Liebste Marie!
Die Osterferien haben begonnen, und ich bin bei Charly und Kai. Ich habe den beiden eine Woche Urlaub in der Sonne geschenkt, passe so lange auf ihre Kinder Leon, 6, und Emma, 4, auf. Sie waren sehr überrascht, als ich ihr den Vorschlag gemacht habe, und sie sind glücklich abgeflogen.
Die beiden Monster und ich haben viel Spaß zusammen. Sie bekommen jeden Tag Eis und Schokolade, wir holen uns Hamburger und Pizza.
Ich weiß schon, dass das alles sehr ungesund ist, aber eine Woche werden sie schon überleben.
Onkel sind schließlich dafür da, Kinder zu verwöhnen. Ich habe mich die ganzen letzten Jahre nicht sehr für sie interessiert, weiß selbst nicht, warum.
Leon hat mich gestern gefragt, warum es keine Tante gibt.
Sofort sind mir wieder die Tränen gekommen, weil ich ihm keine Antwort geben konnte.
Ja, warum?
Du wärst eine tolle Tante!
Kurz kam mir die Idee, mit dir nach München zu ziehen, da würde Paul nicht gleich mitbekommen, dass wir zusammen sind. Aber irgendwann würde es auffliegen, und ich hätte ein Versprochen gebrochen.
Warum habt ihr eigentlich keine Kinder, dein Mann und du?
Du scheinst doch Kinder sehr zu lieben!
Na ja! Auch auf diese Frage werde ich wohl nie eine Antwort zu bekommen.
Neben Charly wohnt eine Frau, deren Mann sie gerade verlassen hat, ungefähr in meinem Alter.
Emma hat sie gefragt, ob sie nicht unsere Tante werden will, weil ich keine finde. Wir haben sehr gelacht, zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich herzlich gelacht.
Doch seit dieser Frage schien sie sich in den Kopf gesetzt zu haben, den Wunsch der Kinder zu erfüllen. Ständig tauchte sie spärlich bekleidet am Gartenzaun oder an der Haustüre auf.
Früher hätte ich das eindeutige Angebot dankend angenommen.
Aber am dritten Tag habe ich ihr erzählt, dass ich auf Männer stehe, wir aber gerne Freunde werden könnten.
Nach einem kurzen „Oh!" ist sie gegangen, und seitdem habe ich meine Ruhe.
Die Zeit hier mit den Kids tut mir gut.
Wenn ich mit ihnen durch die Stadt ziehe, fixiere ich nicht mehr jede Frau, in der Hoffnung, dass du es bist.
Ich schreibe auch nicht mehr täglich zehn Textnachrichten an dich, die ich doch immer wieder lösche.
Nur noch neun!
Im Zoo war ich mir ganz sicher, dass der Mann ein paar Meter weiter vor uns dich im Arm hat. Aber mein Herz hat nur noch doppelt so schnell geschlagen, nicht mehr dreimal so schnell.
Ich habe schon zwei Tage nicht mehr geheult!
Oder vielleicht auch nur einen?
Aber immerhin.
Meine Knöchel, die immer wieder aufplatzen, wenn ich mit der Faust vor Schmerzen gegen die Wand boxe, scheinen zu heilen.
Und mein Schluchzen, das beim letzten Besuch Emma in der Nacht so erschreckt hat, kann ich unter einem Kissen ersticken.
Es wird besser!
Nicht viel, aber jeden Tag ein kleines Bisschen!
Nur, Marie, ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich das will!
Ich will dich! Ich will dich lieben dürfen, mit meinem Herzen, meiner Seele, meinem Verstand und natürlich auch mit meinem Körper!
Niklas
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Hallo, Bastard, Trottel, Idiot!
Fuck! Fuck! Fuck!
Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Heute war ich bei der Untersuchung wegen meines Magens. Die Dame an der Rezeption hat meine Daten aufgenommen, hat die obligatorische Frage gestellt, ob eine Schwangerschaft besteht.
Ich habe wohl nicht schnell genug verneint, da hat sie mich prüfend angesehen:
„Regelmäßiger Geschlechtsverkehr. Verhüten Sie?"
„Nein! Nein!" antwortete ich.
„Wann zum letzten Mal?" bohrte sie weiter.
Ich versuchte nachzurechnen. „Vor ungefähr sechs Wochen!"
„Ihre letzte Monatsblutung?"
Da wurde es mir ganz plötzlich sehr heiß! Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht! „Zwei / drei Wochen vorher!" stieß ich hervor.
Ihre Augen durchbohrten mich! Ich kam mir ziemlich dämlich vor!
„Und ist das normal bei Ihnen? So lange Abstände"
„Nein!" flüsterte ich, vollkommen benommen.
„Dann machen wir sicherheitshalber einen Test!" bestimmte sie, gab mir einen kleinen Becher zum Hineinpinkeln, zur Urinabgabe, wie sie es nannte.
Eine halbe Stunde später bat mich ein grinsender Arzt ins Sprechzimmer. „Ich nehme an, wir haben die Ursache für Ihre Magenbeschwerden schon gefunden. Sie sind schwanger. Ich würde vorschlagen, Sie suchen Ihren Gynäkologen auf. Der kann Ihnen ein Säure bindendes Mittel verschreiben! Herzlichen Glückwunsch, übrigens!"
Ich war so verdattert, dass ich nicht mal antworten konnte.
Irgendwie bin ich nach Hause gekommen, ich habe es sehr bedauert, dass ich Sophies Angebot, mich zum Arzt zu begleiten, abgelehnt hatte.
Jetzt sitze ich also da, schwanger nach einem Two-Night-Stand von einem gewissenlosen Arschloch, das noch nicht einmal in der Lage war, richtig zu verhüten!
Aber ich werde dieses Kind nicht bekommen!
Nie und nimmer!
Ich mache gleich einen Termin bei meinem Frauenarzt aus, für das Beratungsgespräch! So heißt das, glaube ich.
Ich habe mir immer Kinder gewünscht, sehnsüchtig!
Ich wusste, ich würde eine gute Mutter sein!
Benni war nicht so scharf drauf, aber es gehörte einfach dazu, wenn man verheiratet war.
Als es nicht geklappt hat, als die Nachfragen von Freunden immer häufiger kamen, habe ich alle möglichen Untersuchungen machen lassen, aber es war alles in Ordnung.
Benni hat es weit von sich gewiesen, auch sicherheitshalber zu einem Arzt zu gehen.
An ihm lag es ganz bestimmt nicht! hatte er getönt.
Als es zwischen uns immer öfter krachte, habe ich den Kinderwunsch erst einmal vertagt. Und als die Sache mit Anne aufflog, war ich zutiefst dankbar, keine Kinder zu haben.
Und jetzt? Eine Nacht und Peng? Volltreffer?
Na! An mir scheint es wohl nicht gelegen zu haben!
Aber in spätestens einer Woche ist das Ding da drinnen Vergangenheit!
Ein paar geteilte Zellen!
Ich werde sicher nicht als noch nicht geschiedene Frau ein Kind von einem Drecksack bekommen!
Ein Kind?
Ein Kind!
Ich bin schwanger!
Ich bin tatsächlich schwanger!
Wie oft war ich enttäuscht, wenn meine Periode gekommen ist!
Wie oft hatte ich einen Test gekauft, weil ich mir so sicher war, dass es geklappt hatte!
Ein Kind!
Ich werde ein Kind bekommen!
Von wem, ist ja wirklich egal!
Du wirst es nie erfahren!
Vater unbekannt!
Aus!
Aber es würde ein hübsches Kind werden, und wir beide werden es schaffen!
Wir beide gegen den Rest der Welt!
Nie und nimmer könnte ich dieses Kind töten, nur weil sein Erzeuger ein Volltrottel ist!
Das Kind, mein Sohn oder meine Tochter, kann ja nichts dafür!
Mein Kind wird leben, und es wird ein gutes, ein wunderschönes Leben haben.
So, jetzt habe ich Sophie angerufen, aber noch nichts verraten, nur, dass ich kein Magengeschwür habe, dass mir auch nichts anderes fehlt! Sie kommen heute Abend auf einen Sprung vorbei.
Dann habe ich noch einen Termin bei Dr. Karman ausgemacht, meinem Frauenarzt.
Übermorgen!
Ich platze beinahe vor Glück!
Bin ich jetzt vollkommen übergeschnappt?
Danke, Niklas!
Ich hasse dich zwar ein kleines bisschen, aber dein Kind werde ich lieben!
Dein Kind?
Nein, mein Kind!
Marie
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