Kapitel 25 - Aussprache [1]
Seit Nialls Gespräch mit Maryana war auch in Harry eine gewisse Unruhe ausgebrochen.
Er war zunehmend unzufriedener geworden - am Liebsten hätte er Maryana einmal geschüttelt und sie direkt heraus gefragt, warum sie nicht einfach zugeben konnte, dass David nicht der Richtige für sie war und stattdessen ihn wählen sollte.
Mit jedem Tag hatte sich seine Wut und Unzufriedenheit mehr aufgestaut, bis es an diesem Tag im Studio aus ihm herausgebrochen war.
Es war einfach über ihn gekommen, als Maryana wieder einmal vor ihm gesessen und mit David geschrieben hatte, als ob nichts passiert wäre.
Dabei war er sich so sicher, dass sie zu ihm gehörte.
Den ganzen Tag über, als Harry mit professionellen Songwritern im Studio saß und Anstöße für seine neue Musik bekam, starrte er immer wieder auf diesen einen, neuesten Satz in seinem Notizbuch.
Weiß dein Herz, was deine Hände tun.
Harry hatte Maryanas Gesicht gesehen. Er wusste, dass er damit etwas in ihr bewegt hatte.
Es war sein letzter Versuch, das letzte Mal, dass er ihr die Hand reichte und ihr die Möglichkeit gab, auf ihn zuzukommen.
Und Harry hatte große Hoffnung, dass Maryana endlich ehrlich zu sich selbst und auch zu ihm sein würde.
Geduldig saß Harry demnach auch im Wagen, auf dem Weg zurück ins Hotel und ergab sich dem schweren, angespannten Schweigen zwischen sich und Maryana.
Sie musste den ersten Schritt machen und dieses Gespräch anstoßen - und Harry war sich sicher, dass sie das tun würde, wenn auch nicht sofort.
Wieder legte Harry seine schnippische Art und Weise an den Tag und hoffte, Maryana damit aus der Reserve zu locken.
»Ein langer Tag, ich hatte ziemlich viel Input«, ließ er sie nur knapp wissen, als sie die Hotellobby betraten. »Ich verzieh' mich direkt aufs Zimmer, bis morgen.«
Einen kurzen Augenblick wartete Harry ab, ob Maryana einhaken wollte. Doch nach kurzem Zögern nickte sie bloß und war schien bemüht, gleichgültig zu wirken.
»Na dann, bis morgen.«
Ohne von Maryana aufgehalten zu werden setzte Harry also seinen eben kundgetanen Plan in die Tat um.
Er zog sich zurück auf sein Hotelzimmer, doch von Resignation war keine Spur bei dem Künstler.
Er hatte das Brodeln und die vielen Fragen in Maryana förmlich hören können.
Harry war der festen Überzeugung, dass die Blondine noch heute das Gespräch mit ihm suchen würde.
Und tatsächlich klopfte es keine Stunde später bereits energisch an der Türe seiner Suite.
Zwar kaum überrascht, dafür aber mit hartnäckiger Nervosität an der Seite, näherte sich Harry der Türe.
Er hatte diese Situation kommen sehen und war bereit Maryana das zu bieten, was auch er von ihr verlangte, oder sich zumindest wünschen würde - Ehrlichkeit.
Harry war bereit, die Karten offen auf den Tisch zu legen, wenn Maryana dasselbe tat.
Weniger aufgeregt war er allerdings dennoch nicht.
Wie erwartet stand die blonde junge Frau auf der Türschwelle, als Harry bereitwillig öffnete und spürte, wie sein Herz mit jeder Sekunde schneller schlug.
Augenscheinlich hatte es in Maryana sogar mehr gebrodelt als Harry zunächst angenommen hatte.
Ohne Zeit zu verlieren, platzte aus Maryana sofort die erste Frage heraus.
»Was soll das heißen, du willst, dass ich auch in meinem gesprochenen Wort ehrlich bin?«, polterte sie sofort los und schleuderte Harry einen fordernden Blick zu, dass er nur zu gerne einen Schritt zurückwich, um sie in sein Reich zu lassen.
»Komm rein«, sagte er höflich und verkniff sich ein Schmunzeln.
Maryana hatte anscheinend den ganzen Tag über das nachgedacht, was er ihr am Vormittag im Tonstudio gesagt hatte.
Immerhin hatte sie sogar denselben Wortlaut verwendet. Es hatte ihr wohl keine Ruhe gelassen.
»Also?«
Nach wie vor mit auffordernden, leuchtenden Augen stand Maryana in Harrys Suite und sah ihn unvermittelt an.
»Was meinst du?«, zuckte Harry neutral mit den Schultern und wandte sich demonstrativ von Maryana ab.
Er war sich sicher, sie auf diese Weise dazu bringen zu können, endlich von sich aus über ihre Gefühle zu sprechen. Sie mussten einfach aus ihr herausplatzen.
»Es heißt eben genau das, was ich gesagt hab'«, erklärte er mit ruhiger Stimme und ging hinüber zum Fenster, um sich dort gegen die Fensterbank zu lehnen.
Fassungslos sah Maryana ihn an.
»Das heißt also du denkst, ich würde die ganze Zeit über lügen, wenn ich mit dir rede?«
»Ich weiß es nicht. Tust du's?«, stellte Harry wieder ruhig die Gegenfrage und beobachtete, wie sich in Maryana immer mehr Verwirrung und andere Emotionen aufstauten.
Meditativ atmete die junge Frau tief durch, um sich zu beruhigen.
»Okay, Harry«, sagte sie dann möglichst gefasst. »Ich hab' das Gefühl, dass inzwischen eine ganze Menge zwischen uns steht, kann das sein? Was ist nur los mit dir?«
»Das Gefühl hab' ich auch«, nickte Harry nun zum ersten Mal zustimmend. »Und ich könnte dich dasselbe fragen. Was ist los mit dir? Gehst du mir nicht ziemlich aus dem Weg, seitdem wir diese Nacht in meinem Haus waren? Und ja, ich glaube tatsächlich, dass du nicht ganz ehrlich bist.«
Maryana schluckte sichtbar, als Harry die Nacht in dessen Haus erwähnte.
Doch gekonnt überging sie seine Fragen.
»Und überhaupt - Weiß dein Herz, was deine Hände tun? Was soll das denn?«, schoss Maryana stattdessen sofort die nächste Frage hinterher, aber Harry wollte dieses Gespräch endlich in konkretere Wege lenken.
Er war innerlich selbst unheimlich aufgewühlt, doch nach außen hin bemühte er sich darum, die Ruhe selbst zu sein.
»Ist das wirklich die Frage, die dich am meisten interessiert? Liegt dir nicht etwas anderes viel schwerer auf der Seele?«
Auffordernd sah Harry die junge Frau an.
Sie wussten beide, was ihr unter den Nägeln brannte.
»Komm schon, spuck's aus«, forderte Harry nun direkt heraus - und Maryana knickte endlich ein.
»Sind deine Songtexte über mich?«, platzte es endlich aus ihr heraus. »Und hast du Niall angewiesen nachzuhaken?«
Harry atmete ruhig und verschränkte die Arme locker vor der Brust.
»Ja«, antwortete er dann klar, ehe er beobachtete, wie Maryanas Gesicht einfror.
»Was ja?«
»Ja zu beidem.«
Überfordert wandte Maryana ihm den Rücken zu und legte den Kopf in den Nacken, während sie sich auf den nächsten Sessel sinken ließ.
Er war sich sicher, dass sie es längst gewusst hatte, doch es nun bestätigt zu bekommen, warf sie noch einmal aus der Bahn.
»Aber Harry, das -«, setzte sie gerade an. »Was -«
Erneut versuchte sie sich durch ihren Atem zu beruhigen, während Harry nur schwieg und sie beobachtete.
»Das geht doch nicht, Harry!«, schaffte sie es schließlich doch zu formulieren und versetzte dem jungen Sänger damit einen Stich direkt ins Herz.
»Ich hab's mir nicht ausgesucht«, erwiderte Harry wieder bedacht und ließ keine Emotion nach außen dringen.
Doch Maryana war längst so in ihrem Film gefangen, dass sie ohnehin nicht mitbekam, was er von sich gab.
Stattdessen verhedderte sie sich in einem Monolog.
»Klar, ich hab' dich gern'. Du bist total interessant, ganz zu Schweigen von deinen Ansichten. Ich rede wirklich gern mit dir und ich glaube auch, dass du mich im Leben durchaus weiterbringen kannst. Und das meine ich nicht karrieretechnisch«, ließ sie ihren Worten freien Lauf.
Die Stirn hatte sie dabei auf ihre Hände gestützt und starrte auf den Boden.
»Ich fühl' mich ja auch wohl mit dir, aber was du da geschrieben hast.. Das geht nicht! Ich meine.. David!«
Mit dem letzten Wort hatte sie endlich das genannt, was zwischen ihnen stand.
Harry hatte die ganze Zeit über nur tatenlos zugehört und verzog keine Miene.
Stattdessen ließ er alles über sich ergehen und nahm sich vor alles zu akzeptieren, was Maryana sagte.
Er wollte sie nicht von sich überzeugen oder ihr einreden David zu verlassen. Maryana musste es selbst verstehen und fühlen - oder vielleicht hatte er sich doch getäuscht und sie gehörte tatsächlich zu David.
»Ich liebe David, Harry«, hörte er sie niedergeschlagen, beinahe bedauernd, seufzen.
Doch egal wie leidend Maryanas Stimme auch klang, war Harry klar, dass er es war, der in diesen Moment am meisten litt.
»Ich weiß, dass es oft nicht so scheint, aber er gibt mir wirklich viel. Er hat mir so sehr geholfen in den letzten Jahren. Er sieht die Welt zwar anders als ich, aber genau das zwingt mich oft, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, anstatt alles totzureden. Er hat seine Gründe, weshalb er so ist, wie er ist und genau so liebe ich ihn - selbst wenn er mich wirklich oft auf die Palme bringt und triggert.«
Zum ersten Mal seit einer Weile blickte Maryana nun wieder auf und warf Harry einen entschuldigenden Blick zu.
Nach wie vor bemühte sich dieser seine neutrale Fassade aufrecht zu erhalten, doch mit jeden Augenblick wurde es schwerer, seine emotionale Seite zu unterdrücken.
Plötzlich wünschte er sich, diese Gespräch niemals provoziert zu haben.
Die Ungewissheit war doch um Einiges angenehmer gewesen als das, war er nun spürte.
Solange man in der Luft hing, schlug man zumindest nicht am Boden auf. Doch genau dorthin hatten Maryanas Worte ihn nun, nach wochenlangem freien Fall, aufprallen lassen.
»Und das freut mich für dich«, versuchte Harry mit möglichst starker Stimme zu sagen und sogar ein halbwegs ehrliches Lächeln zu zeigen. »Alles andere ist mein Problem und ich muss zusehen, wie ich damit klarkomme.«
Unzufrieden schloss Maryana kurz die Augen.
»Aber das ist doch scheiße«, seufzte sie. »Das steht doch jetzt total zwischen uns, wie sollen wir -«
»Ignorier' es einfach«, bat Harry aufrichtig und schüttelte leicht den Kopf. »Tu als wüsstest du von nichts und sei einfach genau so wie immer, ja?«
»Aber Harry...«
»Bitte.«
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