42. Ganz verrückte Idee
Am nächsten Tag stand für die Gruppe die Rückreise nach London an.
Nach einer gebührenden Verabschiedung stiegen die Freunde ins Auto und machten sich auf den Weg nach Hause.
Die Fahrt war anstrengend, dauerte viel zu lange und schien sich ewig hinzuziehen.
Louis war heilfroh, als man ihn endlich zu Hause absetzte.
Er drückte Harry einen letzten Kuss auf die Lippen und verabschiedete sich schließlich auch von den anderen, ehe er sein Gepäck aus dem Kofferraum holte und sich auf den Weg in sein Apartment machte.
„Und du, Harry?", wollte Niall schließlich von ihm wissen. „Sollen wir dich nach Hause fahren oder möchtest du noch mit zu uns kommen?"
Diese Frage klang wie Musik in seinen Ohren.
Obwohl er wusste, dass er damit das lästige Wäschewaschen und Ausräumen des Koffers lediglich auf Morgen verschieben konnte, war der Gedanke, den Urlaub mit seinen Freunden noch einmal Revue passieren zu lassen wahnsinnig angenehm.
Also brauchte er auch nicht lange, sich zu entscheiden.
Sie fuhren also zu dem Haus am Stadtrand, in dem Niall mit seiner Familie lebte.
Die Kinder waren im Auto eingeschlafen und mussten somit nur noch in ihre Bettchen getragen werden.
Was für ein Glück, dachte Niall bei sich. Ansonsten hätte das Ganze vermutlich in einer Katastrophe geendet.
Als die Kinder schließlich im Bett waren, setzten sich die Freunde bei einer Flasche Rotwein auf die Terrasse.
„Was für ein anstrengender Tag", murmelte Niall, dem die Müdigkeit deutlich anzusehen war.
Mary stimmte ihrem Mann zu und warf schließlich einen mitfühlenden Blick zu Harry. „Konntest du die Sache mit Louis klären?"
Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Mehr oder weniger."
„Was hat er denn gesagt?"
„Er meinte, er hätte selbst schon so viele Werke anonym veröffentlicht, und das aus gutem Grund", wiederholte er. „Er ist der Meinung, man sollte das respektieren, anstatt ständig nach der Identität des Autors zu suchen."
Niall zog die Augenbrauen zusammen. „Der führt sich ja beinahe auf, als hätte er dieses Buch geschrieben."
In diesem Moment löste sich bei Mary eine Blockade. „Was, wenn es wirklich so ist?"
Harry schüttelte den Kopf. „Was?"
„Ich meine, denkt doch mal nach", erklärte sie. „Das Buch ist ihm unangenehm, sobald es zur Sprache kommt. Er hat bereits mehrfach anonyme Werke veröffentlicht und bis zum gestrigen Tag noch nie mit jemandem darüber gesprochen, obwohl Harry sein Partner ist. Und dann sind da noch die tausend Gründe, die ihm einfallen, weshalb das anonyme Veröffentlichen eines Buches so viel mehr Vorteile hat, als der herkömmliche Weg. Ein Originalexemplar der Briefe wurde im Stadtarchiv gefunden, stammt aber wohl aus der Stadtbibliothek. Und wer arbeitet dort? Louis. Das können keine Zufälle sein."
Harry dachte einen Moment lang über Mary's Argumentation nach und musste zugeben, dass sie ziemlich nachvollziehbar klang...
Aber konnte das wirklich sein?
Konnte es wirklich sein, dass Louis der Autor war, nach dem er schon seit Monaten suchte?
Und konnte es wirklich sein, dass er, trotz des Wissens um Harry's Faszination für das Buch, nie auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren hatte?
Harry wurde plötzlich heiß und kalt, alles gleichzeitig.
In diesem Moment wusste er überhaupt nicht mehr, was er denken sollte.
Plötzlich sah er seine Beziehung zu Louis in einem ganz anderen Licht.
„Wenn du das so sagst, klingt es natürlich ziemlich schlüssig...", murmelte er kleinlaut.
Niall leerte sein Glas und warf einen zweifelnden Blick in die Runde. „Meint ihr nicht, dass ihr euch da vielleicht in etwas verrennt?"
„Möglicherweise", gestand Mary. „Aber um das zu wissen, müssen wir die Wahrheit herausfinden. Und dazu würde ich vorschlagen, dass du der Stadtbibliothek einen spontanen Besuch abstattest - mit deiner Schulklasse. Getarnt als Recherche für ein Geschichtsprojekt."
„Gar keine schlechte Idee", stimmte Harry ihr zu. „Aber wonach soll ich suchen?"
Die junge Französin zuckte die Schultern. „Du weißt, dass die Briefe aus der Zeit des ersten Weltkriegs stammen", sagte sie. „Also gehst du zu Louis in die Bibliothek, sagst du suchst Recherchematerialien für diese Zeitepoche und nimmst die ganze Abteilung auseinander."
Niall tippte sich an die Stirn. „Ihr glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass ihm das nicht auffallen wird."
„Siehst du eine andere Möglichkeit?", wollte Mary in ironischem Tonfall von ihrem Mann wissen, ehe auch sie ihr Glas leerte.
„Ganz verrückte Idee", entgegnete Niall in derselben Stimmlage. „Harry fragt ihn einfach ganz direkt, ob er mit seiner Vermutung richtig liegt."
„Er wird mir niemals die Wahrheit sagen", antwortete Harry, und er war auch zu einhundert Prozent davon überzeugt, dass er damit richtig lag.
„Aber er hat dir doch angeboten, dich in seinen Manuskripten lesen zu lassen", entgegnete Niall. „Vielleicht ist das der Moment, in dem er dir die Wahrheit sagen möchte."
Einen Moment lang hielt Harry inne.
Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht.
„Aber selbst, wenn es so wäre...", überlegte er schließlich. „Er hat mich monatelang belogen."
Niall seufzte. „Ich verstehe deine Enttäuschung. Aber ich glaube, ich würde es nicht wirklich eine Lüge nennen."
„Ach nein?", schaltete Mary sich wieder ein. „Sich monatelang als jemand anderes ausgeben ist deiner Meinung nach pure Ehrlichkeit?"
Niall verdrehte die Augen. „Jetzt dreht mir doch nicht jedes Wort im Mund um. Ich wollte damit nur sagen, dass Louis sicher keine bösen Absichten hatte."
„Das hat auch niemand behauptet", entgegnete Mary.
Nach einer kurzen Pause, sah sie Harry mitfühlend an, der bereits sein zweites Glas innerhalb von wenigen Minuten leerte. „Habt ihr euch denn schon an einem Tag verabredet, an dem du einen Blick in seine Manuskripte werfen darfst?"
Harry schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete er. „Ich möchte ihn nicht zu sehr unter Druck setzen."
„Was würdest du tun, wenn Louis sich tatsächlich als der anonyme Autor von Ephemeral herausstellen würde?", hakte Niall vorsichtig nach.
Harry's Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
Eine Frage, auf die er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal selbst eine Antwort hatte, obwohl er dringend eine brauchte.
„Ich weiß es nicht", gab er also ehrlich zur Antwort. „Aber ... Ich würde mich ernsthaft hintergangen fühlen. Was für einen Sinn hat eine Beziehung, in der man sich nicht gegenseitig vertrauen kann? In der man Geheimnisse voreinander hat, weil offensichtlich nicht genug Vertrauen vorhanden ist?"
Niall's Herz wollte vor Mitgefühl fast überlaufen.
Er konnte sehen, wie Harry's Gemüt erneut ganz schwer wurde, wie er sich selbst schon wieder auf das Schlimmste vorbereitete.
Er konnte seine Gedanken regelrecht hören. Wie er sich selbst verfluchte, weil er sich erneut auf jemanden eingelassen und ernsthaft geglaubt hatte, dass es hätte funktionieren können.
Die Sache mit Jack hatte ihn schwer mitgenommen, und Niall hätte Jack damals am liebsten mit seinen eigenen Händen aus dem vierten Stock des Schulgebäudes geschmissen, und Arthur gleich hinterher.
Aber Louis war irgendwie anders.
Louis war kein berechnender Mensch, der Harry benutzt und dann weggeworfen hatte.
Ihm lag etwas an Harry.
Er liebte ihn. Auf eine aufrichtige, ehrliche Art und Weise.
Er hatte Louis nicht als einen verlogenen oder gar berechnenden Menschen kennengelernt.
Beide hatten anfangs Angst gehabt, diese Beziehung zueinander anzugehen - und keiner von beiden würde sie leichtfertig riskieren.
Da war Niall sich zu hundert Prozent sicher, weshalb er sich entschloss, Louis einen Besuch abzustatten, bevor die Situation eskalieren konnte.
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Hello Freunde,
hab vergessen zu Updaten, deswegen gibts jetzt Nachts um zehn ein Kapitel🙈
Hatte nen ziemlich verrückten Tag. Wir bauen grad Haus und jemand hat uns einfach in den Rohbau ge💩.
Und wie war euer Sonntag so?😂
All the love,
Helena xx
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