Kapitel 4
Mona
Mona wachte um zehn Uhr auf.
Ferien! dachte sie glücklich.
Ausschlafen!
Lesen!
Nichts tun!
Nichts müssen!
Simon! dachte sie als nächstes.
Sie wollte noch ein wenig träumen.
Gestern hatte sie sich ausgedacht, wie es mit ihnen hätte weiter gehen können.
Daran wollte sie anknüpfen.
Sie malte sich aus, wie er sie anrief, wie sie sich mit ihm traf, wie er sagte, dass er sie liebte und und und.
Um Zwölf trennte sie sich von Bett und Träumen, machte sich ein opulentes Frühstück, von dem sie wusste, dass sie kaum etwas hinunter bringen würde.
Sie hatte zehn Kilo abgenommen, seit sie von Fabians Verhältnis erfahren hatte.
Es hatte nicht geschadet, aber sie konnte noch immer nicht richtig essen.
Zusätzlich war ihr die Sache mit Simon auf den Magen geschlagen.
Sie würgte gerade an ihrem Brot, hatte das Ei geköpft, als es läutete.
Sie sah zum Spion hinaus.
Auf Zeugen Jehovas oder Zeitschriftenvertreter hatte sie jetzt absolut keinen Bock.
Aber - es war – natürlich – Fabian!
Na, dann war ja der erste Ferientag gelaufen.
Kurz überlegte sie, einfach nicht aufzumachen.
Aber ihr Auto stand vor dem Haus, sie wusste, er würde sich nicht abwimmeln lassen.
Unwillig öffnete sie die Türe, unwillig fuhr sie ihn an: „Was willst du?"
„Mir dir reden!" antwortete er kleinlaut.
„Schon wieder? Gibt es etwas Neues?" Sie trat zur Seite, ließ ihn herein.
Er antwortete nicht, sah sie nur an.
„Gibt es etwas Neues?" wiederholte sie, hatte schon wieder Tränen in den Augen.
Warum, zum Teufel, hoffte sie jedes Mal, wenn er kam, darauf, dass er ihr sagte, er wollte zurück zu ihr?
Sie wollte ihn doch gar nicht zurück, sie wollte doch frei sein, ihr Leben leben.
Wenn er weg war, war sie ihrer Sache immer so sicher.
Aber wenn er vor ihr stand, wünschte sie nichts mehr, als dass sie die Zeit ein Jahr zurückdrehen könnte.
„Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht!" sagte er schließlich.
„Bis gerade ist es mir sogar sehr gut gegangen!" haute sie ihm hin. „Wie lange willst du eigentlich dieses Spiel noch treiben?"
„Mona, das ist kein Spiel. Ich weiß nicht, was ich machen soll, echt nicht. Wenn es dich nicht gäbe, wäre alles klar. Aber es gibt dich halt." Unglücklicher hätte er es nicht ausdrücken können, das war ihm klar, als er diesen dummen Satz aussprach.
„Aha! Es gibt mich! Soll ich mich in Luft auflösen? Wäre dir damit geholfen, armer Fabian? Ich habe dir schon oft gesagt, dass ich klar komme damit, wenn wir uns trennen. Aber dieses Hin und Her, das ist Folter!" Die verdammten Tränen liefen schon wieder.
„Warum trennst du dich denn nicht? Warum suchst du dir denn nicht einen Neuen?" Ihre Tränen machten ihn jedes Mal fertig, dann schlug er um sich.
„Weil ich Rindvieh jedem, der sich für mich interessiert, als erstes erzähle, dass ich verheiratet bin."
Das war das erste Mal, dass sie davon sprach, dass sich andere Männer für sie interessierten, und er wusste nicht, ob es ihm gefiel.
„Dann lass das doch. Ich habe dir oft schon gesagt, du sollst einen anderen suchen. Du bist hübsch, das kann doch nicht so schwer sein. Dann kannst du Kinder bekommen, und alle sind zufrieden."
Dieses Argument hatte er schon ein paar Mal angebracht. Kinder! Anna konnte auch keine bekommen, da wäre seine Unfruchtbarkeit kein Problem.
„Okay! Mach ich! Dann solltest du aber gehen, damit ich gleich damit anfangen kann!" heulte sie und schubste ihn zur Türe.
Fabian
Fabian stand im Hausflur.
Er hatte es wieder getan.
Er hatte sie wieder zum Weinen gebracht.
Er hatte ihr in diesen zwölf Monaten so oft so wehgetan, dabei wollte er das alles nicht.
Sie war die erste Liebe seines Lebens gewesen, das ließ sich nicht einfach so vergessen.
Er war in die Geschichte mit Anna hineingeschlittert, kam da jetzt nicht mehr raus, wollte sich aber auch einreden, dass Mona ohne ihn besser dran war.
Sie hatte ihn nie so geliebt wie er sie, er hatte es immer gewusst. Als sich damals das bildhübsche Mädchen von ihm erobern ließ, hatte er sein Glück nicht fassen können.
Er war immer sicher gewesen, dass sie ihn eines Tages verlassen würde.
Doch dann waren sie verheiratet, er hatte wirklich geglaubt, dass es für immer wäre.
Aber die Diagnose Unfruchtbarkeit hatte ihn getroffen wie ein Hammer. Er wusste, dass sie unbedingt Kinder wollte, er wusste auch, dass sie unbedingt Kinder haben musste, sie war die geborene Mutter.
Wohin sie auch kamen, immer hingen irgendwelche Gören an ihr.
Sie hatte zwar immer noch fest zu ihm gehalten, aber sein Selbstwertgefühl als Mann war so angeknackst, dass er sich immer mehr von ihr zurückzog.
Dann war diese blöde Fete an der Uni gewesen und Anna, die schon lange ein Auge auf ihn geworfen hatte, hatte ihn nach allen Regeln der Kunst verführt.
Eine ordentliche Portion an Alkohol hatte ihn zum willigen Opfer gemacht.
Für ihn war das eine einmalige Sache gewesen, doch sie ließ nicht mehr locker.
Sie warf ihren Mann hinaus, erzählte überall herum, dass sie die nächste Frau Berg werden würde. Gemeinsame Bekannte hatten Mona darauf angesprochen, nicht wissend, dass die vollkommen ahnungslos war.
Da lief die Sache mehr oder weniger intensiv seit einem halben Jahr.
Seitdem lebte er mal bei Anna, mal alleine oder bei Freunden.
Er war heimatlos, vollkommen desorientiert, wollte Mona zurück, wollte sein Leben zurück, schaffte aber nicht ein einziges Gespräch mit ihr, ohne sie zu verletzen.
Wenn sie nur endlich auch einmal ein Abenteuer hätte, damit sie sich gegenseitig nichts vorzuwerfen hätten, vielleicht könnten sie dann ganz neu anfangen.
Diese fixe Idee hatte sich neuerdings in ihm festgesetzt.
Als er die Haustüre öffnete, lief er fast in einen jungen Mann hinein. In Gedanken ließ er ihn ins Haus, ging zu seinem Auto.
Simon
Simon wollte gerade auf ihre Klingel drücken, als die Türe aufgerissen wurde und ein junger Mann an ihm vorbeistürmte und ihn ins Haus ließ.
Er suchte im Treppenhaus nach ihrem Namen.
Gleich rechts an der ersten Türe las er: Mona Berg.
Gut, kein Fabian stand da mehr.
Er drückte auf den Klingelknopf.
Sofort wurde die Türe aufgerissen. „Was willst du noch?" schrie Mona.
Simon zuckte zusammen.
„Oh!" sagte sie erschrocken. „Sorry!" Sie sah ihn erstaunt an, er sah ihr tränennasses Gesicht, die verquollenen Augen.
„Was? Wie? Wieso?" stammelte sie und sah ihn ungläubig an.
„Fabian?" fragte er nur, deutete mit dem Kopf auf die Eingangstüre.
Sie nickte, trat zur Seite, damit er eintreten konnte.
Er ging ihr nach ins Esszimmer, setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber.
„Ihr seid getrennt?" Er musste es aus ihrem Mund hören.
Sie nickte wieder. „Ich habe es dir gestern gesagt. Aber du hast dich einfach umgedreht" sagte sie leise.
Das war es also gewesen, was er nicht verstanden hatte. Er war so ein Idiot! Hätte er doch nur nachgefragt.
„Warum hast du geweint?" Auch das musste er wissen.
„Weil er mich verrückt macht! Weil er nicht abhaut! Weil er immer wieder abhaut! Weil er immer wieder kommt! Weil er nicht bleibt! Weil er immer wieder zu ihr geht! Weil er aber nicht bei ihr bleibt!" schrie sie leicht hysterisch.
Simons Herz gefror, taute auf, gefror, taute auf.
Was bedeuteten ihre Worte jetzt genau? Wollte sie, dass der andere blieb oder dass er ging?
Er holte ihr ein Glas Wasser gegen ihren Schluckauf. Dann sah er sie abwartend an.
Langsam kam ihre Fassung zurück. „Du hältst mich wahrscheinlich für total verrückt!"
„Nein! Etwas verwirrt vielleicht!" räumte er ein, lächelte sie aber an. „Willst du darüber reden?"
Und sie fing an zu erzählen, den ganzen Trouble von ihrer Seele zu schaufeln.
Er hörte zu, doch er war am Ende so klug wie am Anfang.
Er blickte nicht durch: Wollte sie Fabian nun zurück oder nicht?
Sie sah ihn erwartungsvoll an, wartete auf irgendeine Antwort. Doch er konnte ihr keine geben, so lange er keine erhielt.
„Willst du ihn jetzt zurück oder nicht? Tut mir leid, so ganz klar kommt das nicht rüber."
„Nein! Ja! Nein!" Sie schaffte einfach keine klare Aussage. Dann riss sie sich sichtlich zusammen. „Ich will ihn als Freund zurück. Ich habe mein halbes Leben mit ihm verbracht. Aber ich will ihn nicht als Mann zurück, also als Ehemann und so."
„Und wie sieht er die Sache?"
„Frag ihn! Vielleicht blickst du durch! Ich tu's nicht!" schlug sie vor.
Simon grinste. „Das Gespräch könnte interessant werden."
Mona lächelte mit. „Wie meinst du das?"
„Ich denke mal, du könntest dir vorstellen, wie ich das meine!" antwortete er kryptisch.
Sie seufzte. „Noch ein Mann, der in Rätseln spricht."
„Also, du möchtest Klartext hören? Ich würde ihn fragen, ob er nicht abhauen und wegbleiben könnte, nachdem er seine Chance, die schönste Frau der Welt zu haben, vertan hat. Damit ich diese Chance ergreifen könnte. Klar genug?"
Er sah sie offen an, das Atmen fiel ihm schwer. Er hatte seinen ganzen Mut zusammengenommen, hatte sich ihr geöffnet.
Nun konnte sie das Messer in seine offene Seele rammen oder sie mit Liebe füllen.
Als er das dachte, konnte er es kaum glauben.
Simon, was ist los mit dir?
Ich bin verliebt! antwortete er sich.
Mona
Wieder einmal hatte er es geschafft, sie zum Heulen zu kriegen.
Warum konnte sie nicht einfach taff reagieren?
Warum konnte sie keinen Schlussstrich ziehen, sich lösen?
Warum fiel sie immer wieder auf sein Gesülze herein?
Er hatte sie ein halbes Jahr lang betrogen!
Seit einem weiteren halben Jahr wusste sie davon, seitdem ließ sie sich von ihm quälen bis aus Blut. Was wollte sie sich denn noch alles gefallen lassen?
Aber sie hatte panische Angst alleine zu sein, zu bleiben.
Nein, so stimmte das auch nicht.
Sie hatte panische Angst, den Freund zu verlieren, mit dem zusammen sie erwachsen geworden war, der sie besser kannte als jeder andere.
Doch sie konnte ihn nicht als Vertrauten seit ihrer Jugendzeit behalten, so lange er mit Anna zusammen war.
Und die ließ ihn nicht mehr vom Haken.
Annas Mutter hatte schon angefangen, ein Haus für die beiden bauen zu lassen.
Wie krank war das denn?
Da läutete es schon wieder!
Was wollte er denn noch?
Hatte er noch ein bisschen Salz übrig, das er in ihre Wunden streuen konnte?
Sie riss die Türe auf, fuhr ihn an.
Doch der junge Mann, der bei ihrem Schrei zusammenzuckte, war Simon, der tolle Typ von gestern Abend.
Na super!
Das Timing war nahezu perfekt!
Vor allem für eine Schmierenkomödie!
Aber wie kam er hierher?
Woher hatte er ihre Adresse?
Wieso war er überhaupt hier, nachdem er sie gestern einfach stehen gelassen hatte?
Sie war noch genauso verheiratet wie am Vortag.
„Ihr seid getrennt?" fragte er, als ob sie ihm das nicht gesagt hätte.
Aber er hatte wohl nicht zugehört.
Männer!
Zuhören können war wohl ein eher seltener Charakterzug bei ihnen.
Sie erzählte ihm die ganze Story der Trennung, merkte selbst, wie wirr alles klang. Aber sie konnte nicht anders, sie fühlte nicht anders, sie wollte Fabian nicht als Freund verlieren, aber sie wollte ihn nicht als Ehemann zurück.
Sie hätte auch sagen können: Im Bett.
Aber das wäre ja einen Fremden gegenüber wohl doch zu gewagt gewesen.
Doch das traf es.
Sie wollte nicht mehr schlafen mit Fabian.
Es hatte ihr nie Spaß gemacht.
Sie waren zu unerfahren beim ersten Mal und hatten nicht viel dazugelernt.
Aber mittlerweile wollte sie mehr.
Liebe hieß für sie etwas anderes.
Musste etwas anderes sein.
Und dann, ganz plötzlich wurden ihre Knie weich, als er sagte, was er Fabian fragen würde.
Der Blick aus seinen hellblauen Augen traf ihre Seele, sie hatte das Gefühl, in seine zu sehen.
Na klar, Mona!
Zu viele Groschenromane gelesen!
In seine Seele sehen, dafür war der taffe Kerl gerade der Richtige!
Männer, die so aussahen, ließen nicht Frauen wie dich in ihre Seele sehen, und sie hatten auch kein Interesse daran, in deine Seele zu sehen.
Männer wie er suchten ein Abenteuer.
Aber gerade deshalb war er eigentlich perfekt für sie
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