97 ❖
Taehyung öffnete die Türen zu seinem und Jungkooks Zimmer, in dem sie während ihres Aufenthalts beim Kim Clan bleiben würden. Der Jüngere saß bereits an dem Tisch und hatte auf ihn gewartet.
„Jungkook", er lächelte ihm zu und schloss die Türen wieder hinter ihm.
Der andere schenkte ihm ebenfalls ein kleines Lächeln, während er sich zu ihm setzte. Taehyung holte aus seinem Gewand ein kleines Papiermännchen und schrieb mit seinem Blut ein Zeichen auf den Talisman drauf, bevor er ihn auf den Tisch legte.
Anschließend nahm er den Weinkrug und nahm einen Schluck davon.
Er lächelte zufrieden und stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab, nachdem er den Krug wieder abgelegt hatte. „Ah Jungkookie, mir ist etwas schwindelig. Ich glaube, ich bin betrunken~"
Jungkook Mundwinkel hoben sich. Offensichtlich war Taehyung nicht betrunken. Ganz bestimmt nicht nach einem einzigen Schluck.
Taehyung grinste schelmisch und schloss dann seine Augen.
Währenddessen begann das Papiermännchen zum Leben zu erwachen. Es richtete sich auf und hüpfte ein paar Mal auf und ab. Nun befand sich Taehyungs Verstand quasi in dem Talisman, agierte und nahm alles durch das Männchen war.
Das Männchen, das nicht größter war als der Finger eines Erwachsenen drehte sich zu Jungkook und hob seine weiten Ärmel seines schwerelosen Körpers wie Flügel in die Luft. Es flitzte herum und landete auf Jungkooks Schulter.
Jungkook sah zur Seite, auf seine Schulter, und beobachtete, wie es an ihm hinaufkletterte, bis es auf seinem Stirnband ankam. Dessen kleine Hände zerrten verspielt an diesem, als wäre das Band sein Lieblingsobjekt auf der Welt. Der Jüngere ließ das von Taehyung gesteuerte Papiermännchen noch einige Zeit an seinem Band ziehen. Gerade, als er seine Hand ausstreckte, um es herunterzunehmen, glitt es nach unten und landete an Jungkooks Lippen. Es lag flach an dem weichen Lippenpaar und sah so aus, als würde es sich dagegen schmiegen.
Für den Bruchteil einer Sekunde wurden Jungkooks Augen groß, bis er schließlich zwei seiner Finger nutzte, um das Männchen zu von seinem Gesicht zu nehmen, sodass es nun auf seiner Handfläche stand. „Albere nicht herum."
Sanft schmiegte sich das Papiermännchen an seinen schlanken Zeigefinger und rollte seinen flachen Körper darum, als würde es ihn umarmen.
„Du musst vorsichtig sein", erinnerte Jungkook ihn, sein Ton war warm und seine Augen leuchteten ihn fürsorglich an.
Das Papiermännchen nickte und schlug mit seinen langen Ärmeln. Es sprang von seiner Hand herunter und rannte zur Tür, wo es sich zwischen die beiden Türen durchquetschte. Draußen angekommen, schwang es sich auf einen Korb, den ein Dienstmädchen mit sich trug und ließ sich ganz entspannt von einem Punkt zum anderen tragen, bis Taehyung irgendwann bei dem Pavillon von Hoseok und seiner Frau ankam.
Hoseok war bei Wonpil und Yoongi, und von seiner Frau Yujeong fehlte auch jede Spur, daher hatte Taehyung die Möglichkeit in Ruhe in dem Raum herumzufliegen und nach etwas Verdächtigem zu suchen.
Nach einer Weile entdeckte er einen auffälligen Briefumschlag auf dem Tisch, das unter einem Papiergewicht gelegt wurde, damit er nicht wegflog. Der Umschlag war bereits geöffnet. Niemands Name war darauf geschrieben, nicht einmal ein Wappen. Doch von seiner Dicke her war es offensichtlich kein leerer Umschlag.
Papiermännchen Taehyung schlug mit den Ärmeln und landete auf dem Tisch, um einen Blick auf den Inhalt des Umschlags zu werfen. Aber selbst als er versuchte, den Umschlag herauszuziehen, wobei sich seine Hände am Rand festhielten, blieb der Umschlag still.
Sein gegenwärtiger Körper war ein Stück Papier, fast schwerelos. Er konnte nichts tun, um das schwere Gewicht zu bewegen.
Plötzlich wurde eine Seitentür zu dem Pavillon geöffnet. Taehyung war sofort alarmiert und versteckte sich hinter einer kleinen Statue, als Yujeong hineinkam und sich erschöpft gegen eine Wand stützte. Sie war bleicher als Schnee, das ganze Blut aus ihrem schönen Gesicht gewichen. Auch ihr Körper stand kurz vor dem Kollaps. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen heftigen Schock bekommen, als wäre sie gerade aus einer Ohnmacht erwacht und könnte wieder in Ohnmacht fallen.
Was ist passiert? Als sie im Bankettsaal war, ging es ihr eindeutig noch gut.
Sie ging langsamen Schrittes auf den Tisch zu und nahm den Brief in ihre zittrigen Hände.
„Yujeong, was machst du da?"
Bei dem Klang der Stimme ihres Mannes zuckte sie zusammen und ließ den Umschlag beinahe fallen. Sie drehte sich zu ihm um und schluckte schwer.
„Was ist los? Du siehst nicht gut aus. Ist etwas passiert?" Hoseok sah sie besorgt an.
Yujeong zog ihre Augenbrauen ungläubig hoch. „Ich...Ich habe eine Person getroffen. Sie hat mir etwas gesagt und mir diesen Brief gegeben."
Hoseok wirkte kurz überrascht, fing sich jedoch wieder und lächelte sie an. „Wer? Glaubst du ihr alles, was sie dir sagt?"
„Sie würde mich niemals anlügen. Niemals. Das, was in diesem Brief steht...ist das wahr?" Sie hielt ihm den Brief hin, den er entgegennahm und öffnete.
Taehyung konnte nur zusehen, wie Hoseok sich den Inhalt durchlas und bei jedem weiteren Wort unruhiger wurde. Er schüttelte immer wieder den Kopf.
„Das ist nicht wahr. Es wurde erfunden, um mich zu sabotieren." Er sah sie verzweifelt an.
„Du lügst mich an...! Selbst jetzt willst du mich immer noch anlügen." Yujeong weinte und stürmte an ihm vorbei, ehe sie ein paar Schritte weiter stehenblieb.
„Yujeong. Du glaubst mir nicht, wenn ich die Wahrheit sage." Hoseok seufzte. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Yujeong stieß einen fassungslosen Laut aus und schüttelte weinend den Kopf. „Gott...Gott! D-Du bist wirklich..." Sie drehte sich langsam zu ihm um. „Du bist wirklich schrecklich. Wie konntest du? Wie konntest du??"
Sie konnte nicht weiter sprechen und wich zur Seite zurück, während ihre Hände immer noch ihr Gesicht bedeckten. Sie hielt sich an einer Säule fest und begann sich plötzlich zu übergeben.
Was zur Hölle steht in dem Brief, dass sie sich allein bei dem Gedanken übergeben musste? Hat Hoseok Bogum getötet? Oder geht es um Song Taehyun? Nein. Das würde Kim Yujeong nicht derartig anwidern.
Hoseok beugte sich zu ihr herunter und versuchte ihr zu helfen, aber sie schlug ihn weg. „Yujeong, wir sind seit vielen Jahren Mann und Frau, und haben harmonisch zusammengelebt." Seine warme Miene wurde durch etwas anderes ersetzt, als er sich erhob. „Als einen Ehemann, denke ich, dass ich dich immer gut behandelt habe. Und jetzt benimmst du dich so..."
Er lief mit dem Brief zu dem Tisch, auf dem eine Kerze brannte und hielt das Stück Papier in die Flamme. „Das bricht mir wirklich das Herz."
Sie wimmerte auf dem Boden. „Du hast mich gut behandelt. Aber ich...ich hätte es lieber, wenn ich dich nie getroffen hätte! Kein Wunder, dass du nie...seitdem...seitdem... Statt, dass du so etwas Widerliches tust, bevorzuge ich es, wenn du mich einfach tötest."
Hoseok guckte sie mit großen Augen an. „Yujeong, bevor du es wusstest, haben wir ein glückliches Leben geführt. Eigentlich ist es doch nichts." Er trug wieder sein typisches Lächeln auf dem Gesicht, das Yujeong in diesem Kontext anscheinend noch mehr anwiderte. „Dir wurde jetzt schlecht, nachdem du es erfahren hast. Es nur eine psychologische Sache."
Sie starrte ihn mit einem trüben, leeren Blick an, als sie ihn aufforderte: „Sag mir die Wahrheit. Yun... Wie ist Yun gestorben?"
Papiermännchen Taehyung lehnte sich gebannt nach vorne. Wer war Yun?
„Weißt du es nicht schon? Unser Sohn wurde von anderen getötet. Und ich habe diejenigen getötet, die ihn getötet haben, und mich für ihn gerächt. Warum erwähnst du ihn auf einmal?", fragte Hoseok verwirrt.
„Ich weiß." Sie kniff ihre Augen zusammen und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. „Aber ich hinterfragte gerade, ob nicht alles einfach nur vorgetäuscht wurde."
„Yujeong! Was denkst du dir? Yun war auch mein Sohn. Was denkst du, was ich ihm antun könnte. Glaubst du einer feigen, geheimnisvollen Person und einem Brief ohne verlässliche Quelle mehr als mir?" Hoseok schaute sie entsetzt an.
Yujeong weinte und schrie: „Genau, weil er dein Sohn war, macht es mir Angst! Was denkst du, was ich denke, was du ihm angetan hast? Du hast sogar solche Dinge getan... Was sonst würdest du nicht tun?"
„Sag mir, wen du heute getroffen hast. Wer hat dir den Brief gegeben?" Hoseok bewegte sich langsam auf sie zu. Von seiner fürsorglichen Fassade eines liebevollen Mannes war nichts mehr übrig. Seine Miene war kalt.
Sie zitterte und trat ein paar Schritte zurück. „Was...Was hast du vor?"
„Da die Person es dir erzählt hat, könnte sie es auch anderen erzählen. Was willst du tun? Zulassen, dass es alle erfahren? Yujeong, ich flehe dich an. Sag mir, wer diese Person ist."
Yujeong schluchzte und ging schleichend zu dem Tisch herüber, um sich auf diesen abzustützen. Ihr wurde alles zu viel. Das, was sie gerade erfahren hatte, hatte ihre ganze Welt in den Ruin gestürzt.
Die Person, die ihr die Sache erzählt hatte, schien gegen Hoseok zu sein. War es dieselbe Person, die sie zu Bogums Körper geführt hatte?
Hoseok nahm die Hände seiner weinenden Frau und versuchte sie umzustimmen, doch er wurde weggeschlagen.
„Du bist kein Mensch. Du bist ein Wahnsinniger!"
„Yujeong! Ich hatte zu dem Zeitpunkt keine andere Wahl. Ich wollte es für den Rest unseres Lebens vertuschen, damit du nie davon erfahren musst, aber jetzt hat diese Person alles ruiniert. Du denkst, ich sei dreckig und widerlich." Er schüttelte den Kopf. „Das spielt keine Rolle. Aber wenn sich das verbreitet... Was werden die Leute von dir als meine Frau denken?"
„Hör auf zu reden! Hör auf mich daran zu erinnern!!" Sie schubste ihn von sich weg und weinte bitterlich. „Warum musste ich dir bloß begegnen??"
Hoseok seufzte bedauerlich. „Egal, was ich dir sage, du wirst mir nicht glauben. All die Jahre habe ich dich wirklich wertgeschätzt. Kein einziges Mal hast du schlecht über meinen Familienhintergrund gesprochen. Ich habe dich respektiert und geliebt. Aber du musst wissen, selbst wenn sie Yun nicht getötet hätten, hätte Yun sterben müssen."
Sie verkrampfte sich am ganzen Körper, als er sie von hinten umarmte.
„Er musste sterben. Wenn er groß geworden wäre, du und ich-"
Bevor er allerdings weiterreden konnte, drehte sie sich um und schlug ihn rechts und links an seinen Wangen. „Wer hat uns überhaupt in diese Situation gebracht?! Um diese Position zu bekommen...was würdest du nicht machen, um an die Spitze zu kommen?!"
„Du willst mir also wirklich nicht sagen, wer diese Person ist?"
„Damit du sie umbringen kannst?"
„Da sind immer noch eine Menge Gäste draußen. Und die Kultivierungskonferenz ist morgen", sagte Hoseok lächelnd.
„Du denkst immer noch an deine Gäste? Du bist das Allerletzte!" Damit wollte sie davongehen, aber bevor sie weit kam, ließ Hoseok einen gelblichen Funken gegen ihren Kopf fliegen, woraufhin sie erstarrte und langsam nach hinten in seine Arme fiel.
Wie Trance ließ sie sich von ihm zu dem breiten Standspiegelführen, über dem ein seltsames Siegel leuchtete. Zu Taehyungs Überraschung liefen sie einfach hindurch und verschwanden dahinter. Er flog ihnen schnell hinterher und landete in einem geheimen Hinterzimmer, das voll mit irgendwelchen Dingen war. Unterandrem schwere Ketten und Werkzeuge sowie Relikte und kostbare Schwerter.
Hoseok führte seine Frau weiter an einen Schreibtisch, wo sie sich hinsetzen konnte. „Wenn du mir den Namen verrätst, werde ich dich gehen lassen. Ich habe nicht alle deine körperlichen Funktionen abgeschaltet. Du bist noch in der Lage zu nicken. Nicke, wenn du bereit bist, mir den Namen zu geben."
In der Zwischenzeit flog Taehyung in dem Raum herum und betrachtete die vielen Sachen, die zu sehen waren, darauf bedacht, dass Hoseok ihn nicht bemerkte. Er begann ein Regal hochzuklettern, das gegenüber von einem anderen Regal stand, das von einem schwarzen mit roten Zeichen übersäten Vorhang und vielen Talismanen der Verbote blockiert wurde. Bevor er jedoch herüberfliegen konnte, war Hoseok bereits dort angekommen und starrte eindringlich durch das Stück Stoff durch.
Nach einem Moment fragte er: „Warst du es, der mich gerade angestarrt hat?" Hoseok legte seine Hand an den Vorhang und schob ihn zur Seite. „Nach all diesen Jahren... Warum kannst du mich nicht einfach freilassen? Hyung."
Nach diesen Worten entfernte sich Hoseok wieder und lief weg.
Taehyung nutzte die Gelegenheit und flog zu dem Regal herüber, wo er durch den Vorhang schlüpfte. Hinter dem rundlichen Objekt entdeckte er den Bauplan für das stygische Tiger Amulett.
Und das Objekt selbst...
Es war der Kopf von Bogum. Die Augen, die Ohren, und der Mund waren alle versiegelt. Es war ein erschaudernder Anblick.
Ehemaliger Clan Leader Nam, es ist lange her, seitdem wir uns das letzte Mal begegnet sind.
Papiermännchen Taehyung verbeugte sich und warf sich dann an die Stirn des Kopfes.
Auf der anderen Seite bei Taehyungs Körper, der noch immer vor Jungkook am Tisch saß, erzitterte Taehyung plötzlich. Er kniff die Augen fest aufeinander und hob seine Hände vor sich.
Jungkook sah ihn mit großen Augen an. „Empathie?"
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Wie man sieht, spitzt sich das alles zu. Spätestens jetzt solltet ihr verstanden haben, dass Tae und Jungkook Hoseok hinter Bogums Tod vermuten und scheinbar stimmt das, immerhin ist der Kopf in seinem Hinterzimmer :')
Das Ganze um Yujeong und dem Inhalt des Briefs wird in späteren Kapiteln geklärt ^^
Im nächsten Kapitel sehen wir durch Empathie, was mit Bogum passiert ist, kleines Flashback, das nur ein Kapitel umfasst.
Mei~
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