungen, den sie früher selbst als ihren Lieblingscousin ernannt hatte.
Welches Geheimnis, Regulus?
Noch immer konnte er ihre kalte Stimme klar und deutlich hören. Er schauderte. Viel zu viel von dem, was geschehen war, hatte er noch nicht in einem tiefen Teil seines Bewusstseins hinter Schloss und Riegel bringen können.
"...Was ist mit Draco?"
Regulus sah zu ihm auf. "Was?"
"Draco. Er ist immerhin unser Cousin... zweiten Grades?"
"In dieser Familie ist es besser, über sowas gar nicht nachzudenken, immerhin sind wir auch Cousins- und wer weiß, was noch," murmelte Regulus und sie teilten ein mattes Lächeln. "... Du hast Andromedas Patronus verpasst. Narcissa hat Draco zu ihr gebracht, bevor sie verhaftet wurde."
Mit einem Seufzen ließ er sich neben Regulus auf die Kante des Bettes sinken und wusste sofort, dass er höchstwahrscheinlich demnächst nicht mehr aufstehen würde. Im Bruchteil einer Sekunde waren alle seine Knochen plötzlich tonnenschwer geworden. "Für was überhaupt? Sie war doch schon immer die Beste darin, ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen, vor Allem, weil sie sich nie die Hände schmutzig macht."
Regulus zuckte mit den Schultern. "Wäre ihr Kopf so fest in der Schlinge gewesen, hätte sie wohl kaum die Chance gehabt, Draco in Sicherheit zu bringen. Narcissa weiß besser als wir alle, wie man das Spiel spielt- und wann man aufgibt."
"Das Spiel also," wiederholte er skeptisch und versuchte, einen weiteren Blick auf die Liste zu erhaschen. "Sonst irgendetwas Nennenswertes?"
Regulus schüttelte den Kopf, doch er stockte plötzlich und musterte etwas neben Sirius skeptisch. "Severus Snape wurde auch verhaftet, aber ob man das als nennenswert bezeichnen kann- ..."
Erst, als er seinem Blick folgte, bemerkte er, dass Remus in der Zwischenzeit eine der drei Decken vom Bett gezogen hatte und nun sorgfältig auf dem Boden ausbreitete. Er sah ertappt zwischen den beiden hin und her.
"Was? Redet weiter."
"Was machst du da? Willst du auf dem Boden-" Sein Blick blieb an ihrem Bettgestell hängen. Es war ein komischer Kontrast gegen den starren Edelholz-Bettrahmen in seinem alten Zimmer im Grimmauld-Platz, ein wackliges, quietschendes Gestell aus Metall, doch das größere Problem war wohl der gute halbe Meter Platz unter dem Bett. "Oh, Moony." Seufzend kämpfte er sich von dem Bett, zog seine Decke mit sich, und richtete sich kurzerhand neben Remus ein, der ihn etwas verwirrt musterte.
"Nicht, dass ich es nicht willkommen heiße, das Bett für mich selbst zu haben, aber...was geht hier vor sich?", fragte Regulus skeptisch.
Er schüttelte nur den Kopf, um ihn auf eine spätere Erklärung zu vertrösten, und richtete seinen Zauberstab, den Moody ihm in die Hand gedrückt hatte, als er das zweite Mal in den Fuchsbau zurückgekehrt war, auf das Fenster. "Colloportus. - Es ist zu. Und an den Schutzzaubern um den Fuchsbau kommt so schnell auch niemand mehr vorbei."
Remus schwieg einen Moment. "...Woher-?"
"Ich wohne schon ein paar Jährchen mit dir zusammen."
Seufzend rieb er sich über das Gesicht. "Tut mir leid, ich dachte, es wäre viel besser geworden..."
"Du musst dich doch nicht dafür schämen. Weißt du, ich glaube, mir wäre es auch lieber, wenn wir demnächst nachts das Licht wieder anlassen..."
"Es ist nur- Er war da. Ich weiß es. Ich hab ihn gerochen, ich rieche ihn wieder überall, ich sehe ihn überall. Er... Gott, Sirius, sie hätte mich gezwungen, zuzusehen, wenn sie ihm Reg überlässt," gestand er, und seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser, während er mit weiten Augen ins Nichts starrte.
Sirius schluckte, doch er war zu lang unachtsam gewesen, schon hatte sich die Erinnerung in sein Bewusstsein gedrängt.
"Greyback wird es nicht sonderlich schnell machen, oder?", fragte Regulus leise. Er klang so jung, wie ein ängstlicher kleiner Junge, wie Sirius' kleiner Bruder, der ihn anbettelte, das Monster aus seinem Schrank zu vertreiben.
"Er wird dir nichts tun," nuschelte Remus durch einen Mund voller Blut. "Über meine Leiche."
Regulus lachte trocken, der kleine Junge in seiner Stimme verdrängt von Jahren des Aufwachsens als Regulus Black, von Jahren des Lernens, dass die Monster in seinem Schrank nichts gegen die vor seiner Tür waren, und dass sein Bruder die wenigsten davon vertreiben könnte und noch weniger tatsächlich würde. "So ein Versprechen bedeutet gerade nicht viel."
"Über meine kalte Leiche, das gibt dir noch ein paar Stunden. Das gibt dem Orden noch ein paar Stunden."
"Sirius? Sirius."
Er blinzelte. Plötzlich saß Regulus an seiner anderen Seite auf dem Boden, seine Decke um die Schultern. "Was ist?"
"Das machst du die ganze Zeit. Als würdest du aus deinem Körper weggehen." Wäre es nicht Regulus, hätte Sirius gedacht, dass er beinahe besorgt aussah.
"Schon okay. Es hilft, manchmal. Dann muss ich nicht an alles denken."
"...Einfach so?"
"Naja, einfach... Aber ja. Einfach so."
Regulus starrte ihn eine lange Zeit still an. Stille füllte den ganzen Raum, erdrückend und trotzdem nicht schwer genug, Solche Stille, dass Sirius irgendwann seinen eigenen Atem hören konnte, vielleicht sogar das Rauschen von Blut durch seine Ohren. Oder vielleicht...
Bellatrix' Gelächter, das durch den Kerker hallte?
Die Schreie? Das Betteln?
Einen Körper auf Kies?
Beinahe überraschte er sich selbst damit, wie schnell er aufsprang. "Ich- Ich geh nur kurz nach James sehen," murmelte er halbherzig, bevor er schon die Zimmertür aufriss-
Nur, um plötzlich direkt vor James zu stehen, der noch die Faust erhoben hatte, als sei er gerade in der Bewegung gewesen, zu klopfen.
"Oh. Hi," hauchte er. "Wir, äh... dachten, wir wollen gerade alle nicht alleine sein, also..."
"Wir?" Sirius warf einen Blick über James' Schulter. Hinter ihm standen Peter, Dorcas, Marlene und Lily mit Harry auf dem Arm.
⁂
Das Zimmer war von Anfang an zu klein gewesen, doch zu acht saßen sie eng aneinandergedrängt beieinander. Nicht, dass es irgendjemanden von ihnen sonderlich zu stören schien.
Im flackernden Licht der wenigen Kerzen, die sie in ihre Mitte gestellt hatten, sahen ihre Gesichter das erste Mal in den letzten Tagen wieder ansatzweise friedlich aus.
Abwechselnd, in einer Lautstärke kaum über einem Flüstern, erzählten sie sich gegenseitig Geschichten aus ihrer Zeit in Hogwarts, aus einer Zeit, in der sie wohl nie davon geträumt hätten, was sie in nur drei Jahren durchleben müssen würden. Eine inhaltsloser als die andere, nur, um die Stille zu füllen.
Dorcas schlief nur wenige Minuten nach Harry ein, als ihnen langsam die fröhlichen Geschichten ausgingen (etwas, das ihnen mit solchen von Trauer, Schmerz und Angst wohl nie passieren würde), an Marlenes Schulter gelehnt und ihre Hand fest umklammert.
Marlene sah auf sie herab und strich ihr behutsam durch die Haare, fuhr mit den Fingerspitzen die Konturen ihres Gesichts nach. "Wäre doch zu schön gewesen, wenn wenigstens einer von uns eine intakte Familie hätte behalten können," murmelte sie.
Sirius musste darüber lachen, um nicht in Tränen auszubrechen, doch wenigstens schien es den anderen ähnlich zu gehen.
Allein James sah nur nachdenklich ins Nichts. "Ich habe sie gesehen," sagte er leise und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf ihn. "Deine Familie, meine ich. Vorhin, als ich... ihr wisst schon," er schien es selbst nicht aussprechen zu können, und Sirius konnte es ihm nicht verübeln. "Als der Fluch mich getroffen hat, da war nur noch dieser heftige Schmerz. Ich weiß noch, dass ich die Augen zugekniffen habe, aber als ich sie wieder aufgemacht habe, war da- Ich weiß es nicht, es sah aus wie eine Quidditch-Kabine, aber so langgezogen und irgendwie leer. Da waren-", er schluckte schwer, "meine Eltern. Und ein bisschen weiter weg die von Lily, von Dorcas, Remus' Mum. Und deine Familie."
Wahrscheinlich das erste Mal, seit die anderen sich zu ihnen gesetzt hatten, hob Regulus den Blick und sah James an. "Ich hab es auch gesehen," gab er zu. "Es war keine Kabine. Es war ein Saal, mit einer langen Tafel. Dort war nur Onkel Alphard, aber-", ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. "Pebbles war bei ihm. Ames und Minette auch."
Sirius erinnerte sich kaum an die beiden anderen Katzen, die Regulus mit in den Grimmauldplatz gebracht hatte, wohl aber an die Wochen, die Regulus jeder von ihnen hinterhergetrauert hatte, nachdem Walburga dafür gesorgt hatte, dass sie verschwanden. "Was soll denn nur Onkel Alphard heißen?"
"Ich glaube kaum, dass er dort auf mich gewartet hat, weil er mich so geliebt hat. Alphard hat mich immer gehasst," antwortete Regulus schulterzuckend.
"Er hat nicht dich gehasst, er hat den Teil von dir gehasst, der in Walburgas Stimme gesprochen hat. Bis zu seinem Tod hat er darauf gehofft, dass du zur Vernunft kommst."
Regulus verschränkte die Arme und richtete seinen Blick wieder auf den Boden.
"Sieht aus, als hätte ich das zu spät getan."
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