Kapitel 1 - Ein überraschender Anruf
Das Telefon zwischen ihrer linken Schulter und ihrem Ohr eingeklemmt, balancierte Maryana Kaffee, Notizbücher und ihren Regenschirm zu einem der freien Tische des kleinen Cafés, während sie der Stimme ihres Verlegers lauschte.
Er hätte keinen ungünstigeren Moment erwischen können, doch nachdem ihr Handy seit gefühlt 15 Minuten unaufhörlich geklingelt hatte und er einfach nicht aufgeben wollte, hatte sie den Anruf schließlich doch unter akrobatischer Höchstleistung entgegengenommen.
Seufzend ließ sich die junge, blonde Frau endlich auf die hölzernen Sitzbank an der Wand sinken und nahm ihr Handy ordentlich in die Hand.
»Eine Biografie? Ich schreib' doch noch nicht mal Biografien«, war ihre erste Reaktion auf die Anfrage, die ihr soeben unterbreitet wurde.
Sofort erklang wieder die aufgeregte, nahezu hysterische Stimme ihres Verlegers John. Diesen besonnenen Herrn, Mitte 50, derart aus der Fassung zu bringen, war definitiv eine Leistung. Weshalb er sich in diesem Zustand befand, war Maryana bisher jedoch noch ein Rätsel.
»Es wurde explizit nach dir verlangt! Du oder niemand, das waren die genauen Worte«, stellte John durch die Leitung klar. »Und glaub mir, Mary - das ist nicht nur für den Verlag eine riesen Nummer, sondern auch für dich! Es wird sich quasi von selbst verkaufen!«
Noch konnte Maryana diese Euphorie beim besten Willen nicht teilen und rührte nachdenklich in ihrem schwarzen Kaffee.
»Was macht dich da so sicher? John, du weißt doch, was mir liegt. Du weißt, was ich für gewöhnlich schreibe.«
Ein berechtigter Einwand, denn anstelle von Biografien, waren Maryanas Bücher bisher stets im Regal für Lebensfragen, Motivation oder vielleicht sogar Philosophie verortet gewesen.
Nachdem sie ihre Leidenschaft zum Schreiben schon früh entdeckt und mit zwanzig Jahren in einem Studium festgesessen hatte, das nicht einmal ansatzweise Erfüllung brachte, hatte sie sich entschieden, die Reißleine zu ziehen.
Kurzerhand hatte Maryana ihr Studium abgebrochen und den Entschluss gefasst,
sich stattdessen dem Schreiben hinzugeben.
Als sich dann jedoch die Frage nach dem Thema ihres ersten Buches gestellt hatte, hatte sie tatsächlich den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen.
Die Lösung lag so nah. Und schließlich hatte sie über ihr eigenes Leben geschrieben - über die Erwartungen von Außen, Erwartungen an sich selbst, Vertrauen in sich, Glauben, Mut und letztendlich das Finden von Glück.
Es war ein steiniger Weg gewesen und dafür, dass sie irgendwann an John geraten war, der ihre Bücher tatsächlich veröffentlichen wollte, war sie heute noch unfassbar dankbar.
»Natürlich weiß ich das«, seufzte John am anderen Ende der Leitung in den Hörer. »Aber dein Ziel war es immer, Menschen zu inspirieren und zu bewegen. Vielleicht kannst du das auch, indem du die Geschichte dieses jungen Mannes erzählst. Denn - und nun halt dich fest.«
Theatralisch senkte John seine Stimme, um
nun als Höhepunkt endlich den Namen des ominösen, potenziellen Auftraggebers zu verkünden.
»Es geht um Harry Styles.«
Stille.
Die Jubelschreie, die sich John wohl erhofft hatte, blieben aus. Stattdessen hielt Maryana selbst in den Rührbewegungen in ihrer Kaffeetasse inne und blickte ausdruckslos vor sich hin.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst«, meldete sie sich dann endlich, überraschend monoton, zu Wort. »Dieser Kerl von One Direction? Wie alt ist der denn? Achtzehn?«
»Dreiundzwanzig!«, kam prompt Johns schnippische Antwort. »Und er ist inzwischen dabei, sich als Solokünstler zu etablieren.«
Brummend legte Maryana im Café den Kopf in den Nacken.
Das klang in ihren Ohren ja nicht besonders vielversprechend.
»Ich soll eine Biografie über einen Dreiundzwanzigjährigen schreiben? Was will denn ein junger Mann in diesem Alter schon zu erzählen haben?«
»Er ist ein Weltstar, also vermutlich eine ganze Menge«, antwortete John trocken. »Und noch dazu ein Teenie-Schwarm. Man wir uns dieses Buch aus der Hand reißen! Du kannst quasi eh schreiben, was du willst - die Leute werden es kaufen!«
»Was soll das denn bitte heißen?«, hakte Maryana etwas pikiert ein.
»Dass du unheimlich dumm wärst, würdest du dieses Angebot ablehnen!«
Langsam konnte die Jungautorin zwar Johns Euphorie nachvollziehen, doch trotzdem wollte diese nicht auf sie übergreifen. Dass John einen wirtschaftlichen Riesenerfolg für seinen Verlag kommen sah, war sicherlich realistisch und ein Grund zur Freude, doch begreifen konnte sie all das noch nicht.
Warum ausgerechnet sie? Warum nicht lieber eine Bestsellerautorin, die auch Erfahrung im Schreiben von Biografien hat?
»Hast du denn schon mit ihm gesprochen?«, fragte Maryana schließlich, in der Hoffnung John könnte ihr somit ein paar der unzähligen Fragen in ihrem Kopf beantworten.
»Nein, leider nicht. Bisher nur mit seinem Management. Alles Nähere sollte dann bei einem Dinner besprochen werden, soweit unsererseits denn Interesse an dem Auftrag besteht.«
Kurz trat Schweigen ein.
»Besteht denn Interesse?«
»Was für eine Frage«, rollte Maryana seufzend mit den Augen. »Natürlich.«
Selbstverständlich war ihr bewusst, welche Chance dieser Auftrag war. Und vielleicht sollte sie einfach dankbar für dieses Glück sein und das Ganze annehmen, doch so vieles in ihr wollte sie noch zurückhalten.
Es waren leise Zweifel - daran, ob sie für eine solch große Nummer nicht zu unbekannt, zu neu und zu untalentiert war. Daran, ob sie mit diesen Menschen überhaupt zusammenarbeiten wollte und konnte. Und auch daran, ob das denn wirklich der Weg war, den sie mit ihrer Karriere einschlagen wollte.
Zumindest würden dadurch wohl ihren schlaflosen Nächten ein Ende bereitet werden. Immer wieder lag sie nachts wach, weil ihre Gedanken verrückt spielten und sie wieder von all den Existenzängsten eingeholt wurde. Das Schreiben war eben doch eine oft brotlose Kunst und sie konnte nie wissen, wann der Erfolg ein Ende haben würde. Es konnte jederzeit vorbei sein - wovon ein solches Angebot natürlich Abhilfe schaffen konnte.
»Wunderbar!«, riss sie John sofort wieder jubelnd aus ihren Gedanken.
Ihre Zustimmung war im Moment alles, was er gebraucht hatte, um diesen Dinner nun zusagen zu können.
Mit ihrer Einwilligung war John ein riesen Stein vom Herzen gefallen, das war Maryana bewusst.
Und alleine das war sie ihm schuldig, nach allem, was er für sie getan hatte.
Sie musste dem Ganzen eine Chance geben.
»Tu mir einen Gefallen, Liebes«, hörte sie John noch einmal tief durchatmen. »Zerdenk nicht sofort wieder alles. Das wird schon. Gehen wir einfach ganz vorurteilsfrei an diese Sache heran.«
Wohl wissend, dass John sie nicht sehen konnte, nickte Maryana einverstanden.
»Versprochen«, lächelte sie in ihr Handy. »Dann sag ihnen mal lieber gleich zu, bevor sie es sich noch anders überlegen.«
Hektisch hörte sie ihren Verleger atmen.
»Wahre Worte! Also dann, Maryana. Da kommen große Zeiten auf uns zu, ich halte dich auf dem Laufenden.«
Ehe sich Maryana versehen konnte, hatte John sie bereits aus der Leitung geworfen und nun tönte nur noch das Freizeichen aus ihrem Handy in ihr Ohr.
Seufzend legte auch sie das Telefon neben ihre Kaffeetasse und starrte weiterhin auf den schwarzen Bildschirm.
Es war verrückt, wie ein einziger Anruf doch gleich eine komplette Wendung des Tages, womöglich sogar mehr, bedeuten konnte.
Nachdenklich atmete Maryana einmal tief durch.
Harry Styles - sie kannte diesen Namen und wusste auch, dass sich der Lockenkopf der britischen Boyband One Direction dahinter verbarg.
Selbst wenn sie die Musik nicht gehört hatte, war Maryana der Erfolg der Band über die Jahre hinweg nicht entgangen.
Dass er nun allerdings seine Biografie veröffentlichen wollte, obwohl er gerade mal genauso als war wie sie selbst, war durchaus befremdlich. All das klang stark nach Merchandise und Gewinnmaximierung auf Biegen und Brechen.
Sie wollte nur ungern Teil dieser Maschinerie werden und einen platten Text über ein Teenie-Idol verfassen.
Konzentriert schloss Maryana die Augen und versuchte diese Gedanken sofort wieder abzuschütteln.
John hatte recht - sie durfte diese Sache nicht schon wieder zerdenken, bevor sie überhaupt angefangen hatte.
Immerhin hatte sie auch noch nichts unterschrieben und womöglich erwartete sie auch etwas völlig anderes, als sie sich jetzt ausmalte.
Vielleicht war dieser Harry Styles auch ein überraschend sympathischer, interessanter und besonnener Mensch. Doch wie besonnen konnte man schon sein, wenn man es in diesem Alter für nötig hielt, seine Memoiren zu veröffentlichen.
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Hey, ihr Lieben!
Viiiiiiielen Dank für die ersten Votes und Reads! *__*
Ich hoffe, die Geschichte wird euch gefallen :)
Ich freu mich immer über Rückmeldung oder sonstiges, das ist so lieb ♥
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