
Kapitel 2
Und bedauerlicherweise wusste ich, dass Garrett noch nie nachgegeben hatte.
Und auch jetzt nicht. Viel zu vorhersehbar schlug er mit geballter Faust in den Bauch des Mannes, dem dies nichts auszumachen schien. Im Gegensatz: Sein Gesichtsausdruck wurde kurz von ernst zu belustigt. Doch meiner Meinung nach, war das sogar noch bedrohlicher. Ich sollte Recht behalten.
Angeekelt wandte ich mich ab und so konnte ich nur hören wie Garret verprügelt wurde. Ich konnte hören, wie neben mir die Jungs zu dem Kampf dazustießen. Ich konnte hören, wie auch der Rest unserer Feinde nun mitmischte. Ich konnte hören, wie meine Freundinnen schrien und schluchzten. Und zu meinem Bedauern hörte ich ganz klar und deutlich einen Knochen knacken und ich hoffte, dass dieser eindeutig gebrochene Knochen nicht Einer, aus dem Körper meiner Freunde war.
Ziemlich unrealistisch wenn man bedachte, dass unsere Gegner allesamt mit Schutzkleidung ausgestattet waren.
Nun gut. Es war ganz klar an der Zeit dazwischen zu gehen. Ich drehte mich wieder dem Kampf entgegen und musste den Impuls unterdrücken sofort wegzurennen, denn vor mir sah ich wie meine Freunde in Grund und Boden gestampft wurden.
Eigentlich sollte man meinen, dass ich nach all den Jahren auf der Straße abgehärtet gegenüber brutaler Situationen war. Doch leider konnte ich das nicht bestätigen. Ich war das ängstlichste, schreckhafteste und schwächste Glied unserer Gruppe. Aber dank meinen Freunden war ich wenigstens ein Mitglied und das war der Grund dafür, dass ich noch lebte. Denn ohne Menschen, auf die man sich verlassen konnte, war man hier so gut wie tot.
Aber jetzt musste ich mich zusammenreißen. Fieberhaft überlegte ich, wie ein unfähiges Mädchen, wie ich es schaffen sollte, dass die zwei Parteien vor mir voneinander abließen.
Doch mein Eingreifen, welches nebenbeibemerkt wahrscheinlich keinen bedeutenden Effekt gebracht hätte, war nicht mehr von Bedeutung, denn der beauftragte Einsatzleiter, der sich die ganze Sache bisher seelenruhig angesehen hatte, schritt nun zur Tat über.
Er zog seine Pistole aus dem Halfter am Gürtel und richtete sie auf ...Luana ?! Wieso zur Hölle auf sie? Sie stand außerhalb der Prügelei und sah nur mit schreckensgeweiteten Augen auf den Tumult.
Ich war nicht die Einzige, die die unmittelbare Gefahr erkannte, in der sich das blonde
Mädchen mit den schönen Augen befand, denn eine weitere Jugendliche aus unserer Gruppe hatte die Situation realisiert.
Im Gegensatz zu mir jedoch war sie nicht zu geschockt um ihren Mund aufzumachen und schrie Luanas Namen. Doch Die schien nichts zu hören. Der Auftragsleiter allerdings wurde durch den Ruf offensichtlich umgestimmt und wendete seine Waffe kurzerhand gegen Ann, die gerufen hatte.
Der Schuss ließ die Kämpfenden innehalten, denn Alle wollten der Ursache nachgehen. Neugier verwandelte sich in Schrecken als die Ersten Anns Körper, umgeben von einer Blutlache auf dem Boden liegen sahen.
Freunde und Feinde lösten sich voneinander. Letztere kehrten unversehrt zu ihrem Befehlshaber zurück, der seine Waffe wieder weggesteckt hatte. Und meine Leute versammelten sich hinkend und blutend um den reglosen Körper unserer Freundin.
„Sie atmet nicht", sagte der dunkelhäutige Ajan schwach. Er hatte Anns Hand genommen und sich zu ihrem Gesicht runtergebeugt. Keine Antwort von den Anderen. Nur Neo bewegte sich und nahm seine bereits gepackten Sachen über die Schulter. Ein Paar taten es ihm gleich. Wir hatten nie einen Anführer in unserer Gruppe gewählt aber sollte Jemand diese Rolle übernehmen, wäre das auf alle Fälle Neo. Er wusste immer was zu tun war.
Wir alle hatten Respekt vor seinen Entscheidungen und ebenso vor ihm selbst. Er war nicht nur der Älteste mit seinen siebzehn Jahren sondern auch der, der unsere Gruppe vereint hatte. Seit ich Ausgestoßene der Stadt wurde war ich beeindruckt von dem ruhigen Jungen gewesen. Er hatte mich sofort angesprochen, als ich die erste Nacht alleine draußen, an eine Hauswand gelehnt schlafen wollte.
Damals hatte ich Angst gehabt, denn seine strahlenden blauen Augen hatten so weise gewirkt, dass ich mich noch unterwürfiger gefühlt hatte.
Aber spätestens nach den ersten paar Minuten, in denen er mir Mut gemacht hatte, war ich überzeugt gewesen, dass dieser braunhaarige Junge einer von den Guten war. Und auch jetzt, angesichts dieser schrecklichen Situation nach dem Kampf wusste ich, dass Neo uns da raus führen würde.
Da ich mich, wie so oft nutzlos fühlte, ging ich rüber zu Anns Leiche, wo nur noch Ajan und Luana standen.
„Sie hat mir das Leben gerettet, oder ?" schluchzte Luana, die sich neben ihrer Freundin auf die Knie hatte fallen lassen. Ich nickte nur, unfähig etwas zu sagen. Erneut kam ein Schluchzer von dem blonden Mädchen, welches sich nun aber zu den Anderen gesellte.
Ich sah zu Ajan auf. Irgendwie machte es mich hoffnungslos, als ich sah, wie der sonst so starke Junge schulterhängend und mit leerem Blick dastand. Anscheinend hat er der kleinen Ann näher gestanden, als wir alle gedacht hatten.
Ein Motor heulte auf. Verwundert drehte ich mich zu den Männern um, die gerade ein neues Kapitel unser aller Leben aufgeschlagen hatten. Eines ohne Ann.
Es passte nicht zu ihnen, zu verschwinden ohne sicherzugehen, dass wir bis auf den letzten Mann verschwunden waren.Und es dauerte nicht lange, bis ich feststellte, dass sie ganz andere Pläne hatten.
Denn anstatt in die Richtung, aus der sie gekommen
waren zu fahren, rasten sie mit voller Geschwindigkeit auf uns zu. Schreie hallten durch den späten Abend. Ich sprang auf Seite, ebenso Ajan, den das Geräusch des Motors wohl aus seiner Trauer gerissen haben musste.
Reifen quitschten, als der Wagen eine Vollbremsung unternahm. Direkt vor den Beinen Garretts war das Auto zu Halt gekommen.
War es pure Gleichgültigkeit, die Garrett dazu bewegt hatte sich nicht aus der Bahn des Wagens zu werfen oder die Gewissheit, dass die Männer heute keinen weiteren Tod bezwecken wollten?
Doch seine Haltung bewies, dass er nicht sterben hatte wollen. Nur, dass er die Männer richtig eingeschätzt hatte. Sie wollten uns nochmal zeigen, dass sie es waren, die über unser Leben entscheiden konnten.
Garret stand noch immer mit verschränkten Armen da. Doch es war nicht die Aktion selbst, die uns zum Schaudern brachte. Es war sein Blick, dem er seinem Widersacher entgegenwarf. Darin spiegelte sich das Versprechen, dass dieser Kampf noch nicht zuende war.
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