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„Du kannst es nicht kontrollieren."
„Wir haben auf diesen Tag gewartet..."
„Du kannst es nicht kontrollieren."
„Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet."
„Hast du nicht gesagt, dass du weißt, was du tun sollst und was nicht"
„Hast du nicht gesagt, du könntest es kontrollieren?"
„Hast du nicht gesagt, dass es unmöglich ein Problem geben kann, dass niemals etwas passieren kann?!!"
„Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet."
„Kim Taehyung."
„Kim Taehyung."
„Kim Taehyung. Kim Taehyung."
In Taehyungs Kopf dröhnte es. Dutzende Stimmen schrien ihn an, lachten ihn aus und machten sich über ihn lustig. Seine Augen bewegten sich unter seinen schweren Lidern unruhig hin und her, sein Körper zuckte unaufhörlich.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Eigentlich wusste er nicht einmal mehr, wie er das Bewusstsein überhaupt verloren hatte, als seine Augen endlich wieder aufschossen. In Schweiß gebadet starrte er an die vertraute, dunkle Decke der Dämonenunterwerfenden Höhle.
Vor ihm, am Ende des Bettes, standen sowohl Jisoo als auch Eunwoo, der sich auf seine Knie fallen gelassen hatte und schuldbewusst den Kopf gesenkt hielt, nicht wagend ihm ins Gesicht zu schauen.
Taehyung setzte sich angestrengt auf und fixierte seine geröteten Augen auf Eunwoo.
Nach einer Weile des Schweigens wirbelten plötzlich Wellen des Hasses in seinem Herzen auf. Er setzte sich auf, trat Eunwoo gegen dessen Brust und warf ihn zu Boden, sodass dieser ein paar Meter nach hinten geschleudert wurde.
Jisoo erschrak und schaute ihren Bruder besorgt an, ihre Hände ballte sie zu Fäusten, aber aus ihrem halb geöffneten Mund kam kein einziges Wort heraus.
„Wen hast du getötet? Weißt du, wen du getötet hast?!", schrie er zwischen seinen verzweifelten Tränen, die sich seine Wange herunterbahnten.
Eunwoo blickte traurig auf, seine Augen waren ganz groß. Auch er gab kein Wort von sich und ließ Taehyung bereitwillig seinen Ärger an ihm auslassen.
Genau zu diesem Zeitpunkt rannte Soobin mit seinem Spielzeugschmetterling in der Hand von draußen herein und strahlte: „Taehyung Hyung. Taehyung Hyung."
Sein Strahlen verblasste innerhalb von wenigen Sekunden. Ursprünglich wollte er Taehyung seinen Schmetterling zeigen, den er von Jungkook bekommen hatte. Er hatte ihn bunt angemalt und war sehr stolz auf sein Kunstwerk gewesen. Doch als Taehyung sich zu ihm umdrehte, hatte er seine Gefühle nicht zurückhalten könnten. In den Augen des kleinen Jungen, der nicht wusste, was geschehen war, stand ein Dämon vor ihm. Taehyungs Augen waren gefüllt mit Wut, die aus einer puren Verzweiflung entstanden war.
Soobin war dermaßen eingeschüchtert, dass er vor Schock den Schmetterling fallen ließ und begann zu weinen. Seine Großmutter war schnell hineingerannt und trug ihn nach draußen.
Nach der kurzen Unterbrechung wandte Taehyung sich wieder zu Eunwoo, der sich wieder hingekniet hatte. Taehyung packte ihm an dem Stoff seines Gewands und zog ihn wieder auf die Füße. Sein Gesicht war in pures Leid gedrängt.
„Du hättest jeden töten können. Warum musstest du Kim Namjoon töten?! Warum??", schrie er und schüttelte ihn durch.
Jisoo sah von der Seite zu. Sie schien herbeieilen und ihren Bruder beschützen zu wollen, zwang sich aber, sich zurückzuhalten. Tränen der Trauer und Angst rollten über ihre Wangen.
„D-Du hast ihn getötet. Was soll Jin Hyung jetzt tun? Was soll Yeonjun jetzt tun?! Was soll ich jetzt tun?!", schrie er weiter, immer mehr Tränen flossen aus seinen Augen, der Schmerz in seiner Brust vergrößerte sich exponentiell.
Seine Schreie hallten durch die ganze Höhle und erstreckten sich bis nach draußen. Man hörte Soobin vor der Höhle noch mehr weinen.
Mit dem Weinen des Kindes im Hintergrund, fühlte Taehyung, wie sein Herz immer tiefer in die Dunkelheit sank. Finsternis umgab ihn. Angst. Zweifel. Selbsthass.
Reue.
Warum habe ich mich all die Zeit in die Grabhügel abgeschottet? Warum muss ich das alles durchmachen? Warum habe ich diesen Weg gewählt und mich in diese Situation gebracht? Bin ich verrückt? Was habe ich nur gewonnen? Bin ich verrückt geworden? Bin ich verrückt geworden? Bin ich verrückt geworden?!
Wenn er doch nur von Anfang an diesen Weg nicht gewählt hätte.
Plötzlich begann Eunwoo in seinem Griff zu zittern und zu schluchzen. „E-Es tut mir leid...! Es tut mir leid...es...es ist alles meine Schuld. Es tut...mir leid...!"
Das blasse Gesicht des Jüngeren war von Schmerz gezeichnet. Sein Schuldbewusstsein fraß ihn innerlich auf.
War das wirklich seine Schuld? Er hatte sich in so etwas verwandelt. War das seine Schuld?
Es war nicht Eunwoos Schuld.
Taehyung allein war selbst schuld.
Er war derjenige, der seine Waffe nicht kontrollieren konnte, nachdem er jedem versichert hatte, dass er es könnte. Er hatte alle Warnungen ignoriert und gedacht, dass er ein Ausnahmefall sein könnte. Der Protagonist einer Geschichte konnte nicht die Kontrolle verlieren.
Aber hier war er nun.
Es war nicht Eunwoos Schuld.
Er hatte ihn in diesen Modus gebracht.
Eunwoo war nur eine Waffe gewesen, die von ihm benutzt worden war.
Er war schuld. Er und niemand anderes.
Taehyung trat einen Schritt zurück, seine Hände lösten sich von Eunwoo. Hilflos und mit schwacher Stimme torkelte er von ihm weg und starrte in die Leere, während er nie aufhörte zu weinen.
„Wer...Wer kann mir sagen, w-was ich jetzt tun soll...? Was in aller Welt...soll ich jetzt tun? Was soll ich tun? Kann mir jemand sagen, w-was ich jetzt tun soll?" Taehyung legte sein Gesicht in seine beiden Handflächen und weinte kläglich, seine Schultern bebten.
Plötzlich verspürte Taehyung einen leichten Schmerz an seinem Rücken, als ob er von einer spitzen Nadel gestochen worden wäre. Er fühlte, wie sein Körper am ganzen Körper taub wurde. Fassungslos drehte er seinen Kopf nach hinten, wo Jisoo entschuldigend zu ihm aufschaute.
„Was...Was hast du getan?", presste er hervor.
Ehe er sich versah, kippte er nach hinten, nicht mehr in der Lage seinen Körper zu spüren. Eunwoo fing ihn auf und legte ihn vorsichtig zurück in das Heubett. Die Nadel steckte immer noch in seinem Rücken.
„Es...tut mir leid."
„Was hast du vor?", schrie er panisch und versuchte immer wieder seinen Kopf und seine Arme zu heben.
Anfangs war dies noch in Grenzen möglich, aber nach und nach erschlaffte sein ganzer Körper.
„Was soll das?!"
Jisoo senkte den Blick und faltete ihre Hände vor sich zusammen. „Als du aufgewacht bist, haben wir gerade diskutiert. Ich denke, wir sind zu einem einstimmigen Schluss gekommen."
„Über was diskutiert? Hört auf mit diesem Unsinn. Zieht die Nadel raus!", schrie er frustriert, seine Stirn lag vor Anstrengung in tiefen Falten.
„Wir haben beschlossen nach Lanling zu gehen und uns selbst auszuliefern. Wir akzeptieren jede Strafe." Eunwoo sah seine Schwester an, die ihm zustimmend zunickte.
Taehyung konnte nicht fassen, was er da hörte. „Jede Strafe akzeptieren? Wisst ihr eigentlich, was ihr da sagt??"
Jisoo nickte, ihr Gesichtsausdruck zeigte eine gewisse Ruhe, als wäre diese Entscheidung nicht fatal. „Ja, mehr oder weniger. In den letzten Tagen, in denen du bewusstlos gewesen warst, hat der Kim Clan Leute geschickt, die uns eine Nachricht mitgegeben haben."
„Eine Nachricht über was? Hör auf es dir aus der Nase ziehen lassen zu müssen! Sag mir alles!"
„Der Kim Clan will deine Rechenschaft für diese Angelegenheit. Laut ihnen wird dieser Fall vorübergehend geschlossen werden, solange du uns beiden und alle anderen aushändigst."
Bei diesen Worten ließ er seinen Kopf fallen, den so angestrengt gehoben hatte, um sich gegen die Lähmung zu sträuben. Er schloss frustriert die Augen, die Tränen wurden zwanghaft herausgepresst und flossen an seinen äußeren Augenwinkel heraus. Die salzige Flüssigkeit brannte in seinen Augen.
„Leg dich bitte noch für ein paar Tage hin. Die Nadel wird nach drei Tagen ihre Wirkung verlieren", sprach Jisoo auf ihn ein.
„Unsinn! Habe ich euch darum gebeten, das zu tun? Zieh die Nadel sofort raus! Zieh sie raus!" Taehyung stockte, sein ganzer Körper schmerzte, umso mehr er sich gegen die Betäubung wehrte. „Der Fluch auf Kim Jaebom war nicht von mir. Ich war es nicht...!"
Jisoo seufzte. „Sie haben schon bestätigt, dass du es warst."
Natürlich hatten sie das!
Taehyung schloss erneut die Augen, ehe er sie wieder aufriss, ein Anflug an Hoffnung schimmerte in ihm. „Wir müssen nur die Person finden, die Spuren eines widerhallenden Fluchs an sich hat. Das wäre ein eindeutiger Beweis! Ich habe definitiv keine Nebenwirkungen, weil ich es nicht gewesen bin."
„Es wird nicht funktionieren", erwiderte sie kopfschüttelnd.
„Warum nicht?!"
„Wie sollen wir den Unschuldigen finden? Willst du auf den Straßen und in den Städten Barrieren errichten und jeden einzelnen Menschen überprüfen, der vorbeikommt?"
„Warum kann es nicht funktionieren?!", schrie Taehyung laut auf, sein Blick auf die Decke gerichtet.
„Niemand ist bereit Barrieren für dich aufzustellen. Und wie lange wird es dauern? Vielleicht acht bis zehn Jahre. Aber sind sie bereit zu warten?"
Taehyung schluchzte. „Aber...Aber ich war es nicht...! I-Ich habe keine Nebenwirkungen..."
„Haben sie dich jemals danach gefragt?"
Er schüttelte betroffen den Kopf. „Nein..."
„Richtig, sie haben dich nicht gefragt und wollten dich sofort töten. Verstehst du es? Sie brauchen keinen Beweis und keine Wahrheit von dir. Es spielt keine Rolle, ob du Nebenwirkungen hast. Du bist der Yiling Patriarch und Meister der bösartigen Tricks. Also ist es nicht einmal seltsam, wenn du keine Nebenwirkungen hast. In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob du es warst oder nicht warst. Das Einzige, was ihnen interessiert, ist, dass die Leute...und Kim Namjoon von Eunwoo getötet wurden. Du wirst nicht in der Lage sein, den Vorwurf zu widerlegen. Sie werden dir niemals glauben. Sie glauben nur das, was sie wollen."
Taehyungs winselte. Seine Brust zog sich zusammen, da er wusste, dass Jisoo recht hatte. Was auch immer die Wahrheit war, ob er es beweisen konnte oder nicht, das alles war den Leuten egal. Sie wollten ihn ohnehin von Anfang an tot sehen.
„Selbst wenn...sollte ich derjenige sein, der geht. Ich war derjenige, der Eunwoo kontrolliert und ihn zu einer Marionette verwandelt hat. Ich habe ihn die Leute töten lassen. Der Mörder sollte gehen, nicht sein Messer!", schrie er verzweifelt.
„Taehyung. Wir wissen alle, dass Eunwoo das Messer ist. Aber sie benutzen ihn auch als Messer gegen dich. Wenn wir gehen, wird es kein Messer mehr geben, das du auf sie oder sie auf dich richten können. Dadurch könnte alles gelöst werden."
Er schüttelte seinen Kopf und stieß einen lauten, frustrierenden Schrei aus, aber die Gefühle, die in ihm wühlten, die ihn bei lebendigem Leibe auffraßen, wurden dadurch nicht befreit.
„Ist euch bewusst, was die Konsequenzen sind, wenn ihr dahin geht? Bist du nicht diejenige, die Eunwoo am meisten vor allem beschützen will?"
Sie nickte bedrückt. „Was auch immer die Konsequenzen sind, wir verdienen sie. Wenn ich so darüber nachdenke, hätten wir schon viel früher sterben sollen. Diese letzten Monate, Wochen und Tage waren ein Geschenk. Du hast uns gerettet und jetzt sind wir an der Reihe, dich zu retten."
„Jisoo, Eunwoo...nein...!" Er schüttelte wieder den Kopf und weinte entsetzlich. „Bitte, helft mir auf. W-Wir können...wir k-können-"
Jisoo setzte sich zu ihm ans Bett und lächelte wehmütig. Ihre Hand legte sich auf seine Stirn.
Mit einem Mal fühlte sich sein Körper unheimlich leicht an. Sein Gesicht war erstarrt, aber seine Glieder entspannten sich, endgültig nicht mehr in der Lage sich zu bewegen.
„Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte. Und jetzt, lebe wohl, Taehyung."
„Nein...nein, Jisoo...", hauchte er schwach, seine Lider waren so schwer.
„Es gibt etwas, das ich dir allerdings nie gesagt habe, was aber gesagt werden muss. Wenn nicht heute, dann werde ich wohl nie wieder die Chance haben." Auch aus ihren Augen kullerten nun Tränen herunter.
Taehyung kämpfte gegen die Müdigkeit, die ihn überwältigte. Er schüttelte kaum merklich den Kopf und öffnete immer wieder seinen Mund, um flehende Worte hinauszusenden, aber seine Stimme glich nur noch einem Flüstern.
„Nein...bitte..." Er war nicht mehr fähig, seine Augen offen zu halten. Sie klappten langsam zu, sein Bewusstsein entglitt ihm allmählich.
„Entschuldigung...und danke."
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Wieder mal so ein Kapitel, das mir in der Seele weh getan hat (genauso wie es die nächsten tun werden) >.<
Mei~
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