Kapitel 6
Gegen drei Uhr morgens wachte ich auf. Mein Herz schlug schnell und mein gesamtes inneres zitterte. Das passierte immer, wenn ich mich nachts nicht verwandelte. Meine Instinkte waren dann nicht befriedigt und ich wusste, dass es mit der Zeit immer schlimmer würde. Nach spätestens einem Tag hielt ich es nicht mehr aus und verwandelte mich zwanghaft.
War das nicht total komisch, wenn ich mich raus schleichen würde? Was wenn Noah das mitbekommt? Er hält mich spätestens dann für einen durchgeknallten Freak.
Also blieb ich liegen und dachte hin und her, während das Kribbeln immer stärker wurde. Ich seufzte. Das brachte mich auch zu keiner Lösung. Auf einmal regte sich Noah neben mir. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. Wahrscheinlich hatten sich seine Augen auch an die Dunkelheit gewöhnt, denn er grinste mich an.
"Warum bist du wach?", fragte er mich. Genau dieselbe Frage hätte ich ihm auch stellen können.
"Kann nicht schlafen...", meinte ich nur knapp. Noah nickte nachdenklich. "Weißt du, manchmal hilft da frische Luft..." Überrascht blinzelte ich. Noah fragte: "Willst du kurz raus gehen? Ich kann auch mitkommen, wenn du magst."
Kurz überlegte ich, dann antwortete ich: "Ist ok, wir dürfen nur meine Mutter nicht wecken. Sie darf das nicht mitbekommen. Naja und dazu müssen wir... aus dem Fenster klettern." Ich grinste bei der Vorstellung.
Noah schien zwar verblüfft, war der Idee aber nicht abgeneigt. Wir zogen uns Jacken drüber und dann öffnete ich leise das Fenster. "Ich gehe zuerst.", meinte ich nur, ehe ich mich auch schon aus dem Fenster schwang und das Rohr hinunterkletterte. Noah ließ mich dabei nicht aus den Augen und als ich unten war, kletterte er auch vorsichtig hinunter.
Dabei ließ ich ihn auch nicht aus den Augen, damit ich ihn rechtzeitig auffangen könnte, wenn er fiel. Bis zur Hälfte des Rohres ging alles gut, aber dann rutschte sein Fuß ab und mit einem überraschten "Huch!" raste Noah auf den Erdboden zu.
Schnell machte ich einen Satz nach vorne und fing ihn mit meinem Körper ab, wodurch ich uns beide gegen die Wand drückte. Erschrocken sah Noah mich an, während ich ihn fragte: "Alles ok?" Mehr als ein Nicken brachte er nicht zustande.
Noah legte seinen Kopf auf meiner Brust ab und murmelte: "Jetzt hast du mich schon wieder gerettet..." Ich lachte herzhaft. Wo er Recht hat, hat er Recht. "Naja, ich finde eben, dass dein Leben nicht so schnell vorbei sein sollte..." Ich hob sein Kinn an und blickte in seine wunderschönen braunen Augen. Leicht lächelte ich. "Jeder hat es verdient zu leben, findest du nicht auch?"
Noah nickte und erwirderte mein Lächeln. Eine Gänsehaut kroch über meine Haut und ich wollte dem Gedanken nachgeben, der in mir schrie: Küss ihn, küss ihn! Ich beugte mich leicht nach vorne und spürte, wie Noah mir auch näher kam. Er schloss die Augen und ich zögerte. Es war offensichtlich, dass er es auch wollte... Aber was wenn - ...?
Plötzlich legte Noah seine Hand an meinen Kopf und zog ihn zu sich runter. Unsere Lippen berührten sich und ich war so perplex, dass ich erstarrte. Gleichzeitig explodierten tausende Schmetterlinge in meinem Bauch und ich fühlte mich leicht wie eine Feder.
Noah fing an seine Lippen zu bewegen und ich tat es ihm gleich. Es fühlte sich so verboten gut an... In diesem Moment war ich nur ein normaler Junge, der einen anderen küsste und sich keine Sorgen machen musste, was wohl aus seinem Leben werden würde.
Noah grub seine Finger tief in meine braunen Haare und wurde drängender. Ich legte meine Hand instinktiv auf seine Wange und stieß leicht mit der Zunge gegen seine Lippen. Er öffnete sofort und ich fuhr hinein und erkundete seinen Mund. Unsere Zungen berührten sich und spielten zärtlich, teilweise wild miteinander. Nach einer Weile löste er sich und schnappte nach Luft.
"Deine Ausdauer ist wohl nicht die beste.", meinte ich lächelnd. Er sah mich gespielt böse an. Dann fuhr er sich leicht verlegen durch die Haare. Dabei fiel eine schwarze Strähne vor seine braunen Augen, die ich vorsichtig weg strich.
"Ist das jetzt komisch?", fragte er mich vorsichtig. Ich schüttelte den Kopf. "Für mich absolut nicht." Ich seufzte und sah ihn durchdringend an. "Noah, ich..." Ich zögerte. Würde ich es einmal sagen, stand es für immer fest und ich würde es nie wieder rückgängig machen können. Das würde Noah in Todesgefahr bringen. Aber ich würde niemals zulassen, dass ihm etwas zustoßen würde. Niemals, das schwor ich mir.
"Noah, ich liebe dich." Noah lächelte. "Ich dich auch.", antwortete er.
Nur leicht löste ich mich von ihm und sagte: "Noah... Der wahre Grund, warum ich wach war, ist, weil ich raus muss, verstehst du? Ich fand es erstaunlich, dass du sowas... gespürt hast..." Er nickte nachdenklich. "Ich finde, wir haben eine besondere Verbindung zueinander.", meinte ich abschließend. Noah grinste und erwidert: "Das finde ich auch, Lonan."
Plötzlich kam mir eine Idee. "Willst du mal was Spaßiges machen?" Er nickte und seine Augen begannen ungedulgig zu leuchten. "Was ist es denn?", fragte er neugierig. "Ist eine Überraschung!", antwortete ich, ehe ich lachend los rannte. "Komm mit!"
Wir erreichten die Straße und überquerten sie. Ich merkte, wie Noah leicht Angst bekam, denn er fing an zu zittern. Ich trat näher an ihn und legte meine Hand in seine. Augenblicklich entspannte er sich. Wir liefen auf die ersten Bäume zu, die still und friedlich dort standen. Noah zögerte und blieb stehen. "Lonan, eigentlich möchte ich nicht wieder bei Nacht dort rein gehen..." Ich lächelte ihn an und beruhigte ihn: "Du musst dir keine Sorgen machen. Ich würde niemals zulassen, dass dir etwas passiert. Versprochen."
Und so gab ich ihm das Versprechen, was ich für immer in meinem Herzen tragen würde.
Nervös tippelte Noah hinter mir her, während ich mir einen Weg durch die Bäume bahnte. Als die Straße außer Sicht war, blieb ich stehen. Dann ließ ich Noahs Hand los und trat einen Schritt zurück. "Noah, ich möchte dir eine neue Welt zeigen - eine, in der man frei ist. Aber dafür musst du mir vertrauen." Eindringlich sah ich ihn an, während er zustimmend nickte. "Ist okay...", flüsterte er.
Ich nickte und verwandelte mich. Wieder schoss eine ernorme Welle an Energie durch mich und ich fühlte mich glücklich, als könnte mich nichts auf dieser Welt aufhalten. Mein Körper wollte schon los rennen, aber noch hielt ich ihn zurück. Denn heute würde ich dieses besondere Gefühl mit jemandem teilen.
Ich ging leicht zu Boden um Noah zu zeigen, was er zu tun hatte. Er verstand und kletterte auf meinen Rücken. Vorsichtig strich er dabei über mein Nackenfell und hielt sich schließlich zögernd daran fest. Er würde schon merken, dass er sich aber etwas besser festhalten musste.
Als Noah eine bequeme Sitzposition gefunden hatte und nicht mehr auf meinem Rücken herum rutschte, setzte ich mich erst langsam in Bewegung. Er sollte sich daran gewöhnen, ehe es mit dem richtigen Spaß los ging. Dort wo Noahs Körper meinen berührte, breitete sich ein Kribbeln aus - stets gefolgt von einer durchdringenden Wärme.
Nachdem ich in leichten Trab verfallen war und Noah sich endlich vernünftig fest hielt, fing ich an zu rennen. Meine Beine wurden leicht und es schien mir, als schwebten wir über den Boden. Ich übersprang kleine Baumstämme und Steine auf meinem Weg. Noah hatte sich zu Beginn panisch festgeklammert, aber nun jubelte er und hatte perfekten Halt auf meinem Körper gefunden.
"Wahnsinn Lonan, das ist purer Wahnsinn!", war er gerade am Rufen. Ich jaulte dazu und rannte noch schneller. Bäume flogen an uns vorbei und wir nahmen alles nur kurz war. Meine Pfoten erzeugten ein leises Trommeln auf dem Waldboden, welches von der Stille des nächtlichen Waldes zurückgeworfen wurde. Ich fühlte die Energie durch mich fließen und wir waren eins mit der Natur. Wir befanden uns in unserem Tunnel des Glücks und ich wünschte mir, dass dieser Moment niemals enden würde.
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