18 • Planning
Seit fast einer Wochen hausten Carlos und ich bei seiner Familie in Madrid und würden noch drei weitere Tage bleiben, ehe wir nach Belgien zum nächsten Grand Prix fliegen würden. Neben unseren täglichen Trainingseinheiten mit den Videos von Jon und Rupert genossen wir die freie Zeit am Pool, duellierten uns mit Ana und Blanca an der Wii oder gingen mit seinen Eltern golfen. Es tat gut abseits der Strecke zu sein, Zeit mit Menschen zu verbringen, die einen akzeptierten und unterstützten, und sich treiben zu lassen.
Während Carlos den heutigen Tag beim Tennis mit Blanca und ihrem Vater verbrachte, blieb ich mit Ana und Reyes zu Hause. Zum einen war Tennis einer der Sportarten, von der ich noch weniger verstand als der Spanischen Sprache und zum anderen brauchte ich Zeit für andere Planungen. Immerhin stand der Geburtstag meines Freundes an und das in nicht einmal zwei Wochen.
Da ihm unser Tagestrip nach Venedig letzten Sommer so gut gefallen hatte, wollte ich ihm zwei weitere Tage in der Lagunenstadt direkt nach dem Grand Prix in Monza schenken. Andreas gab uns die Tage zwischen den drei aufeinanderfolgenden Rennen als Erholung und Regeneration ohnehin frei. Zudem wäre unser nächstes Rennen wieder in Italien und damit praktisch mit dem Auto zu erreichen.
Nachdem wir uns für ein paar Stunden im Pool abgekühlt hatten, leistete mir Ana beim Buchen Gesellschaft und half mir bei der Auswahl eines Hotels. Nun gingen wir die Bewertungen der besten Restaurants durch, in dem ich Carlos nachträglich ausführen könnte.
,,Schau mal, das hier liegt ganz in der Nähe eures Hotels", bemerkte die Spanierin und deutete mit der Maus auf einen abgebildeten Kartenausschnitt, auf dem das besagte Lokal eingekreist war.
,,Das wäre perfekt", stimmte ich begeistert zu und blickte gespannt auf dem Bildschirm. ,,Wie sieht die Speisekarte aus?"
,,Hier steht, dass die Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten erstklassig sein sollen", fasste Ana zusammen, derweil verzog ich angewidert mein Gesicht. Niemals würde ich mit Carlos Fisch essen gehen, so sehr ich ihn auch liebte. Allein der Anblick bereitete ein flaues Gefühl im Magen.
,,Das Restaurant fällt definitiv raus", stellte ich missmutig klar. Amüsiert warf Carlos Schwester mir einen seitlichen Blick zu und schmunzelte:,,Es gibt auch jegliche Pizza- und Pastasorten."
,,Auch Pizza Chorizo?", wollte ich hoffnungsvoll wissen und wäre unter Umständen bereit dem Lokal doch eine Chance zu geben, wenn sie meine Lieblingspizza servieren würden. Ana scrollte die vielfältige Auswahl durch und blieb letztendlich bei meiner gewünschten Pizza stehen:,,Ja, hier."
Zufrieden lächelte ich und griff nach meinem Handy:,,Steht da eine Nummer? Dann würde ich dort anrufen und einen Tisch reservieren."
,,Einen Moment", murmelte die Spanierin und klickte auf der Seite herum. Bevor sie mir allerdings eine Telefonnummer vorlesen konnte, meldete sich auf einmal eine dritte Stimme zu Wort, die ich unter tausenden wiedererkennen würde:,,Hier seid ihr beide."
Überrascht schellten unsere Köpfe zur offenen Terrassentür, in der Carlos stand und uns lächelnd betrachtete. Offensichtlich war er vom Tennis zurück. Augenblicklich schlich sich auch auf meine Lippen ein erfreutes Lächeln. Nur für ein paar Minuten hatte ich meinen Freund heute Morgen gesehen, als er mich mit sanften Küssen geweckt und sich verabschiedet hatte.
,,Hey Babe, wie war's beim Tennis?", erkundigte ich mich aufmerksam. Ana neben mir fügte provokant hinzu:,,Haben Blanca und Papá dich wie jedes Mal abgezogen?"
,,Glaub es oder nicht, hermanita, aber ich habe unser Turnier gewonnen", berichtete Carlos stolz, was seine Schwester mit einem lachenden Kopfschütteln quittierte:,,Nein, das glaube ich absolut nicht!"
Mein Freund schnaubte gespielt empört, während ich ihre Neckerei mit einem belustigten Grinsen verfolgte. Dann stieß Carlos sich von der Terrassentür ab und kam auf uns zu. Interessiert fragte er nach:,,Wie habt euren Tag verbracht?"
,,Erst waren wir im Pool und jetzt schauen wir eine Serie", antwortete Ana voreilig, wofür ich ihr ziemlich dankbar war, da ich mich bei seiner Nachfrage augenblicklich anspannte und mir eine Ausrede nur schwer über die Lippen gekommen wäre. Ich wollte ihn nicht anlügen.
,,Welche?", wollte er weiter wissen. Mit einem Klick minimierte Ana unsere geöffneten Tabs auf dem Laptop, auch wenn Carlos von seiner Position aus sowieso nur die Rückseite des Gerätes sehen konnte. Sicher war sicher. Danach schaute sie wieder auf und lächelte unscheinbar:,,Kennst du sowieso nicht. Außerdem sind wir mitten in einer Folge und würde die gerne fortsetzen, richtig Lando?"
Zum Ende hin richtete sie sich zu mir und machte mir mit einem auffordernden Blick deutlich, dass ich ihr zustimmen sollte, um Carlos abzuschütteln. Zwiegespalten drehte ich mich zu meinem Freund, der mich ebenfalls misstrauisch musterte und auf eine Antwort zu warten schien. Ihm die Wahrheit zu sagen, würde sein Geburtstagsgeschenk ruinieren, weshalb ich mir schweren Herzens ein Lächeln auf die Lippen zwang und nickte:,,Ja, es wird gerade spannend."
,,Okay", murmelte Carlos verdattert, schien der ganzen Situation nicht ganz zu trauen, doch hakte nicht länger nach. Mit einem eifrigen ,,Dann lasse ich euch mal wieder alleine" verabschiedete er sich von uns und ging zurück ins Haus. Betrübt blickte ich ihm hinterher und fühlte mich schlecht, ihn mit einer notgedrungen Ausrede abgewiesen zu haben, nachdem wir uns den ganzen Tag nicht gesehen hatten.
,,Du brauchst keine Schuldgefühle haben, Lando. Das, was wir planen, ist immerhin für ihn", merkte Ana aufmunternd an, die genau erkannt hatte, was mir durch den Kopf ging. Murrend stützte ich meinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und fuhr mir durch die Haare:,,Ich weiß, aber Carlos tut es nicht. Er soll sich nicht zurückgestoßen fühlen."
,,Glaub mir, er wird darüber hinwegkommen, dass er einen Tag mal nicht mit seinem wundervollen Freund verbracht hat. Außerdem sind wir fast fertig. Das heißt, dass ihr den ganzen Abend miteinander verbringt könnt", erinnerte mich Carlos jüngste Schwerster verlockend, was ich mit einem ergebenen ,,Ist gut" erwiderte, bevor wir mit unserer Planung dort weitermachten, wo wir unterbrochen wurden.
Kaum hatten wir alle Reservierungen abgeschlossen, beorderte uns Blanca ins Haus zum Essen. Mit meinem Laptop unterm Arm folgte ich ihr und Ana ins Wohnzimmer, in dem der Esstisch gedeckt war. Carlos saß bereits auf seinem üblichen Platz und unterhielt sich mit seinem Vater, der neben ihm am Tischende saß. Derweil platzierte Reyes ihren selbstgemachten Auflauf in der Mitte des Tisches.
Während Ana und Blanca ihre Stühle am Tisch ansteuerten, legte ich meinen Laptop vorerst auf dem Couchtisch ab und tat es ihnen gleich. Lächelnd ließ ich mich auf meinen gewohnten Platz neben Carlos fallen und bewunderte dabei das lecker duftende Essen seiner Mutter. Mein Freund hatte mir schon oft bewiesen, dass er ein Meister in der Küche war und unglaublich gut kochen konnte, allerdings war mir schon bei meinem ersten Besuch bei seiner Familie bewusst geworden, dass er diese Begabung von seiner Mutter geerbt hatte.
,,Zugegeben", zog Carlos belustigte Stimme auf einem Mal meine Aufmerksamkeit auf sich. Mit einem breiten Grinsen betrachtete er mich, dann Ana gegenüber von mir, dann wieder mich. ,,Es verwundert mich schon, dass ihr beiden euch nicht nebeneinander gesetzt habt."
,,Wir wollten nicht, dass du eifersüchtig wirst, Carlito", schoss seine jüngste Schwester schmunzelnd zurück. Hingegen schüttelte ich nur den Kopf. Dass der Spanier über das Gespräch auf der Terrasse mittlerweile lachen konnte, zeigte mir, dass meine Sorgen unbegründet gewesen war und er sich keine weiteren Gedanken machte.
,,Gibt es etwas, was wir verpasst haben?", warf Reyes fragend ein und war dabei den Auflauf in gleichgroße Stücke zu teilen.
,,Nein, schon gut, Mamá", winkte Carlos scheinheilig ab, jedoch konnte ich mir eine Antwort auf seine vorherigen Worte nicht verkneifen und lehnte mich verführerisch zu seinem Ohr.
,,Kein Grund zur Sorge, Babe. Du bist und bleibst mein Lieblingsmitglied der Familie Sainz", raunte ich in sein Ohr und bemerkte, wie sich die kleinen Härchen in seinem Nacken aufstellten. Zufrieden wich ich zurück und drückte ihm dabei einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Nun war der er derjenige, der mich kopfschüttelnd musterte, nichtsdestotrotz ein sichtlich glückliches Lächeln auf den Lippen trug.
Nachdem alle von dem Auflauf satt geworden waren, sammelte ich die benutzten Teller zusammen und brachte sie in die Küche, räumte sie dort direkt in den Geschirrspüler. Als ich die Spülmaschine wieder schloss, sah ich Carlos Mutter am Waschbecken, was sie mit Wasser volllaufen ließ. Auf dem Unterschrank daneben standen, zwei dreckige Töpfe, die sie beim Kochen wohl benutzt hatte, sowie die leere Auflaufform.
Reyes behandelte und versorgte mich so fürsorglich, als wäre ich ihr eigener Sohn, hatte meine Klamotten vom letzten Rennwochenende mit denen von Carlos gewaschen und achtete stets darauf, dass ich zum Frühstück meinen liebgewonnen Multivitaminsaft bekam, den sie täglich selbst presste. Genau wie Carlos Vater oder Ana und Blanca sprach sie mit mir auf Augenhöhe, hörte mir gerne zu und nahm mich ernst, wodurch ich mich unheimlich wohl fühlte. Dabei spielte es kein Rolle, dass ich, von ein einzelnen Wörtern abgesehen, kein Spanisch konnte, da sie alle fließend Englisch sprachen und dies auch untereinander taten, wenn ich im selben Raum war.
Bei allem, was Carlos Familie für mich tat, war es mehr als angebracht, dass ich ihnen unter die Arme griff, wo ich nur konnte, um mich zu revanchieren. Daher überbrückte ich die letzten Meter zwischen zu Carlos Mutter und erkundigte mich freundlich:,,Brauchst du Hilfe beim Abwasch, Reyes?"
,,Oh, das wäre lieb von dir, Lando. Dort müssten Geschirrspültücher sein. Nimm dir ruhig eins", stimmte sie erfreut zu und deutete auf den schmalen Küchen neben dem Ofen. Verstehend nickte ich und kam ihrer Aufforderung nach, hatte gerade einmal den Schiebeschrank herausgezogen, da ertönte Carlos Stimme im Raum:,,Ich kann dir auch helfen, Mamá."
,,Du wäscht freiwillig ab? Seit wann das denn?", hakte Reyes perplex nach und stellte den Wasserhahn ab. Auch mich überraschte sein plötzliches Angebot. Zwar liebte mein Freund es zu kochen und hatte gerne Ordnung im Haus, doch warf nie ein Auge darauf, was in den Geschirrspüler durfte und was man mit der Hand abspülen sollte. Hauptsache es stand nicht länger dreckig herum.
,,Seit heute", gab Carlos festentschlossen zurück und kam neben seiner Mutter zum Stehen. Diese betrachtete ihn zunächst mit einem prüfenden Blick und drückte ihm letztendlich einen der benutzten Töpfe sowie einen Schwamm in die Hand:,,Na gut, nene. Dann spül ab und überschwemm bloß meine Küche nicht!"
,,Ich doch nicht", gab er murmelnd zurück und bekam von seiner Mutter einen liebevollen Kuss auf die Wange, ehe sie uns mit einem warmen Lächeln alleine ließ.
Während Carlos den Topf in das gefüllte Waschbecken tunkte und begann zu schrubben, griff ich nach einem Geschirrspültuch und schloss den schmalen Küchenschrank wieder. Mit einem schelmischen Grinsen ging ich auf ihn zu:,,Hast du mich heute so sehr vermisst, dass du den Abwasch dafür ins Kauf nimmst, um Zeit mit mir zu verbringen?"
,,Du mich etwa nicht?", hakte der Spanier nach, wissend, dass er mir sehr wohl gefiel, dass wir nach einem Tag ohne einander wieder zusammen waren. Diese Genugtuung wollte ich ihm allerdings nicht gönnen und entgegnete neckend:,,Eigentlich haben Ana und ich uns heute ziemlich amüsiert."
,,Autsch", entwich es ihm theatralisch und schneller als ich reagieren konnte, bekam ich eine Ladung warmes Wasser ins Gesicht.
,,Hey!", rief ich empört und drehte mich weg. Mit dem Geschirrspültuch tupfte ich mein Gesicht trocken, hörte währenddessen Carlos schadenfroh auflachen:,,Karma!"
Mit einem beleidigen Brummen wandte ich mich zu meinem Freund, der sich nun wieder um die Sauberkeit des Topfes kümmerte. Dagegen setzte mich auf den freien Unterschrank neben der Spüle Spüle und überlegte, womit wir den restlichen Abend verbringen konnten. Eine Vorstellung setzte sich dabei als deutlicher Favorit in meinem Kopf ab: Kuscheln. Ich wollte unbedingt Carlos Nähe spüren und seinen vertrauten Duft einatmen. Ich wollte das tun, worauf ich den ganzen Tag verzichten musste.
,,Was hältst du davon, wenn wir uns gleich ins Bett schmeißen und einen Film schauen? Du darfst aussuchen", schlug ich meine, für mich schon festbestimmte, Idee vor. Vergnügt lachte der Spanier und hob den gesäuberten Topf aus der Spüle, um ihn neben mir auf die Ablage abzustellen. Dann sah er zu mir auf und scherzte:,,Willst du nicht lieber deine Serie mit Ana weiterschauen?"
,,Wie gesagt, du bist mein Lieblingsmitglied der Familie", widerholte ich meine Worte vom Essen und durfte die Ausrede seiner Schwester nicht weiter thematisieren, ehe ich mich möglicherweise noch verplapperte.
,,Ist das so?", wollte Carlos wissen und hatte dabei dasselbe breite Lächeln auf dem Lippen wie am Esstisch. Ich nuschelte ein zustimmendes ,,Mhm" und hob als Unterstützung meine Hand, um diese behutsam an seiner Wange zu platzieren. Tief blickte ich ihm in die Augen und fügte ehrlich hinzu:,,Und bei weitem bist du mein Lieblingsmensch."
,,Und du bist meiner", gestand der Spanier strahlend, was mein Herz höherschlagen ließ. Überglücklich verband ich unsere Lippen zu zärtlichen Kuss und fühlte mich dabei nach allem, was in letzten Wochen durchgemacht hatten, mit Carlos so verbunden wie nie zuvor.
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