„Entschuldigung...und danke."

Taehyung lag dort ganze drei Tage lang.

Jisoos Kalkulation war tatsächlich korrekt gewesen. Drei Tage. Nicht einen Moment früher, nicht einen Moment später. Er war in der Lage sich nach genau drei Tagen zu bewegen.

Zuerst seine Finger, dann seine Gliedmaßen, sein Hals...

Als das beinahe gefrorene Blut begann wieder in ihm zu strömen, setzte er sich ruckartig auf und stöhnte vor Schmerzen. Sein Kopf dröhnte, alles drehte sich vor seinen Augen. Dennoch raffte er sich sofort auf und rannte aus der Höhle heraus. Niemand, keine Menschenseele war noch da. Der ganze Platz war verlassen.

Taehyung rannte los und fiel hin, nur um sich sogleich wieder zu erheben. Obwohl er kaum den Weg scharf vor sich sehen konnte und er bei jedem Baum halt machen musste, um nicht hinzufallen, zwang er sich weiter und war irgendwann in der Nacht in Lanling. Es war nicht schwer für ihn, sich in den Koi Tower einzuschleichen, und überraschenderweise waren auch nicht so viele Wachen positioniert, weshalb er sich wenig später vor einem Pavillon, dessen Türen offen standen, hinter einer Statue versteckte und hineinsah.

Zwei komplett weißbekleidete Personen knieten vor einem Sarg, vor dem ein Altar errichtet worden war. Es handelte sich um einen Mann, der ein weißes Tuch über den Kopf trug und der scheinbar etwas in den Armen trug, und eine Frau.

Es waren Jin, in seinen Armen sein kleines Baby, und Madam Kim, Namjoons Mutter.

Während Taehyung die beiden beobachtete, kamen plötzlich zwei Kim Clan Mitglieder mit Laternen um die Ecke gelaufen. Wahrscheinlich waren sie auf Nachtstreife.

„Ich hätte nicht gedacht, dass der Rest des Lee Clans freiwillig für eine Bestrafung nach Lanling kommt. Clan Leader Kim wird sie auf gar keinen Fall verschonen."

„Richtig. Immerhin ist es junger Meister Kim, der gestorben ist. Wenn ich er wäre, würde ich sie auch vor Wut umbringen. Was für eine Tragödie."

„Kleiner junger Meister Yeonjun ist erst ein Monat alt und..."

„Genug, lass uns gehen."

Sie liefen an ihm vorbei und verschwanden aus seinem Sichtfeld, sodass er wieder einen Blick in das Innere des Pavillons werfen konnte.

„Jin. Geh dich etwas ausruhen. Ich werde mich um den Rest kümmern", sagte sie schwach, ihre Schultern hingen niedergeschlagen herunter.

Jin schüttelte den Kopf, sein Gesicht vor Trauer schmerzverzerrt, seine geröteten Augen starr auf Namjoons Gedenktafel gerichtet.

„Geh. Du wirst es nicht ertragen, wenn du hier länger bleibst. Ich werde bleiben. Das wird reichen..."

„Eomma. L-Lass mich ihn noch etwas länger begleiten. Ich möchte bei ihm bleiben."

Namjoons Mutter erhob sich schwermütig aus der knienden Position und stand mithilfe der Bediensteten auf.

„Nein, ich werde dir etwas zum Essen holen", sagte sie und humpelte allein zum Ausgang, nachdem sie die Hilfe der Bediensteten verweigerte.

Die völlig aufgelöste Frau, schwach vom ganzen Hinknien, trat hinaus und ließ sich gegen den Türrahmen heruntergleiten. Ihre Miene war von Trauer gezeichnet, die Tränen, die sie bereits seit Stunden vergossen hatte, kehrten zurück. Sie blickte verzweifelt durch den Hof und weinte, ohne einen Ton von sich zu geben.

Eine Mutter, die ihr Kind verloren hatte.

Dies beschrieb wohl alles, um zu wissen, wie diese Frau sich in dem Moment fühlte.

Plötzlich bemerkte Madam Kim den Schatten, der sich hinter der Statue versteckte. „Wer ist da?"

Taehyung wich erschrocken zurück und versuchte sich zu verstecken, aber sie rief immer wieder nach ihm und lenkte auch Jins Aufmerksamkeit nach draußen.

„Wer? Wer?"

Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als aus seinem Versteck zu kommen, um schnell zu flüchten.

„Taehyung!"

Er blieb wie erstarrt stehen, als Jin mit seinem Kind in den Armen hinausrannte. Beide blickten sich traurig an.

„Kim Taehyung! Jemand! Hilfe! Kommt sofort hierher! Kim Taehyung hat sich eingeschlichen!", kreischte Madam Kim auf.

Sofort eilten einige Kim Clan Anhänger her, während Taehyung und Jin sich ansahen und dabei weinten.

Als die Männer jedoch immer näher rückten, kniff Taehyung die Augen zu und sprang aufs Dach, um von dort wegzukommen. Er rannte immer weiter und weiter, bis er in einem Wald landete und sich durch die Bäume und Gräser kämpfte. Er stolperte jedoch und fiel hin.

Sein Herz tat weh, sein Inneres blutete. Der schwarze Rauch breitete sich aus und flog um ihn herum. Das Rauschen in seinen Ohren wurde lauter und lauter.

„Taehyung."

Er drehte sich um und sah verzweifelt in das Gesicht von Jin, der hinter ihm aufgetaucht war. Doch seine Kleidung war nicht die Trauerkleidung, die er vorhin angehabt hatte. Dennoch streckte er seine Hand ihm entgegen, aber bevor sie sich berühren konnten, verblasste die Illusion.

„Taehyung."

Er drehte sich erneut um und sah dieses Mal Jin in dem weißen Gewand, das Tuch über seinem Kopf.

„H-Hyung...!"

„Taehyung, es tut mir leid."

Jin beugte sich zu ihm herunter und reichte ihm seine Hand. Wieder streckte er sich nach ihm aus und griff ins Leere.

„Kim Taehyung."

„Du verlierst die Kontrolle."

„Verschwindet!"

Weinend erhob er sich und schlug durch die Luft, um die bösartigen Stimmen loszuwerden.

„Verschwindet!"

„Lass uns raus. Lass uns dir helfen."

„Kim Taehyung."

Er schüttelte seinen Kopf und kämpfte mit sich. Sein Gesicht war verzerrt, seine Hände zu Fäusten geballt.

„Verschwindet! Lasst mich allein!", schrie er.

Doch das Geflüster blieb. Es wurde unerträglich laut und schubste ihn in ein dunkles Loch des Verderbens.

„GEHT WEG!"

_____

Taehyung mischte sich unter die Menschenmenge, die sich vor den Stadttoren versammelt hatten und sich angeregt unterhielten. Über den Toren hingen ein paar Körper herunter, die mit einem Strick angebracht worden waren. Großmutter und Onkel waren unter diesen leblosen Körpern.

Taehyung blieb stumm und schaute hinauf. Seine Augen waren blutunterlaufen, eine gewisse Leere lag in ihnen.

„Clan Leader Kim hat gesagt, dass die Clans ein Meeting in der Nachtlosen Stadt halten. Sie werden die Leichen der Lees drei Tage lang ausstellen und die Asche dieser Banditen als Demonstration der Gerechtigkeit zerstreuen."

„Der Geistergeneral war so brutal. Er hat behauptet, seine Strafe anzunehmen, aber ist plötzlich durchgedreht und hat schon wieder so viele Leute umgebracht."

„Zum Glück war ich an dem Tag nicht da."

„Er war wirklich ein Hund, der von Kim Taehyung trainiert worden ist. Warum hat Kim Taehyung etwas gemacht, das er nicht kontrollieren kann? Er hat den verrückten Köter nicht einmal an die Leine genommen."

„Wenigstens haben wir den Geistergeneral endlich verbrannt. Der Lee Clan hat dieses Ende verdient. Der Geistergeneral und seine Schwester wurden zu Asche verbrannt. Jetzt weiß Kim Taehyung, wer der Boss ist. Alle Clan Leader haben es deutlich gemacht, dass das Meeting heute da ist, um zu diskutieren, wie sie mit ihm fortfahren. Was für eine Erleichterung!"

„Wenn er schlau genug ist, bleibt er einfach in seiner Höhle verkrochen und kommt nie wieder raus. Aber wenn er es wagen sollte, rauszukommen, dann-"

„Dann was?"

Die Leute hielten mitten in der hitzigen Unterhaltung gleichzeitig inne und schwangen herum. Als sie ihn erblickten, zogen sie erschrocken ihre Schwerter heraus.

Taehyung funkelte sie finster an. Um ihn herum flog der schwarze Rauch herum. Seine Hand umklammerte seine Flöte, aus der etwas auf dem Boden tropfte. Sah man genau hin, erkannte man, dass es Blut war, das heraustropfte.

„Es ist Kim Taehyung!"

„Kim Taehyung!"

„Meldet es Clan Leader Kim, schnell!"

Sie hatten ihn umzingelt und richteten ihre lächerlichen Schwerter auf ihn.

Ohne mit der Wimper zu zucken, legte er die Flöte an seinen Mund und begann zu spielen.

Bevor sie sich auf ihn stürzen konnten, traf sie eine mächtige, schwarze Rauchwelle, die einen Kreis um Taehyung gebildet hatte. Augenblicklich wurden sie zu Boden geworfen. Die Rauchschicht legte sich über sie und hielt sie am Boden. Schmerzerfülltes Stöhnen rang von allen Seiten in Taehyungs Ohren.

Seine Miene war vollkommen kalt und unbewegt.

„Warum hört ihr auf zu reden? Was werdet ihr dann tun?"

„K-Kim Taehyung, wenn du...wirklich so fähig bist, dann geh zu dem Meeting und tritt dort gegen die Clan Leader an. Was kannst du schon beweisen, wenn du uns, niedere Kultivierende, die sich nicht verteidigen können, bekämpfst?", presste einer der auf dem Boden liegenden Männer hervor.

Innerhalb eines Wimpernschlags war Taehyung bei und legte seine Hand an seinem Hals. Er drückte fest zu und schnürte ihm die Luft ab.

„T-Töte mich nicht...!"

„Niedere Kultivierende? Warum sollte ich euch tolerieren, wenn ihr so minderwertig seid? Was für eine Art Hass habt ihr auf mich? Immer wieder müsst ihr mich provozieren, immer", zischte er, seine Augen noch immer starr.

Der Mann unter ihm winselte und rang nach Luft.

Taehyungs linker Mundwinkel hob sich etwas. „Aber du hast bei einer Sache recht. Jede Ungerechtigkeit hat ihren Täter. Ich sollte meine Zeit nicht mit euch verschwenden."

Er ließ ihn los, verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken und lief durch die Stadttore.

Taehyung hat nicht alle dunklen Geister zurückgerufen. Auf dem Boden stöhnten die, die stöhnten, weiter, und die, die sich windeten, windeten sich weiter. Keiner von ihnen war in der Lage aufzustehen.

_____

In dieser Nacht füllten quadratische Anordnungen von den großen bis hin zu den kleinen Clans den gesamten Platz vor dem ehemaligen Anwesen des Lee Clan. Die Flaggen jedes Clans flatterten im Nachtwind. Vor den Stufen, die hinauf zu dem Gebäude führten, befand sich ein vorübergehender Altar, der extra für dieses Meeting aufgestellt worden war.

Hoseok verteilte mit einigen Bediensteten kleine Gläser in den Farben Weiß und Gelb an Clan Leader Kim und die anderen Clan Leader, die in der ersten Reihe standen, ihre Anhänger hatten sich hinter ihnen aufgereiht.

Clan Leader Kim hob sein Glas und begann laut zu sprechen: „Wer auch immer sie sind. Welchen Namen sie auch immer getragen haben. Dieses Glas Alkohol repräsentiert meinen Respekt für alle vergangenen Helden."

Die anderen Clean Leader hoben ebenfalls ihr Glas vor sich, während Kim Soohyun sich zu dem Altar drehte.

„Eure Seelen sind ewig. Ruht in Frieden."

„Eure Seelen sind ewig. Ruht in Frieden", wiederholten alle anderen Anwesenden im Einklang.

Daraufhin schwangen sie ihre Gläser von links nach rechts und gossen den Alkohol auf den Boden, bis es vollständig leer war, und warfen es dann zu Boden, wo es in mehrere Stücke zerfiel.

Anschließend ging Clan Leader Kim ein paar Stufen hinauf und nahm von Hoseok eine Box entgegen.

„Lee Jisoo, Lee Eunwoo, das letzte Gesindel des Lee Clans. Ich werde ihre Asche verstreuen", rief er, ließ die Box hinauffliegen und zerstörte sie in der Luft, woraufhin die Asche sich verteilte.

Die Clan Mitglieder jubelten.

Die Clan Leader selbst hielten sich zurück. Vor allem Yoongi und Jimin hielten ihre Köpfe gesenkt.

„Heute Nacht wurde die Asche der beiden Anführer verstreut. Morgen wird es der Rest des Überbleibsels des Lee Clans sein. Sie und der Yiling Patriarch, Kim Taehyung."

Soweit die Anrede des Clan Leader Kims beendet war, hallte ein amüsiertes Lachen durch die Nacht.

Alle zückten ihre Waffen, als sie auf das Dach des Gebäudes blickten und im Mondschein eine Gestalt sichtete, die sich lässig mit aufgestütztem Bein niedergelassen hatte.

Taehyungs Lachen hallte über den gesamten Platz und ließ alle erschaudern.

„Kim Taehyung!"

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Das wars für sie alle, sie haben Tae endgültig bis zum Rande seiner Nerven provoziert...

Und Jisoo und Eunwoo sind einfach tot 😭

Mei~