22 • Probably bi, maybe gay
Woking, 09. Juli 2019
,,Querido, wir haben schon so viel Zeit vergeudet. Lass uns anfangen aufzuräumen. Ansonsten machen wir es nie", vermerkte Carlos und setzte sich auf, was ich mit einem unzufriedenen Murren quittierte. Meine Motivation an unserem freien Tag das Sofa zu verlassen, um das Haus des Spaniers aufzuräumen und sauber zu machen, war absolut nicht vorhanden. Viel lieber würde ich weiterhin in seinen Armen liegen und mich mit ihm über die schlechten Soaps im Fernsehen lustig machen.
,,Ich hätte nichts dagegen, wenn wir nie aufräumen", kommentierte ich und blieb liegen.
Carlos drehte sich schmunzelnd zu mir und schüttelte leicht den Kopf:,,Das glaube ich dir, aber wir müssen wenigstens grob sauber machen. Wir haben uns mit dem Chaos in den letzten Tagen selbst übertroffen."
,,Wir können auch morgen sauber machen", schlug ich schulterzuckend vor.
,,Wir haben gestern schon gesagt, dass wir morgen aufräumen", erinnerte mich Carlos.
,,Eben, da kommt es auf einen weiteren Tag auch nicht drauf an", grinste ich, woraufhin er wieder den Kopf schüttelte.
Als Carlos ansetze, um etwas zu erwidern, ertönte auf einmal ein Klingeln. Er griff nach seinem Handy, was neben meinem auf dem Couchtisch lag:,,Ich muss da kurz rangehen."
,,Lass dir Zeit, Babe", erwiderte ich, als er von der Couch aufstand.
,,Ich bin in fünf Minuten wieder da und dann fangen wir an", erklärte Carlos sicher, ehe er sich sein Handy ans Ohr hielt und begann auf Spanisch zu reden.
Während Carlos telefonierte widmete ich mich wieder den Soaps im Fernsehen und genoss es, dass wir endlich mal wieder einen Tag hatten, an dem wir das Haus nicht verlassen mussten und den ganzen Tag in Jogginghose herumlaufen konnte. Kein Training, keine Sim Sessions, keine Media Termine, so sehr ich meinen Job auch liebte, tat dieser Tag gut.
,,Wer war das?", erkundigte ich mich, als Carlos nach einigen Minuten wieder das Wohnzimmer betrat und vor mir zum Stehen kam.
,,Meine Eltern, sie haben mich gefragt, wie es läuft und wie es mir geht", erklärte er und schob sein Handy in seine Hosentasche.
,,Was hast du geantwortet?", fragte ich neugierig nach, woraufhin sich auf Carlos Lippen ein Lächeln ausbreitete und er nach meiner Hand griff:,,Dass es mir noch nie besser ging und der Plan für den heutigen Tag ist, das Haus sauber zu machen. Daraufhin war meine Mutter stolz auf mich und meinte, dass sie später noch einmal anruft, damit sie mich nicht aufhält."
,,Ach ehrlich?", murmelte ich wenig begeistert, wobei ich mich über Carlos ersten Worte noch gefreut hatte.
,,Ehrlich", entgegnete er und wollte mich an meiner Hand hochziehen, ,,und das heißt, dass wir nun anfangen."
,,Warte, warte, es gibt noch etwas, worüber ich mit dir reden muss", gab ich hastig zurück, als Carlos mich auf meine Beine gezogen hatte.
,,Netter Versuch, Querido", winkte er ab schmunzelnd ab.
,,Ich muss wirklich mit noch über etwas reden. Genau genommen, dich etwas fragen", merkte ich ehrlich an. Schon seit einigen Tagen ging mir ein Gedanke durch den Kopf, denn ich ansprechen wollte, doch nie hatte ich gewusst wie.
,,Du kannst mich alles fragen, während wir in der Küche anfangen sauber zu machen", beschloss Carlos und wollte mit in die Küche schleifen, doch ich hielt Widerstand und zog ihn zurück:,,Babe, ich meine es ernst. Es ist mir wichtig."
Carlos musterte mich irritiert, fast schon besorgt. Er ließ meine Hand los und antwortete nun ernsthafter:,,Was ist los?"
,,Meine Eltern sind in Silverstone in unserer Box, das ganze Wochenende lang. Ich wollte nach dem Rennen mit ihnen Essen gehen oder sie zu mir einladen. Würdest du mitkommen?", erzählte ich ihm vorsichtig. Mit Carlos Vater hatte ich zwar schon ab und zu einmal gesprochen, allerdings lag das daran, dass er oft an Fomel 1 Rennen an der Strecke war und ziemlich gute Beziehungen zu vielen Mitarbeitern im Paddock hatte. Immerhin war sein Vater Ralley Weltmeister und damit einer der bekanntesten Gesichter im Motorsport. Jedoch waren diese kurzen Gespräche wohl kaum mit einem richtigen Essen und einem gemeinsamen Abend zu vergleichen. Darüber hatten Carlos und ich auch noch nie gesprochen.
,,Du meinst, um deine Eltern kennenzulernen?", hakte der Spanier überrascht nach.
,,Natürlich nur wenn du willst", fügte ich hinzu und nickte.
,,Wissen sie, dass...", setzte Carlos zu einem weiteren Fragen an, die ich beendete:,,Dass wir zusammen sind?"
,,Dass du auf Typen stehst", verbesserte er mich zögerlich.
Die ganzen letzten Wochen hatte ich Carlos um mich herumgehabt, mich an ihn gekuschelt und geküsst. Für mich war es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass Carlos derjenige war und nicht irgendeine Frau. Dass es für meine Eltern vermutlich nichts Selbstverständliches war und sie das nicht erwarteten, hatte ich mir ebenfalls schon oft durch den Kopf gehen lassen. Genau wie die Frage, ob ich mich vor ihnen outen müsste, wenn ich ihnen Carlos vorstellen würde. Allerdings wüsste ich mich nicht einmal, als was ich mich outen sollte, als wahrscheinlich bi, vielleicht schwul? Vor Carlos hatte ich weder etwas ernstes mit einer Frau noch mit einem Mann gehabt. Daher wusste ich nicht, ob ich mich eher zu Männern oder Frauen hingezogen fühlte. Ich wusste nur, dass ich Gefühle für Carlos hatte und diese mit jedem Tag, der verging, intensiver wurden. Außerdem wusste ich, dass ich das Schubladen denken unserer Gesellschaft hasste. Für alles musste es einen Namen. Man war entweder das eine oder andere. Dabei wollte ich nur ich selbst sein, Lando, für den Carlos einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben war und wollte, dass seine Eltern diesen besonderen Menschen kennenlernten.
,,Nein", seufzte ich letztendlich schwer und fuhr mir durch die Haare, ,,aber es hat niemand gesagt, dass du als mein Freund mitkommen musst. Du kannst auch ein Freund sein oder einfach jemand, der mir unglaublich wichtig ist, und den meine Eltern deshalb unbedingt kennenlernen müssen."
,,Was auch immer du willst, ich komme mit. Wenn du deinen Eltern von uns erzählen willst, ist das okay und wenn du es nicht willst, ist das auch okay. So oder so, ich würde sie liebend gern kennenlernen", stimmte Carlos zu und lächelte sanft, was ich augenblicklich erwiderte.
,,Danke", entgegnete ich glücklich und legte meine Hand an seine Wange, um ihn anschließend in einen Kuss zu ziehen, den Carlos jedoch schneller beendete als mir lieb war:,,Da das Thema damit wohl beendet ist, können wir jetzt aufräumen."
,,Können nicht noch eine Stunde warten?", versuchte ich ihn zu überzeugen und das Aufräumen noch etwas hinauszuzögern, was hoffnungslos war. Carlos war viel zu entschlossen und sicher:,,Wenn ich ja sagen würde, führen wir in einer Stunde wieder dasselbe Gespräch und wenn wir nun anfangen, sind wir auch früher fertig."
,,Na schön, du hast gewonnen", gab ich stöhnend nach und ließ mich von ihm diesmal ohne Protest in die Küche ziehen, ,,ich wische den Boden."
,,Nein, das werde ich übernehme, sobald ich mit dem Bad fertig bin. Du setzt nur die Küche unter Wasser, wenn du das tust", stellte Carlos klar und ließ meine Hand los, als wir die Küche betraten.
Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und lehnte mich gegen den Türrahmen:,,Das ist gar nicht wahr. Ich habe in meinem Haus schon oft den Boden gewischt und keine Überschwemmung verursacht."
,,Du hast in deinem Haus schon einmal gewischt? Sieht man nicht direkt", schmunzelt Carlos und holte unter dem Waschbecken einen Eimer heraus, in den er Wasser füllte.
,,Du kannst auch alleine aufräumen, wenn du findest, dass ich nicht hilfreich bin", merkte ich an.
,,Nicht beleidigt sein, Querido", lächelte Carlos und stellte den Wasserhahn ab, als der Eimer halb voll war, ,,räumst du den Geschirrspüler aus?"
,,So viel traust du mir dann doch zu?", fragte ich gespielt überrascht nach und kam seinen Wunsch nach. Ich lief zum Geschirrspüler und schaltete ihn aus, ehe ich ihn öffnete.
,,Danke, mi corazon", hörte ich Carlos sanfte Stimme hinter mir und spürte, wie er mir einen leichten Kuss auf die Wange drückt.
,,Was genau heißt das?", wollte ich verwirrt wissen, da ich meine Spanisch Kenntnisse in den letzten Wochen nicht annähernd zu genommen hatten und ich mir die Bedeutung seiner Kosenamen nur denken konnte.
Jedoch ging Carlos nicht weiter auf meine Frage ein und verließ die Küche:,,Das darfst du wieder selbst herausfinden. Ich bin im Bad."
,,Kannst du wenigstens noch einmal wiederholen, was du gesagt hast?", rief ich ihm hinterher, da ich mir nicht mal mehr sicher war, was Carlos überhaupt gesagt hatte, doch hörte nur ein leises Lachen. Seufzend stellte ich das Radio in der Küche an, damit ich wenigstens Musik hören konnte, während ich das Geschirr und Besteck sortierte.
•••
Es tut mir leid, dass das Kapitel nicht schon gestern kam, aber ich habe es irgendwie vergessen.😅
Ich hoffe trotzdem, dass es euch gefällt.🧡
Lg. T.
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