4 ❖
„Eine Marionette...?", wisperte Taehyung zu sich selbst.
Song Taehyuns Cousin schien überhaupt nicht mehr in diesem Körper zu stecken. Das Äußere sah zwar aus wie er, wenn man die irren und blutunterlaufenden Augen, die zerzausten, langen Haare und die seltsam ruckartigen Bewegungen ignorierte.
War etwas mit der Flaggenformation schiefgelaufen? Hatten die Schüler einen Fehler gemacht?
„Mein Sohn!" Madam Song kam in die Halle gerannt und starrte ihren wüteten Sohn voller Panik an, blanker Horror quer über ihrem Gesicht geschrieben. Dann drehte sie sich zu Taehyung und zeigte mit ihrem Finger beschuldigend auf ihn. „Du! Du warst es!"
Taehyung erwiderte ihren Blick mit einer irritierten Miene, während er fragend auf sich selbst zeigte.
„Das Böse hat Besitz von ihm ergriffen", sagte ein Bediensteter zitternd.
Beomgyu schüttelte zweiflerisch den Kopf. „Nein, so einfach ist das nicht. Sieh dir die schwarzen Flecken auf seinem Hals an. Sieht aus wie ein gewisses spezielles Symbol."
„Kultivierer, helft uns...!"
Madam Song griff nach einem hölzernen Gegenstand, der zuvor auf dem kleinen Teetisch mitten Raum gestanden hatte, und war drauf und dran diesen zu benutzen, um Taehyung zu schlagen, aber glücklicherweise hielt ihn der sanfte Kultivierer auf.
„Madam Song!"
Diese guckte zwischen ihm und Taehyung verzweifelt hin und her. „Er war es, der meinen Sohn so zugerichtet hat! Warum hältst du mich auf?!"
„Es hat nichts mit mir zu tun. Ich habe überhaupt nichts gemacht", widersprach Taehyung schmollend und hob seine Arme abwehrend vor sich.
„Madam Song, die Symptome, die Euer Sohn hat, die fehlende Seele, kommen wegen eines bösen Geistes. Junger Meister Song kann gar nicht schuld sein", verteidigte er ihn.
„Was weißt du schon?! Der Vater von diesem Wahnsinnigen ist ein Kultivierer. Er hat eine Menge böse Zauber gelernt! Ich-"
Der Kultivierer sah sie bedrückt an. „Madam Song, sie haben keine Beweise-"
„Beweise? Was mit meinem Sohn passiert, ist doch der Beweis! Ihr wart doch alle anwesend, als dieser Wahnsinniger gesagt hat, er würde meinem Sohn den Arm brechen, wenn er seine Sachen nochmal anfasse. Mein Armer Junge. Er hat ihm nichts weggenommen. Dieser Psycho verurteilt nicht nur meinen Sohn, sondern hat ihn sogar in so einer abscheulichen Weise verletzt!" Sie starrte den Angesprochenen voller Hass an und wollte erneut versuchen, zuzuschlagen.
Jedoch wurde sie unterbrochen, als ein lauter Schrei von Hueningkai kam. Der Schrei war qualvoll und ohrenbetäubend. Er legte seinen Kopf in den Nacken und schrie immer lauter, während die schwarzen Adern an seinem Hals sich ausbreiteten, bis es so aussah, als würde er vollkommen die Kontrolle verlieren. Bevor dies allerdings geschehen konnte, liefen sowohl Taehyung als auch der Andere zu ihm und versiegelten den Geist vorerst durch zwei Siegel. Taehyung fuhr mit seinem Mittelfinger und Zeigefinger in der Luft hinter ihm an dessen Rücken die Zeichen entlang, während der Andere dasselbe auf der Vorderseite tat, woraufhin der seelenlose Körper sich beruhigte.
Erleichtert blickten sie sich an. Dann tastete Taehyung den Oberkörper des Besessenen ab und zog daraufhin ein Stück Stoff heraus. Es war eine von den Flaggen, die die Kultivierer aufgestellt hatten, um die Geister anzulocken.
Taehyung hielt die Fahne mit erhobener Augenbrauche vor sich, sein Blick wurde dann auf seinen linken Arm gelenkt, wo eine von den fünf Wunden sich auf magische Art von selbst verheilte und verschwand. Er verstand sofort, was dies hieß.
„Du hast es verdient. Was fällt dir ein, so etwas zu stehlen? Kein Wunder, dass ein böser Geist ihn befallen hat."
Bei seinen Worten stürmte Madam Song zu ihrem Sohn und umklammerte ihn an beiden Seiten. „Ningning! Mein Ningning!" Ihre besorgte Stimme wechselte sofort auf einen wutschäumenden Tonfall, als sie sich zu den Kultivierern drehte. „Was um alles in der Welt hast du mit meinem Sohn angerichtet?"
„Keine Sorge. Er ist nur bewusstlos", versicherten sie ein wenig überfordert von ihrem Herumgeschreie.
„Ihr seid alle ein Haufen Müll. Was für Kultivierer seid ihr? Ihr könnt nicht einmal ein Kind beschützen!" Ihre Brauen waren zusammengezogen, Falten bildeten sich auf ihrer Stirn, während ihr Gesicht vor Zorn rot anlief. Sie rückte den jüngeren Kultivierern auf die Pelle und wurde schon fast handgreiflich gegenüber ihnen.
Taehyung, der nicht mitansehen konnte, wie sie mit den Jeon Mitgliedern redete, von denen er wusste, dass sie aufgrund ihrer Erziehung nicht widersprechen oder sich verteidigen würden, rief mit verschränkten Armen vor der Brust: „Schäm dich! Du behandelst sie wirklich wie deine Diener, was? Sie sind von weit hergekommen, um euch zu helfen, böse Geister auszutreiben, ohne dabei die geringste Belohnung zu verlangen. Wie alt ist dein Sohn? Er müsste mindestens zwanzig sein. Versteht er nicht die menschliche Sprache? Uns wurde immer und immer wieder gesagt, dass wir bei Nacht nicht rausgehen sollen, wir auf gar keinen Fall etwas anfassen dürfen und den West-Hof nicht betreten sollen. Aber er...ging aus seinem Zimmer und stahl auch noch die Flagge. Es ist seine eigene Schuld! Warum beschuldigst du mich oder diese Kultivierer?"
„D-Du...!"
Niemand bemerkte dabei, dass die Hand ihres Mannes seltsam zuckte, nachdem er seinen eigenen Sohn angeguckt hatte. Niemand bemerkte die Veränderung in ihm.
„Du... Ruf alle hier her", beauftragte sie ihren Mann, der jedoch nicht reagierte, sondern nur schwer aufatmete. „Beweg dich, los! Los!"
Dieser schubste sie weg und beäugte sie auf eine komische Art.
„Was tust du? Was fällt dir ein, dich mir zu widersetzen?! Raus hier! Bringt ihn raus!", schrie sie entrüstet.
Zwei Diener stellten sich an die Seite ihres Herrn und begleiteten ihn heraus, während seine Frau ihm immer noch wütend hinterherrief.
Was für eine traumhafte Beziehung.
Die Ruhe hielt nicht lange an. Kaum war Song Taehyuns Onkel aus der Halle, erklangen Schreie von den Bediensteten, die ihn hinausgebracht hatten. Alle eilten zügig hinaus, um nachzusehen, was geschehen war.
Das Szenario war angsteinflößend, zumindest für Madam Song, die bei dem Anblick ihres Mannes, der einen von beiden umgebracht hatte, in Ohnmacht fiel. Der andere, von dem Taehyung heute Morgen die Nüsse geklaut hatte, lag bewusstlos am Boden.
Zudem waren die Augen ihres Mannes komplett weiß. Keine Pupille, keine Iris. Er schrie auf und stürzte sich auf die Kultivierer, aber auch er wurde durch ein Seil umwickelt und bewegungslos gemacht. Die Gruppe an Schülern umzingelten ihn und richteten ihre Schwerter auf den nun ebenfalls befallenden Mann.
„Dieser böse Geist ist zu aggressiv, Soobin. Wir sollten Jungkook Sunbaenim ein Signal schicken."
Jeon Soobin hieß er also... Der Name kam ihm bekannt vor... Warte...!
„J-Jungkook Sun-Sunbaenim?", sotterte Taehyung hysterisch. „Redet ihr über Jeon Jungkook?"
Soobin wandte sich an Beomgyu und wandte ein: „Aber bevor er gegangen ist, hat er uns nicht gesagt, wo er hingeht."
Taehyung lächelte hilfesuchend. „Wartet bitte... Meint ihr, e-er ist hier in der Gegend?"
„Das ist unwichtig. Senden wir ihm zuerst das Signal."
„Wartet. Das ist eigentlich absolut nicht notwendig. Ihr müsst ihn nicht belästigen. Ich kann das Problem auch lösen." Aber sie hörten ihm gar nicht zu, sondern schossen ein bläuliches, helles Lichtsignal in den Himmel, das in mehrere Funken zersprang.
Taehyung ließ die Schultern frustriert hängen.
Ich habe euch doch gesagt, dass ich mich darum kümmere...! Scheint so, als müsse ich hier schnell fertig werden.
_____
Wenig später befanden sich alle wieder in der Halle, Madam Song und der Diener namens Jun, saßen, immer noch bewusstlos, auf zwei Stühlen.
Taehyung sah sich die beiden stehenden Körper von Hueningkai und dessen Vater an, die beide unter einem Spruch waren und nun nicht mehr randalierten.
Diese schwarzen Flecken... Sie wurden offensichtlich von dem stygischen Tiger Amulett hinterlassen. Aber das Amulett wurde schon längst zerstört. Was um alles in der Welt ist das?
„Jun, du bist endlich wach!", rief eine Dienerin und wollte zu ihm eilen, aber Taehyung hielt sie in letzter Sekunde auf.
„Pass auf. Sieh doch, sein Hals."
Die schwarzen Linien hatten sich nun auch bei ihm ausgebreitet, seine linke Hand hatte lange Nägel und machte unnatürliche, zuckende Bewegungen. Im nächsten Augenblick erhob er seinen Arm, fuhr die spitzen Fingernägel aus und legte seine Hand um seinen eigenen Hals. Mit einer schnellen, starken Bewegung brach er sich das Genick.
Die anwesenden Bediensteten schrien voller Furcht auf, als der leblose Körper zusammenbrach.
„Ein Geist! Ein Geist! Ein unsichtbarer Geist! Er hat dafür gesorgt, dass Jun sich selbst erwürgt!"
Taehyung schüttelte seufzend den Kopf. „Kein Geist. Das ist kein Geist. Seht mal. Von allen drein ist die linke Hand gebrochen."
„Die linke Hand?", fragte Beomgyu verwirrt, woraufhin Soobin nachschaute.
„Er hat Recht. Die linke Hand ist wirklich bei allen gebrochen."
Taehyung lachte auf und bekam sich gar nicht mehr ein. Irgendwie war es lustig, dass alle eine gebrochene, linke Hand hatten.
„Was zum- Warum lachst du in so einer Situation?! Du bist wirklich wahnsinnig", sagte Beomgyu verstört.
„Ich bin nicht wahnsinnig. Das ist weder Hueningkai, sein Vater noch ist das Jun. Sie sind Rechtshänder. Das weiß ich ganz genau, weil sie mich immer mit ihrer rechten Hand geschlagen haben", antwortete er grinsend.
„Darauf bist du stolz? Idiot."
Die Unterhaltung konnte nicht fortgesetzt werden, da es wieder einmal zu einer hektischen Situation kam. Madam Song war aufgewacht, oder sollte man lieber sagen, der Geist in ihr war aufgewacht und stürmte auf uns zu. Soobin starrte sie geschockt an. Er würde es nicht schaffen, rechtzeitig auszuweichen. Sie würde ihn erwischen...wenn Taehyung nicht dagewesen wäre, der einen Talisman gegen sie prallen ließ, der sie zur Seite stieß.
Anschließend wurde der Kampf zwischen dem wüteten Geist in Madam Songs Körper und den jungen Kultivierern draußen vorgeführt. Sie waren jedoch nicht so erfahren, weshalb sie sich schwer taten.
Taehyung überlegte nicht lange, ging zu Hueningkai und seinem Vater herüber, verwischte den roten Kreis um ihnen herum und wisperte: „Aufwachen. Zeit, dass ihr arbeitet."
Die seelenlosen Körper öffneten ihre weißen Augen, sprangen auf und begannen mit Madam Song zu kämpfen. Es war ein amüsanter Anblick diese Familie Song untereinander kämpfen zu sehen. Alles hoffnungslose Gestalten, die es mehr verdient hätten.
Die beiden Körper konnten leider nicht besonders lange mithalten, und Taehyung durfte nicht mehr als das tun, sonst würde man merken, dass er sie kontrollieren konnte. Er schluckte schwer, als Madam Song zu Beomgyu schnellte und ihren Arm nach ihm ausstreckte.
Aber bevor sie etwas tun konnte, schwang eine bläuliche Welle gegen sie und riss sie zu Boden.
Taehyung erstarrte und versteckte sich schnell hinter einer Säule.
Augenblicklich ertönten die sanften Klänge einer Zither.
Seiner Zither.
Und dann erschien er auch schon auf einem der Dächer.
„Jungkook Sunbaenim!"
Dieser spielte einige Saiten und schickte einen mächtigen horizontalen Strahl auf die bösartigen Gestalten zu. Weitere beruhigende Töne kamen von dem harmonischen Instrument, und allmählich entspannten sich die Körper und setzten sich im Rausch auf den Boden. Ein finaler Schweif schoss auf sie nieder und versiegelte den Geist, der sie alle befallen hatte, in das naheliegende Schwert.
Der Neuankömmling, ebenfalls vollkommen weiß gekleidet, ließ seine Zither verschwinden und sah mit emotionsloser Miene hinunter auf den Hof, in dem sich alle Jeon Mitglieder versammelt hatten.
„Er trägt immer noch Weiß, als würde er auf eine Beerdigung gehen", murmelte Taehyung lächelnd.
„Jungkook Sunbaenim!" Die Kultivierer versammelten sich schnell vor dem Gebäude, auf dem ihr Senior stand.
„Jungkook Sunbaenim! Woher kommt dieser böse Geist? Er ist so boshaft", rief Beomgyu ihm fragend zu.
Jungkook verengte die Augen ein wenig und guckte auf das am Boden liegende Schwert. „Er ist kein böser Geist, sondern die spirituelle Energie einer Erste-Klasse spirituellen Waffe. Es versteckt sich ein Schwert dahinter. Vielleicht ist es ein Geisterschwert."
Seine Stimme war so tief und ohne jegliche Gefühle, wie damals. Er hatte sich wirklich nicht verändert.
„Eine Erste-Klasse spirituelle Waffe? Warum hat es eine solche Menge Hass angestaut?"
Jungkook zog das Schwert an sich und fuhr mit seinen Finger darüber. „Stygische Tiger Amulett..."
„Stygische Tiger Amulett? An dem Schwert sind Spuren des Amuletts? Aber wurde es nicht bei der Schlacht in der Nachtlosen Stadt zerstört? Heißt das etwa, dass Kim Taehyung, der Yiling Patriarch, nicht gestorben ist?"
Soobin biss sich nachdenklich auf die Lippen, ehe er realisierte, dass er jemand Gewissen lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte
„Wo ist der junge Meister Song?"
Taehyung rannte in der Zwischenzeit schleunigst durch das Gelände und versuchte von den Kultivierern wegzukommen. Jungkook spürte die hastigen Bewegungen zwar, erwischte ihn jedoch nicht und blieb mit runzelnder Stirn inmitten des Hofes stehen, nachdem er vom Dach heruntergesprungen war.
Er sah wehmütig in die Ferne, in die die zügigen Schritte verschwunden waren.
Taehyung. Bist du es wirklich?
∙ ─ ─ ─ ∙ ꕥ ∙ ─ ─ ─ ∙
____________________
Jungkook hat endlich seinen ersten Auftritt T_T
Ich freue mich so sehr auf Vkooks Beziehung hier. I mean cold but deep Jungkook and cute Taehyung? 🙈
Hört euch bitte beim Lesen der Vkook Momente immer die Melodie da oben an. Das ist auch das Lied, um das es die ganze Zeit geht 🥺
Mei~
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro