117. Riesenkrater in Manchester
Trotz meines ganzen Wissens, das ich inzwischen über One Direction hatte, war es gerade ein Ding der Unmöglichkeit für mich: Mein Freund hatte gleich einen Auftritt mit seiner Band, in diesem ausverkauften Stadion. Doch ich sah es ja selbst. Direkt vor meinen Augen. Und die Fans waren ohrenbetäubend laut.
Harry hatte Recht. Ich war schwer beeindruckt, total aufgeregt und irgendwie schockiert. Gemma sah den fassungslosen Ausdruck in meinen Augen und schmunzelte mir zu. »Tja, mit so was, hast du echt nicht gerechnet, was?«
Harry hatte mir immer wieder versucht, einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, wie groß das alles war und wie berühmt er war. Doch bei dem, was ich jetzt sah, hing der ganze Garten an dem Zaunpfahl noch mit dran. Es war real. Hier und jetzt. Genau in dieser Sekunde. Meine Blicke schweiften hastig durch das volle Stadion, vielleicht um ein kleines Plätzchen zu finden, an dem man keine Fans sah, von denen viele am Kreischen oder Durchdrehen waren. Ich konnte es nicht glauben. Es war alles irgendwo in meinem Hinterkopf. Doch ich wollte es immer noch nicht wahr haben, was ich hier direkt vor meiner Nase erlebte. Das konnte unmöglich die Bühne sein, auf der Harry gleich erscheinen würde. Wäre Gemma nicht an meiner Seite, hätte ich mir einreden können, ich hätte mich verlaufen.
Voller Spannung stand ich nun im gefüllten Stadion und versuchte mich immer noch seelisch darauf vorzubereiten, was mich gleich noch erwarten würde. Um es mit Jaycees Worten zu beschreiben: Es war jetzt schon end-krass, was ich hier sah. Es war einfach nur der pure Wahnsinn. In ein paar Minuten würde es losgehen und ich würde meinen Freund das erste Mal live in einem großen Stadion sehen und hören. Es war mein erstes richtiges Konzert überhaupt. Ich war so aufgeregt und hüpfte in Jay-Manier auf und ab.
Gem stieß ihren Ellbogen freudig in meine Seite und grinste mir zu. »Und? Ist es so, wie du dir das vorgestellt hast?«, plärrte sie mir zu. Sie sah, dass ich total überwältigt war. Und sie wirkte so stolz auf ihren Bruder.
War nicht eigentlich die Schule dazu da, einen auf das Leben vorzubereiten? Aber nichts auf Erden, hätte mich auf all das hier vorbereiten können. So sehr ich es auch manchmal versucht hatte, es überstieg all meine menschliche Vorstellungskraft um Meilen. Immer wieder hatte Harry versucht mir mitzuteilen, wie hoch sein Bekanntheitsgrad doch war, wie viele Fans er hatte, wie erfolgreich One Direction war. Doch ich hatte es immer wieder verdrängt. Harry war so normal, dass es mir schwer fiel, zu glauben, wie sein Leben wirklich aussah. Die paar Fans, für die er stehen bleiben musste, als ich dabei gewesen war, waren nichts im Vergleich hierzu. Vielleicht wollte ich es auch nicht glauben. Vielleicht wollte ich einfach nur einen ganz normalen Mann an meiner Seite haben, der mich einfach nur liebte. Normal... aber das war Harry nicht. Nun wurde ich am Kragen gepackt und mit Gewalt in die Wahrheit getaucht.
Harrys Schwester und ich hatten uns in den VIP-Bereich begleiten lassen und standen jetzt vorne am Bühnenrand. Hinter uns schrien und jubelten unzählige Fans. Angeheizt von 5 Seconds of Summer nahm das Toben der Masse kein Ende. »Sag mal, ist das da drüben nicht Lux?!«, rief ich zu Gemma, als ich ein kleines Kind mit dicken Kopfhörern entdeckte. Aber sie war auf dem Arm eines fremden Mädchens, deswegen war ich mir nicht ganz sicher gewesen.
Gemma nickte. »Lottie passt auf sie auf. Louise ist wohl noch backstage bei den Jungs«, teile sie mir schreiend mit. Meinen fragenden Blick wohl bemerkt, klärte mich Gemma auf: »Lottie ist Louis Halbschwester.« Erst jetzt fiel mir auf, wie wenig ich über die restliche Band doch wusste und wie wenig ich Harrys näheres Umfeld kannte. Ich fing an zu bereuen, dass ich Harry zu keinem einzigen Termin begleitet hatte, an dem er mich dabei haben wollte, aus Angst, man könnte mich zu oft an seiner Seite sehen.
Und dann war es so weit. Die Intro-Musik von One Direction ertönte plötzlich, in quälender Lautstärke, aus den zahlreichen Boxen. Auf den Leinwänden erschienen die fünf Jungs in überdimensionaler Größe und bald darauf standen sie auf der Bühne. Reflexartig hielt ich mir die Ohren zu, als das Gekreische dabei schlagartig noch lauter wurde als es sowieso schon war. Selbst mein Herz schlug schneller als One Direction nun endlich auf der Bühne standen und anfingen zu singen.
Harry hatte mich noch nicht gesehen. Er war, bis auf seine braunen Boots, komplett schwarz gekleidet. Er hatte eines seiner Bandanas um seinen Kopf gewickelt, seine Kreuzkette blitze mir entgegen. Ohne Zweifel, war es Harrys Gestalt, da vor mir auf der Bühne. Ich beobachtete jeden Schritt von meinem Freund, der mich bald entdeckte und mir grinsend zuwinkte und einen Kuss zu warf. Er selbst war von einer Erkältung ganz schön angeschlagen, aber davon merkte man auf der Bühne gerade kaum etwas. Singend wirbelte er auf der Bühne herum, flirtete mit seinen Fans und machte einfach seinen Job. Wahrscheinlich so, wie er ihn immer machte: Lässig, mit voller Leidenschaft, sexy, süß und heiß.
Für mich war es wirklich ein komisches Gefühl ihn so zu erleben. Es war eine Seite, die ich so, nicht wirklich an ihm kannte. Ich ignorierte die Tatsache, dass es sich bei dem hüpfenden Flummi auf der Bühne tatsächlich um meinen Freund handelte, sang lauthals mit, tanzte und hüpfte mit Gemma am Bühnenrand. Ich hatte meine Hausaufgaben gemacht und kannte mittlerweile alle Songs. Für einen Moment wurde ich von allem so mitgerissen und fühlte ich mich selbst wie einer von diesen zahlreichen Fans.
Langsam aber sicher wurde mir wieder bewusst, dass der Kerl da auf der Bühne tatsächlich mein Freund Harry war. Auch wenn er mir gerade total fremd war und so weit entfernt schien wie noch nie, war er derjenige, dessen Hände mich in romantischen Stunden so zärtlich berühren und er war derjenige, dessen Lippen ich so gerne auf meinen spürte.
Ich hielt mir vor Augen, dass dies noch nicht mal das größte Stadion war, in dem wir uns gerade befanden. Es war alles so irreal: Mein Freund auf dieser riesigen Bühne. Unmöglich konnte das wahr sein, und ich versuchte nun die 50-tausend Fans einfach auszublenden. Doch dann waren die ersten drei Songs zu Ende und Harry sprach zu der ganzen feiernden Masse. Harry Styles, der weltumjubelte Star, stand mitten auf dieser riesigen Bühne und widmete seine Aufmerksamkeit seinen Fans. Für mich Gottes gleich, sprach er mit Leichtigkeit zu zigtausenden, meist Mädchen. Auch Mütter und Väter waren gekommen. Alle waren hier, nur um One Direction zu sehen. Wie sollte ich das begreifen? Es ging einfach nicht! Es waren zu viele Menschen. So viele passten einfach nicht in meinen Schädel, dafür war er ganz einfach zu klein. Und diese Menschen, die zu viel waren, standen nun störend zwischen mir und meinem Freund. Sie hinderten mich daran, zu Harry zu gelangen. Zu dem Harry, den ich mir eingebildet hatte. Zu Harry, der einfach nur Harry war, aber das war er nicht, und das wurde mir gerade bewusst. Genau in diesem Moment riss der Boden abgrundtief vor mir auf, doch die ganzen Menschen fielen nicht rein, sie waren immer noch da. Eine riesige Schlucht klaffte nun zusätzlich zwischen mir und meinem Harry und ich hatte keine Ahnung, wie ich diese Hürde überwinden sollte. Es war nun endgültig bei mir angekommen: Mein Freund Harry, war Harry Styles von One Direction, und er war mehr als das, was ich bisher in ihm gesehen hatte. Mit einem Schlag war alles so real und zum Greifen nah, dennoch so irreal und unbegreiflich. Alles was ich mir bisher gedanklich nicht schaffte vor Augen zu halten sah ich jetzt live. Ich war den Tränen nahe, doch ich konnte nicht heulen, stattdessen erdrückten mich diese Tränen innerlich. Das Gefühl, was ich in diesem Moment hatte, konnte ich nicht beschreiben. Eigentlich hatte ich gedacht, ich wüsste bereits wie berühmt er war, doch das übertraf alles, was ich bisher von ihm gesehen hatte und mir je vorstellen konnte. Die ganze Macht, alles was One Direction war... So beeindruckend und gewaltig. Die Reaktion der Fans, auf Harrys Stimme schlug bei mir plötzlich ein, wie ein zerstörender Meteorit. In meinem Kopf blinkte das Warnschild *OVERLOAD*. Die schrillen Geräusche um mich herum verblassten.
»Ich glaub mir wird schlecht!!!«, schrie ich Richtung Gemma. Mir war schwindelig und ich bewegte mich keinen Millimeter, aus Angst, in diese riesige Schlucht vor mir, zu stürzen. Die tiefen Bässe dröhnten unaufhörlich in meiner Brust und ich hatte das beklemmende Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
Gemma hatte mir eine kleine Flasche Wasser besorgt und sah mich besorgt an. »Hier trink!«, forderte sie mich auf und ich nahm einen kleinen Schluck.
Ich schaute immer wieder auf die Bühne, starrte ihn an und versuchte damit klar zu kommen, was mir in diesem Moment bewusster war denn je. Immer wieder hatte ich versucht mir das alles vor zu stellen. Ich kannte die Bilder aus dem Internet. Ich kannte einige Videos und ich war über Skype dabei, als er in Südamerika auf der Bühne stand. Aber all das war kein Vergleich dazu, ihn jetzt so zu sehen. Ihn, One Direction und all diese tobenden Fans. Die gigantische Bühne. Die Atmosphäre. Alles in allem, war es ein Gefühl, das ich einfach nicht einordnen konnte. Es war neu für mich und ich schaffte es nicht, mich daran zu gewöhnen.
»Mir ist schlecht Gemma. Ich muss hier weg!«, schrie ich erneut.
Sie machte sich nun wirklich Sorgen. Mit Hilfe einer Sicherheitskraft, dirigierte sie mich zu dem Ersthilfebereich. »Setz dich erst mal und trink noch was!«, rief sie mir zu. Es war auch schon gleich jemand da der sich weiter um mich kümmern wollte.
»Nein ich will hier raus!«, schrie ich leicht panisch. Ich hatte wirklich Angst, mich übergeben zu müssen und dass mein Herz das ganze hier nicht überleben würde.
Gemma und ein Ersthelfer begleiteten mich schließlich hinter die Bühne, in einen Raum, in dem es um einiges ruhiger war. Hier hatte ich die Möglichkeit, mich ungestört hinzusetzen, und es löste meinen beklemmenden Schmerz etwas.
Der Ersthelfer stellte natürlich erhöhten Blutdruck fest, aber das hätte ich ihm auch ohne Messung sagen können. »Sie sollten- «, fing er an.
»Es ist alles ok. Mir geht es gleich besser«, versuchte ich den Ersthelfer abzuwimmeln, auch wenn ich selbst nicht daran geglaubt hatte, dass es mir jemals wieder besser gehen würde.
Gemma hatte sich neben mich gesetzt. »Ich pass auf sie auf«, versicherte sie und deutete ihm an, uns alleine zu lassen.
Als er den Raum verlassen hatte, fragte mich Gemma: »Was ist los mit dir? Wirst du jetzt auch krank? Hat dich Harry etwa angesteckt?« Sie prüfte mit ihrer Hand an meiner Stirn, ob ich vielleicht Fieber haben könnte.
»Nein es ist nur die Aufregung«, berichtete ich ihr.
Gemma lachte: »Würde ich es nicht besser wissen, würde ich sagen du hast Fangirl-Symptome.«
Mein Herz pochte immer noch spürbar. Von draußen konnte man die Musik und die Fans deutlich hören. »Ich kann das gerade nicht Gemma!«, heulte ich verzweifelt los und schaute hilfesuchend in ihre Augen.
»Was kannst du nicht?«, fragte sie ruhig.
»Das alles... er... ich... das ist alles so absurd. So irreal. Ich begreif es einfach nicht.«
Sie sah mich verständnisvoll an und nickte für ein stilles: "Ich weiß."
Ich wusste, dass sie mich wirklich verstand und schüttete ihr weinend und zitternd mein Herz aus. Wir hatten eine ganze Weile miteinander gesprochen, als plötzlich jemand ins Zimmer stolperte und fragte was passiert sei, sich dann nach meinem Befinden erkundigte und wieder verschwand.
»Wer war das?«, wollte ich von Gemma wissen.
»Oh, ihr kennt euch noch gar nicht persönlich? Dann hätte ich euch vorstellen sollen. Das war Matty, mein nervender Cousin.«
»Und warum fragt er, wie es mir geht? Er weiß doch gar nicht, wer ich bin«, schniefte ich immer noch.
»Lina, unsere ganze Familie weiß, wer du bist! Harry ist so glücklich, dass er dich gefunden hat, und das teilt er auch jedem von uns mit. Und ich vermute, dass er mitbekommen hat, dass du nicht mehr da bist. Da er selbst gerade nicht zu dir kann, wird er Matty geschickt haben. Mein Bruder sorgt sich wirklich sehr um dich. Und glaube nicht, dass ihm jemals entgeht, wenn es dir schlecht geht. Selbst dann nicht, wenn er auf der Bühne steht, oder sich am anderen Ende der Welt befindet. Er wird auf dich aufpassen, wo immer er sich auch gerade befindet.«
Gemma und ich redeten noch eine Weile und langsam wurde ich innerlich auch wieder etwas ruhiger. »Kannst du mich vielleicht ein paar Minuten alleine lassen?«, fragte ich Harrys Schwester, da ich einfach ein bisschen für mich nachdenken und das ganze verarbeiten wollte.
Ich hatte jetzt endlich alle Puzzleteile komplett in meinem Kopf. Harry Styles, der umjubelte Star, und Harry, der fürsorgliche und liebevolle Freund. Alles was ihn sonst noch ausmachte, alles was ich mit ihm erlebt hatte, und all das, was ich im Internet über ihn gelesen, oder von ihm gesehen hatte. Auch das, was mir Gemma gerade erzählt hatte. Irgendwo tief vergraben lag auch ein kleines Puzzleteil mit meinem Gesicht darauf. Nun brauchte ich diese Teile nur noch irgendwie zu einem Gesamtbild zusammensetzen und ich hoffte auf ein Bild, in dem ich deutlich zu erkennen war und nicht in der Masse unterging, mit dem sehnlichen Wunsch, dass keiner darüber trampeln würde, um das Ganze wieder zu zerstören, bevor der Kleber getrocknet war und das Puzzle fertig an der Wand hing. Vielleicht lagen einige unwichtigere Teile noch unter dem Sofa versteckt. Aber wichtig waren mir erst einmal der Rahmen und die wesentlichen Bestandteile, die ich nun endgültig hatte. Alles andere konnte ich nach und nach ganz einfach hinzufügen.
»Klar, aber das Konzert ist gleich zu Ende«, bemerkte sie.
Ich hatte gar nicht bemerkt wie lange wir hier saßen. »Nur ein paar Minuten... Ich will einfach nur alleine sein«, bat ich Gem, die inzwischen fast schon wie eine Freundin für mich war.
Sie strich mir Kraft gebend über die Schulter. Dann stand sie auf und ging zur Türe. »Ok, ich pass auf, dass dich keiner stört.«
Ich nickte ihr mit einem »Danke« zu.
-Gemmas Sicht-
Hinter mir hatte ich gerade die Türe ins Schloss gezogen und stand nun auf dem Gang. Ich hoffte so sehr, dass Angelina mit all dem fertig werden würde. Ich hoffte es für sie, und auch für meinen kleinen Bruder, dem es das Herz brechen würde, wenn sie sich mit seiner Berühmtheit nicht abfinden konnte. Und ich wusste zu gut, wie schwer es war, damit umzugehen und das alles überhaupt erst mal zu begreifen. Harrys Liebeleien waren immer geprägt von seinem Job, aber Angelina war für ihn mehr, als nur eine unbedeutende Schwärmerei, die sich nach ein paar Wochen oder Monaten wieder im Sand verlief, weil keiner Zeit für eine Beziehung hatte und sich das Kämpfen nicht lohnte. Übrig blieben meist Freundschaften, bevor etwas Ernstes daraus wurde. Aber bei Angelina war es irgendwie anders. Sein Herz hing wirklich an ihr. Er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt, und das änderte sich auch nicht. Er wollte bei ihr alles richtig machen. Er würde mit letzter Kraft um sie kämpfen, wenn es nötig wäre, und es würde ihn zerstören, wenn sie ihm den Rücken zukehren würde, weil sie mit seinem Leben nicht klar kommen würde. Doch Liebe alleine, war manchmal nicht ausreichend. Ich hoffte so sehr, dass sie die richtige Entscheidung für beide traf, und selbst bereit war zu kämpfen. Nicht nur für meinen Bruder, sondern auch für sich selbst.
Als ich die letzten Klänge von 'Best Song Ever' hörte, war mir klar, dass Harry gleich hier auftauchen würde. Eigentlich wunderte ich mich, warum er nicht schon in der kurzen Pause vor 'You and I' hier parat stand, aber die anderen werden ihn wohl davon abgehalten haben. Dass er sie einfach nur nicht fand, konnte ich mir nicht vorstellen, denn ich war mir sicher: Harry hatte einen eingebauten Kompass, der ihm jederzeit den Weg zu seiner Angelina zeigte.
Tatsächlich stürmte er einige Minuten später auf mich zu. »Wo ist Angelina?!«, rief er schon auf halbem Weg.
Ich zeigte nur auf die Türe, die uns von ihr trennte. Harry wollte nach der Klinke greifen. »Harry, lass sie in Ruhe«, forderte ich und hielt seine Hand fest.
Er sah mich verwirrt an. Ihm selbst schien es wegen seiner Erkältung auch wieder schlechter zu gehen. »Warum? Was ist mit ihr?«, krächzte er mir zu.
»Ihr geht es ganz ok. Sie kommt gerade nur mit all dem hier nicht klar.«
»Was heißt: "Sie kommt nicht klar"?«
»Harry! Mit dir, mit deinem Ruhm! Sie hat Angst. Sie macht das total fertig.«
Harry sah mich verzweifelt an. »Lass mich vorbei. Ich muss zu ihr.«
Harry wollte erneut zur Türe, doch ich stellte mich ihm in den Weg und drückte ihn von der Türe weg. »Lass sie Bruderherz. Gib ihr Zeit. Sie will alleine sein.«
»Sie hatte so einen Moment schon mal. Ich muss mit ihr sprechen. Geh bitte zur Seite Gem!«, sagte er energisch, packte mich etwas grob an der Schulter und versuchte an mir vorbei zu kommen.
Harry beharrte darauf, dass ich ihm Platz machen sollte, damit er zu Angelina konnte. Aber ich hatte ihr versprochen, dass sie keiner stören würde. Dazu zählte für mich auch mein sturer Bruder. Gerade Harry, über den sie nachdenken wollte.
»Harry nein!!«, schrie ich fast und schubste ihn von der Türe weg.
-Angelinas Sicht-
»Harry nein!!«, hörte ich Gemma energisch vor der Türe rufen.
Mein Blick wendete sich blitzartig der Türe zu. Mir war bewusst, dass Harry gleich hier rein kommen würde. Ich starrte auf die Klinke. Meine Gedanken waren immer noch so verworren. Nein, eigentlich war jetzt alles glasklar. Und eigentlich, war es alles nichts Neues für mich, ich sah jetzt einfach nur nicht mehr durch einen störenden, verschleierten Film. Und ich hatte mein Puzzle so gut wie fertig, doch es hing noch lange nicht an der Wand.
»Gemma!! Sie ist meine Freundin, lass mich verdammt noch mal zu ihr!!«, schrie Harry nun verzweifelt.
»Was willst du jetzt tun?!!«, hörte ich Gemma wieder.
»Ihr helfen?!!!«, schrie er, soweit das seine Erkältung noch zu ließ.
»Harry, wie willst du ihr helfen?! Wie???!! Du selbst kannst das alles immer noch nicht fassen! Wir alle hatten Probleme zu realisieren, was die letzten vier Jahre in deinem Leben passiert ist! Was glaubst du, wie sie sich gerade fühlt? Sie muss das ganze erst mal sacken lassen und verdauen. Du hast nie großartig mit ihr darüber gesprochen wie berühmt ihr wirklich seid, was es für Auswirkungen auf dein Leben hat. Außer ein paar Andeutungen, hast du ihr nichts erzählt. Kein Wunder, wenn du dich selbst nicht als Berühmtheit siehst«, warf sie ihm vor, »aber für andere Leute bist du das nun mal. Klar hat sie das nach und nach irgendwie mitbekommen, wie groß ihr seid, aber es ist heute das erste Mal, dass sie One Direction in voller Größe und live erlebt hat. Die ganze Gewalt der Fans, einfach alles... Das da draußen sind nicht nur ein paar Leute, die euch verfolgen und Bilder von dir machen wollen. Hast du ihr alles haarklein erzählt, was in Südamerika abging? Dass ihr nicht mehr aus Hotels raus kommt, ohne euch ihn Brotwägen zu verstecken? Hast du ihr erzählt, dass ihr kaum noch zusammen reisen könnt, weil sonst das Sicherheitsrisiko zu hoch ist. Hast du ihr von den Morddrohungen erzählt, die einige bekommen haben, weil sie für deine Freundin gehalten wurden. Nein hast du nicht, oder???«
»Das mit den Morddrohungen, weiß sie. Auch Paul hat mit ihr gesprochen. Und sie wird damit umgehen können, da bin ich mir sicher. Ich kenne meine Freundin besser als du denkst Gemma. Und klar rede ich mit ihr! Was denkst du denn?!!«, schrie er sie an. »Aber wir haben nicht alles bis ins kleinste Detail ausdiskutiert. Ich wollte sie nicht beunruhigen, und sie wird da rein wachsen. Ich bin doch für sie da«, rechtfertigte sich Harry lautstark vor der Türe. Die Wände hier, schienen aus Papier zu sein. »Außerdem kann ich mich privat immer noch ohne Bodyguard auf die Straße trauen. Meistens zumindest«, fügte er kleinlaut hinzu.
»Ja kannst du... Aber da draußen stehen gerade tausende von Fans Harry. Bei jedem Konzert sind es andere, und sie sind nur wegen euch hier. Euch selbst überwältigt das immer noch. Gerade jetzt, auf eurer Stadiontour. Sie versucht schon länger das zu verarbeiten, und ich denke, sie muss sich gerade einfach nur klar darüber werden, ob sie ein Leben an deiner Seite überhaupt leben kann, und ob sie das will!!«, teilte Gemma ihm unüberhörbar mit.
Dann war es kurz ruhig auf dem Gang.
Ich schluckte. Von dieser Seite hatte ich es noch gar nicht gesehen. Ich war so mit mir beschäftigt, all das in meinen Kopf zu bekommen und damit fertig zu werden. Nie hatte ich daran gedacht, wie es Harry dabei ergangen sein musste. Und dass es auch jetzt nicht alles selbstverständlich für ihn war. Schließlich wurde er nicht als Star geboren. Er hatte also dieselben Probleme wie ich, und wahrscheinlich um ein vielfaches ausgeprägter, da es in erster Linie natürlich ihn selbst betraf. Komischerweise beruhigte mich das.
Wie ferngesteuert, stand ich auf und ging zur Türe.
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