140. Schein oder Sein
Wen interessierte schon Harrys Ex? Mich jedenfalls nicht, solange sie mich in Ruhe ließ. Wenn sie da war, war es mir egal. »Du meinst diese Taylor Swift?«, fragte ich desinteressiert.
Harry nickte. »Ja, sie stand hier gestern mit auf dem Programm.«
»Ja und?«, sagte ich kalt. »Gestern war gestern. Meinst du denn, sie ist heute auch hier?«
»Najaa... Eigentlich sollte sie heute nicht hier sein, aber sie weiß, dass ich da bin. Und da ich, seit Berlin, nicht mehr auf ihre Textnachrichten reagiert habe, kann es schon sein, dass sie mich hier abfangen will und wissen will, warum. Du weiß ja, dass ich kurz davor noch mal was mit ihr hatte.« Harry blickte mich schuldig an. »Keine Ahnung, was der so in den Sinn kommt. Also ich hoffe nicht, dass sie hier ist, aber was wenn doch?«
»Keine Ahnung Harry, was soll dann sein?! Würde es dich denn stören, wenn sie hier wäre?«
»Mich nicht, aber ich dachte dich vielleicht. Ex-Freundin... Neue Freundin... Du weißt schon... Oft ist das keine so gesunde Mischung.«
»Harry, mir ist es wirklich scheißegal, ob sie hier ist oder nicht. Dass du mit ihr nochmal im Bett warst, kurz bevor du mich kennen gelernt hast, habe ich überlebt, aber danke, dass du mich daran erinnerst«, gab ich verletzt von mir.
»Sorry«, entschuldigte er sich leise. Harry hatte bemerkt, dass er kleine Wunden bei mir aufriss.
»Aber vielleicht wäre es eine gute Gelegenheit für dich, ihr zu sagen, dass du keine Affäre mehr mit ihr willst, wenn sie denn hier ist. Zieh einen klaren Schlussstrich, dann weiß sie, woran sie ist«, forderte ich von ihm.
Mein Freund nickte zustimmend: »Ja, du hast ja Recht. Ich hab es gemieden, weil ich sie nicht verletzen wollte. Ich dachte, dass sie von alleine irgendwann aufgeben würde, sich bei mir zu melden.«
»Sie ist nicht weniger verletzt, wenn du einfach nicht mehr mit ihr sprichst, Harry«, versuchte ich ihm zu erklären, doch unsere ganze Aufregung schien umsonst gewesen zu sein, denn weit und breit, war von der Blondine nichts zu sehen. Alles war bestens, mir ging es gut.
Allerdings ging es mir nicht mehr so gut, als ich eine Weile allein hinter der Bühne stand, während ich darauf wartete, dass Harry von seinem Auftritt zurückkam, denn mich quatschte plötzlich ein Reporter an. Und er war sehr direkt. »Hallo...« Er stellte sich mir noch nicht mal vor. »Findest du es als Freundin von Harry Styles nicht nervig, dass er so viel auf Reisen ist und ihr euch kaum seht? Bleibt die Liebe da nicht auf der Strecke?«
Wenn er gedacht hatte, er könne mich ganz locker in ein Gespräch verwickeln, in dem ich meine Beziehung zu Harry zugab, dann hatte er sich gewaltig geschnitten, ich wusste nur noch nicht, was ich ihm antworten sollte. Interviews waren etwas Neues für mich. Doch in dem Moment, als er mir das Mikro unter die Nase halten wollte, lief irgendjemand an uns vorbei, der erst einmal interessanter für den Reporter erschien. Ich wurde einfach so da stehen gelassen, für irgendeinen Sänger, ich kannte seinen Namen nicht, nur das Gesicht hatte ich schon mal irgendwo gesehen.
Nervös scannte ich die Gegend um mich herum ab und hoffte auf Hilfe, in Form von Harry, der jeden Moment von der Bühne kommen musste. Sollte er sich doch mit dem Reporter herumschlagen, schließlich war auch er es, der es gewohnt war, so blöde Fragen zu beantworten, und nicht ich. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben. Ungeduldig presste ich meine Lippen aufeinander und fing an auf meiner Oberlippe herum zu kauen.
Der Pressemann drehte sich wieder in meine Richtung. ‚Komm jetzt bloß nicht zu mir!‛, versuchte ich ihm, durch mentale Gedankenströme mitzuteilen. Es funktionierte sogar und er widmete seine Aufmerksamkeit kurzfristig einigen jungen Sängerinnen, die kunterbunt gekleidet waren. Wahrscheinlich hatte er mich auch schon längst vergessen. Was war ich schon, zwischen den ganzen Stars, die sich hier tummelten? Ich war ihm deswegen aber auch nicht sonderlich böse und fing an auf meinem Handy herum zu tippen, damit ich etwas zu tun hatte. Im Augenwinkel bemerke ich, dass ich beobachtet wurde. Eine Frau, die gerade von einem anderen Presseheini gelöchert wurde, schaute immer wieder zu mir herüber. Gerade als ich aufsah, kreuzten sich unsere Blicke. Die Frau musterte mich unangenehm. Es war keine geringere als Taylor Swift.
Mir blieb nichts anderes übrig, außer stehen zu bleiben und mich dumm angaffen zu lassen, oder das Weite zu suchen. Doch wohin sollte ich gehen? Heilfroh darüber, dass sie sich mit einem Fotografen lieber ein anderes Plätzchen, weit weg von mir, suchen ging, wollte ich zu Ed Sheeran gehen, den ich ein paar Meter weiter entdeckt hatte. Ich hatte große Hoffnungen, dass er mich noch kannte, von dem einen Abend in der Kneipe. Schnell lief ich los, bevor ich ihn aus den Augen verlor. Doch ich kam nicht weit, da durchquerte der Reporter von geradeeben meinen Weg. Besser gesagt, ich rannte ihn fast über den Haufen und hätte mein Handy dabei fast fallen gelassen.
»Es tut mir leid, dass wir vorhin unterbrochen wurden«, entschuldigte er sich halbherzig bei mir. Ich dachte mir meinen Teil dazu und lächelte ihn einfach höflich an. »Aber jetzt musst du mir unbedingt verraten, wie es so ist, als Freundin von Harry Styles? Wo habt ihr euch denn kennen gelernt?«
Ich sah ihn fragend an. »Wie kommen Sie drauf, dass ich die Freundin von Harry Styles sein könnte?«
Er kramte ein Tablet hervor und zeigte mir ein Foto auf Twitter. Von Harry und mir natürlich. Zu meinem Entsetzen war es ein Bild, das ich noch nicht kannte und versuchte das ganz schnell zu verdauen. Es war auf der Messe in München entstanden, als ich meinen Finger gerade durch das Loch seines T-Shirts geschoben hatte. Wir hatten uns da noch nicht mal geküsst, aber der Blickwinkel rückte mal wieder alles ins richtige Rampenlicht. Ein passender Text dazu und jeder ging davon aus, dass wir auf dem Bild am Knutschen waren. »Und was wollen Sie mir damit jetzt sagen?«, fragte ich abtrünnig.
»Na den Kuss kann man wohl schlecht leugnen«, grinste er.
Ich ging ganz nah an ihn heran und sagte ganz leise: »Soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten?« Dabei stellte ich mich auf Zehenspitzen und legte meine Hand auf seine Schulter. Auch er beugte sich mir, vor Neugier geplagt, etwas entgegen. »Haben Sie eigentlich eine Frau?«, fragte ich ihn. In dem Moment drehte er seinen Kopf zu mir, weil er mit der Frage nicht gerechnet hatte.
»Ehm... Ja...«, stotterte er irritiert. »Eine Frau und zwei süße Kinder.«
»Und wissen die, was Sie so während Ihrer angeblichen Arbeitszeit treiben?«, fragte ich ihn hinterlistig, während ich wieder ganz entspannt vor ihm stand und auf meinem Handy herum tippte.
»Ich... ehm warum... was mache ich denn?«, fragte er mich verstört.
»Hat ihre Frau ein Twitter-Account?«, löcherte ich ihn weiter, ohne zu antworten. Und so verpeilt wie er gerade war, teilte er mir sogar ihren Namen mit, den sie dort hatte.
Mit flinken Fingern verfasste ich einen kurzen Tweet. ›Manchmal trügt der Schein, manchmal nicht‹, hatte ich geschrieben. Adressiert war das ganze an seine ahnungslose Frau, zusammen mit einem Foto, das ich gerade eben heimlich geschossen hatte. Und zu meiner Freude, sah es, wie geplant, recht eindeutig aus. Ich hatte mein Opfer sogar beim Blinzeln erwischt. Ein Kuss bei geschlossenen Augen, machte das Bild mehr als perfekt. »Wollen Sie sich das Bild vorher noch anschauen, bevor ich auf "Senden" gehe?«, fragte ich ihn und hielt ihm mein Handy vor die Nase. Er musste ja nicht wissen, dass ich nicht vorhatte, es tatsächlich zu verschicken.
»W... Aber... das ist doch was vollkommen anderes«, röchelte er. Der Angstschweiß fehlte noch, aber es war ihm sichtlich unangenehm.
»Was heißt hier "anderes"«, trieb ich ihn in die Enge. »Wollen Sie etwa immer noch behaupten, ich hätte auf diesem Bild Harry Styles geküsst?«
Plötzlich legte sich ein Arm von hinten um meine Schultern. Ich war so froh, dass mich Niall aus dieser Situation erlöste.
»Ich höre immer nur Harry, Harry, Harry«, sagte Niall etwas genervt.
»Harryyy!!!«, hörten wir plötzlich ein kreischendes Mädchen, das wohl Backstage durfte.
Niall zeigte mit einer abtuenden Geste auf sie. »Da hört ihr es«, grinste er.
»Ja aber... ist sie nicht Harrys Freundin?«, versuchte der Reporter nun Niall zu entlocken.
»Sie ist eine Freundin von uns allen«, quäkte Niall ins Mikrofon und klang dabei sehr überzeugend, als er einen Arm freundschaftlich um meine Taille legte und mich an sich heran zog.
Ich drehte mich nun leicht zur Seite und sah, dass auch die anderen vier nicht weit von uns standen. Sie wurden gerade von einer Reporterin ausgequetscht. Louis seilte sich ab und hüpfte fröhlich auf uns zu. Er nahm Niall und mich von hinten in den Schwitzkasten. »Na ihr zwei süßen?«, posaunte er raus und grinste den Reporter an.
Harry schaute kurz zu uns rüber und bemerkte wohl, dass ich mich nicht so richtig wohl fühlte mit diesem menschlichen Mikrofonständer in meiner Nähe. Er beantwortete noch schnell eine Frage und kam dann auch zu uns her.
Der Reporter witterte seine Chance und fragte Harry persönlich. »Harry!... Harry!...«, rief er schon bevor Harry überhaupt richtig bei uns war. »Was sagst du denn jetzt dazu?«
»Um was geht's?«, fragte er neugierig. Der Reporter, Harry und ich standen nun im Dreieck.
»Harry, du hast doch deinen Fans vor ein paar Wochen gesagt, dass du eine Freundin hast.«
»Hab ich das?«, fragte er unwissend zurück. Er konnte sich natürlich nicht mehr daran erinnern, so etwas jemals erwähnt zu haben, seit wir uns einig waren, dass es für meine Karriere besser sei, wenn es doch noch nicht die ganze Welt weiß.
»Du kannst es nicht leugnen, es ist alles auf Band. Und scheinbar haben wir sie nun ausfindig gemacht«, gab der Interviewmann stolz von sich. Er beharrte wirklich darauf, dass ich Harrys Freundin sei. Trotz Foto, was ich von ihm und mir gemacht hatte, ließ er nicht locker. »Also willst du sie uns jetzt nicht endlich mal vorstellen?«
»Harry, er glaubt, dass wir zusammen sind«, zog ich den Mann nun ins Lächerliche.
»Ohh! Sind wir das?«, fragte mich Harry irrgläubig und schaute mehrmals zwischen mir und dem Reporter hin und her, ohne seinen Kopf zu bewegen.
Da ich mich mit Harry oftmals auch ohne Worte verstand, erkannte er an meinem Blick auch dieses Mal, dass ich nicht vor hatte uns zu outen. »Klar, wusstest du das nicht?«, scherzte ich.
»Ohhww«, brummte Harry und schnitt dabei eine lustige Grimasse. »Wirklich?? Jemand hätte mir das sagen sollen!«
Liam lehnte sich nun zwischen uns. »Harry, du solltest nicht mehr so viel Scheiße erzählen. Mittlerweile solltest du wissen, dass unsere Fans jedes Wort ernster nehmen, als wir es meinen«, teilte er ihm Rat gebend mit und verschwand wieder.
Es war ein Rat, den Harry nicht befolgte, denn er kam einen Schritt näher zu mir und nahm mich schauspielerisch in den Arm. »Sorry Schatz... aber seit wann?!«, fragt er mich.
»Ohhh... Dann datet ihr wirklich nicht?«, interpretierte der Reporter unser ironisches Veralten.
Harry und ich grinsten uns an. »Nöö, wir daten nicht«, waren wir uns einig, denn über diesen Abschnitt waren wir eigentlich schon lange hinaus. Wir hatten keine wirklichen Dates, wir waren feste zusammen, also war es noch nicht mal gelogen.
Zu guter Letzt hauchte Harry mir noch einen kleinen Kuss auf die Wange, um den armen Kerl völlig zu verwirren, und jagte dann hüpfend und laut schreiend Ed Sheeran hinterher, der gerade an uns vorbeigelaufen war. »Ed!... Ed!!!! Hey, warte mal... Ed!...« Für mich interessierte sich Harry plötzlich nicht mehr. Zumindest wollte er den Reporter in dem Glauben lassen. Und dann sah ich meinen Freund nicht mehr. Er war in den Menschenmassen abgetaucht, genau wie die anderen.
Ich überlegte, was ich nun machen sollte, aber da war es schon zu spät. Für den Medienfuzzi war ich jetzt wieder uninteressant, dafür hatten es nun aber zwei knallrot geschminkte Lippen auf mich abgesehen. »Hey«, erklang eine wenig einladende Stimme. Ich hatte keinerlei Ahnung, wo diese Taylor Swift so schlagartig wieder her kam.
»Hi. Freut mich, dich kennen zu lernen«, formulierte ich höflich und bot ihr entgegenkommend meine Hand an. Nur einen halben Wimpernschlag opferte sie dafür, wenn überhaupt.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, grummelte sie vor sich hin. Mit ihrem Blick hatte sie dabei meine Hand fixiert, die sie eiskalt und einsam in der Luft stehen ließ. Es war unangenehmer als das ganzkörperliche Mustern aus der Ferne, wie sie es zuvor gemacht hatte. Manieren hatte ihr wohl keiner beigebracht. »Glaube nicht, dass wir beide Freundinnen werden, nur weil du Harry persönlich kennst«, tönte sie feindselig.
Ich runzelte meine Stirn, weil ich nicht wusste was die Frau eigentlich von mir wollte. »Dann sind wir ja einer Meinung«, konterte ich schnell.
»Du bist nur ein nettes Spielzeug für ihn«, stieß sie mir vor den Kopf. Die Arme hatte sie abweisend vor ihrer Brust verschränkt. »Mach dir lieber nicht zu viele Hoffnungen, wenn du nicht willst, dass er dich verletzt«, sagte sie kühl und nickte in die Richtung in der Harry kurz zuvor verschwunden war.
»Warum sollte er mich verletzen, und woher weißt du überhaupt, dass ich mit Harry zusammen bin?«, fragte ich sie aus dem Bauch heraus. Ihr brauchte ich wohl nichts vorzumachen. Sie wusste was Sache war. Und mich interessierte wirklich, wie sie zu dieser Annahme kam.
»Ich bin mit Ed befreundet und er hat mir Bilder von euch gezeigt. Aber glaube mir... Harry liebt dich nicht. Sonst wäre er gerade nicht einfach abgehauen und hätte eure Beziehung schon längst öffentlich gemacht, aber das wird er nie.« Was diese Taylor Swift nicht sah, war, dass Harry wohl eine kleine Runde gedreht hatte, um den lästigen Reporter abzuwimmeln, und sich uns, hinter ihrem Rücken, gerade wieder annäherte. »Du bist nichts für ihn«, schleuderte sie mir, wie Dreck, mitten ins Gesicht. »Bisher gab es nur eine Frau, zu der er in der Öffentlichkeit stand, und die war ich. Und würde er dich lieben, hätte er, nicht neulich erst, mit mir geschlafen, auch wenn ich nicht mehr mit ihm zusammen bin. Er kommt einfach nicht von mir los.« Sie musterte mich wieder. »Ist aber auch kein Wunder, bei den Frauen die er sonst so kennen lernt.«
Wortlos schaute ich Harry an, der schon lange hinter seiner Ex-Freundin stand und sich alles mitangehört hatte.
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