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Nervös strich Shaha den weichen Stoff ihres Saris glatt und befestigte rasch eine der goldenen Spangen, die ihren dunklen Zopf zusammen hielten, bevor sie einen kurzen Blick mit Lottie zu ihrer rechten austauschte.
Das fünfstündige Etikettetraining fand in der Festhalle von Rosewood Hall statt, die heute sogar noch etwas größer, kälter und einschüchternder als sonst wirkte.
Von allen anderen Teilnehmern, die wegen ihres überpünktlichen Erscheinens nach und nach zu ihnen stießen, war niemand ohne einen Leibwächter oder einen Assistenten gekommen. Was Shaha noch etwas mehr fehl am Platz fühlen ließ, als sie sich sowieso schon fühlte.
Neben ihr flüsterte Jamie Lottie leise die Namen der anderen Teilnehmer zu und auch Shaha versuchte, sie sich so gut sie konnte zu merken.
Veevee Indriani, eine Königstochter aus Rajastan, der Shaha bereits auf einigen offiziellen Anlässen begegnet war. Wohnhaft in den USA und angeblich eine zukünftige olympische Eiskunstläuferin.
Lachlan Kidman-Dolman, Sohn von Angus Dolman, dem Maler und Ingrid Kidman, der Opersängerin.
Edmund Ashwick ...
Doch mit einem Mal weiteten sich Lotties Augen und Shaha wandte den Kopf, um nach dem Grund für ihre plötzliche Reaktion zu suchen. Dies dauerte jedoch nicht lange, da sie sogleich Anastasia, Raphael und Saskia entdeckte.
Eine Zeit lang unterhielten sich diese mit Lottie, bis Jamies Räuspern die Blonde aus ihren Gedanken zurück holte, in denen sie zwischenzeitlich tief versunken war.
»Achtung, es geht los! Vergesst nicht, was ihr gelernt habt.«
Von weitem konnte man das durchdringende Klappern hoher Absätze auf dem Marmorboden hören und nach einem leise geflüsterten, »Viel Glück.«, von ihrer Erdbeerprinzessin flog die Tür so abrupt auf, dass nicht bloß Shaha sondern auch Lottie zusammen zuckte.
Und damit begann Lady Priscilla ihren großen Auftritt, gekleidet in ein enges rotes Kostüm mit aufdringlich vielen Rüschen und einer weißen Bluse. Sie besaß ein verkniffenes Gesicht, das darauf schließen ließ, dass sie häufig die Stirn runzelte. Zusammen mit ihrem schmalen Lächeln, das jedoch nicht ihre Augen erreichte, schien es sie noch um ein vielfaches älter wirken zu lassen, als sie eigentlich war.
»Nichts bereitet mir größeres Vergnügen, als jungen Menschen beizubringen, wo ihr Platz ist.« Allein schon dieser Satz widerte Shaha regelrecht an.
»Die meisten von Ihnen sind krumm und schief durch einen Mangel an Disziplin. Ich freue mich darauf, Sie zurechtzubiegen. Am Ende meines Unterrichts werden Sie für die höhere Gesellschaft endlich keine Schande mehr sein. Ich werde sie formen, bis Sie in die Welt passen, in die Sie so unverdient hineingeboren wurden.«, die Stimme von Lady Priscilla war nadelspitz und Shaha musste den starken Drang unterdrücken, sich zu übergeben.
Die nächsten Stunden würden um einiges länger werden als gedacht.
Langsam schritt die Frau die Reihe der Teilnehmer entlang und beäugte sie alle wie eine Schlange ihre Beute.
»Sie sind hier, weil Sie in bedeutendd Familien hineingeboren wurden und es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Bedeutung nicht an Sie verschwendet ist.«
Schließlich blieb sie vor Anastasia stehen. »Miss Alcroft ...«, ihre Augen waren zusammen gekniffen, als sie ihren Kopf neigte, »Vorbildliche Haltung, zurückhaltende Kleiderwahl ... Gut.«
Lottie neben ihr hielt den Atem an und warf Jamie einen schnellen Blick zu. Vorsichtig streckte Shaha ihre Hand aus und berührte Lotties sachte mit ihrem kleinen Finger, in der Hoffnung sie irgendwie dadurch beruhigen zu können.
Währenddessen fuhr Lady Priscilla fort. Das Klackern ihrer Absätze kam näher, ab und zu stoppte es, während sie einen weiteren Teilnehmer ansprach. Manche erhielten einen kurzen Kommentar, einige bloß einen abwertenden Blick, kaum jemand etwas, das man auch nur ansatzweise als Lob bezeichnen konnte.
Als Lady Priscilla Shaha erreichte, musterte sie sie von Kopf bis Fuß, bevor sie den Kopf neigte und sie sich Lottie zuwandte. »Und das hier muss die berühmte Prinzessin von Maradova sein.« Sie rümpfte ihre Nase und deutete mit ihrem Stab auf Lottie. »Nach allem, was ich von Ihnen höre, fürchte ich, dass selbst meine Kunst bei Ihnen nichts ausrichten kann.«
Ihr Stab knallte in ihre Handfläche und Shaha zuckte zusammen. Mit geweiteten Augen starrte sie Lady Priscilla an, sie konnte spüren wie ihre Hände zu zittern begannen.
»Ich – «
»SIE SPRECHEN NUR, WENN SIE DAZU AUFGEFORDERT WERDEN!«
Diesmal zuckte auch Lottie zusammen. Shaha spürte Tränen in ihren Augen, doch sie presste ihre Lippen zusammen und blickte sich um. Alle Blicke waren auf Lottie gerichtet, einige waren ängstlich ein Stück abgerutscht, aber Lottie reagierte nicht weiter.
Lady Priscillas Nasenspitze zuckte, bevor sie wieder mit ihrem Stab in ihre Hand schlug. »Gut. Und jetzt beginnen wir mit der ersten Lektion.«
Shaha warf einen letzten Seitenblick auf ihre Freunde, bevor sie ihre Schultern straffe und ihre Aufmerksamkeit auf Lady Priscilla richtete.
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