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Singapur, 19. September 2019
Ich hatte die vergangenen eineinhalb Wochen bis zum Grand Prix in Singapur bei George in London verbrachte. Bisher hatte es noch keine Probleme gegeben und wir beide fanden Gefallen an unserem neuen Wg-Leben. Es war genau das, was ich in der schweren Zeit brauchte.
Gestern Abend waren wir in Singapur angekommen und zum ersten Mal seit Monaten hatte ich an einem Rennwochenende ein Hotelzimmer für mich alleine. Es war ungewohnt und gefiel mir absolut nicht. Wobei das nicht an dem Hotelzimmer lag, in dem man durch eine große Fensterfront einen unbeschreiblichen Ausblick auf die Stadt hatte, sondern an der Tatsache, dass ich niemanden mehr neben mir liegen hatte, an den ich mich kuscheln konnte und von meinem schrillen Weckerton geweckt wurde, anstatt von sanften Küssen, die von dem Menschen, den ich liebte, auf meinem Gesicht verteilt wurden. Jedoch versuchte ich mich darüber nicht weiter nachzudenken. Ich würde mich wieder daran gewöhnen, alleine zu sein.
Mit dem McLaren, den ich dieses Wochenende zur Verfügung gestellt bekommen hatte, fuhr ich zur Strecke. Den Wagen stellte ich auf einen Parkplatz ab und betrat den Paddock, lief zu meinem Motorhome und sah Patrick davor mit seinem Tablet in der Hand stehen. Lächelnd ging ich auf ihn zu:,,Ich bin da. Der Medientag kann beginnen."
,,Nein, kann er nicht. Wir müssen noch auf Carlos warten", erklärte er abweisend, tippte etwas auf seinem Gerät ein und blickte nicht einmal zu mir hoch. Derweil brachten seine Worten mein Herz zum Aussetzen.
,,Auf Carlos? Wieso auf Carlos?", fragte ich irritiert nach. Noch nie hatten wir auf ihn warten müssen.
,,Weil seine PR-Assistentin kurzfristig einen neuen Job angenommen hat und er nun jemand neues braucht, der seine Termine verwaltet. Solange Zak und Andreas noch auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger sind, bin ich dieser jemand", antwortete er. Entsetzt klappte meine Kinnlade herunter. Das konnte, das durfte nicht wahr sein.
,,Aber du bist mein PR-Assistent. Das warst du schon vor Saisonbeginn. Gibt es niemand anderen, der sich darum kümmern kann?", erkundigte ich mich perplex.
,,Nein, gibt es offensichtlich nicht", entgegnete Patrick und schaute nun amüsiert zu mir auf, ,,kein Grund eifersüchtig zu werden, Lando. Ich werde dein PR-Assistent bleiben und genug Zeit für euch beide haben."
,,Großartig", schnaubte ich verzweifelt und verschränkte meine Arme vor der Brust. Als würde es nicht schon reichen, dass ich den Spanier in der Box und bei Team Meetings sah, nein, jetzt würde ich ihn auch noch den ganzen Medientag um mich herumhaben, genau wie nach einem Qualifying und Rennen. Frustriert blickte ich auf meine Uhr, wollte den Tag schnell es möglich war, hinter mich bringen:,,Kann Carlos dann wenigstens pünktlich kommen? Wir treffen uns immer um 10 Uhr vor dem Motorhome."
,,Kleiner, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Das ist das dritte oder vierte Mal von 15 Rennwochenenden, dass du rechtzeitig hier bist", bemerkte Patrick, was ich mit einem unzufriedenen Murren quittierte. Zugegeben, ganz gelogen waren seine Wort nicht. Carlos und ich hatten uns in der Vergangenheit jeden Morgen viel Zeit im Bett gelassen, wobei ich immer derjenige gewesen war, der sich an ihn gekuschelt, im Notfall sogar auf ihn gelegt hatte, sodass er nicht aufstehen konnte und bei mir bleiben musste. Jedes Mal hatte es wieder funktioniert.
Die Erinnerung ließ mich leicht Lächeln, was bei dem gefolgten Schmerz nicht lange anhielt. Nie wieder würde ein Morgen auf diese Weise verlaufen, zumindest für mich nicht. Vermutlich vertrieb sich Carlos seine Zeit mit Romee nun auf diese Weise und war deshalb noch nicht hier. Ein Hand auf meiner Schulter riss mich aus meinen Gedanken, unterstützt von Patricks prüfender Stimme:,,Ist alles in Ordnung, Lando? Hast du schlecht geschlafen?"
,,Nein, mir geht es blendend", schwor ich, hatte nicht einmal bemerkt, dass meine Augen glasig geworden waren und fuhr mir schnell übers Gesicht. Ich durfte nicht länger an Carlos und Romee denken, geschweige denn es mir anmerken lassen. Zwar hatte ich keine Ahnung, wie ich den ganzen Tag mit dem Spanier an meiner Seite umgehen sollte, doch eines stand fest. Negative Schlagzeilen wollte ich nicht auslösen, genauso wenig wie ich die Fans und Medien verunsichern wollte, weil ich ihn in einem Video nicht einmal ansehen konnte. Auch wenn es mir innerlich das Herz brechen würde, nach allen Geschehnissen so nah bei ihm zu sein, musste ich professionell mit ihm umgehen, für das Team.
,,Lando!", dröhnte auf einmal mein Name durch den Paddock und erlöste mich damit von meinen Gedanken rund um Carlos. Ich drehte mich zu der Stimme und landete bei Lewis, der strahlend auf mich zu kam. Sofort spiegelte sich auch auf meinen Lippen ein Lächeln und ich kam ihm ein Stück entgegen. Erfreut schlug mit ihm ein:,,Hey, schön dich zu sehen."
,,Das kann ich zurückgeben", entgegnete er, ,,wie geht es dir? Konntest du dich in den letzten Tagen etwas erholen?"
,,Ja, ich habe viel Zeit mit meinen wahren Freunden verbracht, Alex und George. Das hat unheimlich gutgetan", berichtete ich ehrlich.
,,Schön zu hören. Hast du noch einmal mit Carlos gesprochen?", wollte er behutsam wissen, ließ damit unwissend mein Herz verkrampfen. Das letzte Gespräch mit dem Spanier war gleichzeitig unsere Trennung gewesen. Schluckend nickte ich und legte mir für den Briten eine Antwort zurecht, die zu der verdrehten, wenn auch nicht weniger wahren Version meines Streits mit Carlos passte, die ich ihm anvertraut hatte:,,Uhm ja, wir haben uns noch einmal gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass ich fertig mit ihm bin und mich nur auf das Team konzentriere."
,,Das tut mir leid zu hören, aber ich bin mir sicher, dass du schnell darüber hinwegkommen wirst. Du sollst zufrieden mit dir und stolz auf dich sein. Hör dabei auf dich und kümmer dich nicht um das, was andere Menschen denken, allen voran Carlos. Es wird immer Leute geben, die versuchen dein Licht zu dimmen, dich runterzuziehen und aus der Bahn zu werfen, damit sie sich in deinem Umfeld wohler fühlen, sich besser fühlen, aber du bist zu stark dafür. Keiner kann dein strahlendes Licht dimmen oder auf den Boden ziehen", sprach Lewis mir gut zu. Woher er diese weisen und aufmunternden Worte jedes Mal nahm, blieb mir ein Rätsel, jedoch taten sie unglaublich gut und brachten mich wieder zum Lächeln.
,,Schreibst du dir sowas eigentlich auf oder fällt dir das spontan ein?", hakte ich schmunzelnd nach. Grinsend stimmte er mit ein:,,Es fällt mich spontan ein. Ich habe viel gelernt und will mein Wissen weitergeben, damit es Menschen besser geht als mir damals."
,,Danke, Lewis. Deine Worte helfen mir sehr", lächelte ich dankbar.
,,Keine Ursache", winkte er zufrieden ab, ,,behalt dein Lächeln, Lando, und viel Erfolg für das Wochenende."
,,Dir auch", erwiderte ich und schlug zum Abschied ein weiteres Mal mit ihm ein. Danach lief er in Richtung Mercedes Motorhome, während ich mich zurück zu Patrick drehte. Mittlerweile stand auch Carlos neben ihm, der mich misstrauisch musterte und es damit fast geschafft hätte, meine eben gewonnene gute Laune zu zerstören, allerdings wollte ich ihm das nicht so leicht machen. Ich wollte ihm nicht mein Licht dimmen lassen.
Somit schluckte ich meine ganzen Schmerz herunter, setzte ein leichtes Lächeln auf und ging auf die beiden zu. Beeindruckt nahm Patrick das zur Kenntnis und drückte sich sein Tablet an die Brust:,,Sieh an, wer auf einmal lächeln kann."
,,Ich wusste gar nicht, dass du so eng mit Lewis bist", bemerkte Carlos, ließ damit nun doch mein Lächeln verblassen. Ob er etwas andeuten wollte oder es lediglich ein unnötiger Kommentar von ihm war, konnte ich nicht einschätzen. Was auch immer es war, ich musste mir von ihm sowas nicht anhören lassen und gab schnippisch zurück:,,Lustig, dass du das sagst. Ich wusste gar nicht, dass du noch mit Romee zusammen bist."
,,Wir sind nicht mehr zusammen. Seit Monza habe ich nichts mehr von ihr gehört", antwortete der Spanier kleinlaut, blickte mir dabei direkt in die Augen und nahm mir damit für einen Moment die Luft zum Atmen. Er breitete sich in meinem Kopf aus, der naiv Gedanke, dass Romee nun endgültig weg war und alles wieder so werden könnte, wie es vor wenigen Wochen war, Carlos und ich glücklich zusammen.
Panisch wandte ich meinen Blick von Carlos ab und schob meine Gedanken zur Seite. Es war falsch. Monatelang hatte er mich angelogen und mir etwas vorgemacht, was nicht der Wirklichkeit entsprach, mich hintergangen und betrogen. Jederzeit könnte er es wieder tun, so auch jetzt. Schnaubend brachte ich ein abwertendes ,,Sicher doch" heraus. Noch einmal würde ich mich von meiner Gutgläubigkeit nicht leiten lassen.
,,Habe ich irgendetwas verpasst?", mischte sich nun Patrick verwirrt ein.
,,Nein!", kam es von uns beiden wie aus einem Mund. Scheinbar waren wir uns wenigstens in einer Sache einig: das Team hatte mit unseren Streitigkeiten nichts zu tun. Aus unserem Streit in Kanada hatten wir gelernt.
,,Okay", murmelte mein PR-Assistent zögerlich, ,,dann wird das wohl ein spaßiger Tag. Lasst uns losgehen. Ihr beiden habt ein Videodreh für den offiziellen Formel 1 Kanal."
Mit einer Handbewegung machte er uns deutlich, dass wir ihm folgen sollten, was wir auch schweigend taten. Die Stimmung beim Videodreh war nicht so amüsant und locker wie es sonst immer war, wenn Carlos und ich gemeinsame Termine zusammen hatten. Zwischen uns war eben nichts mehr wie sonst, aber dennoch überspielte ich meine Anspannung mit Albereien und Witzen, um Schlagzeilen zu vermeiden. Was anderes blieb mir nicht übrig.
Nach ein paar weiteren einzelnen Interviews und einer lustigen Pressekonferenz mit Daniel und Lewis, ging der Medientag zu Ende. Mit dem McLaren fuhr ich zurück zum Hotel und traf mich im Restaurant mit George. Alex hatte noch ein Meeting mit seinem Teamchef, was wohl länger dauern konnte. Er würde versuchen hinzuzukommen, doch versprach nichts.
,,Du hast deinen Tag also mit Carlos verbracht", kam George wieder auf unser Thema zurück, nachdem der Kellner uns unterbrochen hatte und wir unsere Bestellung aufgegeben haben.
,,Ungewollt", merkte ich aufgewühlt an und nippte an meinem Glas Wasser. George legte den Kopf schief:,,War es schlimm?"
,,Ob es schlimm war? Es war grauenhaft, neben ihm zu sitzen, mit ihm zu lachen und so zu tun, als wäre nie etwas passiert. Die Tatsache, dass er mich hintergangen und belogen hat, ist immer noch unheimlich schmerzhaft und macht mich wütend", gab ich zu und versuchte mein Gefühlschaos zitternd in Worte zu fassen, ,,ich bin so verdammt wütend auf ihn, aber als er gesagt hat, dass er nicht mehr mit Romee zusammen ist, seit Monza nichts mehr von ihr gehört hat... ein Teil von mir wäre ihm am liebsten im den Hals gefallen, auch wenn mein Frust letztendlich überwogen hat."
,,Lando, du hast ihm zweimal blind vertraut und zweimal hat er das Vertrauen missbraucht. Lass nicht zu, dass er dich noch ein drittes Mal verletzt. So sehr du ihn auch liebst, er verdient es nicht", stellte George scharf klar, wollte nichts anderes, als mich vor weiterem Leid beschützen, das wusste ich. Zudem war es die Wahrheit. So hart seine Worte auch klangen, es war die brutale Wahrheit. Carlos verdient vermutlich keine weitere Chance, so sehr sich ein Teil meines Herzens auch dagegen sträubte.
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Erstmal tut es mir leid, dass das Kapitel heute kommt und nicht schon schon Freitag. Ich weiß nicht, ob man es im Vergleich zu den letzten Kapiteln merkt, aber ich habe, vom Dialog abgesehen, die vorherige Version des Kapitels gelöscht und das drumherum nochmal geschrieben, weil ich mit der ersten Version unzufrieden war. Inhaltlich macht es aber keinen Unterschied, keine Angst.😅
Ich hoffe, dass ihr schöne Feiertage hattet und wünsche euch noch einen gemütlichen Sonntag.🧡
Lg. T.
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