Chapter 18
„Hä? Ich check's nicht. Kann mich hier mal jemand aufklären?", durchbrach schließlich Miles Stimme die Stille. Ich beendete den Kuss und blickte in Alecs Gesicht. Seine Augen waren riesig und sein Mund stand vor Erstaunen leicht offen.
„Gott, Miles, was gibt es denn da nicht zu checken? Die zwei sind zusammen. Fertig. Mehr brauchst du nicht in deinen Holzkopf bekommen." Evas Augenrollen war beinahe hörbar. Sie klang genervt wie immer, aber kein Stückchen überrascht. Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich auch meine anderen Freunde. Britt hüpfte wie wild auf der Stelle und klatschte dabei in die Hände, den Mund zu einem strahlenden Grinsen verzogen. Sie erinnerte mich an einen aufgeregten Seehund. Und Eric und Finja unterhielten sich leise und schienen sich in ihrer eigenen kleinen Blase zu befinden. Der Einzige, der aus allen Wolken zu fallen schien, war Miles.
„Was? Wie?", stammelte ich. „Wieso seid ihr nicht überrascht?"
„Ach komm schon, Josh. Dass du schwul bist, haben wir alle vermutet. Ist nicht schwer, darauf zu kommen. Und außerdem hätte ein Blinder aus einem Kilometer Entfernung erkennen können, dass du deinen besten Freund hier anhimmelst."
Nun entgleisten mir alle Gesichtszüge, als ich Evangeline anstarrte.
„Ihr habt es also schon alle gewusst?", hakte ich nach. „Wieso habt ihr mich dann nicht darauf angesprochen?"
Jetzt war es an Finja, mit den Schultern zu zucken. „Wir wollten dich nicht drängen. Sobald du bereit wärst, würdest du es uns sagen – was du ja gerade getan hast."
Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr: ,,Und was Alec angeht ... Er hat uns bereits nach deiner Geburtstagsfeier gestanden, dass er sich auch vorstellen könnte, einen Jungen zu daten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr zusammenkommt."
„Was?", fragte ich, vollkommen überrumpelt. Alec hatte unseren Freunden schon erzählt, dass er sich nicht nur für Mädchen interessierte? Und mir gegenüber nichts von diesem Gespräch erwähnt? Vorwurfsvoll drehte mich zu meinem Freund – meinem festen Freund – um. Ein zerknirschtes Lächeln lag auf seinem Gesicht und er zog entschuldigend die Schultern hoch.
„Sorry, Joshi. Ich wollte nicht, dass du dich verpflichtet fühlst, den anderen von dir zu erzählen." Dann fügte er hinzu: „Aber jetzt verstehe ich endlich, warum du so ein großer Fan von Filmabenden bist. Die Mädels sind echt gut im Zuhören."
Ich starrte ihn einen Moment leer an, bevor ich mich auf das Sofa plumpsen lies. Das verlief nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte. Was eigentlich gar nicht so schlimm war. Meine Freunde schienen zu akzeptieren, dass Alec und ich mehr als nur Freunde waren. Bis auf ... Mein Kopf schnappte zu Miles. Wie er dastand erinnerte er mich an einen verwirrten Hundewelpen. Immer wieder schüttelte er den Kopf und blickte konsterniert in die Runde. Als hätte er meinen Blick gespürt, schaute er mich an.
„Ihr wollt mich wohl veräppeln", sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein ungutes Gefühl überkam mich. Alle Blicke richteten sich auf Miles, der ziemlich verärgert aussah. Hatte er ein Problem mit Alec und mir als Paar?
„Wie konntet ihr nur?"
Mit vorsichtigen Schritten ging Evangeline auf ihn zu, während ich Alecs Hand umklammerte. Ich konnte nicht fassen, dass das gerade passierte. Ich war drauf und dran einen meiner besten Kumpels zu verlieren.
„Miles", begann Eva und legte ihre Hand beruhigend auf seinen Arm. Ihr vorsichtiges Verhalten machte mir noch mehr Angst, als der Ausdruck auf Miles Gesicht.
„Nein!", rief er wütend. „Warum hat mich keiner von euch eingeweiht? Ich hätte Fan-T-Shirts erstellen können!"
Wieder war es für einen Moment komplett still, dann war es zu meiner eigenen Überraschung ich selbst, der in lautes Lachen ausbrach. Nach ein paar weiteren Sekunden stimmten alle anderen mit ein; erleichtert, dass Miles sich nicht als homophober Idiot entpuppte. Vor lauter Lachen stiegen mir die Tränen in die Augen und mein Kichern ging in ein Schluchzen über. Die Erleichterung war einfach so groß, dass sie mich überwältigte.
„Ich glaube, das schreit nach Gruppenkuscheln!", kreischte Britt und stürzte sich im nächsten Moment auf meinen Freund und mich, um uns in eine erstaunlich feste Umarmung zu ziehen. Ich fragte mich, wie viel Selbstbeherrschung es sie gekostet hatte, sich die ganze Zeit über zurückzuhalten. Lachend und schluchzend zugleich erwiderte ich die Umarmung.
„Aber ernsthaft", meinte Miles, nachdem wir uns wieder entknotet und ich mich beruhigt hatte, „warum habt ihr mir nicht davon erzählt? Scheinbar bin ich der Einzige, der gerade keinen Plan hatte, was hier vor sich ging."
„Miles, es tut mir leid dir das sagen zu müssen", Eva blickte ihn gespielt mitfühlend an, „aber manchmal kannst du echt ein unsensibler Mistkerl sein." Sie hatte scheinbar wieder zu ihrer gewohnten Attitüde gefunden.
„Unsensibel? Ich?!" Miles blickte schockiert in die Runde. „Ich bin der sensibelste, einfühlsamste und empathischste Kerl auf der ganzen Welt!"
„Ja, klar, deshalb hat Joshi vorhin auch fast eine weitere Panikattacke bekommen, als du ihn als Schwuchtel bezeichnet hast", schnaubte Alec abfällig. Er hatte leise genug gesprochen, dass ich dachte, keiner der anderen hatte es mitbekommen. Aber falsch gedacht.
„Was meinst du mit Panikattacke? Und warum weitere? Ist das schon mal passiert?", fragte Brittainy. Ich kniff resigniert die Augen zusammen. Sobald sie auch nur das kleinste Zipfelchen einer brisanten Information hingeworfen bekam, war sie wie ein Hund mit einem Knochen: Sie ließ einfach nicht mehr davon ab.
„Ich ... ähm, bekomme manchmal Panikattacken, wenn mich jemand als Schwuchtel oder Arschfi- also als so Sachen halt bezeichnet. Es ist, als würde mein Hirn dann einfach nicht begreifen, dass Schwulsein nichts Verwerfliches ist. Sogar wenn ich eigentlich weiß, dass es nur ein Spaß ist, kann ich nichts dagegen tun", beschloss ich somit alle Anwesenden aufzuklären. Sogar Eric und Finja, zwischen denen scheinbar wieder alles geklärt war, so wie sie sich mit Herzchen in den Augen anschmachteten, hörten jetzt aufmerksam zu. Letztendlich war es ausgerechnet Miles, der sich mit einem Räuspern bemerkbar machte.
„Fuck, Josh, ich ... Es tut mir Leid. All die Male, die ich darüber Witze gerissen habe ... Ich wusste doch nicht, dass ... Shit. Sorry." Aufgewühlt fuhr er sich durchs Haar.
„Ist schon okay, ich hab mich inzwischen dran gewöhnt. Und ich bin mir sicher, dass ich das in den Griff bekommen werde", versicherte ich ihm mit einem Seitenblick auf Alec hinzu. Klar, Miles Kommentare waren natürlich nicht okay. Aber er hatte ja nichts wissen können. Außerdem war seine Entschuldigung ernst gemeint.
„Kann man da irgendwas dagegen tun?", fragte Finja.
„Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht sofort. Ich denke, ich werde einfach Zeit brauchen. Zeit und die Unterstützung meiner Freunde."
Mutig griff ich nach Alecs Hand und drückte sie. Er erwiderte den Druck sofort und schaute mich mit einem liebevollen Ausdruck im Gesicht an. Ja, ich würde meine Zweifel vielleicht nicht heute und auch nicht morgen oder in drei Wochen überwinden, aber ich glaubte ganz fest daran, dass ich mit ihm und unseren Freunden an meiner Seite alles schaffen konnte.
Dass mein Glück nur von kurzer Dauer sein sollte, erfuhr ich drei Wochen später. Ich hatte mich von Brittainy, Eva und Finja dazu überreden lassen, sie auf eine Shoppingtour zu begleiten. Noch immer verfluchte ich mich dafür, nicht gegen Britts Welpenblick gefeit zu sein.
Während meine beste Freundin bereits ein giftgrünes, glitzerndes Tutu in einem Secondhandshop erstanden hatte, bei dem ich mich fragte, wann zur Hölle sie dieses grässliche Teil jemals anziehen wollte, taten sich meine anderen beiden Freundinnen schwerer.
„Eure Meinung?" Evangelina trat aus einer Umkleidekabine des Klamottengeschäfts, in dem wir uns befanden. Zu ihren schwarzen Doc Martens trug sie einen ebenfalls schwarzen Stofffetzen, der zu klein war, um sich die Bezeichnung ‚Kleid' zu verdienen.
„Wen willst du denn damit aufreißen?", platzte es aus mir heraus. Zwischen ihren schmalen Augenbrauen bildete sich eine steile Falte und sie blickte an sich herab.
„Niemanden natürlich", grummelte sie. Als ich zu Finja und Britt hinüber sah, bemerkte ich, wie diese einander wissend angrinsten.
„Ich finde du siehst absolut heiß aus!", rief Britt. Ich blickte von einer zur anderen. Scheinbar hatte ich da was verpasst ... Kein Wunder, ich war ja auch die ganze Zeit nur auf mich und meine Probleme fixiert. Schlechtes Gewissen durchflutete meinen gesamten Körper und ich wollte gerade nachhaken, als plötzlich mein Handy anfing, laut zu klingeln. Erschrocken zuckte ich zusammen und pfriemelte es aus meiner Hosentasche, bevor mich einer der anderen Kunden oder ein Verkäufer anpflaumen konnte.
Mom.
Ich kniff die Augen zusammen. Schon seit mehreren Wochen ignorierte ich all ihre Anrufe. Das war nicht nett von mir, das wusste ich, aber ich hatte Angst. Angst davor, zusammenzubrechen, sowie ich ihre kalte Stimme hört. Angst vor ihrer Wut und Enttäuschung, wenn sie mich fragte, weshalb ich nie auf das Date mit Alyssa gegangen war. Angst vor ihrer Reaktion, wenn ich ihr von Alec und mir erzählte. Denn irgendwann musste ich das, da ging kein Weg dran vorbei.
Somit leitete ich sie direkt auf den Anrufbeantworter weiter.
„Alles okay?", erkundigte sich Britt, der wohl mein gequälter Gesichtsausdruck aufgefallen war.
„Ja, ja, alles gut", murmelte ich und schob das Handy wieder in meine Jeanstasche. Doch Sekunden später begann es erneut zu klingeln.
„Vielleicht solltest du dran gehen?", schlug Brittainy vor. Ich blickte von ihr zu meinem Smartphone. Das Mom blinkte beinahe vorwurfsvoll und es schien mir, als wollte es mich verhöhnen.
„Bin gleich wieder zurück", entschuldigte ich mich bei meinen Freundinnen und entfernte mich ein Stück bis ich etwas mehr Ruhe hatte. Schließlich nahm ich den Anruf an.
„Ja?"
„Joschua? Meine Güte, wieso gehst du nicht an dein Handy?" Verwirrt runzelte ich die Stirn. Das klang so gar nicht nach der Stimme meiner Mutter. Das klang eher nach ...
„Candy?!"
Weshalb rief mich das Mädchen, das mich auf den Tod nicht ausstehen konnte, vom Handy meiner Mutter an? Und wieso klang sie so panisch?
„Soll das hier einer deiner geschmacklosen Scherze werden? Denn wenn das der Fall ist, werde ich gleich wieder auflegen", warnte ich sie.
„Was? Nein, das ich kein Streich, Joshua! Du musst sofort ... ich ... du ... dein Vater -"
Ich unterbrach sie, jetzt selbst ein wenig unruhig. Die echte, reine Angst in ihrer Stimme konnte nichts Gutes bedeuten.
„Was ist mit Dad?" Für wenige Sekunden, die sich allerdings zogen wie Kaugummi, hörte ich nur noch Candys lauten Atem.
„Dein Vater hatte einen Herzinfarkt."
Ich weiß, ich weiß, ich baue wahrscheinlich viel zu viele Cliffhanger ein. Aber die machen einfach so großen Spaß. 😅
Erstmals - wer hat alles mit dieser Reaktion von Miles gerechnet? Ist er euch immer noch unsympathisch oder könnt ihr ihm wie Josh vergeben?
Naa, wer erinnert sich noch an rosa Candy von der Party? 🍬
Habt ihr euch schon gedacht, dass sie nochmal auftauchen wird?
Und wer hat diese Wende kommen sehen?
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