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Kapitel 1

Ich laufe gemütlich an den Mehrfamilienhäusern unserer Straße entlang und betrachte dabei jedes ganz genau. Auf einigen Balkonen sitzen Bewohner und genießen die Sonnenstrahlen, die meisten von ihnen rauchen oder trinken, einige begrüßen mich lautstark.

Seit meiner Entlassung sind bereits einige Wochen vergangen, in denen ich mich mehr oder weniger einleben konnte. An den beißenden Geruch von Urin im Treppenhaus und die Ratten, die mir hier ständig überall über den Weg laufen, werde ich mich wohl nie richtig gewöhnen. Aber man lernt, sich damit zu arrangieren und es zu ignorieren. Genau wie an die unschönen, aber sehr kreativen Schimpfwörter des alten Mannes, der ein Haus über uns wohnt und wahrscheinlich den ganzen Tag auf Crack ist. Da wäre Pöbeln vermutlich auch meine liebste Beschäftigung.

Mir ist es gelungen, einen Job als Reinigungskraft in einer Firma zu erlangen, die sich damit profiliert, Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, eine zweite Chance zu geben. Als hätten manche eine erste Chance gehabt.

Es stellte sich dann heraus, dass die Bezahlung mehr als schlecht ist und sie nur jemanden für eine Teilzeitstelle suchen. Ich nahm den Job trotzdem an, da nichts anderes in Aussicht stand und ich Kayla wenigstens mit etwas Geld unterstützen möchte. Von einer der Schichten komme ich gerade. Kayla spült mittags in einem Restaurant die Teller und arbeitet danach bei einer der großen Fastfoodketten. Mit Steuern und den monatlichen Ausgaben bleibt trotzdem kaum ein Cent übrig.

Manchmal denke ich, dass wir einfach kündigen und Arbeitslosengeld beantragen sollten, aber das würde unsere Chancen auf eine gute Anstellung vermutlich nur noch mehr verringern. Dann sind wir nicht nur asozial, sondern auch noch faul. Die tödliche Kombination. Unser beider Hintergrund ist schon Hindernis genug. Außerdem würden wir sicherlich durchdrehen, wenn wir den ganzen Tag nur in dieser Bruchbude verbringen würden.

Ich liebe Kayla über alles, aber Zeit nur für mich ist mir heilig.

Ich ziehe die Tür zum Treppenhaus auf und atme daraufhin nur noch durch den Mund ein, während ich zwei Stufen auf einmal nehme, um somit möglichst schnell an unserer Wohnungstür anzukommen. Zum Glück stinkt es in der Wohnung selbst nicht. Das würde ich nicht aushalten.

Im Flur streife ich die Sneaker von meinen Füßen, hänge meine dünne Jacke an die provisierte Garderobe, die aus in die Wand geschlagenen Nägeln besteht. Aus der Küche, die eigentlich nur aus ein paar Schränken und einem verkommenen Standherd besteht, strömt der Duft von Ravioli und wie auf Kommando knurrt mein Magen. Die Wände sind widerlich vergilbt und der Schimmel in der oberen Ecke würde mir unter anderen Umständen den Appetit verderben.

Da ich heute Morgen verschlafen hatte, reichte die Zeit nur noch für eine Scheibe Toast, die ich schnell mit auf den Weg genommen hatte. Seitdem habe ich nichts mehr gegessen.

Kayla steht in der Küche und rührt aggressiv in dem Topf, in dem sie wohl das Dosenfutter erwärmt. Da sie heute ihr Tie-Dye T-Shirt trägt, auf dem ein großer, lächelnder Smiley prangt, sieht es recht amüsant aus.

„Was haben dir die Ravioli angetan?", frage ich belustigt, woraufhin sie sich erschrocken umdreht. Scheinbar war sie so in Gedanken vertieft, dass sie mich nicht hat kommen hören.

„Dieser Fraß ist scheiße, diese Wohnung ist scheiße... Einfach alles ist scheiße!"

Irgendetwas muss vorgefallen sein. Normalerweise ist Kayla die Freude in Person. Wenn sie jedoch sauer wird, macht sie Rumpelstilzchen große Konkurrenz. Innerlich bete ich, dass sie nicht gefeuert wurde. Das wäre katastrophal für unsere finanzielle Lage.

„Was ist passiert?", frage ich zögerlich, da ich die Antwort eigentlich überhaupt nicht hören möchte.

Wenn ich nichts davon weiß, existiert das Problem in meiner Welt auch nicht.

„Natürlich geht es mal wieder ums Geld, worum auch sonst?"

Ihr entkommt ein frustriertes Lachen, das mir beinahe ein wenig Angst macht. Sie sieht leicht verrückt aus.

„Wenn wir nicht noch irgendwo Geld für die verfickte Miete auftreiben, können wir nicht zahlen, Dela. Die wollen das Gebäude teilsanieren und wir müssen einen Teil davon selbst zahlen. Oder eben ausziehen. Guck es dir an, lag heute im Briefkasten."

Kayla fährt sich verzweifelt durch ihre Haare, während ich zu dem Papier greife, das auf unserem Küchentisch liegt. Als ich die Summe erblicke, sackt mir das Herz augenblicklich in die Hose. Ich reiße die Augen erschrocken auf und muss schwer schlucken.

Zweitausend Euro.

Scheiße.

Unser Gehalt reicht gerade so, um alle laufenden Kosten zu decken. Keiner von uns konnte sich eine höhere Summe zusammensparen. Ich habe lediglich noch tausend Euro auf dem Sparkonto, das Mama zu meiner Geburt angelegt hat. Das war es dann aber auch. Wenn wir kein Geld auftreiben können, haben wir ein riesiges Problem. Die Mietpreise sind sowieso unbezahlbar, falls man denn überhaupt eine freie Wohnung findet. Ausziehen ist keine Option.

Aber wo zur Hölle sollen wir eine derartig hohe Summe auftreiben?

Ich starre Kayla an, in deren Augen die gleiche Panik zu sehen ist, die in meinem Inneren tobt.

Ohne diese Wohnung sitzen wir auf der Straße. Das wäre ein neuer Tiefpunkt. Eigentlich dachte ich, dass ich schon ganz unten angekommen bin. Zu früh gefreut.

Der Geruch von Verbranntem reißt uns aus unserer Starre. Kayla zieht blitzschnell den Topf vom Herd und schaut missmutig hinein. Der Boden ist schwarz.

„Fuck!", brüllt sie so laut, dass es auch die Nachbarn in der untersten Etage gehört haben müssen.

Eins muss man dem Universum lassen. Wenn es beschissen läuft, läuft wirklich alles auf einmal überhaupt nicht mehr.

„Ich mach das schon. Setz dich", befehle ich ihr.

Ich hole zwei Suppenteller aus einem der Schränke und löffle den unverbrannten Teil des Essens hinein. Alles wegzuschmeißen, wäre eine zu große Verschwendung. Immerhin kostet eine Dose fast zwei Euro.

Einen der befüllten Teller stelle ich vor Kayla ab und setze mich dann gegenüber von ihr auf den Stuhl. Im Gegensatz zu meiner Freundin, welcher der Hunger wohl vergangen ist, löffle ich das Gericht hungrig in mich hinein und bereue es gleich darauf, da ich mir die Zunge verbrenne. Zumindest kann ich die starken Röstaromen jetzt nicht mehr schmecken.

„Ich arbeite mir schon den Arsch mit zwei verdammten Jobs ab. Soll ich vielleicht noch einen dritten oder vierten machen, damit sie mich weiter wie eine Weihnachtsgans ausnehmen können, aber trotzdem nichts dabei rumkommt?!"

Mittlerweile schreit sie beinahe und in ihren Augen funkelt die Wut.

Die Wut gegen unsere Lage, die Wut gegen die Gesellschaft und die Wut gegen das Leben.

„Oder noch besser, ich lasse mich von irgendwelchen fremden Männern durchbumsen, denen es sonst niemand besorgen will, damit ich nicht auf der doppelt verfickten Straße wohnen muss!"

Ich muss stark damit kämpfen, nicht zu lachen, jedoch kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Es schaut einfach zu paradox aus, wie Kayla, die so zierlich und zart erscheint, mit solch einem Ton und solch einer Wortwahl um sich schmeißt. Sie hatte schon immer eine große Klappe.

„Hör bloß auf zu Grinsen, du steckst da mit drin! Hätten die ihre Arbeit mal richtig gemacht, wärst du nicht in dieses verschissene Gefängnis gekommen und könntest was Vernünftiges arbeiten. Aber nein, machen wir es bloß allen so schwer wie möglich, denn einfach ist doch absolut scheiße!" Inzwischen ist ihr Kopf knallrot. „Wenn man einmal eine falsche Entscheidung getroffen hat, halten sie es dir dein ganzes beschissenes Leben vor."

Sie atmet schwer und wischt sich schnell über die Augen, in denen verräterisch Tränen aufblitzen.

„Ich kann einfach nicht mehr."

Darauf weiß ich nichts zu erwidern. Sie hat recht. Und vor allem hat sie jedes Recht, wütend zu sein.

Es ist nicht fair. Jeder Tag ist der reinste Kampf. Irgendwo enden die Kräfte dann auch.

Ich beiße nervös auf meiner Lippe herum, unsicher, ob ich den Vorschlag, der mir nun schon seit Längerem im Kopf umherschwirrt, wirklich äußern soll. Es wäre riskant. Wir würden die Grenze der Legalität überschreiten und damit die Gefahr eingehen, festgenommen zu werden.

Dabei sollte ich aus meinem vorherigen Aufenthalt gelernt haben.

Aber momentan scheint es die einzige Möglichkeit zu sein. Seit einiger Zeit zerbreche ich mir den Kopf über eine Lösung für unsere Geldnot und bis jetzt sieht es so aus, als sei diese hier machbar. Nicht nach Recht und Ordnung des Landes und unserer Gesellschaft, aber nach meiner Ordnung. Ich bin alle Möglichkeiten in meinem Kopf durchgegangen und dabei schien mir diese Option, in Verhältnis zu Ertrag und Risiko, am sichersten.

Auf legale Weise funktioniert es offensichtlich nicht, gleichzeitig will ich aber auch keine Drogen oder sonstiges verkaufen, da wir schnell in Abhängigkeit rutschen und uns verschulden könnten.

Strippen oder Prostitution wäre sicherlich auch eine Option, aber ich würde niemals zulassen, dass Kayla das durchstehen muss. Sie ist zu zart. Und um ehrlich zu sein ist mein Stolz zu groß dafür.

„Ich habe eine Idee. Es ist nicht ungefährlich und es könnte schief gehen...", beginne ich zögerlich.

Das hier könnte ein riesiger Fehler sein. Oder die beste Entscheidung unseres Lebens.

Kaylas wütende Gesichtszüge glätten sich und sie zieht abwartend und interessiert die Augenbrauen nach oben. Ich zögere weiterhin, denn eigentlich will ich sie nicht mit hineinziehen. Ich will nicht ihre Zukunft in Gefahr bringen, wobei sie es auch so ist. Der Plan lässt sich leider nur zu zweit durchführen.

„Sebastian schuldet mir noch was."

„Der Türsteher Sebastian? Basti Spasti? Der Sebastian, der dich so bedrängt hat und dem du dann eine reingehauen hast?", fragt sie amüsiert.

Wenn ich an diesen Abend zurückdenke, und an das riesige Veilchen, welches danach sein sonst so selbstgefälliges Gesicht zierte, überkommt mich immer wieder der Stolz. Normalerweise würde ich mich als sehr friedlich beschreiben, aber irgendwann ist auch bei mir eine Grenze erreicht, die nicht überschritten werden sollte. Ich reagiere allergisch auf Männer, die keinen Respekt vor Frauen haben.

„Genau der. Du musst mir nur vertrauen."

„Wenn ich einer Person blind vertraue, dann ja wohl dir. Hör endlich auf so kryptisch zu reden und rück mit der Sprache raus", erwidert Kayla ungeduldig.

Ich erkläre ihr den Plan bis ins kleinste Detail, während meine beste Freundin aufmerksam zuhört.

Wir würden gemeinsam in den Club gehen, in dem Sebastian Türsteher ist. Bei ihm bekommen wir den Eintritt gratis, zwanzig Euro pro Person sind unnötig hohe Kosten. Drinnen würden wir uns dann ein Opfer suchen, das hohe Geldsummen mit sich führt oder teuren Schmuck trägt und zudem recht betrunken ist. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir auffliegen, noch geringer. Wobei der rege Betrieb eines Clubs schon Ablenkung genug sein dürfte. Wenn wir jemanden gefunden haben, werde ich mit der Person flirten, um ihr so nah wie möglich zu kommen. In einem Moment der Unaufmerksamkeit werde ich die Geldbörse entwenden und an Kayla weitergeben, die das Geld dann herausholt und mir das leere Portemonnaie wiedergibt. Mit Personalausweisen und Stempelkarten können wir sowieso nichts anfangen. Ich werde sie zurücklegen und dann werden wir verschwinden.

In den Clubs sind die hohen Preise ausnahmsweise von Vorteil, denn so haben einige viel Bargeld bei sich. Eine Flasche Wasser, die fast zehn Euro kostet, muss man erst mal bezahlen können.

Es ist das perfekte Setting.

Die schlaflosen Nächte hatte ich damit verbracht, mich mit den unterschiedlichsten Szenarien und ihren möglichen Konsequenzen auseinanderzusetzen. Dadurch ist ein, meiner Meinung nach, recht lückenloser Plan entstanden.

Kayla zieht skeptisch ihre Augenbrauen zusammen und starrt mich grübelnd an, bis sie sich schließlich entschlossen zur mir lehnt, wobei ein schiefes Grinsen ihre Lippen schmückt.

„Du willst also wirklich zu den Taschendieben konvertieren? Und das in einem Club?"

Ich nicke zögerlich und warte gespannt auf ihre nächste Reaktion. Vielleicht findet sie, dass ich nun komplett durchdrehe.

„Ich bin dabei."

Erleichtert stoße ich die Luft aus, jedoch bahnt sich nun auch das nervöse Kribbeln einen Weg in meine Magengrube. Es ist das eine, sich all das auszudenken und in Gedanken in dieser Sache zu stecken, und nochmal das andere, den Schritt tatsächlich zu gehen.

Meine Zellengenossin, die wegen Diebstahls saß, hat mich auf die Idee gebracht. Und ich habe auch schon früher des Öfteren davon gehört, dass in Clubs ganz gerne gestohlen wird. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich selbst einmal zu diesen Menschen gehören würde, hätte ich vermutlich einfach nur laut gelacht.

Wenn die Menschen verzweifelt sind, würden sie vieles, auch moralisch Verwerfliches, tun. Wenn die Menschen wütend und verzweifelt sind, tun sie alles.

Auf Kayla und mich trifft letzteres zu. Wir haben nichts mehr zu verlieren.

Das Leben ist ungerecht, aber ich werde nicht weiterhin jeden Tag über mich ergehen lassen und mich in meinem Leid suhlen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich alles gefallen lassen, denn ich kann auch, wie Sebastian schmerzlich erfahren musste, zurückschlagen.

„Ist ja fast wie damals in der Schule. Du und ich gegen den Rest der Welt", kommt es von Kayla.

Ich weiß nicht genau, an welche Zeiten sie denkt, denn bei meinen Erinnerungen tritt nicht das Lächeln auf meine Lippen, welches ihre momentan schmückt.

Bei mir sind es eher zornig zusammengezogene Augenbrauen und ein bitterer Beigeschmack, der sich auch jetzt in meinem Mund breit macht.

„Du warst doch nie da. Und wenn... Naja, nicht ganz auf der geistigen Höhe. Zugedröhnt trifft es vielleicht gut."

In meiner Stimme schwingt ein anlastender Ton mit, woraufhin sich Kaylas Miene verdüstert. Sie kann es nicht leiden, wenn die unangenehmen Teile der Vergangenheit aufkommen.

„Immerhin war ich überhaupt ab und zu da."

Sie presst die Worte zwischen zusammengebissen Zähnen hervor, ihre Hände ballt sie zu Fäusten. Ich starre in ihre gekränkten Augen. Die Augen, die früher so unklar und abwesend waren.

Der Unterricht hat schon seit 24 Minuten und 13 Sekunden begonnen und Kayla ist immer noch nicht da. Ich weiß, dass sie nicht mehr kommen wird. Unglaubliche Wut kocht in mir auf. Sie zerstört sich ihr ganzes Leben und wofür? Für den Glauben, dass sich der Schmerz zerstören lässt. Für das Hoch, das immer in einem noch viel heftigeren Tief endet.

Ich packe meine Tasche, stampfe wortlos aus dem Klassenzimmer und renne den mir mittlerweile allzu bekannten Weg entlang, an dessen Ende ich Kayla und ihre angeblichen Freunde erwarte.

Mein Brustkorb hebt und senkt sich unregelmäßig und ich bereite mich darauf vor, Kayla anzuschreien. Sie so lange anzuschreien, bis sie endlich damit aufhört. Aufhört, ihr Leben und sich selbst zu zerstören.

Doch als ich ankomme, sehe ich nicht ihre Freunde, nein. Ich sehe nur meine beste Freundin, die zitternd und mit Schweiß überzogen auf dem Boden liegt.

Die Lippen zersprungen, ihre milchigen, ängstlichen Augen weit aufgerissen und nach Hilfe schreiend.

Starr mich gefälligst nicht so an."

Ich halte meinen Blick noch kurz auf ihr, doch richte ihn dann auf den Teller vor mir. Es ist einer meiner Lieblingsteller von früher, den Kayla bei ihrem Auszug wohl hat mitgehen lassen. Er ist rosa mit bunten Schmetterlingen und kommt mir in dieser Situation fast lächerlich vor. Als kleines Mädchen hatte ich ihn geliebt. Ich wollte von keinem anderen Teller essen.

Wie konnte es nur so weit kommen?

Meine Finger streichen sanft über die Maserungen des abgenutzten, dunklen Holztisches, während ich krampfhaft versuche meine Gedanken auf etwas Schönes zu lenken. Doch ich finde nichts, da sich mein Kopf in solchen Situationen lieber an all den negativen Dingen aufhängt.

„Samstag ziehen wir es durch."

Die Kälte in meinen Worten scheint selbst mich zu erschlagen. Ich sollte mich entschuldigen. Sie hat es nicht verdient, dass ich ihr nach allem noch unterschwellige Vorwürfe mache. Doch meine Lippen bleiben versiegelt. Warum ist sprechen manchmal so schwer?

Ich kann sehen, wie sie ihre Mauern hochfährt und sich mit jeder Sekunde, die ich still bleibe, mehr von mir distanziert. Anstatt mich endlich dazu durchzuringen, gehe ich. Der Stuhl hinterlässt ein ohrenbetäubendes Geräusch, während ich ihn zurückschiebe und Kayla allein in der Küche sitzen lasse.

Ich sollte bei ihr bleiben, ihr gut zureden, sie trösten und ihr Versprechen, dass alles wieder gut wird, doch ich kann es nicht. Ich kann so vieles nicht, weil ich ein verdammter Schwächling bin. Ein egoistischer, kleiner, dummer Schwächling. Ein Nichts.

Der Selbsthass ist derartig überwältigend und kommt immer so plötzlich, dass ich kurzerhand gegen die Wand unseres Schlafzimmers schlage. Stechender Schmerz zuckt durch meine Hand und lenkt mich von dem ab, der in meinem Inneren wütet. Sobald mich die Vergangenheit einholt, bin ich gefangen. Gefangen in den Fehlern, den grausamen Momenten und den Qualen, die mit ihr verbunden sind. Sie drücken mich eisern zu Boden. Es gibt kein Entkommen. Sie schreien mich so laut an, dass mir das Trommelfell zu platzen scheint, oder schlimmer noch, mein Kopf. Andererseits wären sie dann verschwunden. Ich muss es mir bildlich vorstellen und verziehe bei dem Gedanken angeekelt mein Gesicht.

Gedanken sind wie eine unendliche Dominosteinkette.

Der erste wird angestoßen und dann fällt einer nach dem anderen um und du kannst sie nicht stoppen. Es wird schlimmer und schlimmer und irgendwann denkst du, dass es nicht mehr auszuhalten ist. Aber lustigerweise hat man nicht zu entscheiden, was man aushalten kann und was nicht.

Die weiche Matratze sinkt unter meinem Gewicht ein, genauso wie meine Schultern unter der Last zusammensacken.

Ich blicke durch das kleine spärliche Zimmer, welches Kayla und ich teilen, bis meine Augen an dem Bild von Elian hängen bleiben. Jedoch reiße ich sie sofort davon los, um die aufkommenden Tränen und die Erinnerungen zu unterdrücken.

Um das Fallen des ersten Dominosteins zu verhindern.

Kaylas vorsichtige Schritte sind einige Minuten später zu hören und kurz danach öffnet sich die Zimmertür einen winzigen Spalt breit. Sie huscht durch ihn hindurch, bevor sie sich neben mir niederlässt. Man könnte fast denken, dass sie versucht sich hereinzuschleichen, damit sie die Spannungen und negativen Gefühle aussperren kann.

Ich wusste, dass sie zu mir kommen würde. Ich wusste, dass sie diejenige ist, die nachgibt und die unausgesprochenen entschuldigenden Worte spricht. Sie ist es immer, weil Kayla stark, unerschrocken und liebevoll ist. Das komplette Gegenteil von mir.

Sie legt ihre Hand mit der Innenseite nach oben auf meinen Oberschenkel, in der Erwartung, dass ich sie mit meiner umschließe. Ich bin ihr unglaublich dankbar. Dankbar, dass sie die Stille zu deuten weiß und mich nicht zu Worten zwingt, die ich nicht aussprechen kann.

Dankbar, dass sie so gütig ist und mir verzeihen kann.

Dankbar, dass sie bei mir ist und niemals von meiner Seite weicht.

Wir werden gemeinsam auf Geld Jagd gehen. Und wir werden diese beschissene Rechnung verdammt noch mal zahlen können.

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