Teil 22 * Die Bücher 18
Liebste Marie!
Heute habe ich also Geburtstag! Den 33.!
Und ich werde ihn mit dir alleine feiern. Ich spiele dir alle Liebeslieder vor, die ich kann. Vielleicht setze ich mich wieder ans Donauufer, nehme ein Picknick mit, das wir uns teilen und eine Flasche guten Rotwein, den ich besorgt habe.
Die Leute werden mich wieder ein wenig mitleidig ansehen, den jungen Mann, der dauernd traurige Lieder spielt und singt und danach Selbstgespräche führt.
Der auch hin und wieder etwas heult, dann wieder lächelt und sein Glas zu einem Geist hebt!
Aber das ist mir egal.
Hin und wieder landen auch ein paar Münzen oder sogar Scheine im Gitarrenkoffer, ich werfe sie dann zu Hause in ein Sparschwein, irgendwann einmal spende ich das Geld.
Am Morgen habe ich lange mit Charly telefoniert und mich für die Anzeige in der Tageszeitung bedankt. Auf die Idee hätte ich für sie auch kommen können!
Aber woran denke ich schon noch, außer an dich?
Später
Gut der Tag ist vorüber gegangen! Ich bin kurzentschlossen zum Frühstücken in das Café gegangen, in dem wir nach dem Ball Weißwürste gegessen haben. Ich hasse eigentlich diese Dinger, aber bis dahin hatte mir noch nichts besser geschmeckt. Ich dachte daran, wie losgelöst glücklich und aufgedreht wir an diesem Morgen waren.
Wie mein Herz gerast hatte, als du auf dem Ball gesagt hattest, dass du bei mir bleiben würdest.
Wie enttäuscht du ausgesehen hast, als ich gesagt habe, dass ich auf dem Sofa schlafen wollte.
Jede Sekunde dieser Nacht ist für immer in meinem Kopf abgespeichert.
Und oft und oft habe ich diese Nacht in den letzten Wochen und Monaten durchgespielt.
Diese und die nächste, die mich in den Himmel katapultiert hat!
Wenn ich dann am Morgen angekommen war, habe ich aufgehört, mich zu erinnern.
Ich wollte diese Frage nie wieder in meinem Kopf hören, die mein Leben zerstört hat: „Kennst du Paul Weller?"
Wie auf das Stichwort in einem schlechten Film rief mitten in diesen Gedankengang hinein Paul an. Ich hatte seit dem Anruf, bei dem ich ihn nach dir gefragt hatte, keinen Kontakt mehr zu ihm. Wir hatten eine Auszeit gebraucht, das hatte es auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben.
„Alles Gute zum Geburtstag, alter Mann!" sagte er, und er klang bedrückt.
Ich lachte, versuchte normal zu klingen. „In einem Monat hast du mich eingeholt!"
„Hast du richtig gefeiert?" fragte er.
„Ja, mit mir, einer Flasche Wein und meiner Gitarre an der Donau!" antwortete ich.
Er hatte wohl vermutet, ich hätte eine fette Party gefeiert und ihn nicht eingeladen.
„Okay!" presste er hervor. Dann gab es eine längere Pause. „Ich habe Stress mit Jenny! Richtigen Stress. Ich muss mit Nico hier raus! Ich habe ein ganzes Flaschendepot im Kleiderschrank entdeckt, ich kann mit dem Kleinen nicht mehr hierbleiben. Ich habe Angst, dass sie ausflippt und ihm etwas antut!" sprudelten dann die Worte nur so aus ihm heraus.
Ich wischte mir über mein Gesicht.
Das hatte mir jetzt auch noch gefehlt!
Aber dann sagte ich natürlich die Worte, die ein guter Freund zu sagen hat: „Pack deinen Sohn und komm zu mir!"
„Danke!" antwortete er nur und legte auf. Ich bezog das Bett im Gästezimmer, stellte Bier kalt.
Er würde das eine oder andere brauchen!
Kurz danach läutete es. Er musste wohl schon in der Stadt gewesen sein, vielleicht bei seiner Schwester oder seinen Eltern.
Dann hätte er doch auch dableiben können! dachte ich und schämte mich nur ein wenig für diesen Gedanken.
Es wurde eine lange Nacht, und eine feuchte. Zum Glück schläft Nico schon verlässlich durch.
Es war ein wenig verantwortungslos von uns, das gebe ich schon zu, sich so volllaufen zu lassen mit einem Kleinkind in der Wohnung.
Wir werden das auch nicht mehr machen, das haben wir uns am Morgen geschworen!
Irgendwann einmal sind wir natürlich auf dich, Marie, zu sprechen gekommen. Fast hatte ich gehofft, dass er mir im Rausch mein Leben zurückgibt, aber er ist vollkommen verbohrt.
„Wenn du mit ihr zusammenkommst, bringe ich entweder dich um oder sie oder mich!" lallte er und mir wurde ein wenig Angst. Er zeigte ja schon psychopatische Züge! Das hatte doch nichts mehr mit Liebe oder Verliebtheit zu tun!
Doch ich war auch ein wenig zu blau, um zu argumentieren.
Am Ende der Geschichte sind wir uns in den Armen gelegen und haben beide um dich geheult!
Das war schon megapeinlich!
Irgendwann sind wir dann in unsere Betten getaumelt.
Das, geliebte Marie, war die Geschichte meines 33. Geburtstages!
Niklas
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Hallo Kladde!
Mein Tag begann ja schon wieder einmal toll! Ich lese ja immer gerne die Glückwunschanzeigen in der Zeitung. Ich finde es süß, wenn Frauen oder Männer ihren Partnern oder Partnerinnen auf diesem Weg eine Liebeserklärung machen.
Heute stand da eine Annonce drin, mit der eine Frau namens Charly ihrem Zwillingsbruder Niklas zum 33. Geburtstag gratuliert.
Ich weiß nicht, warum ich deswegen so viel heulen musste, und ich weiß auch nicht, warum ich die Anzeige ausgeschnitten und eingeklebt habe!
Morgen reiße ich sie wahrscheinlich wieder raus.
Kurz darauf hat Hans, der ehemalige Mister X angerufen und hat mich zum Mittagessen eingeladen. Wir haben ja in der Zwischenzeit immer wieder miteinander telefoniert, oft länger als eine Stunde. Wir sind dabei, gute Freunde zu werden.
Er ist immer noch glücklich mit seiner Freundin, was mich sehr für ihn freut. Sie habe ich noch nicht kennengelernt. Er meint, dass es für eine Frau sicher nicht ganz einfach wäre, wenn ihr Typ eine so schöne beste Freundin hätte.
Ich musste lachen. Einen besten Freund hatte ich auch noch nie!
Bennis Freunde haben mich ein zweites Mal aus ihrem Leben verbannt, aber ich lege auch keinen Wert mehr auf ihre Gesellschaft. Genau so wenig wie auf die seiner Familie, die auch schon wieder den Stab über mir gebrochen hat. Sind mir alle egal!
Also bin ich in die Stadt gefahren, habe Hans wieder ein wenig was vorgeheult, habe ihm vom Abschlussessen erzählt, von dem, was mein Chef gesagt hat.
Er hat mich in die Arme genommen und hat gesagt: „Ich bin stolz auf dich, Marie!"
Und wieder stürzten die Tränen aus meinen Augen, denn das waren genau die Worte, die ich hatte hören wollen. Aber eben von Niklas!
Wir waren im Biergarten, unten auf der Jahninsel saß ein junger Mann, hat Gitarre gespielt und traurige Lovesongs gesungen.
Man hat die leisen Töne deutlich gehört.
„Der würde zu dir passen!" scherzte Hans. „Der trägt denselben Herzschmerz mit sich rum wie du! Ich sollte ihn zu uns holen!"
Ich knuffte ihn ein wenig. „Das würde was werden! Zwei so dauerheulende Individuen!" meinte ich, wieder lachend.
Wir sind dann noch ein wenig durch die Stadt gebummelt, haben uns einen Eisbecher geteilt und einen Kaffee getrunken.
Plötzliche stürzte sich eine Furie auf mich, aus heiterem Himmel fing sie an, auf mich einzuschlagen und mich anzukreischen.
„Was machst du hier mit meinem Freund, du verdammt Hure! Lass die Finger von ihm! Such dir selber einen!" brüllte sie, und alle Leuten im Café sahen mich vorwurfsvoll an.
Hans gelang es schließlich, sie zu umklammern und sprach beruhigend auf sie ein. Es war ihm sichtlich unangenehm! Oder noch mehr als das!
„Laura! Bitte! Hör auf! Das ist Marie! Ich habe dir von ihr erzählt!" sagte er immer wieder.
Langsam beruhigte sich die Frau, die eigentlich ganz hübsch war, wenn ihre Gesichtszüge nicht von Hass entstellt wurden.
Tränen traten in ihre Augen, als sie sich darüber bewusst wurde, wie sie sich aufgeführt hatte. „Es tut mir leid, Marie!" flüsterte sie. „Habe ich dir weh getan?"
Ich beruhigte sie schnell, konnte sie ja irgendwie verstehen. An dem Tag, als ich Niklas mit dieser schönen Frau gesehen habe, hätte ich auch gerne so reagiert!
Hans streichelte ihre Hand, ich war froh, dass er es ihr nachsah. „Sie ist sehr temperamentvoll!" entschuldigte er ihr Verhalten schulterzuckend.
„Das ist doch gut!" meinte ich lachend.
Wir unterhielten uns dann noch ein wenig, die Stimmung zwischen uns wurde richtig gut!
„Und, wie geht es deinem Baby?" fragte sie schließlich.
„Bestens!" versicherte ich.
„Und dir?" Sie kannte offensichtlich meine Geschichte.
Ich wich ihrem Blick aus. „Im Moment gut, dann wieder saumäßig schlecht!" sagte ich wahrheitsgemäß. Solange ich unterwegs oder mit Menschen zusammen war, ging es mir erträglich. Aber alleine in meiner Wohnung versank ich immer wieder in dieser atemlosen Sehnsucht! Ich konnte nichts dagegen tun.
Manchmal entschuldigte ich mich bei Nicola, die schon begann, sich in mir zu bewegen. „Weißt du, dein Papa ist eben ein ganz besonderer Mann! Aber er ist eben ein Mann!"
Das schien sie immer zu beruhigen, das schien sie schon zu verstehen!
Mach's gut, Kladde!
Ich geh jetzt ins Bett!
Ein wenig Träumen, ein wenig Hoffen, ein wenig Wünschen!
Denn das ist mittlerweile wieder das Einzige, was ich richtig gut kann.
Marie
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