Kapitel 5 - Startschuss
Seitdem Maryana den unterschriebenen Vertrag wieder an John zurückgegeben hatte, zogen die Tage schrecklich langsam an ihr vorbei.
Sie hatte nichts weiter zu tun und damit blieb ihr genügend Zeit, sich unnötige Gedanken über ihre Zukunft zu machen und sich in sämtlichen Szenarien zu verlieren.
So sehr sie diese Ungewissheit auch liebte und brauchte, machte sie sie doch auch oft verrückt.
Am Liebsten hätte sie auf der Stelle zu Schreiben begonnen, um zu erfahren, wohin sie diese neuen Wege führen würden, doch stattdessen musste sie geduldig darauf warten, angerufen zu werden.
»Dein Handy vibriert!«, rief David genervt aus dem Wohnzimmer durch die Wohnung.
Maryana, die es sich in den letzten Tagen zur Aufgabe gemacht hatte, das gesamte Appartement auf Vordermann zu bringen, um sich dadurch zumindest nicht gänzlich untätig zu fühlen, gab ein tiefes Seufzen von sich.
Gerade war sie in der Waschküche und hing dort die letzte Fuhr Wäsche auf.
»Kannst du schnell rangehen?«, bat sie ihren Freund, doch dessen Begeisterung hielt sich in Grenzen.
Die Stimmung in der Wohnung war in letzter Zeit spürbar angespannt.
Maryana wurde mit jedem Tag ungemütlicher und aufgeregter, weil sie nicht wusste, was auf sie zukam, während David sich daran störte, dass seine Freundin derzeit nicht arbeitete und nur Zuhause saß, um vor sich hinzugrübeln.
Wenn der Halbkolumbianer eines nicht leiden konnte, dann waren es Menschen, die lediglich auf der faulen Haut lagen.
Seine Mutter hatte ihn und seine Schwester alleine großgezogen und die kleine Familie hatte es nie leicht gehabt. Schnell hatte David begriffen, dass harte Arbeit der Schlüssel für ein besseres Leben war, doch für Maryanas Geschmack, hatte er diese Einstellung etwas zu sehr verinnerlicht.
Manchmal war sie selbst erschrocken, wie sehr sich seine Welt um Erfolg, Fleiß, Ansehen und Geld drehte.
Maryana und ihren wenig vorhersehbarer Job als Autorin zu akzeptieren, war stets eine Herausforderung für David gewesen.
Sie hoffte bloß, dass sich daran etwas ändern würde, wenn sie sich in dieser Branche erst einmal ordentlich durchgesetzt hatte - vielleicht auch mit Harrys Hilfe.
»Geh mal lieber selbst ran«, kam es prompt ungeduldig aus dem Wohnzimmer.
»Und zwar schnell, das nervt! Ich hab den ganzen Tag gearbeitet, ich will meine Ruhe haben.«
Genervt war in diesem Moment nicht bloß David - auch Maryana knirschte ordentlich mit den Zähnen, als sie das nasse T-shirt in ihren Händen wütend zurück in den Wäschekorb pfefferte und zu David stapfte.
Dieser lag ausgestreckt auf dem Sofa, den düsteren Blick auf Maryanas Handy, welches auf dem Tisch vor ihm lag, gerichtet.
»Danke für deine Hilfe«, schnauzte sie ihn eben noch gereizt an und achtete dabei noch nicht einmal auf die Nummer, die auf dem Display angezeigt wurde.
»Ja, wer stört?«, raunte sie anschließend in die Leitung und war deutlich hörbar schlecht gelaunt, als sie den Anruf annahm.
Es war bereits 21 Uhr - sie war sich sicher, dass bloß wieder ihre Oma nach dem Rechten hören wollte.
Seitdem Maryana aus Carolina weggezogen war, um in LA Fuß zu fassen, hatte ihre Großmutter Lydia beschlossen, mindestens jeden zweiten Tag anzurufen und sich zu versichern, dass Maryana ihre Entscheidung auch nicht bereuen würde.
Doch es war nicht Lydias Stimme, die nach einer kurzen Schweigepause ertönte.
»Ähm«, kam es stattdessen perplex und sofort erkannte Maryana Harrys unverkennbare dunkle, rauhe Stimme.
»Tut mir leid, dass ich so spät noch anrufe und stören muss. Hier ist Harry.«
Erschrocken riss Maryana ihre braunen Augen auf und starrte damit direkt auf David.
Die ganze Zeit über hatte sie auf diesen Anruf gewartet, doch genau in diesem Moment hatte sie nicht mit Harry oder irgendwem seines Managements gerechnet.
Stirnrunzelnd erwiderte David ihren Blick und schüttelte verständnislos den Kopf.
»Oh - ähm, hi«, stammelte Maryana überrumpelt und kehrte David damit den Rücken zu, um ins Schlafzimmer zu verschwinden und dort in Ruhe telefonieren zu können.
»Natürlich störst du nicht«, schlug sie auf der Stelle höflichere Töne an.
Es war verrückt genug, dass Harry Styles auf ihrem Handy anrief - dass sie auch noch dermaßen unfreundlich abgehoben hatte, krönte das Ganze bloß noch.
»Tut mir leid, ich war gerade -«, setzte sie zu einer Entschuldigung an, doch Harry fiel ihr direkt ins Wort.
»Schon gut«, lenkte er heiser lachend ein. »Es ist eigentlich auch wirklich nicht meine Art, um diese Uhrzeit noch anzurufen, aber hier wurde gerade spontan was abgesagt. Das heißt, ich habe morgen unverhofft einen freien Tag, den wir ideal für unsere erste Besprechung nutzen könnten. Natürlich nur wenn du Zeit hast, immerhin ist das hier verdammt kurzfristig.«
Harrys Stimme klang bedauernd, als täte es ihm leid, Maryana belästigen zu müssen, doch diese war längst von einem Adrenalinschub erfasst worden.
Sie konnte sich selbst nicht vorstellen, welch weltbewegenden Pläne sie am nächsten Tag haben müsste, dass sie wichtig genug wären, um Harrys Angebot auszuschlagen.
»Natürlich!«, kam ihr die Anntwort daher auch eine Spur zu schnell über die Lippen.
Ein trockenes, amüsiertes Lachen seitens Harry war zu hören.
»Das freut mich sehr zu hören. Direkt morgens? Um 9?«
»Natürlich!«, wiederholte Maryana begeistert.
Endlich kam der Stein ins Rollen, endlich ging in dieser Hinsicht etwas vorwärts.
»Und wo?«, fiel ihr schließlich ein.
Immerhin konnte sie sich nicht vorstellen, dass ein solches Treffen öffentlich im Starbucks stattfinden konnte.
»Am Besten kommst du ins Büro. Hier gibts ein ganz schönes Cafe und da haben wir auch unsere Ruhe«, schlug Harry vor und nannte Maryana eine Adresse.
»Du müsstest es gleich sehen, das ist direkt im Erdgeschoss. Ich werde da auf dich warten.«
»Perfekt.«
»Wunderbar, ich freu mich. Bis dann!«
Mit diesen Worten hatte Harry auch schon wieder aufgelegt und Maryana stand, das Freizeichen des Telefons im Ohr, in ihrem und Davids Schlafzimmer.
So schnell konnte es gehen - es passierte also tatsächlich und sie ging diesen neuen, aufregenden Weg, über den sie nicht allzu lange nachdenken durfte, um nicht ins Schleudern zu geraten.
Immerhin wusste sie nach wie vor nicht, wohin er sie führen sollte.
»Das war Harry«, erzählte sie unaufgefordert, als sie zurück ins Wohnzimmer kam und immer noch etwas perplex vor sich hin starrte.
Überrascht sah David seine Freundin an.
»Styles?«
»Natürlich Styles«, seufzte sie augenrollend. »Morgen geht's los, wir haben unser erstes Treffen vereinbart.«
Ein breites Lächeln stand in Davids Gesicht, als er seine Hand nach Maryana ausstreckte und sie damit aufforderte, sich zu ihm auf die Couch zu gesellen.
»Na endlich, darauf haben wir doch gewartet«, freute er sich mit der Blondine und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe, als sie sich matt neben ihn fallen ließ.
»Endlich hast du auch wieder etwas zu tun.«
Der Fakt, dass sie durch Harrys Anruf nun endlich wieder Arbeit hatte, war zwar im Moment das Letzte, woran sie dachte, doch trotzdem kreisten Maryanas Gedanken ab diesem Moment bloß noch um den jungen Künstler und das, was sie ab morgen erwarten würde.
Seinen Wikipedia-Artikel kannte sie inzwischen nahezu auswendig, ebenso wie die Bandgeschichte One Directions.
An Vorbereitung fehlte es also tatsächlich nicht, allerdings wollte sich in Maryanas Kopf nichts von dem Gelesenen gänzlich mit dem jungen Mann, dem sie vor nicht allzu langer Zeit im Restaurant gegenübergesessen hatte, zusammenfügen.
____
Nervös kam Maryana am nächsten Morgen überpünktlich an der Adresse, die ihr Harry genannt hatte, an.
Sie stand vor einem immensen, verglasten Gebäudekomplex, der einen überraschend grünen, jedoch auch abgesperrten, riesigen Innenhof umschloss.
Schon von Weitem fasste sie die gläserne Eingangstür ins Auge und fragte sich, ob sich diese überhaupt einfach so öffnen ließ - ganz ohne Berechtigungskarte oder ähnlichem.
Nichts war für Maryana unangenehmer, als öffentlich an einer verschlossenen Türe zu rütteln. Zwar hatte sie in den letzten Jahren an Selbstsicherheit gewonnen, doch manche Situation waren ihr nach wie vor unangenehm, so unbedeutend sie für andere auch sein mochten.
Während sich in ihrem Kopfkino schon die schlimmsten Szenarien ereigneten, näherte sie sich dem Eingang und zog wider Erwarten die Glastüre widerstandslos auf, um im nächsten Moment in der weitläufigen Eingangshalle zu stehen.
Die junge, hübsche Brünette an einem der schwarzen, eleganten Empfangstresen nickte ihr aufmerksam zu und lächelte, was Maryana auch erwiderte.
Ihr straffer Dutt ließ sie zwar streng wirken, ihr Lächeln hingegen war freundlich und sympathisch.
Als würde sie Maryanas Ankunft mit etwas auf ihrem Tresen abgleichen, ließ sie ihren Blick kurz sinken, lächelte dann aber wieder zuversichtlich.
Harry hatte recht gehabt - Maryana wusste sofort, von welchem Café er gesprochen hatte.
Es lag am Ende des Eingangsbereichs und schien Teil der Firma zu sein, um Geschäftspartner zu bewirten und so manchem Meeting eine gemütlichere Atmosphäre zu verpassen.
Zielsicher und darum bemüht, sicher in ihrem Auftreten zu wirken, lief Maryana auf die vielen Sitzgelegenheiten, die bereits zum Café gehörten, zu.
Vereinzelt saßen hier ein paar Menschen - manche im Gespräch, manche vor ihrem Laptop.
Suchend sah sich Maryana um, bis sie schließlich Harry ausmachte.
Er saß auf der zugehörigen Terrasse des Cafés, die direkt in den grün angelegten Innenhof des Gebäudekomplexes führte, den Maryana zuvor schon bewundert hatte.
Dort genoss er die Sonnenstrahlen, die den Weg durch die hohen Häuser fanden.
Schnell ging die Blondine ebenfalls nach draußen und trat an seinen Tisch heran.
Harry war selbst in ein kleines, in Leder eingebundenes Notizbuch vertieft und kritzelte mit seinem Kugelschreiber hinein.
»Hey«, riss Maryana ihn vorsichtig aus seinen Gedanken.
Aufmerksam blickte Harry auf und schon stand ihm ein breites Lächeln im Gesicht.
»Oh, hallo!«
Schnell klappte er sein Notizbuch zu und legte es beiseite, als Maryana ihm zur Begrüßung die Hand reichte.
Höflich stand er kurz auf, als er ihre Hand nahm und ihr sofort den zweiten Stuhl an seinem kleinen Tisch anbot.
»Bitte, setz dich.«
Jedes Mal wieder staunte Maryana darüber, wie wohl erzogen Harry war und wie sehr sich das in jeder seiner Taten äußerte.
Seine Höflichkeit und sein Charme waren nicht zu viel, sodass es aufgesetzt wirkte oder die Situation steif wirken könnte, aber dennoch war es genug, um sich wohl und geschätzt zu fühlen.
»Was willst du trinken?«, fragte er, während es nun Maryana war, die ihr Notizbuch auspackte.
Harry hingegen sah sich inzwischen nach dem Kellner um, der sich aber ohnehin bereits mit einem Glas Wasser und einer Kaffeetasse nähert.
»Ähm«, überlegte Maryana noch und wartete einen Moment, als der Kellner an ihrem Tisch zum Stehen kam.
»So, einmal der Cappuccino«, wollte der junge Mann eben die Tasse vor Harry abstellen, als er kurz zögerte.
»Moment, das.. Sie wollten den mit Sojamilch, nicht wahr?«
Unsicher sah der Kellner auf Harry.
Verwirrt nickte dieser.
»Oh, dann -«, ruderte die Bedienung zurück und stellte die Tasse zurück auf sein Tablett. »Bekommen Sie sofort, ich mach' Ihnen einen neuen!«
Gerade wollte er wieder davoneilen, als Harry ihn aufhielt.
»Moment, kippen Sie den hier sonst weg?«, fragte er freundlich nach und nickte auf das volle Tablett.
»Das ist schon in Ordnung, ich nehm ihn auch so.«
Maryana beobachtete, wie Harry dem Kellner ein ebenso warmes Lächeln schenkte, wie er es ihr gegenüber getan hatte.
Am Umgang mit Bedienungen oder anderen Servicekräften hatte Maryana schon oft das wahre Gesicht einiger Menschen erkannt.
Wie oft hatten schon Menschen, die weitaus weniger erreicht hatten als Harry, dreiste, bösartige Töne gegenüber sämtlichen Dienstleistern angeschlagen.
Doch Harry war so höflich und freundlich zu diesem Kellner, dass er in Maryanas Augen noch herzlicher wirkte, als bereits zuvor.
»Wirklich?«
Erstaunt sah der Kellner wieder auf Harry.
»Klar«, versicherte er lachend und deutete ihm an, den Cappuccino und das Wasser auf den Tisch zu stellen.
»Und - was darfs für dich sein, Maryana?«
»Ähm.. Bitte einfach nur einen schwarzen Kaffee.«
Verstehend nickte der Kellner.
»Gerne.«
Damit verschwand er wieder nach drinnen und ließ die beiden wieder alleine.
Das Gespräch hatte noch gar nicht richtig angefangen, doch trotzdem zückte Maryana schon jetzt ihren Kugelschreiber, um knappe Stichpunkte zu ihren Eindrücken zu notieren.
- höflich
- charmant
- unheimlich freundlich jedem gegenüber
»Na dann«, grinste Harry schließlich. »Dann sollten wir uns mal kennenlernen.«
Erstaunt hob Maryana die Augenbrauen.
Ihr war bewusst, dass sie hier war, um Harry kennenzulernen, doch dass es auch anderesherum der Fall wäre, war ihr neu.
Zögernd saß sie ihm gegenüber und sah in sein makelloses, ebenes Gesicht, als er sich lächelnd durch seine langen, lockigen Haare strich.
Ob sie wollte oder nicht, einen weiteren Stichpunkt musste sie auf ihrer Liste doch noch ergänzen.
- umwerfendes Lächeln
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Hi, ihr Lieben!
Das Kapitel ist ein wenig länger geworden als geplant. Ich hoffe, das stört euch nicht :)
Und trotzdem bin ich noch nicht mal bis zum tatsächlichen Gespräch zwischen Harry und Maryana gekommen, shame on me :D
Danke für eure bisherigen Votes, das hat mich mega gefreut!
Alles Liebe! <3
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