Chapter 23
„Unsere Eltern haben sich da ja einen ganz tollen Scherz erlaubt. Ein Schwuler, der seinem Ex hinterhertrauert und eine Ausreißerin, die sich weigert, mit neunzehn Jahren nach potenziellen Heiratskandidaten Ausschau zu halten", lachte Alyssa. Sie war ganz anders, als ich erwartet hatte. Überhaupt nicht wie das Bild des schüchternen, zurückhaltenden Mädchens, das ich im Kopf hatte. Stattdessen trug sie ein rückenfreies Kleid, das ihr von den Männern im Mona's, einem schicken Restaurant, bereits so manche eindeutige Blicke eingebracht hatte. Ihr Haar war braun, gelockt und auf Schulterhöhe gestutzt. Und ihre Hand zierte das Tattoo eines bunt schillernden Schmetterlings, dessen Fühler sich über ihre Finger erstreckten.
Ich lachte unsicher und nickte als Antwort.
Als ich hereingekommen war, hatte Alyssa bereits Getränke kommen lassen und wusste auch schon, was sie bestellen wollte. Sie wusste generell ziemlich viel und hatte ihre eigenen Vorstellungen, wie ihr Leben verlaufen würde. Einen Ehemann sollte es nicht beinhalten, hatte ich bereits erfahren. Dafür umso mehr Backpacking und Abenteuer. Sie war das komplette Gegenteil von mir. Was vielleicht auch der Grund war, warum ich, als der Kellner unsere Bestellung brachte, so weit aufgetaut war, dass ich ehrlich über ihre Weltreiseanekdoten lachen konnte.
„... und dann kam diese Schlange aus dem Wasser und hat nach Finns Badehose geschnappt! Wir dachten wirklich alle, sie wäre giftig gewesen und Scott stand sogar kurz davor, zu heulen. Am Ende hat sich herausgestellt, dass es eine ganz einfache Ringelnatter war", erzählte sie. Wir schauten uns an und brachen dann in Gelächter aus. Jepp, ich hatte gerade den besten Abend seit langem.
„Hey", Ally legte ihren Arm auf meinen Arm, sowie wir das Restaurant schließlich verließen, „ich treffe mich gleich noch mit einem Freund. Eigentlich hatten wir vor, über mein grauenhaftes Date zu lästern. Aber ich hatte tatsächlich viel Spaß heute Abend. Du bist längst nicht so spießig und kleinkariert, wie ich gedacht habe. Vielleicht möchtest du mitkommen? Es ist auch nichts Großes, versprochen." Sie grinste mich ermutigend an. Ich musste nicht lange überlegen. Entweder konnte ich eine weitere Nacht alleine in meinem Bett verbringen und alte Bilder von Alec und mir auf meinem Handy anschauen. Oder ich konnte einen sorgenfreien Abend mit Alyssa und ihren Freunden haben.
„Gerne. Lass mich nur noch schnell meiner Mutter eine Nachricht schreiben."
So kam es, dass ich 20 Minuten später vor einer kleinen Wohnung am anderen Ende Washington Countys parkte. Ich war Ally in meinem Auto hinterhergefahren und hatte immer wieder aufpassen müssen, bei dem Tempo, das sie drauf hatte, nicht abgeschüttelt zu werden.
„Du fährst wie eine Geisteskranke", beschwerte ich mich und versuchte, mein klopfendes Herz zu beruhigen. Sie lachte nur, bevor sie die Klingel neben der roten Tür, bei welcher der Lack schon abblätterte, drückte. Wir mussten nicht einmal fünf Sekunden warten, da wurde sie auch schon aufgerissen.
„Willkommen, Babe! War dein Date so einschläfernd, wie du dachtest? Sieht er gut aus? Hast du ein ein Foto gemacht? Und wenn er gut aussieht, darf ich ihn dann haben?"
Mein Mund klappte bei dem Anblick des jungen Mannes im schwarzen mit Pailletten verzierten Schlafanzug auf. Seine Füße steckten in überdimensional großen Snoopyhausschuhen, sein Haar war blond und er hatte einen leichten Bartschatten. Er sah einfach nur lächerlich aus. Und schwul bis in die dunkelblau lackierten Fingernägel.
„Oh, hallo. Wen haben wir denn da?", fragte er, sowie er mich neben Alyssa stehen sah. „Du bist aber ein Süßer. Soll ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?" Er ließ seinen Blick langsam über mich gleiten und lehnte sich so selbstbewusst, wie es in einem glitzernden Pyjama mit Hundehausschuhen nur möglich war, an den Türrahmen. Als er mich dieser genauen Musterung unterzog, erkannte ich, dass seine Augen schwarz umrandet waren.
„Ähm ..." Unsicher schaute ich von ihm zu Ally.
„Scott, jetzt lass unseren Gast doch erst einmal ankommen", stutzte sie ihn zurecht und schlug ihm freundschaftlich auf den Arm. Das sollte der Scott sein, von dem Ally vorhin gesprochen und den meine Eltern auch schon mal erwähnt hatten? Ich hatte ihn mir ganz anders ausgemalt. Aber durch Alyssa, deren Art mich ebenso überrascht hatte, hatte ich realisiert, dass ich den Menschen nicht mit Vorurteilen begegnen sollte. Ich würde Scott nicht in eine Schublade stecken und ihm anstelle dessen weiterhin aufgeschlossen gegenübertreten, das nahm ich mir vor. Konnte ja auch sein, dass er gar nicht schwul war, wie ich sogleich angenommen hatte, sondern seine Sexualität überhaupt nicht definierte. So wie Alec. Der hatte sich von mir auch in keine Kategorie einordnen lassen wollen.
„Na gut", schmollte Scott. Noch immer verunsichert trat ich über die Schwelle der Wohnung.
„Soll ich meine Schuhe ausziehen?", erkundigte ich mich bei meiner neuen Freundin.
„Du kannst gerne mehr als nur deine Schuhe ausziehen", raunte Scott, der mir unbemerkt gefolgt war, in mein Ohr. Ich quiekte auf und machte einen Satz nach hinten. Scott hatte mich so heftig überrascht, dass ich drohte, geradewegs auf meinen Hintern zu fallen. Ich streckte meine Hände aus, um mich an dem nächstbesten Gegenstand festzuhalten. Leider war dies Scott, der so verdutzt war, dass ich ihn einfach mit mir zu Fall brachte.
„Uff." Mir wurde die Luft aus der Lunge gepresst, als er direkt auf mich drauf fiel.
„Wow, Sugar, du bist aber stürmisch. Bist du im Bett auch so oder -"
„Scott!" Alyssa, die inzwischen nicht mehr ganz so amüsiert aussah, als sie erkannte, wie ich panisch versuchte, ihren Freund von mir zu schieben, unterbrach ihn mit mahnender Stimme. Es wirkte; endlich konnte ich mich unter ihm hervorrollen. Panisch rutschte ich ein Stück zur Seite, um nach Luft zu schnappen.
Nicht normal ... Ausgeburt der Hölle ...
„Glitzer kackendes Einhorn, was ist denn jetzt los? Ich meine, ich weiß, dass ich umwerfend bin, aber noch nie stand jemand so kurz vorm Hyperventilieren, wenn er mich getroffen hat."
„Du bist einfach viel zu aufdringlich. Wie immer. Ich glaube, es wäre gut, dir das auf die Stirn tätowieren zu lassen. Du verschreckst all meine Freunde."
Ally schob Scott an seinen Schultern aus dem Flur in das angrenzende Zimmer, das Wohnzimmer, wie ich vermutete. Erst danach kam sie wieder zu mir, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Während des Essens hatte ich ihr einen kleinen Einblick in meine Familiengeschichte und meine komplizierte Beziehung zu Alec gewährt. Und obgleich ich ihr längst nicht alles erzählt hatte, so vermutete ich, dass sie sich manches zusammengereimt hatte.
„Sorry", murmelte sie, „Scott ist manchmal sehr stürmisch."
Ich schnaubte, sowie ich mich wieder beruhigt hatte. Das hörte sich an, als würde sie Scott den Labrador und nicht Scott den Menschen beschreiben.
„Aber keine Sorge, ich habe ihm bereits klar gemacht, dass du nicht daran interessiert bist, sein neues Betthäschen zu werden."
Bei dem Gedanken schoss mir das Blut in die Wangen.
„Ist er der Junge, mit dem du auf Weltreise warst?", fragte ich, um das Bild von mir und Scott in seinem glitzernden Schlafanzug aus meinem Kopf zu vertreiben.
„Jupp. Ich habe ihn in Thailand kennengelernt und wir haben uns auf Anhieb verstanden. Also beschlossen wir, unsere Reise zusammen fortzusetzen. Und da Scott sowieso einen längeren Aufenthalt in Amerika eingeplant hatte, dachte ich mir – warum nicht hier? Nicht, dass man in diesem Kaff viel zu sehen bekommt. Aber sobald sich meine Eltern mit der Tatsache, dass ich nicht so bald heiraten werde, abgefunden habe, geht's weiter."
„Ihr wohnt also nur vorübergehend in dieser Wohnung?"
„Ja, Scott und ich teilen uns diesen Schuhkarton noch für mindestens drei Wochen. Mal wieder jede Nacht in richtigen Betten zu schlafen ist eine echte Erholung", witzelte sie. Anschließend hielt sie mir die Hand, um mir vom Boden aufzuhelfen. Ich ergriff sie und gemeinsam gingen wir in das Zimmer, in welches sie ihren Freund verbannt hatte.
Ich befürchtete, dass der ganze Abend genauso unangenehm werden würde, wie meine Ankunft, doch ich hatte mich getäuscht. Nachdem wir nämlich die peinliche Kennenlernphase mit Small Talk überstanden hatten, verstand ich mich sogar mit Scott relativ gut. Zumindest gut genug, dass Alyssa das als Anlass nahm, mich mit ihm allein zu lassen, um aus der Küche drei Flaschen Bier zu holen. Als sie mir eine entgegen streckte, wollte ich erst höflich ablehnen, da ich den Geschmack von Bier nicht ausstehen konnte. Allerdings feuerten die beiden mich an, bis ich letztendlich nachgab. Innerhalb von zwei Stunden hatte ich genügend Bier geleert, um angeschickert zu sein.
„Wisst ihr was? Wir sollten Truth or Dare spielen!", rief Scott. Auch er hatte einiges intus, oder zumindest genug, um Wahrheit oder Pflicht für eine gute Idee zu halten. Dass das keine war, erkannte ich sogar mit meinem benebelten Gehirn. Ich musste daran denken, wie Alec mir von unserem ersten Kuss erzählt hatte. Von dem Kuss, an den ich mich nicht erinnern konnte.
„Ich sollte mich wohl eher auf den Weg machen", versuchte ich also mich aus der Affäre zu ziehen. Ungeschickt wagte ich einen Versuch, vom Boden in eine stehende Position zu kommen. Ich musste mich dafür an der Couchlehne festhalten, um nicht sofort wieder umzukippen.
„Denkst du echt, dass es eine gute Idee ist, so bei deinen Eltern aufzukreuzen? Du bist betrunken; ich werde garantiert nicht zulassen, dass du dich so in dein Auto setzt. Bleib doch über Nacht bei uns. Du kannst auf der Couch schlafen. Scott hat bestimmt nichts dagegen, oder?"
Scott schüttelte den Kopf und ich musste zugeben, dass Allys Argumente auf nervige Weise Sinn ergaben.
„Na gut", seufzte ich und ließ mich unvermittelt zurück auf den Teppich fallen. Leider hatte ich mit meiner Entscheidung über Nacht zu bleiben, ebenso unwissentlich Scotts Spielvorschlag zugestimmt.
„Sehr schön! Ich starte", rief er und klatschte erfreut in die Hände. Er erinnerte mich immer mehr an einen trotteligen Welpen. Bei der Vorstellung von Scott als Hundebaby musste ich unwillkürlich laut prusten. Das Prusten verging mir jedoch so schnell wie es gekommen war, als er ausgerechnet mich als erstes an die Reihe nahm. War ja typisch.
„Joshua, Wahrheit oder Pflicht?"
Ich überlegte nicht lange.
„Wahrheit." Das schien mir um einiges sicherer. Nur zu gut konnte ich mir ausmalen, was passieren würde, sollte ich Pflicht wählen. Scott ließe garantiert keine Möglichkeit aus, mir in irgendeiner Weise näher zu kommen. Obwohl ... als mir Alec vor ein paar Wochen das letzte Mal näher gekommen war, hatte ich auch nichts dagegen gehabt. Wie könnte ich auch bei solch weichen Lippen? Die Lippen, die mich mit einer einzigen Berührung in den Wahnsinn treiben konnte ...
Schnell schlug ich mir die Gedanken an Alec aus dem Kopf, indem ich mir die Hand an die Stirn klatschte. Die anderen schauten ein wenig schräg, aber ich machte mir nichts draus.
„Wann und mit wem hattest du deinen ersten richtigen Kuss?"
Ich war tatsächlich ein wenig erstaunt. Und erleichtert. Ich hatte erwartet, dass Scott mir lauter unangenehme Fragen stellen würde, doch diese war sogar leicht zu beantworten. Ich musste dabei noch nicht einmal Alec erwähnen.
„Das war mit dreizehn. Ich war mit einem Mädchen aus meiner damaligen Klasse im Kino und -"
„Nein, nein, nein", unterbrach mich Scott kopfschüttelnd, „ich meine deinen ersten richtigen Kuss. Kein unbeholfenes Abschlabbern wie im Kindergarten. Ich rede von einem Kuss, bei dem dein ganzer Körper gekribbelt hat, deine Knie weich wurden und alles in dir danach schrie, deinen Schwanz in -"
„Scott!", wurde ihm zum wiederholten Male das Wort von Ally abgeschnitten. Trotzdem konnte ich mir nur zu gut denken, wie der Satz hatte enden sollen. Meine Wangen begannen zu brennen und meine Gedanken wanderten erneut zurück zu der einzigen Person, die es je geschafft hatte, dass ich mich genau so fühlte, wie Scott es gerade so wortgewandt ausgedrückt hatte.
Er beachtete Alyssa nicht weiter und beugte sich stattdessen mit blitzenden Augen zu mir vor.
„Also Häschen, mit wem hattest du dein erstes Mal?", raunte er.
Arschficker!
Ich zuckte kaum merklich hervor.
„Ich hatte meinen ersten richtigen Kuss mit meinem besten Freund", stieß ich hervor.
„Ha! Wusste ich's doch, dass da irgendwas im Busch ist!", triumphierte Scott. Neugierig lehnte er sich vor. „Und wie war es? Ist er sehr begabt mit seiner Zunge? Ist er jetzt dein Boyfriend? Habt ihr schon ...?" Er ließ seine Augenbrauen springen, um zu verdeutlichen, was er meinte. Mir wäre das auch ohne seine Augenbrauenakrobatik klar gewesen. Ich presste meine Lippen fest aufeinander.
„Wir sind nicht mehr zusammen. Ich hab mich von ihm getrennt."
„Waaas? Honey, du darfst niemals -"
„Ich möchte nicht darüber reden", unterbrach ich ihn harsch. Scott hielt inne und musterte mich. Kurz huschte ein verletzter Ausdruck über sein Gesicht und ich bereute es augenblicklich, so unfreundlich gewesen zu sein. Gerade wollte ich eine Entschuldigung murmeln, als er nickte.
„Weißt du, ich hatte auch mal einen Freund. Ich habe ihn geliebt, so sehr. Doch ich hab's verbockt und jetzt ist er glücklich mit jemandem Neuen. Und das nur, weil ich viel zu stolz war, um mich bei ihm zu entschuldigen. Ich bereue es wahnsinnig, was damals passiert ist, aber noch viel mehr bedauere ich, dass ich nicht den Mut hatte, ihm meinen Fehler zu gestehen. Ich hoffe wirklich, du tust gerade nichts, was du später einmal dein Leben lang bereuen wirst."
Ich starrte ihn an. Das hatte ich nicht erwartet. Vor allem überraschte mich, in was für einen ernsten Tonfall er gewechselt hatte. Das bewies wohl mein Vorhaben, nicht zu schnell über Menschen zu urteilen. Scott hatte auch eine andere Seite. Was allerdings nicht hieß, dass ich ihm zustimmte. Alec zu verlassen, war richtig gewesen. Ich hatte es tun müssen. Sonst hätte ich mich für immer dafür verabscheut, meine kleine Schwester im Stich gelassen zu haben. Und auch um Mom machte ich mir Gedanken. Ich wollte weiterhin wissen, wie es um sie und Dad stand. Ich konnte meine Familie nicht von jetzt auf gleich hinter mir lassen, so verkorkst sie auch war. Hätte ich sie verloren, hätte ich auch mich selbst verloren. Das war mir in den Tagen, bevor ich Alec verlassen hatte, immer bewusster geworden.
Aber verlierst du dich ohne Alec nicht genauso?
Ich runzelte die Stirn. Wo kam dieser Gedanke auf einmal her? Der hörte sich absolut nicht an, wie die Dinge, die mir sonst durch den Kopf schossen. Wie die Stimme. Er war nicht die Verselbstständigung der Ansichten meiner Eltern, die sich in meinem Unterbewusstsein festgesetzt hatten.
Um ihn abzuschütteln, nickte ich als Reaktion auf Scotts Aussage. Ich war dennoch nicht einer Meinung mit ihm. Ich würde nicht zu Alec zurückkehren. Er hatte mit Candy, dem Mädchen, das schon immer darauf aus war, mir das Leben zu vermiesen, geschlafen. Das war etwas, das ich ihm nicht so schnell würde verzeihen können.
Außerdem hatte ich Angst. Panische Angst, was geschehen würde, wenn ich diesen großen Teil von mir selbst vollkommen akzeptierte. Ich spülte diese Angst hinunter, indem ich einen weiteren kräftigen Schluck aus meiner Bierflasche nahm.
Der nachfolgende Abend verlief bemerkenswert ereignislos und ich stellte sogar fest, wie ich mich in dieser kleinen Gruppe aus ungleichen Menschen entspannen und Spaß haben konnte. Wir spielten weiterhin Truth or Dare, allerdings ohne Alec ein einziges weiteres Mal zu erwähnen. Erst als es weit nach Mitternacht war, beschlossen wir drei, dass es Zeit für's Bett war. Ally schleppte mir eine frische Decke und Kissen ins Wohnzimmer, damit ich es mir auf der Couch bequem machen konnte. Dann verabschiedeten sie und Scott sich in ihre eigenen Betten. Es dauerte nicht lange, bis in der Wohnung vollkommene Stille eingekehrt war. Auch ich war von diesem Tag so geschafft, dass ich in kürzester Zeit in einen tiefen Schlaf driftete.
Rrrrrrring ... rrrrrring ... rrrrrrrrrrring ...
Erschrocken schreckte ich auf. Die unbekannte Umgebung irritierte mich und ich brauchte einen Moment, um mir ins Gedächtnis zu rufen, wo ich mich befand. Erst als ich mich wieder an den letzten Abend mit Ally und Scott erinnerte, konnte ich erleichtert aufatmen. Ich war also nicht entführt worden. Puh, was für ein Glück.
Rrrrrrring ... rrrrrring ... rrrrrrrrrrring ...
Das ununterbrochene Ringen eines Handys erinnerte mich daran, weshalb ich überhaupt erst aufgewacht war. Mit einem Gähnen rollte ich mich vom Sofa, wobei ich die Decke mit mir schleifte. Der Schwindel, der mich überkam, sowie ich mich schwankend aufsetzte, ließ mich stöhnend innehalten. Ich presste mir eine Hand an den Kopf, als würde dies das Pochen hinter meiner Stirn in irgendeiner Weise lindern können. Das war wohl doch etwas zu viel des Guten diese Nacht. Ich würde Alyssa morgen früh nach einer Aspirin fragen müssen.
Rrrrrrring ... rrrrrring ... rrrrrrrrrrring ...
Den überaus hartnäckigen Anrufer in Gedanken verfluchend, machte ich mich grummelnd auf die Suche nach dem Telefon. Ein Blick auf die Küchenuhr zeigte mir, dass es inzwischen fünf Uhr war und ich somit nicht einmal drei volle Stunden geschlafen hatte. Es dauerte eine Weile, bis ich die Richtung, aus der das Klingeln kam, ausgemacht hatte und noch länger brauchte ich, um das Handy letztendlich unter einem Zipfel des Teppichs im Wohnzimmer zu finden. Wie es das Schicksal wollte, war es mein Smartphone, das nonstop bimmelte. Und der Anrufer war ... Alec.
Vor Schreck ließ ich das Handy wieder fallen. Es kam mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf, doch das Klingeln verstummte nicht für eine Sekunde. Ich setzte mich auf das Sofa, bevor ich mit einem tiefen Durchatmen den Anruf entgegen nahm.
„H-hallo?"
Einen Moment war es vollkommen still, dann: „Joshi?" Seine belegte Stimme fuhr mir wie ein Stromschlag durch den Körper und meine Haut begann zu kribbeln, als würden hunderte kleine Ameisen einen Stepptanz aufführen. Mein Atem beschleunigte sich und ich krallte unbewusst meine freie Hand in das Kissen neben mir.
„Ja?", flüsterte ich schwach und würde mich am liebsten für meine eigene Einfältigkeit schlagen. Aber Alecs Stimme das erste Mal seit zwei Wochen zu hören, setzte mein Denkvermögen vollkommen außer Gefecht.
„Verdammt ... Ich kriege alleine dursch deine Schimme einen Ständer", murmelte er und ich war mir nicht sicher, ob er zu mir oder sich selbst sprach. Mir entfloh ein leises Keuchen und ich zog meine Beine an. Trotz seiner Worte, die meinen ganzen Körper durcheinander brachten, hatte ich das leichte Nuscheln in seiner Stimme registriert. Er war betrunken. Diese Einsicht sorgte dafür, dass sich meine Gedanken ein Stück weit klärten.
„Warum rufst du an?", fragte ich daraufhin, nicht ganz so unsicher wie zuvor. Erneut hörte ich leises Brummeln, schnappte jedoch nur Bruchstücke wie ‚gleich zur Sache kommen' und ‚sexy Stimme' auf.
„Aaaah, isch bin eigentlisss sauer aufff dich", bekam ich schließlich eine undeutlich gelallte Antwort.
„Und du bist offensichtlich stärker betrunken, als ich dachte", seufzte ich.
„Und? Hasu was dagegen? Darf ich das etwa nicht? Du hast doch genau dassselbe gemacht gestern Abend! Immer muscht du andere verurteilen!", motzte Alec plötzlich.
„Ich -", begann ich, wurde aber unterbrochen.
„Hattest du gestern Spaß mit Mister ‚Meine Klamotten sind schooo glitzernd, dasch andere davon erblinden'?"
,,Woher -"
„Spar dir das unschuldige Getue! Ich hab das Bild auf Insa ... Inter ... Instagram gesehen; er hat dich auf die Wange geküsst, Joshua!"
Vage erinnerte ich mich, dass Scott mir auf Geheiß von Ally einen Schmatzer auf die Wange gedrückt hatte. Das musste nach meiner zweiten Bierflasche gewesen sein. Dass er es auf Instagram gestellt hatte, wusste ich nicht.
„Und du hast gelacht, Joshi! Gelacht! Bei mir hättest du nich gelacht und du hättest mir auch niemalsss erlaubt ein Foto, auf dem wir uns küschen, auf Instagram zu stellen!" Bei seinen letzten Worten brach Alecs Stimme und ging in einen Laut über, der erschreckende Ähnlichkeit mit einem Schluchzen hatte.
„Alec -"
„Nein! Komm mir nicht mit Alec! Ich war immer auf deiner Seite, habe gewartet bisu bereit bist! Sogar, als du zu deinen besiss ... beschissenen Eltern gezogen bist, habe ich noch gewartet! Aber was machst du? Du lässt mich im Stich! Du lässt mich im Stich und küsst einen anderen! Ich hofffe, dass es schich zumindest gelohnt hat und er besser küssen konnte als ich! Ich hasse dich, du Arschloch!", schrie Alec mir entgegen. Er sprach inzwischen so undeutlich, dass ich ihn kaum verstand.
„Weisch du was? Fick dich einfach, Joshua! Geh und fick dich!" Damit brach der Anruf abrupt ab. Das Tuten meines Handys war das Einzige, was durch die folgende Stille tönte.
Dam dam daaam! Und damit endet dieses lange Kap. Alec hat seinen - wie ich finde wohlverdienten - Wutausbruch bekommen und Josh neue Freunde gefunden.
Wie findet ihr Ally und Scott? Ich muss sagen, dass mich Scott ein klitzekleines bisschen an Miles erinnert. 😂
Da dieses Kap relativ lang ist, kann es sein, dass ich den ein oder anderen Grammatik-/Rechtschreibfehler nicht erwischt habe. Meldet mir das also zurück, solltet ihr auf einen dieser kleinen Mistkerle stoßen. Dafür wäre ich sehr dankbar. 😘
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