1
Die Arme vor der Brust gefaltet betrachtete Shaha ihr fast gänzlich leergeräumtes Zimmer.
Es war ein hübsches Zimmer, geräumig und mit rein weiß gestrichenen Wänden, einem fein gemustertem Mosaikboden und großen, bis zum Boden reichenden unverglasten Fenstern, mit langen weißen Vorhängen.
Doch es schien leer, fast leblos zu sein. Zwar standen alle Möbel noch darin, aber die Zeichnungen, Gemälde, Skizzen und Bilder, die sonst die Wände zieren waren verschwunden, wodurch alles sehr kahl und beinahe leblos wirkte verglichen damit, was man zuvor erblickt hatte. Das einzig persönliche waren zwei gigantische dunkelgrüne Lederkoffer, die am Fuß des luxuriösen Himmelbettes standen.
Heute beginnt ein neues Kapitel. Du schaffst das Sha, tief durchatmen, versuchte sie sich selbst Mut zu machen.
Es war das erste Mal, das sie etwas für sich selbst tat. Etwas das sie wirklich tun wollte. Nach einem kurzen Blick auf die alte Standuhr schloss sie die goldenen Schnallen ihrer Koffer und schleifte ihren gesamten Besitz hinter sich her, den langen Gang entlang, durch unzählige Flure, die Treppen hinunter, hinaus in den Hof.
Sie hatte sich bereits Gestern von ihrer Familie verabschiedet und war nun frei zu gehen, doch es fühlte sich unwirklich an. Fast als hielte sie etwas zurück.
Konzentrier dich!
Und mit hoch erhobenem Kopf schritt sie den Rest des Kiesweges entlang, noch immer ihre Koffer mehr schlecht als recht hinter sich her schleifend. Kurz darauf sah sie einen dunklen Schopf neben sich auftauchen, "Darf ich bitten?" und schon wurden ihr die Koffer abgenommen. Natürlich. Ein Seufzen unterdrückend schlenderte sie hinter ihrem Chauffeur hinterher. Immerhin waren die Koffer wirklich schwer. Schnell ließ sie sich auf den Rücksitz der schwarzen Limousine fallen und vergrub auch gleich ihre Nase in einem Buch. Schon versank sie in der Geschichte und es war, als würde sie sich nun selbst in Nord Italien befinden. Sie hatte die Welt schon immer geliebt, auch wenn sie noch nicht viel davon zusehen bekommen hatte, wenn doch mehr Orte besucht hatte, als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben.
Einzig und allein Bücher halfen ihr, ihrem goldenen Käfig zu entkommen und die entlegensten Winkel der Erde zu bereisen, allein um so viel lesen zu können wie nur irgend möglich, hatte sie ihre Zeit auch meist damit verbracht, neue und alte Sprachen, sowie die verschiedensten Dialekte zu lernen und zu studieren. Doch eben diese Bücher waren auch einer der treffensten Gründe, weshalb ihre Koffer wohl mehrere Tonnen wogen.
Am liebsten wäre sie hibbelig auf ihrem Sitz auf und ab gefedert oder hätte ein fröhlich, plapperndes Gespräch mit irgendjemandem geführt, nur um ihrer aufgestauten Vorfreude Luft zu machen, doch sie hielt ihre Lippen versiegelt. Trotz das sie einem kleinen Stück der Freiheit entgegen fuhr, hatte sie noch immer eine Maske aufrecht zu erhalten. Nervös biss sie sich auf ihre Lippe und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die jedoch sofort wieder zurück viel, was ihr ein genervtes Augenrollen entlockte. Eine größere emotionale Reaktion war ihr auf der gesamten Fahrt zum Flughafen nicht zu entlocken, bis sie sich schließlich mit einem höflichen Nicken von ihrem Chauffeur verabschiedete, doch ihr ursprüngliches Vorhaben ihn damit ab zu wimmeln klappte nicht ganz.
Als sie sich jedoch auf ihren Platz hinten im Flugzeug niederließ, schloss sie die Augen und vergrub ihre Nägel tief im Stoff des Sitzes.
Bald bin ich da.
In zehn Stunden bin ich frei.
Schnell steckte sie ihre Kopfhörer ein und schaltete ihre Lieblingst Playlist an.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro