Sanfte Worte dem Göttlichen
Silberne Funken umgaben ihn und erhellten die Finsternis. Er hustete. Schweiß, Blut und Staub lag ineinander verwoben auf seiner Haut.
Steine krachten auf der anderen Seite des Hohlraumes aufeinander. Schritte knirschten, als sie sich näherten.
Er stemmte die Hände in den Boden und hievte sich auf, ignorierte dabei das Dröhnen in seinem Kopf und das Pochen in seinem Fußknöchel. In dem Moment, als er bemerkt hatte, dass die Decke auf ihn niederstürzte, hatte er einen Schild kreiert, um sich zu schützen ... und seinen Henker mit sich. Doch die Seinen lagen von den Trümmern begraben.
Ein Schimmer lenkte sich in seine Augen und seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Kematian, der vor ihm stand, das Schwert in der Hand. Er wollte fortsetzen, was sie ausgefochten hatten, ehe die Katakomben eingestürzt waren.
In der Dunkelheit suchte Niellen das Blitzen seines Degens, fand jedoch nichts. Er rieb seine Fingerspitzen zusammen, um die letzten Reserven seiner Magie hervorzulocken. An diesem Tag hatte er schon zu viel von ihr aufgebraucht und so brachte er nicht mehr als einige silberne Funken zustande.
Kematian stieß ein leises Knurren aus und zog ein Kurzschwert.
Stumm beobachtete Niellen die Handlung. Eine seiner Rippen stach bei jedem Luftzug in seine Lungen. Diesen Kampf hatte er verloren, ehe er begonnen hatte. »Warum?«, brachte er hervor. »Warum habt Ihr Euch von mir losgesagt?«
Kematian zog langsam einen Halbkreis um Niellen herum, ähnlich einer Raubkatze, die ihre Beute in der Falle wusste. Er warf das Kurzschwert in Niellens Richtung.
Dieser wich zunächst aus. Schmerz zuckte durch sein Gesicht, als er seinen Knöchel belastete. Doch er bemerkte, dass das Schwert keineswegs mit der Absicht flog, ihn zu verletzen. Es klirrte einige Schritte vor ihm zu Boden und schlitterte über den steinigen Untergrund.
Niellen schob seine Brauen zusammen und hob die Klinge an. Der Stahl lag fremd in seiner Hand, unvertraut, leblos. Aber er gab ihm die Möglichkeit, sich zu verteidigen, obwohl er schon die leise Stimme des Todes in seinem Ohr hörte, die ihn in die Unterwelt locken wollte.
Mein Auserwählter. Fast war es, als würden die Worte neben ihm, und nicht nur in seinem Kopf gesprochen werden. Ein müdes Lächeln legte sich auf Niellens Lippen.
»Weil die Raben nicht länger die Boten des Todes sind, sondern nur Söldner«, gab Kematian ihm letztlich eine Antwort. »Ich fand einen Grund, zu leben, und Ihr wollt ihn mir wieder entreißen oder gegen mich verwenden. Ich lasse mich nicht länger kontrollieren.«
Niellen drehte das Kurzschwert in seiner Hand, aber ganz wollte es sich nicht an seine Konturen anpassen. »Wir sind doch alle nur Puppen in einem Spiel und ein anderer hält die Fäden in der Hand. Ich hielt die Euren und meine hält der Tod.«
Ein leises Knurren grollte in Kematians Brust. Die Lichtreflexion zeigte Niellen den Angriff an. Er wich zur Seite aus, wollte Kematian in einer Drehung treffen, aber der Schmerz in seinem Knöchel ließ ihn zusammenfahren. Er erwartete den tödlichen Hieb, doch sein Gegner trat zurück und zog nur weiter Halbkreise um ihn. Eine Katze, die mit der Maus spielte.
Niellen stützte sich an der Wand. Sein Bein hielt ihn unter den Schmerzen in seinem Knöchel kaum. Ein schwaches Kribbeln entstand in seinen Fingerspitzen, aber seine Magie blieb fern. Dies würde sein Grab werden, weit fort von seiner Heimat, mitten in den Katakomben, in denen niemand seine Leiche finden würde.
»Ist dies mein Schicksal?«, flüsterte er. Weder sprach er zu sich, noch zu Kematian, sondern zu dem Gott, dessen Stimme er hörte. Er erwartete keine Antwort.
Nein.
Er wog das Schwert in seiner Hand. Wenn dies nicht sein Schicksal war, warum zeigte sich die Gewissheit so sicher, wie er seinen Henker vor sich sah?
»Ich wollte nur das Beste«, flüsterte Niellen. Er sprach es ohne Bitterkeit, nur mit der Erschöpfung eines Mannes, der erkannte, dass ihm der Tod vor Augen stand. Nicht in einem finsteren Gewand, nicht mit seiner Sense in der Hand, sondern in der Gestalt eines alten Gefährten.
»Ihr wollt dem Tod dienen«, sagte Kematian. »Dann kehrt an seine Seite.«
Niellen betrachtete das Kurzschwert in seiner Hand. Kematian hatte es ihm nicht gegeben, um zu kämpfen, er hatte ihm die Ehre erwiesen, sich eigenhändig das Leben zu nehmen.
»Nobel«, sprach Niellen. Er straffte die Schultern und richtete sich auf. »Aber ich gehe nicht freiwillig in den Tod.«
Er sah den Ausdruck in Kematians Augen nicht, hörte nur ein leicht belustigtes Schnauben. Der Sieg war der seine und beide wussten es.
Licht schimmerte in der Schneide von Kematians Schwert und verriet den Angriff. Niellen parierte, machte einen Seitwärtsschritt, aber ehe er selbst zum Schlag ausholen konnte, wich sein Gegner zurück.
Diesmal war es nicht länger ein Spiel, um seine Überlegenheit zu demonstrieren, diesmal setzte Kematian augenblicklich nach. Der metallische Klang, als Schwert auf Schwert traf, hallte durch die Höhle.
Niellen griff nach Kematians Klinge, aber dieser entzog sie zu schnell. Trotzdem beanspruchte Niellen dadurch einigen Raum für sich und schlug zurück. Er war zu langsam für Kematian. Ihm gelang es ohne Mühe, den Schlag zu blocken und er stieß den Rabenanführer von sich.
Niellen traf hart gegen den Stein der Wand. In seinen Ohren klingelte es, weiße Punkte tanzten vor seinen Augen, aber er durfte nicht verweilen. Er machte einen Satz zur Seite – ignorierte den Schmerz in seinem Knöchel. Der Stein neben ihm splitterte unter der Wucht von Kematians Hieb.
Seine freie Hand schlug er gegen Kematian, stieß ihn mit einer Druckwelle zurück. Statt aber durch den Raum geschleudert zu werden, taumelte er nur ein wenig. Er fing sich schnell wieder und setzte zu einem weiteren Angriff an.
Niellen fing die Klinge ab, silbern legte sich eine Hülle über seine Haut, nur war sie diesmal nicht so undurchdringlich, wie er es gewöhnt war. Blut benetzte den kalten Stahl, als er in die Hand einschnitt.
Er stieß seinen Gegner von sich, wollte zurückweichen, aber die Wand in seinem Rücken hinderte ihn.
Und Kematian nutzte seine Chance.
Niellen griff nach der Klinge, doch die schiere Gewalt Kematians vermochte er nicht aufzuhalten. Tief bohrte sich die Spitze des Schwertes in seinen Oberkörper und das Gestein hinter ihm.
Er sog scharf Luft ein, doch seine Lungen nahmen diese nicht länger auf. In der Dunkelheit erkannte er Kematians Schemen noch finsterer vor sich. Er streckte eine Hand aus und traf auf dessen Haut.
»Ich hoffe«, brachte er hervor, obwohl seine Stimme schon ersterben wollte, »Ihr findet Euer Glück.«
Die Kraft verließ ihn und seine Finger glitten an Kematians Wange hinab, hinterließen blutige Spuren auf der weißen Haut.
Kematian zog sein Schwert zurück und Niellen, den nun nichts mehr auf den Beinen hielt, rutschte an der Steinwand hinab.
Taubheit und Kälte legte sich über seinen Körper. Kein Licht erschien ihm, kein einsamer Reisender zeigte ihm den Weg in die Unterwelt. Und als sein Blickfeld schwarz wurde und er schon glaubte, einer der Unglücklichen zu sein, deren Seele auf ewig im Diesseits wandeln müsste, sprach eine sanfte Stimme in sein Ohr: »Mein Auserwählter, habe keine Angst.«
†
Ejahl hatte den Rest des Tages in dem Zimmer verbracht und jeden abgewiesen, der an seine Tür geklopft hatte. Ob es nun Fastald war, der sich nach ihm erkundigte, oder Eugene, der ihm Gesellschaft leisten wollte.
Erst durch einen Ruf am Abend hob er den Kopf von seinen Händen und sah auf. So fern, dass er kaum die Worte verstand.
Er richtete sich auf. Seine Knie knackten, als er aufstand, und jeder seiner Muskeln protestierte. Sie wollten ihn überzeugen, sich wieder zusammenzukauern, auch wenn die Tränen schon lang versiegt waren, und der Stimme zu lauschen, die ihm sagte, dass all dies seine Schuld war.
Er legte eine Hand an die Klinke und drückte sie hinunter. Das Innere des Herrenhauses war ruhig. Keine Spur von den anderen. Fastald war sicherlich noch auf der Suche nach Liraw – kein gutes Zeichen für dessen Überleben. Sorah und Ciacas waren vielleicht schon aufgebrochen – denn das war die Abmachung, die sie erst am Morgen mit Ejahl geschlossen hatten.
Eine Stimme vor der Eingangstür ließ ihn zusammenzucken. Sein Herzschlag beschleunigte sich, seine Knie zitterten, als würde er einem Geist gegenüberstehen. Er hastete zur Tür und stieß sie auf.
»Lasst mich los«, tadelte Kematian und befreite sich von Sorah und Eugene. »Ihr seid keine Kinder mehr.«
Blut und Staub klebte in seinem Gesicht und seiner Kleidung und haftete nun auch an den beiden anderen. Ein tiefer Riss zog sich durch seinen Umhang und eine Wunde zeigte sich unter seinem Hemd.
»Was ist mit ...?«, setzte Sorah eine Frage an, brach aber ab, ehe sie den Namen über die Lippen bringen konnte.
Kematian verstand trotzdem. »Tot«, sagte er nur.
Ejahl war wie gelähmt im Türrahmen stehengeblieben und hatte die Interaktion nur stumm beobachtet. Auch als der Blick des Raben ihn traf, blieb er weiterhin wie erstarrt. Er hatte schon damit abgeschlossen, ihn niemals wieder sehen zu können und nicht einmal seine Leiche zu finden.
Kematian schob Sorah und Eugene zur Seite. Die Schritte glichen einer Raubkatze, der dunkle Schleier der Gier lag über den sonst grauen Iriden.
Erst als er schon fast bei Ejahl angekommen war, löste sich dieser aus seiner Starre und fand sich in Kematians Armen wieder. Er vergrub das Gesicht in dem breiten Pelzkragen. Ein Lichtblick in diesen finsteren Zeiten, eine Person weniger, die unter Kastolat begraben lag.
Er sah auf und legte eine Hand an Kematians Wange. Sanft strich er mit dem Daumen über seine Haut, aber er konnte sie weder von Staub noch Blut befreien. »Du bist verletzt«, flüsterte er.
Der Rabe antwortete nur mit einem Brummen.
Auf Ejahls Lippen legte sich ein müdes Lächeln. »Ich bin mir sicher, hier liegt noch irgendwo Verbandszeug herum. Und dann hast du mir einiges zu erklären.«
Kematian runzelte die Stirn.
»Man rennt nicht einfach mitten in eine Stadt hinein, wenn man doch weiß, dass sie einbrechen wird.«
Wieder bekam er nur ein Brummen als Antwort.
Ejahl schloss ihn ein weiteres Mal in seine Arme. »Ich bin so froh, dass du überlebt hast«, flüsterte er.
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