Chapter 05
„Holy crap! Der sieht ja aus wie 'ne echte Leiche!" Eine laute Stimme drang durch die Schwaden aus Schlaf und Müdigkeit, die mein Bewusstsein in ihren Fängen hielten.
„Ich wusste zwar, dass er nichts verträgt, aber das ..."
Unruhig drehte ich den Kopf auf die Seite.
„Scht! Du weckst ihn noch!", mischte sich eine weitere, ebenfalls männliche Stimme, ein. „Wieso bist du eigentlich hier? Ich hatte doch nur Eva angerufen", sprach sie dann leise zischelnd weiter.
„Ähm ... na ja, Eva und ich waren gerade ... beschäftigt. Aber dann hast du uns mit deinem Anruf unterbrochen und da ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, hab ich beschlossen mitzukommen. Mal nach dem Rechten sehen und so, du weißt schon. Allerdings hab ich jetzt echt was gut bei dir, Alter. Eva hatte soeben ihren BH ausgezogen und wir -"
„Miles! Halt einfach deine Klappe! Zwischen uns ist nichts passiert."
„Klar. Das sagt sie jedes Mal", raunte nun die Stimme, die ich inzwischen als Miles' ausgemacht hatte. Die anderen zwei mussten Evangelines und Alecs sein. Sie sprachen leise weiter, doch ich schlief trotzdem nicht mehr richtig ein. Sobald ich einmal wach war, war da nichts mehr zu machen. Außerdem grummelte mein Bauch und ich fühlte, wie sich Übelkeit in meinem Magen breit machte. Ich kämpfte sie entschlossen zurück. Stattdessen öffnete ich langsam meine verklebten Augen, was in etwa so schwer war, wie wenn jemand Betonklötze an ihre Lider gehängt hätte.
Alec war sofort an meiner Seite.
„Hier." Er pflanzte sich auf die Bettkante und stopfte mir ein Kissen in den Rücken, sodass ich mich aufsetzen konnte. Ich begegnete den kritischen Blicken von Eva und Miles.
„Da ist wohl einer von den Toten auferstanden", witzelte Miles. Ich gab einen erbärmlichen Laut von mir. Mein Freund warf Miles einen Blick zu, der besagte, dass er, wenn er nicht aufpasste, was er sagte, gleich derjenige sein würde, der einem Toten ähnlich sähe. Ohne Chancen auf Wiederauferstehung.
„Sei still, du Idiot", herrschte ihn Eva an. Sie wühlte geschäftig in ihrer schwarzen Handtasche und förderte schließlich ein Fieberthermometer zu Tage. Eva studierte Medizin. Ich war ehrlich überrascht, als ich zum ersten Mal von ihrem Hauptfach und ihrem Wunsch Krankenschwester zu werden, gehört hatte, weil das so gar nicht zu ihrer Art passen wollte. Doch sie war mit Feuereifer dabei und bestand jede Prüfung mit überragender Punktzahl.
Jetzt regte sie sich darüber auf, dass ein Fieberthermomet eigentlich ein grundsätzlicher Bestandteil eines jeden Haushalts sein sollte. Tja, Pech gehabt. Da weder Alec noch ich sonderlich oft schlimmere Krankheiten als einen Schnupfen oder Kopfschmerzen hatten, waren die einzigen Dinge, die unsere Schränke befüllten, halbleere Packungen mit Paracetamol, Aspirin oder wahlweise auch Ibuprofen. Die allerdings meist nur bei einem starken Kater in Gebrauch kamen.
„Wenn seine Körpertemperatur über neununddreißig komma fünf Grad steigt, solltest du ihn dringend ins Krankenhaus bringen." Evangeline setzte das Thermometer an meinem Ohr an. „Achtunddreißig ... achtunddreißig komma fünf ... achtunddreißig komma neun", murmelte sie konzentriert, bevor sie nickte.
„Sie ist wahnsinnig heiß, wenn sie diese Doktorspielchen macht, nicht? Wenn sie jetzt noch so einen sexy Kittel mit nichts drunter anhätte ..." Hoffnungsvoll blickte Miles Eva an. Der träumerische Ausdruck auf seinem Gesicht brachte mich beinahe zum Lachen. Beinahe.
„Dich würde ich nicht mal mit einem Skalpiermesser anfassen", sagte Eva kalt.
„Ouch." Alec grinste mich an. Ihn belustigten die Schlagabtäusche zwischen den beiden genauso sehr wie mich.
„Mach ihm Wadenwickel. Das sollte seine Temperatur sinken lassen. Und gib ihm hiervon was." Sie stellte ein Fläschchen Fiebersaft auf meinen Nachttisch. „Mess jede halbe Stunde. Wenn es ihm bis heute Nachmittag nicht besser gehen sollte, musst du ihn zum Arzt fahren. Und du", jetzt richtete sich Evangeline an mich, „bleibst schön im Bett liegen und ruhst dich aus! Kein unnötiges Rumlaufen, kapiert?" Streng stützte sie die Hände in die Hüften. Eingeschüchtert nickte ich.
„Dude, sie ist so heiß. Fast heißer als das zwischen euch beiden gestern." Miles grinste und hatte sich anscheinend von Evas vernichtendem Kommentar erholt. Doch dann stutzte ich.
Wir beide? Ich und ... Alec?
„Was ... Was meinst du?"
Miles blickte verdutzt.
„Gestern. Die Party. Du und Alec beim Flaschendrehen ... Du warst gestern echt voll, was? Ist mir auch schon passiert. Einmal bin ich neben drei nackten Chicks aufgewacht. In dem Moment hab ich mir geschworen, nie wieder so viel zu trinken, dass ich einen Filmriss bekomme. Nicht, dass ich die Erinnerung an einen weiteren Vierer ebenso verliere."
Ich blickte ihn leer an.
„Bro, du solltest mal dein Gesicht sehen! Kannst du dich echt an gar nichts mehr erinnern?", lachte er dann. Stumm schüttelte ich den Kopf. Wieso sollte ich Flaschendrehen gespielt haben? Ich mied solche Spiele normalerweise mit peinlichster Achtsamkeit.
„Miles", warnte mein bester Freund leise, den Blick dunkel auf mich gerichtet. Aber Miles überhörte seinen schwachen Einspruch einfach.
„Du bist gestern in Alecs Armen zusammengeklappt, Josh."
Oh. Das war ... unangenehm. Aber noch lange nicht ungewöhnlich. Schließlich war auch Alec schon mal einfach umgekippt, weil er zu viel getrunken hatte. Und was hatte das bitte mit dem Spiel zu tun, von dem er gerade eben noch gesprochen hatte?
„Nachdem du und Alec wie wild rumgemacht habt", ergänzte Miles.
Die Luft in meinem Zimmer schien auf einmal so viel dicker. Meine Freunde beobachteten mich, warteten auf eine Reaktion. Doch ich verzog keine Miene. Ich war zu geschockt, als dass ich mich hätte rühren können. Mein bester Freund schien wohl zu denken, ich hätte nicht verstanden, was Miles da von sich gegeben hatte – was ja auch irgendwie zutraf –, in jedem Fall setzte er zu einer Erklärung an.
„Wir haben nicht rumgemacht. Es war nur... Wir haben uns nur geküsst. Es ist... Es war nur ein Spiel. Nur Flaschendrehen. Du weißt schon ..."
Das Einzige, was ich wusste, war, dass mein Essen sich alsbald einen Weg zurück in die Welt suchen würde. Ich drückte meine Hände auf den Bauch. Ich hörte Alec nicht mehr zu; all meine Gedanken drehten sich um einen Satz: Du hast Alec geküsst. Du hast Alec geküsst. Du hast Alec geküsst.
Dazu gesellte sich die vorwurfsvolle Stimme meiner Mutter: Du wirst deinen Vater und mich doch bestimmt nicht vor der ganzen Kirche blamieren wollen? Wir verlangen einen anderen Restauranttisch! Ganz bestimmt setzte ich mich nicht neben zwei solch gottlose Schwuchteln! Das ist einfach nur abartig ... abartig ... abartig ... abartig ...
Ich stöhnte und krümmte den Oberkörper.
„Alec ..." Im nächsten Moment beugte ich mich über seinen Schoß und übergab mich direkt vor seine Füße.
Heute gibt's nur ein kurzes Kap ... Hoffe, ihr freut euch trotzdem. 😊
Habt ihr eurer Mutter heute auch was zum Muttertag geschenkt? Und wenn ja, was?
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