26. Genug Übung
Niall nickte neugierig in die Richtung der altmodischen und abgenutzten Aktentasche, in der Louis seine Notizen verstaut hatte. „Was schreibst du da eigentlich?"
Sowohl Harry als auch Niall glaubten, für einen Moment etwas wie Verlegenheit in Louis' Blick erkennen zu können. Fast so, als würde er sich ertappt fühlten.
Schließlich räusperte er sich. „Ach das", winkte er ab. „Das sind nur ein paar Notizen."
Niall bemerkte, dass Louis das Thema eigentlich nicht weiter vertiefen wollte und versuchte deshalb, das Thema zu wechseln.
Harry allerdings schien neugierig geworden zu sein. „Was für eine Art von Notizen sind das denn?"
Louis spürte, wie eine Spur Nervosität seinen Körper durchzuckte wie ein Blitz. „Das sind bloß einige Analysen zu verschiedenen literarischen Werken."
„Um welche literarischen Werke handelt es sich denn?"
Louis wich seinem Blick aus. „Hauptsächlich Shakespeare."
Eigentlich hasste er es, Harry anzulügen.
Und eigentlich hatte er auch gar keine Lust mehr auf das ganze Versteckspiel.
Aber irgendwie hatte er das Gefühl, den richtigen Moment für das Lüften seines Geheimnisses verpasst zu haben.
Er wurde die ungute Vermutung nicht los, dass Harry deshalb wütend und enttäuscht sein würde, sollte er ihm irgendwann davon erzählen - was er früher oder später tun musste.
Ein flaues, ungutes Brodeln braute sich in seiner Magengegend zusammen.
„Schön", kommentierte Harry unterdessen und blickte den jungen Bibliothekar an. „Das-"
„Vielleicht sollten wir sie erst einmal einander vorstellen", unterbrach Niall seinen besten Freund und deutete auf Louis und schließlich in Richtung seiner Familie.
Louis atmete dankbar aus und war erleichtert, dass das Thema damit endlich vom Tisch war.
„Louis, das sind meine Frau Mary und meine Töchter Violet und Hanna", erklärte Niall, während seine Ehefrau dem jungen Mann die Hand reichte und ihn warm anlächelte.
Louis mochte ihr Lächeln.
Es hatte etwas Warmes, irgendwie so, als hätte sie schon von ihm gehört - aber nicht auf die schlechte Art und Weise.
Schließlich kam der Kellner zu der Gruppe an den Tisch.
Während sie ihre Bestellungen aufgaben, griff Harry nach Louis' Hand und war einmal mehr erstaunt darüber, wie weich und makellos sie sich anfühlte.
Als der Kellner Louis schließlich fragend anblickte, schüttelte er den Kopf. „Ich habe eigentlich gar keinen so großen Hunger..."
Entschlossen schüttelte Niall den Kopf. „Das kommt gar nicht infrage", entgegnete er. „Ich möchte euch gerne einladen. Zur Feier des Tages."
Ein Schmunzeln umspielte Louis' Lippen.
Er fühlte sich so glücklich in der Gegenwart dieser Menschen.
„Na, da kann ich ich ja wohl kaum Nein sagen", zwinkerte er, und so aßen die Freunde zusammen.
Und obwohl Hanna längst in ihrer Trage eingeschlafen war und auch Violet langsam müde war, ließ sie es sich nicht nehmen, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern.
„Onkel Harry hat heute Nachmittag mein neues Pony mit mir frisiert", erzählte sie stolz und zeigte. Louis das pink-lilafarbene Stofftier.
Tatsächlich war die Mähne durch mehrere geflochtene Zöpfe zusammengefasst.
Der junge Bibliothekar konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
„Das sieht ja gar nicht so übel aus", kommentierte er. „Woher kannst du das so gut?"
Harry zuckte die Schultern und dachte einen Moment über die Frage nach.
„Ich habe genug Übung", antwortete er schließlich. „Ich bin mit einer Schwester aufgewachsen und habe mir von Mary Einiges zeigen lassen, als Alice alt genug war."
Mary nickte zustimmend und auch sie konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. „Violet wollte eine Zeit lang nur noch von Harry frisiert werden."
„Du weißt gar nicht, wie viele Stunden ich schon Modell gestanden habe", gab Harry seufzend zurück. „Violet bleibt häufig bei mir über Nacht. Die Stunden, in denen ich sämtliche Schmink- und Frisierversuche über mich habe übergehen lassen, kann ich gar nicht mehr zählen."
Violet kicherte leise. „Das ist immer so schön", erzählte sie. „Und währenddessen schauen wir uns einen Barbie-Film an."
Harry seufzte.
Was tat man nicht alles für sein Patenkind ...
Louis klopfte seinem Freund tröstend auf die Schulter. „Jeden Tag eine gute Tat."
Hätten die Kinder nicht mit am Tisch gesessen, hätte Harry ihm in diesem Moment den Mittelfinger direkt ins Gesicht gehalten. „Dann kannst du ja in Zukunft diese guten Taten ausführen."
Louis winkte grinsend ab. „Nein, Danke. Ich glaube, du bist für den Job besser geeignet als du."
„Was macht dich da so sicher?", scherzte Niall, „Alles ist erlernbar."
„Du kannst sicher mal bei mir schlafen, wenn Violet zu Besuch kommt", zog Harry seinen Freund auf. „Dann bringe ich dir alle relevanten Dinge bei."
Ein Lachen ging durch die Gruppe.
Allein bei der Vorstellung lief es Louis eiskalt den Rücken herunter.
Andererseits ... Als er in die strahlenden Augen des Kindes sah, als sie von den tollen Abenden mit Harry erzählte, der sich rührend um sie zu kümmern schien, spürte er, wie sein Herz weich wurde.
Einerseits, weil er Kinder liebte und fasziniert war von dem Leuchten in ihren Augen, wenn sie von Dingen erzählten, die sie glücklich machten - viele Erwachsene hatten die Fähigkeit, sich ehrlich zu freuen und das auch nach außen hin zu zeigen, längst verlernt.
Bei Kindern ging das ganz automatisch.
Und andererseits, weil die Schmetterlinge in seinem Bauch flatterten wie ein Schwarm wilder Vögel.
Er liebte Harry.
Er liebte ihn so sehr.
Dann zu sehen, wie sehr das Kind seines besten Freundes ihn liebte und wie liebevoll er mit ihr umging, ließ sein Herz schmelzen.
Mit jeder Sache, die er über Harry erfuhr, verliebte er sich noch ein Stück weiter in ihn.
Die Tatsache, dass er sogar zuließ, dass Violet ihn schminkte und frisierte, während er mit ihr Barbiefilme ansah, damit Niall und Mary einen Abend lang entlastet waren, machte Harry für ihn nur noch liebenswerter.
Er hatte eine Ewigkeit lang auf jemanden wie Harry gewartet.
Schließlich riss Mary ihn aus seinen Gedanken, als sie den Kellner zu ihnen an den Tisch winkte, damit sie bezahlen konnten.
„Habt ihr Lust noch auf ein Glas Wein zu uns zu kommen?", fragte sie schließlich.
Harry blickte Louis fragend an und insgeheim hoffte er, dass dieser zusagen würde.
Und das tat er auch, während ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit ihn umhüllte.
Er hatte endlich das Gefühl, angekommen zu sein.
„Ja, natürlich", antwortete er also. „Sehr gerne sogar."
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Hallo Freunde..♥️
Ich musste diese Woche Abschied von meiner fast 17 Jahre alten Hündin nehmen.
Das Kapitel ist schon fertig gewesen, sonst hätte ich das Update nicht geschafft.
Aber Wichtig:
Ich habe soeben mein neues Projekt "Everest" veröffentlicht. Schaut gerne vorbei und lasst vielleicht ein paar Sternchen da.♥️
Ganz viel Liebe für euch, und Danke für's Lesen.♥️
All the love,
Helena xx
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