Kapitel 43 - Die andere Option
»Es gibt zwei Sichtweisen, um das Ganze zu betrachten«, sagte Jeff klar und lehnte sich über den Schreibtisch seines Büros. »Entweder wir brechen in Panik aus wegen etwas, wovon wir gar nicht wissen, ob es überhaupt passieren wird, oder wir leben nach dem obersten Gesetz dieser Branche: Es gibt keine schlechte PR. Das Buch und deine Solokarriere würden wahnsinnig viel Aufmerksamkeit bekommen, wenn der Kerl irgendwas ausplaudert.«
Diese Reaktion hatte Harry bereits kommen sehen, als er Jeff soeben die aktuelle Lage dargelegt hatte. Allerdings saß Harry gerade nicht nur sein Manager gegenüber, sondern in erster Linie auch ein guter Freund.
»Ich weiß, mich würden irgendwelche Enthüllungen von diesem David nicht zerstören«, nickte Harry. »Aber Maryana würde aus dieser Nummer nicht sonderlich gut rauskommen.«
»Das ist wahr, aber ich manage dich, Harry. Und als Freund erinnere ich dich daran, dass du auch auf dich achten wolltest.«
Auch Jeff hatte in den letzten Monaten mitbekommen, wie es Harry ergangen war. Ein einziges Mal hatte er als Manager eine Moralpredigt gehalten und Harry klargemacht, wie unprofessionell es war, sich in seine Autorin zu verlieben und sich auf sie einzulassen, aber danach hatte er den Manager wieder in den Schrank gehängt und war Harry stattdessen ein tröstender Freund gewesen.
Zu Jeffs Meinung über Maryana hatte das nicht unbedingt beigetragen, aber er beschäftigte die Blondine und stand damit auch in einem Arbeitsverhältnis mit ihr. Die Konsequenzen für sie, wenn ihr Ex-Freund an die Öffentlichkeit tragen würde, was in den letzten Monaten passiert war, hätten ihm trotzdem nicht gleichgültiger sein können - ganz im Gegensatz zu Harry.
»Nur weil ich auf mich selbst achten will, heißt das doch nicht, dass ich Anderen dabei zusehen will, wie sie zerstört werden«, schüttelte Harry den Kopf. »Diesen ganzen öffentlichen Hass wird sie nicht aushalten.«
»Das hätte sie sich überlegen sollen, bevor sie so mit dir gespielt hat«, platzte es aus Jeff heraus. Da hatte der Freund in ihm wohl doch noch einmal die Oberhand über den Manager gewonnen.
Seufzend versank Harry in seinem Stuhl.
»Unglaublich. Mein Umfeld ist anscheinend verbitterter als ich selbst! Wenn jemand wütend auf Maryana sein kann, dann ich. Aber selbst ich steh' da drüber, also macht das doch gefälligst auch!«, knurrte er und dachte dabei insbesondere auch an Mitchs Verhalten der Blondine gegenüber.
Spöttisch lachte Jeff auf.
»Was erwartest du denn, Harry? Maryana hat dich verletzt und deine Fans werden sie dafür nicht gerade feiern. Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Die einzige Möglichkeit, dass sie verschont bleiben würde, wäre nun mal gewesen, wenn ihr dann auch tatsächlich zusammengekommen wärt. Man betrügt vielleicht mal für die große Liebe. Das haben Brad Pitts Fans schon geschluckt. Aber so -«, sagte er und zuckte mit den Schultern. »Da kann ihr niemand helfen. Sie kann froh sein, dass wir nicht klagen. Sie hätte eigentlich überhaupt nichts, was mir dir zu tun hat, weitergeben dürfen.«
»Jeff«, raunte Harry und warf seinem Manager einen scharfen Blick zu. Auch das war wieder ein Appell an den Freund in ihm.
»Jaja, wir drücken da mal ein Auge zu«, nickte dieser beschwichtigend. »Aber ansonsten kannst du für Maryana nur hoffen, dass ihr Ex seinen Mund hält. Oder du hilfst mit Kohle nach.«
Beim Vorschlag, er solle David bestechen, hätte Harry beinahe laut aufgelacht. Er war David ein einziges Mal begegnet und schon da hatte er deutlich zu spüren bekommen, wie eifersüchtig und von Neid zerfressen dieser Mensch war. Das Gesicht, wenn er ihm nun Geld bieten würde, um ihn vom Reden abzuhalten, konnte sich Harry nur zu gut vorstellen.
»Kohle wäre in dem Fall wohl eher kontraproduktiv«, musste Harry bei der Vorstellung etwas grinsen. »David würde das bestimmt als Provokation verstehen.«
»Naja, dann eben Hoffen, eine andere Option gibt's nicht«, gab sich Jeff gleichgültig.
Aber genau die gab es. Jeff hatte sie zuvor selbst, vielleicht etwas unbewusst, angesprochen.
Würde Harry sie aber nun wiederholen und als realistische Möglichkeit wieder auf den Tisch bringen, hätte sein Gegenüber ihn für völlig verrückt erklärt. Vermutlich hätte Jeff sogar direkt eine Krisensitzung mit Mitch, Liam, Louis und Niall einberufen.
»Ja, so ist es wohl«, murmelte Harry also, während er sich im Kopf längst einen Notfallplan zusammenbastelte.
Sollte dieser gewaltige Shitstorm tatsächlich über Maryana hereinbrechen, wäre es für sie um Einiges leichter, wenn er und sie als Paar aus der ganzen Sache hervorgegangen wären. Sie wäre in der Branche nicht als unprofessionell verschrien und seine Fans würden keine Hetzjagd auf die junge Frau starten.
Sollte David wirklich über ihren Seitensprung berichten, würde Harrys Album sein Übriges tun und Davids Geschichten bestätigen.
Am Ende war es offensichtlich, dass Maryana zwei Herzen gebrochen hatte und dass eines davon Harrys war, würden dessen Fans nur schwer verzeihen.
All das war nur Zukunftsmusik, aber würde der Fall wirklich eintreten, könnte Harry ihr immer noch anbieten, für eine Weile das glückliche Paar zu mimen. Vielleicht war es verrückt, überhaupt mit diesem Gedanken zu spielen und vielleicht war es auch vollkommen unvernünftig, aber eines war es sicherlich nicht - uneigennützig.
Während Harry bei seinem Manager saß und die derzeitige Lage besprach, durchforstete Maryana den Wohnungsmarkt. Sie konnte nicht ewig in Edins Wohnung campieren und dank ihres kürzlichen beruflichen und damit auch finanziellen Erfolgs war ihre Auswahl in Los Angeles auch nicht ganz so stark eingeschränkt wie vor vier Jahren.
»Die ist gar nicht so weit weg von hier, nimm die«, rief Edin und trommelte hektisch auf das Display von Maryanas Notebook. »Wenn du mich schon unbedingt wieder alleinlassen willst, dann bleib wenigstens hier in der Nähe.«
»Guck' dir mal an, wie teuer die ist«, meinte Maryana skeptisch. »Wer weiß, wie's weitergeht und wieviel ich letztendlich noch verdiene.«
Tadelnd musterte Edin seine beste Freundin.
»Dein Optimismus lässt ja sehr zu wünschen übrig.«
»Dazu hab' ich im Moment auch wenig Grund«, seufzte Maryana niedergeschlagen. »Aber anschauen kann ich sie mir ja mal.«
Maryana bemerkte, wie Edin sie noch kurz von der Seite beobachtete, ehe er dann plötzlich ihren Laptop entschlossen zuklappte und ihr auffordernd in die Augen sah.
»Du machst ganz und gar nicht den Eindruck, als wärst du befreit. Es läuft doch alles gut! Harry war verständnisvoll, du kannst in Ruhe weiterarbeiten und bist David los. Du hast doch selbst eingesehen, dass das mit dir und David nichts wird. Ich versteh' ja, dass du traurig bist, aber deine Leidensmiene macht mir ja fast Angst, dass du's schon wieder bereust und ihn zurückwillst.«
»Ach, Quatsch!«, schüttelte Maryana entschieden und ehrlich den Kopf. »Ich hab' einfach wirklich schlimme Befürchtungen. Da kommt noch irgendwas. Das macht es denkbar schwer, sich auf die Zukunft zu freuen. Er hat so vieles in der Hand, er kann mir wirklich schaden. Beruflich und auch persönlich.«
Bedauernd seufzte Edin.
»Das weißt du doch noch gar nicht. Solange nichts passiert, kannst du ja jetzt deinen Neuanfang genießen. Und vielleicht auch nochmal mit David reden. Einfach, um die Wogen etwas zu glätten.«
Maryana lachte humorlos auf.
»Klar, mit David«, raunte sie ironisch. »Mit David kann man nicht reden und schon gar keine Wogen glätten. Er hasst mich, wird sich querstellen, mir meinen Umzug so schwer wie möglich machen und versuchen mir so viel wie möglich zu schaden - und Harry auch.«
Maryanas Meinung war durch nichts zu ändern und auch Edin wusste dem nichts entgegenzusetzen. Das klang tatsächlich sehr nach David und auch er konnte sich nur zu gut vorstellen, dass die Befürchtungen seiner besten Freundin eintreffen würden.
Gewissheit würde allerdings, wie so oft, nur die Zeit bringen.
»Apropos Harry«, wollte Edin gerade einhaken. »Was ist eigentlich -«
Einhaltend hob Maryana die Hand.
»Nein, nicht apropos Harry«, unterbrach sie ihn entschieden. »Nicht schon wieder, ich hab' wirklich genug davon.«
Edin zog erstaunt die Augenbrauen nach oben.
»Heißt?«
»Ich schreibe dieses Buch fertig und wende mich an Harry, wenn ich dafür noch irgendwas brauche. Nicht mehr und nicht weniger. Es wird endlich mal Zeit, dass Ruhe einkehrt von diesem ganzen Hin und Her. David ist Geschichte und ich will mich nicht direkt in irgendein Drama mit Harry stürzen, ich will einfach mal für mich sein. Spätestens wenn David wirklich an die Öffentlichkeit geht, wird man meinen Namen sowieso immer mit Harry Styles in Verbindung bringen. Das reicht mir schon.«
Edin schenkte der Blondine ein sanftes Lächeln.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber ja - kein Harry, kein David, nur Maryana. Das klingt gut und nach der richtigen Richtung.«
Dankbar erwiderte Maryana Edins Lächeln.
Natürlich war sie Harry nach wie vor dankbar für seine Reaktion, seine Vernunft und sein Verständnis. Wieder einmal hatte er ihr bewiesen, dass er ein bemerkenswerter Mensch war, aber das änderte nichts daran, dass sie nach all dem Wirbel endlich nur für sich sein wollte.
Maryana konnte den Sänger nicht einfach aus ihrem Leben streichen, nachdem sie beruflich noch so miteinander verwoben waren, aber sie konnte den Kontakt beschränken und parallel dazu schon einmal ihren eigenen Weg einschlagen.
Edin hatte recht, bislang war alles gut. Maryana wusste nicht, was David im Schilde führte, oder ob er überhaupt zum Gegenschlag ausholte. Es brachte auch niemanden weiter, wenn sie sich nun verrückt machte.
Maryana war fest entschlossen, den Blick unbeschwert nach vorne zu richten, aber tief drinnen wusste sie doch, dass dort in der Zukunft noch einmal die Vergangenheit lauerte.
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