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7. | C H A R L I E [2]

P A R T II
G E G E N W A R T
falling apart
- Michael Schulte


Es war schon spät, als meine Mom an meine Zimmertür klopfte und den Kopf herein streckte. „Hey, Schatz. Ich muss nochmal ins Krankenhaus. Offenbar hat es Komplikationen bei einem meiner Patienten gegeben", erklärte sie. Ich nickte knapp. Zu mehr war ich nicht imstande.

„Dein Dad hat vorhin angerufen. Er wird wohl doch noch ein bisschen länger auf dem Department bleiben müssen. Offenbar müssen sie noch einen wichtigen Zeugen befragen. Also warte nicht auf uns", fügte sie hinzu und strich sich ein paar ihrer roten Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich wohl aus dem Knoten an ihrem Hinterkopf gelöst hatten.

„Okay", murmelte ich, als sie zu mir herüber kam und mich zum Abschied auf die Stirn küsste. „Schlaf dich aus, mein Liebling. Du wirkst erschöpft", sagte sie noch, bevor sie mein Zimmer verließ.

Während ihre Schritte auf der Treppe im Haus hallten, zog ich den Teddybären unter meinem Kopfkissen hervor. Berry, wie ich ihn getauft hatte, war Rylers Gewinn bei einem Dosenwerfen Stand auf dem Jahrmarkt letzten Sommer gewesen. Es war albern und ziemlich kitschig, trotzdem hatte ich mich wahnsinnig darüber gefreut und ihm einen festen Platzt in meinem Bett eingeräumt. Mich ausgerechnet mit etwas zu trösten, dass ich von Ryler bekommen hatte, wenn ich traurig wegen Ryler war, war wahrscheinlich ziemlich masochistisch, mir jedoch reichlich egal.

Kaum war ich nach Hause gekommen, war ich in meinem Zimmer verschwunden und hatte mich in meinem Bett wie ein kleines Häufchen Elend zusammen gerollt. Als hätte ich das die letzten Monate nicht schon oft genug getan.

Inzwischen war es kurz nach Zehn und ich verkroch mich noch immer in meinem Zimmer. Noch nicht einmal gegessen hatte ich, seit ich Zuhause war, allerdings hatte ich auch keinen Appetit. Bei dem bloßen Gedanken an Essen wurde mir schon schlecht.

Das Klingeln eines Telefons riss mich aus meinen Gedanken und ich sah mich im Raum um, bis ich mein Handy auf meinem Nachttisch entdeckte. Seufzend griff ich danach und wollte bereits weg drücken, als ich den Namen laß.

Ryler

Ich blinzelte verdattert, doch sein Name stand noch immer da, während das Telefon weiter in meiner Hand klingelte. Einen Augenblick überlegte ich den Anruf dennoch wegzudrücken, immerhin hatte Ryler ziemlich deutlich gemacht, dass ich ihn in Ruhe lassen sollte. Doch warum rief er dann an?

Also nahm ich ab und hielt mir mit laut klopfenden Herzen das Handy ans Ohr. Ich hörte am anderen Ende der Leitung im Hintergrund gedämpftes Stimmengewirr, hysterisches Gelächter und laute Musik. Es klang beinahe wie eine Party. Aber was zum Teufel sollte Ryler, der Partys genauso wenig mochte wie ich, dort suchen?

„Ryler?", brachte ich heraus, als er noch immer nichts gesagt hatte. „Charlie, bischt du das?", fragte er hoffnungsvoll. Er klang anders. „Isch hädde nich gedacht, dass du rangehst nach heute", erklärte er, wobei es in der Leitung rasselte, als würde er dauernd die Mikros zuhalten.

„Ryler, alles in Ordnung bei dir?", fragte ich ihn beunruhigt und setzte mich alarmiert auf, während ich auf der anderen Seite der Leitung ein harsches Lachen hörte. „Ob alles in Ordnung mit mir is? Du hasch mir gesagt du liebst misch und da fragst du misch noch, ob alles in Ordnung mit mir is?", lallte er, hickste kurz und ich hörte ein leises Poltern, als wäre er gestolpert.

„Bist du betrunken?", fragte ich ihn ungläubig. Ryler trank so gut wie nie und vor allem betrank er sich nicht. Nachdem seine Mutter früh an einer Überdosis gestorben war, hatte er jegliches Rauschgift weitestgehend gemieden und höchstens mal ein Bier getrunken, doch dabei war es dann auch meistens geblieben.

„Vielleischt", nuschelte er betreten, wie ein kleiner Junge den man beim heimlichen Naschen der Kekse erwischt hatte. „Ryler, bist du auf Jennas Party?", fragte ich ihn und stand bereits auf, um in meine Schuhe zu schlüpfen.

Ich hörte ein zustimmendes Brummen, während ich mein Handy zwischen Schulter und Ohr einklemmte, um meine Turnschuhe zuzubinden.

Ryler war noch nie betrunken gewesen und wer wusste schon, was er dann für Dummheiten anstellen würde, wenn ihn niemand davon abhielt.

„Wieso hascht du mir das nich schon damals gesagt. Ich hätte alles dafür getan, es von dir zu hören. Aber jetzt wünschte isch, du hättest es nich gesagt", lallte er und klang dabei so verzweifelt, dass es mir einen Stich versetzte. Wenigstens war ich nicht die Einzige, der es so elend nach unserem Streit ging.

„Weisch du, wie schwer es is für misch, sich von dir fern zu halten? Und dann sagst du sowas und machst alles nur noch schlimmer", murmelte er, als ich bereits auf den Weg nach unten war.

„Ryler, bleib wo du bist, okay? Ich bin gleich da und dann können wir reden, ja?", bettelte ich ihn an. Ich hatte Angst, was er in diesem Zustand anstellen konnte. Was er womöglich sich selbst antun konnte.

„Nein, dass darfst du nich. Ich brech' sonst mein Wort", protestierte er, aber ich hörte gar nicht auf ihn. Stattdessen griff ich einfach nach meinen Schlüsseln, die in der Schale auf unserer Kommode im Flur lagen und verließ das Haus. Ich zog die Tür hinter mir zu, bevor ich mit schnellen Schritten hinüber zu meinem Wagen lief und mit zitternden Händen die Tür aufzog.

„Bitte, bleib einfach da, okay?" Aber die Leitung war bereits tot und ich starrte ungläubig auf mein Handy, bevor ich es leise fluchend in meine Jackentasche schob und den Wagen startete.

Weit über dem Tempolimit fuhr ich quer durch die Stadt zu Jennas Haus. Ich hatte Cole, der nach einer durchzechten Nacht dort geschlafen hatte, einmal von dort abgeholt. Damals war ich nicht unbedingt glücklich gewesen, dass er mich um meinen Schlaf gebracht hatte, um ihn bei Morgengrauen abzuholen. Jetzt allerdings war ich ziemlich froh darum, dass ich den Weg kannte und somit die Zeit sparen konnte, die ich gebraucht hätte, um herauszufinden, wo die Party stattfindet.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, während ich mir die wildesten Szenarien ausmalte, die in der Zwischenzeit passiert sein konnten. Gleichzeitig protestierte mein stark angeschlagener Stolz, warum ich mich um ihn scherte und mein Verstand versuchte mir zu erklären, dass es nicht den Weltuntergang bedeuten musste, nur weil er betrunken war. Immerhin waren Viele in unserem Alter fast jedes Wochenende sturzbetrunken und dennoch ging alles glimpflich bei ihnen aus.

Aber hier ging es um Ryler. Wenn er sich betrank, dann nicht, weil er Spaß daran hatte oder einfach um des Trinken willens, sondern weil es ein Schrei nach Hilfe war.

Als ich eine gute Viertelstunde später endlich Jennas Haus gefunden hatte, parkte ich den Wagen ein gutes Stück entfernt, da bereits die ganze Straße runter die Wagen andere Gäste dort standen und lief zu ihrem Haus.

Im Vorgarten lagen Bierdosen, während die ersten Betrunkenen aus dem Haus torkelten und sich an dem Balken des Vordachs abstützten, um keine nähere Bekanntschaft mit den dreckigen Pflastersteinen zu machen. Andere retteten sich ins Gebüsch, wo sie den billigen Alkohol von sich gaben und dabei versuchten sich nicht selbst zu treffen. Anscheinend eher mit mäßigem Erfolg, als ich die verräterischen Flecken auf dem Shirt des Kerls sah, der sich wieder auf die Stufen der Verander fallen ließ und sich einen Joint zwischen die Lippen klemmte, als wäre nichts gewesen.

Er schenkte mir ein übertrieben breites Grinsen, als ich über ein paar leere Flaschen hinweg stieg und an ihm vorbei zur angelehnten Haustür ging. „Hey, Zuckerschnecke", säuselte er und stieß den Rauch aus, als er mir den Joint anbot. „Willst du auch einen Zug?"

„Nein, danke", lehnte ich gespielt freundlich ab, bevor ich an ihm vorbei im Haus verschwand. Kaum, dass ich über die Schwelle in das wilde Durcheinander trat, würde ich von stickiger Luft umhüllt, in der der Duft von abgestanden Bier, Schweiß und unzähligen billigen Parfüms lag. Bereits im Eingangsbereich lehnten die ersten wild knutschenden Pärchen an den Wänden und befummelten sich hemmungslos in aller Öffentlichkeit. Sie schien es nicht zu interessieren, wie eine grüngesichtige Mitschülerin an ihnen vorbei zur Toilette stürzte oder ein paar idiotischer Frischlinge sie ungeniert angafften. Dafür waren sie viel zu sehr damit beschäftigt, Körperflüssigkeiten miteinander auszutauschen. Spätestens als der Kerl seine Hand unter den knappen Rock seiner ,,Freundin" schob, wandte ich mit hochrotem Kopf den Blick ab.

Hinter ihnen wurde im Esszimmer gerade eine lautstarke Partie Bier-Pong veranstaltet, die von Johlen und Raunen begleitet wurde. Gelegentlich auch vom hysterischen Kreischen einiger Mädchen, die es wohl auf einen der Spieler besonders abgesehen hatten und sich dadurch erhofften ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu können.

„Ist das nicht die Schwester von Cole Ashbeern?", hörte ich ein Mädchen zu ihrer Freundin sagen, als ich ihnen vorbei ging. Sie starrten mich an, wobei ich versuchte ihre Blicke einfach zu ignorieren, denn selbst nach all der Zeit wusste ich immer noch nicht., wie ich mit ihnen umgehen sollte.

Während sie wohl weiter über mich tuschelten, suchte ich die Menschenmenge nach Rylers dunklem Haarschopf ab. Ich stand in dem Türbogen zum Wohnzimmer, das zu einer provisorischen Tanzfläche umgebaut worden war, wo sich jetzt die verschwitzten Körper im Rhythmus der Musik aneinander rieben. Doch hier war nirgends eine Spur von Ryler zu sehen. Ich wollte mich wieder gehen, als ich einen Blick hinüber zu der offenen Küche warf, die vom Wohnzimmer lediglich durch einen kleinen Tresen abgetrennt worden war. Ich konnte von hier aus erkenne, wie sich in der anliegenden Küche die Plastikbecher, Bierkisten, Schnappsgläser, leere Flaschen und aufgerissene Chipstüten stapelten. Das reinste Chaos.

Doch vor allem entdeckte ich Rylers große Gestalt, die an der Küchenzeile lehnte und den Blick auf den Becher gesenkt hatte, den er langsam, in kleinen Kreisen schwenkte.

Ich schob mich an den anderen vorbei, wobei ich fast über die Füße eines Kerls gestolpert wäre, der den Kopf an die Wand gelehnt hatte und mit den Händen fest eine halb leere Wodkaflasche hielt, während er schlief. Wie er bei dem Lärm einschlafen konnte, war mir ein Rätsel.

In der Küche angekommen, lief ich geradewegs auf Ryler zu, der gerade den Becher an den Mund führte. Doch bevor er auch nur einen Tropfen davon trinken konnte, riss ich ihm den Red Cup aus der Hand. Verdutzt sah er mich an und offensichtlich brauchte er bei seinem benebelten Zustand einen Augenblick, um mich zu erkennen.

„Ch - Charlie?", stammelte er.

Ich roch an seinem Drink und verzog bei dem Gestank das Gesicht. Wodka. „Wie viel hast du getrunken?", fragte ich ihn, doch er zuckte bloß mit den Achseln. „Nisch viel", nuschelte er und senkte schuldbewusst den Blick, während er leicht schwankte, wie ein schaukelndes Schiff auf hoher See. Ich seufzte, als ich den Becher auf die Küchenzeile stellte.

„Warum bist du überhaupt hier?", lallte er. „Isch hatte doch gesagt, du sollst nisch kommen."

Ich hielt inne, bevor ich ihn lange ansah. „Ich dachte, ich hätte dir vorhin erklärt warum."

Er mahlte mit den Zähnen, als er betroffen zu Boden sah. „Ich hadde doch gesagt, dass du...", begann er, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich habe gehört was du gesagt hast. Sehr gut sogar. Du brauchst es also nicht noch einmal zu widerholen", unterbrach ich ihn leise und klang verbitterte, als ich wollte.

Er schluckte offenbar runter, was er eben noch hatte sagen wollen und schwieg, während ich den Inhalt seines Bechers in der Spüle auskippte und schließlich den Red Cup in den Mülleimer warf.

„Komm, lass uns von hier verschwinden. Ich fahr dich nach Hause", erklärte ich.

Ryler protestierte dieses Mal nicht, sondern nickte bloß knapp und wollte mir folgen. Doch er schien offenbar Probleme zu haben, einen Fuß vor den anderen zu setzten, so betrunken war er. Er taumelte gefährlich und drohte bereits nach vorne zu kippen, ehe ich ihn auffing. Ich griff mir einen seiner schweren Arme und legte sie mir um meine Schulter, während ich den anderen Arm um seine Taille schlang, um ihn zu stützen.

„Ups", kicherte er in mein Ohr, als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. „Halt dich bei mir fest, okay? Ich halte dich, falls du fällst", versicherte ich ihm und hoffte - angesichts seiner Größe und Statur -, dass ich ihn auch wirklich halten konnte, sollte er fallen. „Isch glaub, dafür is es schon zu spät", nuschelte er, als wir uns langsam einen Weg durch die Menge bahnten.

Aber ging gar nicht weiter auf sein Kommentar ein, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war ihn durch die Masse von Menschen nach Draußen zu bugsieren. Doch weder Ryler, der immer wieder über seine eigenen Füße stolperte, noch die Partygäste, die uns alle wie zwei Außerirdische begafften, sobald sie uns erkannt hatten, waren mir eine sonderliche Hilfe.

„Ziemlich mutig, dass er sich hier her traut, nach allem was passiert ist", zischte die eine der anderen zu, die Ryler argwöhnisch musterte. „Aber wieso hilft sie ihm? Ich dachte, ihr Bruder ist seinetwegen gestorben."

„Keine Ahnung. Es ist nur zu Schade, dass immer die heißesten Kerle, die von der übelsten Sorte sind", sagte die anderen und setzte ein enttäuschtes Gesicht auf, bevor sie sich ihre blondierten Haare über die Schulter warf.

Ich schielte zu Ryler hoch. Angesichts des gequälten Ausdrucks in seinem Gesicht hatte auch er alles gehört. Ich hatte gedacht, er war die Monate nach Cole Tod untergetaucht, weil er sich vor der Verurteilung der anderen fürchtete. Doch in Wahrheit verurteilte er sich selbst für das, was damals passiert war. Er hatte nicht hören wollen, dass ich ihn für unschuldig hielt, weil er glaubte, so etwas wie Vergebung und vielleicht auch Liebe würde er nicht verdienen.

Am liebsten hätte ich ihm erklärt, dass das nicht wahr war. Er durfte so etwas nicht einmal denken. Weder, dass er die Schuld an Coles Tod trug, noch, dass er Glück nicht verdiente. Aber nach allem was ich gesehen und heute gehört hatte, waren diese Gedanken und Schuldgefühle so tief in ihm verankert, dass meine Worte nicht reichen würden, um sie ein für alle mal auszureden. Er musste sich selbst verzeihen, um die Vergebung anderer zuzulassen. Und vor allem musste er selbst lernen sich wieder zu lieben, bevor es ein anderer konnte. Bevor er die Liebe eines anderen wieder zuließ.

Also schwieg ich und schaffte uns beide nach Draußen. Der Kerl mit den Joint und dem vollgekotzten Shirt war mittlerweile verschwunden, als wir hinaus auf die Verander traten. Ein paar der Plastikbecher wurden durch die Luft gewirbelt, bevor sie sich in den Ästen der Büsche verfingen. Eine Bierflasche kullerte über den kleinen Pflasterweg zum Haus und die gedämpfte Musik aus dem Haus ließ den Boden unter den lauten Bässen erzittern.

„Achtung hier ist eine Stufe, also ganz langsam", warnte ich Ryler, als wir uns die drei Stufen herunter schleppten. Bei der letzten blieb er mit seinem Fuß hängen und stolperte nach vorne, aber ich fing ihn rechtzeitig auf. „Woah, vorsichtig."

Er murmelte eine Entschuldigung, als er sich wieder aufrichtete und wir gemeinsam durch den Vorgarten und die Straße entlang zu meinem Wage liefen. „Hey, was is mit meinem Auto?", protestierte er. „Dat steht da drüben. Nich da." Er deutete in die Richtung.

„Ich weiß, aber ich kann nicht zwei Autos gleichzeitig fahren und du bist zu betrunken. Ich bringe dich jetzt nach Hause und morgen fahren wir nochmal hier her und holen den Wagen, okay?"

Er runzelte die Stirn und brauchte einen Augenblick um nachzuvollziehen, was ich gesagt hatte, ehe er langsam nickte. „Klingt nach ‚nem guten Plan", entschied er und schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Hab isch schon mal erwähnt, wie heiß isch es find', dass du so schlau bist?"

Ich hob die Augenbraun und konnte mir tatsächlich kein Lachen verkneifen, ehe wir den Wagen erreichten und ich die Beifahrertür öffnete. „Nein und jetzt schwing deinen betrunkenen Hintern in den Wagen, du Casanova", neckte ich ihn und half ihm den Wagen. Offensichtlich war er beschwipst genug, dass er die tuschelnden Mädchen schon wieder vergessen hatte und grinste mich verführerisch an. Zumindest versuchte er es, während ich mich über ihn beugte und ihn anschnallte.

Ich musste zugeben der betrunkene Ryler war irgendwie auch ganz süß, wenn er nicht gerade seine Schuldgefühle im Alkohol ertrank.

Ich machte die Beifahrertür hinter ihm zu, ehe ich den Wagen umrundete und selbst einstieg.

Wir waren schon seit einigen Minuten auf dem Weg, doch Ryler hatte nicht für einen Sekunde den Blick von mir abgewandt. „Wenn dir schlecht wird, sag Bescheid, okay?"

Er brummte zustimmend, sah mich dabei jedoch weiterhin unverwandt an. Weitere Minuten verstrichen, ehe er plötzlich sagte: „Vielleicht sollte ich mich in nächster Zeit öfter betrinken, wenn du mich dann wieder nach Hause bringst."

Ich runzelte die Stirn und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Warum?"

Einen Augenblick war er still.

„Dann hab isch zumindest einen Vorwand, um mal mit dir allein zu sein", erklärte er und das leicht beschwipste, erheiterte Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen sah er mich aus dunkelblauen Augen traurig an. „Du kannst immer mit mir allein sein, wenn du dass möchtest, Ryler. Dafür brauchst du dich nicht zu betrinken."

Er schüttelte den Kopf. „Isch kann aber nich."

Wir fuhren an eine rote Ampel und ich nutzte die Gelegenheit mich ganz zu ihm zu drehen. Plötzlich wirkte er so verloren, wie dort auf dem Beifahrersitz saß, seine Züge lediglich von dem konfusen Licht der Straßenlaternen erhellt und diesem tief traurigen Ausdruck in seinem Gesicht. „Dann erklär mir bitte, wieso du dass nicht kannst"; bat ich ihn. Ich musste es aus seinem Mund hören.

„Ich hab ihm was versprochen", sagte er mit leiser Stimme und flehte mich stumm mit seinen blauen Augen an, dass zu verstehen.

Aber was er hatte er wem versprochen? Und zum Teufel, was hatte das mit uns zu tun?

Doch dann drehte er den Kopf weg, blickte aus dem Fenster und zeigte mir die kalte Schulter. Ganz offensichtlich wollte er nicht weiter darauf eingehen, also beließ ich es dabei. Vorerst zumindest. Ich würde mit ihm, sobald er wieder nüchtern war, sprechen und hoffentlich würde ich dann verstehen, was wirklich passiert war. Mit uns, mit ihm und allem was in dieser Nacht geschehen war.

Als wir in seine bloß spärlich beleuchtete Straße fuhren, musste ich unwillkürlich daran denken, was mir mein Vater für Horrorgeschichten über diesen Teil der Stadt erzählt hatte. Von Raubüberfällen und Autodiebstahl über Prügellein und sexuellen Übergriffen, bis hin zu brutaler Bandenkriminalität im Kampf um das Viertel und Mord. Unwillkürlich musste ich daran denken, was nur einige Straßen entfernt von hier, am Rand von Graham, passiert war und schluckte schwer. Früher hatte ich über solche Dinge gar nicht nachgedacht, wenn ich hier her gekommen war, aber seit dieser Nacht hatte sich das - wie so Vieles in meinem Leben - geändert.

Ich schüttelte den Gedanken daran ab und parkte schließlich den Wagen auf der Auffahrt vor dem kleinen Haus, in dem Ryler und sein Dad lebten. Doch von dem Auto seines Dads war nirgends etwas zu sehen.

„Wo ist dein Vater?", fragte ich ihn, als der Motor verstummte und wir zum Stehen kamen. „Bei einem Pokerabend mit ein paar alten Freunden", brummte Ryler, während er mit dem Anschnallgurt zu kämpfen hatte. Kurzerhand befreite ich ihn, ehe ich mich selbst abschnallte und ausstieg.

Ryler hatte gerade die Beifahrertür aufgestoßen und hievte sich aus dem Auto, als er mit dem Kopf gegen den Rahmen knallte. „Autsch", nuschelte er und fasste sich an die Stirn, während ich mir ein Lachen verbiss. „Achtung, Kopf einziehen."

„Hab isch jetzt auch gemerkt. Danke für den Tipp", brummte er eingeschnappt, als er sich von mir auf die Beine halfen ließ. Ich machte die Tür hinter ihm zu, ehe ich wie eben einen Arm um seine Taille und seinen über meine Schultern legte. Gemeinsam gingen wir um das Haus herum, ehe wir den Seiteneingang erreichten, der zur Treppe führte.

„Schlüssel?" Er tastete seine Hosentasche ab, ehe er aus der hinteren seinen Schlüsselbund zog und ihn mir feierlich überreichte. Ich schloss wieder hinter uns ab - nur zur Sicherheit - und schleppte uns schließlich mühselig die Treppen hoch in das kleine Apartment über der Werkstatt, in dem sie lebten.

Mit einem geschickten Hüftschwung stieß ich die Tür auf und zerrte Ryler in den Flur und brachte ihm auf direktem Weg in sein Zimmer, wo ich ihn leise ächzend unter seinem Gewicht ins Bett fallen ließ.

Die Bettfedern quietschten unter seinem Gewicht, während er es sich bereits bequem machte. „Ich bin gleich wieder da", sagte ich, bevor ich das Zimmer verließ und in der Küche verschwand. Einige Minuten später kehrte ich mit einem Glas Wasser und einer Aspirin zurück, wo er gerade mit dem T-Shirt zu kämpfen hatte.

„Warte, ich helf dir", lachte ich leise, als er sich schließlich darin verfangen hatte. Ich stellte das Glas und die Aspirin auf die kleine Kommode neben seinem Bett ab und half ihm das Shirt über den Kopf zu ziehen. Er warf es achtlos auf den Boden, während ich versuchte ihn nicht anzustarren.

Ryler hatte im Gegensatz zu den meisten Jungs in seinem Alter schon einen recht beeindruckenden Körperbau, den er wohl der harten Arbeit und dem ständigen Training zu verdanken hatten. Wo es mein Bruder sich nach dem Training auf der Couch gemütlich gemacht und ein Mittagsschläfchen abgehalten hatte, hatte Ryler weiter in der Werkstatt gearbeitet. Ganz zu schwiegen von den privaten Trainingsstunden, die er immer wieder abhielt, um stets in Bestform zu sein. Denn von seiner Kondition und Leistung hängte sehr viel mehr ab, als bloß der Sieg eines High School Football Spiels. Er hatte stets darauf hingearbeitet ein Stipendium zu bekommen und hatte sich daher keine Fehler vor Scouts erlauben können, weil jede Chance für ihn zählte. Natürlich wollte mein Bruder auch ein Stipendium, doch er wusste, selbst wenn er keins bekäme, würde er aufs College gehen können. Doch Ryler brauchte dieses Stipendium, weil er sich anders gar nicht leisten konnte, denn selbst mit Stipendium würde es schon eng für ihn und seinen Dad werden.

Also brauchte es meine ganze Willenskraft um nicht unverhohlen seine breite Brust, seinen Waschbrettbauch oder die tiefen Kerben an seiner Hüfte anzustarren. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie sich seine goldene Haut unter meinen Finger angefühlt hatte. Wie weich und warm sie war. Oder wie wundervoll es sich anfühlte, in seinen starken Armen zu liegen und, den Kopf auf seine Brust gebetet, dem Klang seines schlagenden Herzens zu lauschen. Wie sein Atem stockte, wenn ich mit den Fingern Kreise auf den Muskeln an seinem Bauch mahlte oder das V seiner Hüfte nachfuhr. Ich wusste er mochte es, wenn ich seine Haare bei einem stürmischen Kuss zerwühlte oder dass er das Gefühl meiner Haut an seiner liebte. Wie oft hatte er seine Hand einfach nur ein Stücken unter den Saum meines Shirts gleiten lassen, einfach nur um meine Haut zu berühren und sie mit seinen rauen, schwieligen Fingern zu liebkosen.

Bilder von uns an diesem einen Abend tauchten wieder vor mir auf. Wie wir so eng umschlugen zwischen den Laken gelegen hatten, während wir einfach nicht die Finger von einander lassen konnten, als würden wir uns jeden Zentimeter des anderen einprägen wollen. Oder so, als wüssten wir, dass es das letzte Mal sei.

Ich schüttelte den Kopf, als würde dadurch diese Erinnerungen wieder verdrängen können und griff stattdessen das Glas Wasser und der Aspirin. Ich drückte sie ihm in die Hand. Ich hatte oft genug meinen Bruder verkatert erlebt, um zu wissen, was zu tun war.

„Hier, du wirst mir morgen dankbar dafür sein", sagte ich, als er beides einen Augenblick ratlos ansah. Er nahm die Tablette und spülte mit einem großen Schluck Wasser nach, bevor er das Glas wieder auf die kleine Kommode stellte. „Danke", brummte er und ließ sich mit dem Rücken aufs Bett fallen. Seufzend kniete ich mich hin und zog ihm die Schuhe auf, bevor ich seine Beine auf das Bett wuchtete. „Und was is mit meiner Hose?", meinte er plötzlich und grinste mich vielsagend an. Ich schüttelte nur den Kopf über ihn.

„Halt die Klappe und schlaf endlich, denn den Schlaf wirst du brauchen.", sagte ich bloß, doch kaum hatte ich das erwähnt, schwand sein Grinsen und er sah mich fast schon panisch an. „Willst du schon gehen?", krächzte er.

Ich runzelte die Stirn, bevor ich einen Blick auf die Uhr neben seinem Bett warf. „Ich muss auch nach Hause und schlafen. Das war ein anstrengender Tag", sagte ich dann, doch er setzte sich ruckartig im Bett auf und rutschte ein Stück beiseite.

„Dass kannst du auch hier. Hier ist doch genug Platz im Bett", erklärte er leicht lallend, doch ich schüttelte den Kopf. „Nein, Ryler. Ich glaube nicht, dass das so eine kluge Idee wäre. Ich meine, vorhin wolltest du ja nicht mal, dass ich dich nach Hause fahre und jetzt soll ich mir dir zusammen in deinem Bett schlafen?"

Er schluckte schwer und knetete nervös seine Hände, während er sich um Raum umsah, als würde er fieberhaft nach einer besseren Ausrede suchen. „Ruh dich aus, okay? Wenn du willst, komme ich morgen nochmal vorbei, vorausgesetzt, du hast es dir bis dahin nicht wieder anders überlegt", bot ich ihm an und machte bereits einen Schritt in Richtung Tür, als er nach meiner Hand griff. Er hielt sie so fest umklammert, dass es fast schon weh tat.

„Bitte, geh nich. Bleib hier", flehte er mich an und wirkte so, als würde ihn der bloße Gedanke, dass ich ihn jetzt alleine lassen würde, in Panik versetzen.

Nachdem ich weiterhin einfach seine Hand anstarrte, die meine hielt, wie das letzte Stückchen Treibholz, dass nach dem Sinken des Schiffes übrig geblieben war, zog er noch einmal an meiner Hand, damit ich ihn wieder ansah.

„Bitte, lass mich nicht allein."

Ich öffnete bereits den Mund, um ihn zu widersprechen, doch dieser Ausdruck in seinen Augen ließ mich inne halten. Diese Verzweiflung, die in seinem Blick lag, traf mich an einer Stelle, die es mir unmöglich machte, ihn jetzt allein zu lassen. Ich nickte. „Also schön", murmelte ich und er atmete erleichtert aus.

„Aber dann muss ich mir was von dir zum Schlafen leihen. Ich kann nicht in meinen Sachen schlafen", sagte ich und deutete auf meine Sachen. Er grinste wieder und funkelte mich schalkhaft an. „Wieso? Du kannst dann doch auch einfach nackt schlafen."

Ich schüttelte den Kopf. „Träum weiter, Riptight." Er schob die Unterlippe vor und schmollte. „Schade", nuschelte er und ließ sich wieder in die Kissen fallen, während ich seinen Kleiderschrak öffnete und ein Shirt mit einem verwaschenen Ausdruck hervor zog. Dass hatte mir früher schon einmal von ihm geborgt.

„Soll isch weg gucken?"

Irgendwie war es süß, dass er fragte, aber ich schüttelte den Kopf. „Nein, musst du nicht, es sei denn, du willst." Ich fand es albern ihm zu sagen, dass er weg gucken sollte, wenn er mich schon längst einmal nackt gesehen hatte. Und er hatte damals alles von mir auf jede nur erdenkliche Art ausgiebig studiert.

Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und Socken, streifte meine Jeans, die Sweatshirtjacke und das Shirt ab und war mir währenddessen Rylers Blicke ziemlich deutlich bewusst, die sich in meinen Rücken brannten. Ich hörte, wie er sich räusperte, als ich hinter mich griff und den Verschluss meines BHs löste, bevor ich mir die Träger von den Armen streifte. Das alte Shirt von ihm zog ich mir über den Kopf, das so groß war, dass es mir fast bis zu den Knien reichte. Dann legte ich meine Sachen noch ordentlich über seinen Schreibtischstuhl, machte den Lichtschalter aus und drehte mich wieder zu ihm um.

Im schwachen Licht konnte ich erkenne, wie er sich mit schief gelegtem Kopf verlegen am Hinterkopf kratzte, während ich zu ihm herüber kam und zu ihm ins Bett kletterte. „Wo ist denn der große Casanova abgeblieben?", neckte ich ihn, als ich das Laken anhob, das zerknüllt am Fußende lag und schlüpfte darunter

Ryler sagte nichts, sondern sah mir einfach dabei zu, wie ich es mir bequem machte in seinem Bett, als er plötzlich sagte: „Danke, dass du bei mir bleibst."

Ich biss mir auf die Lippen. „Wieso wolltest du, dass ich bei dir bleibe?"

Er senkte den Blick. „Weil isch nich allein sein will, wenn sie wieder kommt", nuschelte er, als auch sich tiefer in die Laken kuschelte. Ich sah ihn verwirrt an. „Wenn, wer wieder kommt?"

„Die Dunkelheit", krächzte er und schloss die Augen, als würde es ihn quälen, es auch nur auszusprechen. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was er damit meinte, aber wenn ich diese Panik sah, die es ihn ihm auslöste, hielt ich es für keine so gute Idee, ihn weiter darüber auszufragen. Also nickte ich bloß schwach, bevor ich mich auf die Seite rollte und hinaus aus dem Fenster sah, durch das das Mondlicht fiel.

Einen Augenblick war es still, ehe die Laken wieder raschelten und ich spürte, wie Ryler sich hinter mir bewegte. Bis auf einmal ein paar starker, langer Arme sich von hinten um mich legte und mich fest an seine Brust zogen. Schläfrig und noch immer vom Alkohol benebelt vergrub Ryler seinen Kopf an meinem Hals und seufzte zufrieden.

„Gott, ich hab dich so vermisst", murmelte er halb schlaftrunken und kuschelte sich noch etwas enger an mich, während mein Herz einen schmerzhaften Satz vollführte.

Er trug immer noch seine Jeans, sodass der raue Stoff meine nackten Beine kratzen, als er eines davon zwischen meine Beine schob und ich spürte seine Hitze hinter mir. Ich roch den Alkohol, doch in Kombination mit seinem wunderbaren, moschusartigen Duft war mir das vollkommen egal.

Es dauerte nicht lange und Rylers warmer, gleichmäßiger Atem strich über die Haut in meinem Nacken, der mich langsam selbst in den Schlaf lullte.

Und während ich selbst im Land der Träume verschwand, hörte ich seine Stimme in meinem Kopf, die mir wieder sagte, dass er mich vermisste.

Ich wurde wach von einem gequälten Stöhnen. Ich blinzelte irritiert, denn es war noch dunkel und ich benötigte einige Sekunden, um mich darin zu erinnern, dass ich bei Ryler im Bett lag, als erneut ein gequälter Laut im Raum zu hören war. Ich suchte im Dunkeln den Raum ab, ehe mein Blick auf Ryler fiel. Er lag neben mir im Bett und schlief nach wie vor. Doch er atmete schwer. Unruhig zerwühlte er die Laken, während im fahlen Licht, das durch das Fenster in sein Zimmer fiel, der feine Schweißfilm auf seiner Brust und seiner Stirn glänzte. Sein Gesicht war verzerrt, als würde er Schmerzen haben und er machte unnatürliche Geräusche. Ein Ächzen und Stöhnen, als würde man ihn schlagen. Dann ganz plötzlich stieß er einen Schrei aus, der mich erschrocken zusammen fahren ließ.

Ich streckte die Hand nach ihm aus und berührte ihn an der Schulter. „Ryler", zischte ich leise. „Ryler, wach auf."

Doch er reagierte noch immer nicht. Stattdessen begann er mit einem Mal um sich zu schlagen und warf den Kopf hin und her. Immer wieder stieß er einen flehentlichen, schmerzerfüllten Laut aus. „Nein", wimmerte er. „Nein, Nein, Nein. Hört auf."

Ich rüttelte ihn fester. „Ryler, wach endlich auf. Dass ist nur ein Alptraum!", versuchte ihn zu wecken, doch er wurde einfach nicht wach. „Ryler!", sagte ich diesmal etwas lauter und stieß ihn so fest ich konnte gegen die Schulter, als er einen lauten Schrei ausstieß. Bevor ich begriff was passierte, riss Ryler die Augen auf. Meine Hände wurden beiseite geschlagen. Die Feder des Bettes quietschten unter der plötzlichen Gewichtsverlagerung. Das Laken wurde vom Bett gerissen, als Ryler aufsprang und taumelnd zurück wich. Hektisch versuchte er seine Füße aus der Schlinge zu befreien, in der das Bettlaken sich um seine Beine geschlungen hatte. Irgendwie gelang es ihm, doch er verlor in der selben Sekunde das Gleichgewicht. Mit den Rücken fiel er gegen seinen Kleiderschrank, der laut gegen die Wand krachte und leicht wankte. Währenddessen presste sich Ryler dagegen. Die Augen weit aufgerissen rang er so verzweifelt nach Luft, als würde er zu ertrinken drohen.

„Ryler?", stieß ich erschrocken hervor, unfähig mich von der Stelle zu rühren. Ich hatte bis eben noch geschlafen und mein Verstand kam gar nicht schnell genug hinterher, um zu verstehen, was mit ihm los war.

Es kam mir wie ein Déjà-vu, wie unserer Begegnung auf dem Flur und ich wusste immer noch nicht, was ich tun sollte. Hilflos sah ich dabei zu, wie sich seine Brust unter flachen Atemzügen hektisch hob und senkte. Er kämpfte regelrecht um jeden Atemzug und darum, die Kontrolle nicht zu verlieren.

Blanke, nackte Angst glitzerte in seinen dunklen, weit aufgerissenen Augen, als er mich ansah. „Ryler", brachte ich mich zitternder Stimme hervor und endlich rührte ich mich von der Stelle. Doch kaum bewegte ich mich auf ihn zu, rannte er taumelnd los. Er stieß gegen den Fuß seiner Kommode und riss die Tür auf, sodass sie laut gegen die Wand krachte. Dann war er auch schon im dunklen Flur verschwunden, bevor wenige Sekunden später eine weitere Tür aufgerissen wurde.

„Ryler?", rief plötzlich die alarmierte Stimme von Rylers Dad, der in der Zeit die wir geschlafen hatten, nach Hause gekommen sein musste. Kurz darauf ging das Licht im Flur an und ich sah nur noch wie Mr. Riptight ebenfalls den Flur hinunter verschwand.

Ich sprang aus dem Bett und rannte ihnen hinterher ins Bad, wo ich wie angewurzelt im Türrahmen stehen blieb.

„Dad, sie darf mich so nicht sehen. Bitte, Charlie, darf mich so nicht sehen!", rief Ryler fast schon etwas hysterisch.

„Beruhig dich erstmal, mein Junge. Es ist alles okay. Du bist hier. Es ist vorbei", redete sein Dad auf ihn ein, während Ryler scheinbar kollabierte. Er rang weiterhin verzweifelt nach Luft, während er sich die Haare raufte und schließlich die Hände an seinen Schläfen zu Fäusten ballte. So als wüsste er nicht mehr wohin mit dem Schmerz, der ihn gerade quälte und jeden Monet drohte ihn wie eine Handgranate in tausend Stücke zu reißen.

„Atme, du musst atmen, mein Junge", sagte ihm sein Dad, doch Ryler wurde immer unruhiger. Seine hektischen Atemgeräusche wurde immer lauter, während er den Kopf schüttelte.

„Ich - Ich kann nicht. Ich kriege keine ... Ich kriege keine Luft", presste er zwischen zwei schnellen Atemzügen hervor.

„Ryler?", krächzte ich plötzlich. Ich verstand nicht, was mit ihm los war, aber ich wollte ihm helfen. Doch wie? Als Ryler meine Stimme hörte, zuckte sein Kopf in meine Richtung und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen noch mehr, falls das überhaupt möglich war. „Nein, Charlie, nein. Bitte, geh einfach!"

Dann schien sich plötzlich sein ganzer Körper zu verkrampfen und er stieß einen lauten Schmerzensschrei aus, bevor er zurück gegen die gekachelte Wand taumelte. Mein Herz zog sich bei diesem Anblick zusammen und ich spürte Tränen aufsteigen. Ich wollte zu ihm, ihm helfen und ihm sagen, dass alles wieder okay war, doch sein Vater hielt mich davon ab.

„Was ist los mit ihm? Bitte, was ist los?", fragte ich ihn verzweifelt und versuchte über die Schulter hinweg einen Blick auf Ryler zu erhaschen. Doch der kauerte mittlerweile am Boden, während er ein gequältes Geräusch ausstieß, als würde er starke Schmerzen haben, die er zu unterdrücken versuchte.

„Bitte, Dad, mach dass sie verschwindet. Bitte!", rief Ryler, ehe Mr. Riptight wieder die Sicht auf ihn versperrte. Unter tränenverschleierten Blick sah ich in das Gesicht seines Vaters, dass seinem so ähnlich war, doch er schüttelte mitfühlend den Kopf. „Du solltest gehen", sagte sein Dad. „Aber...", begann ich, doch da stieß Ryler einen weiteren, tiefen Schrei aus, der mich zusammen fahren ließ. Was auch immer los mit ihm war, es mussten Höllenqualen sein.

„Du musst gehen, sonst regt er sich nur noch mehr auf", sagte sein Dad nachdrücklich. Er wirkte genauso hilflos wie ich mich fühlte, doch als ich Rylers hektische Atemzüge hörte, wich ich zurück. Ich wollte nicht, dass das, was auch immer es war, schlimmer wurde. Ganz sicher wollte ich nicht der Grund dafür sein. „Fahr nach Hause, Charlie", sagte sein Vater sanft, bevor er die Tür hinter sich schloss und sich seinem Sohn widmete.

Wie erstarrt stand ich vor der verschlossenen Badezimmertür und hörte noch einen Augenblick Rylers Keuchen und die Stimme seines Dads, die beruhigend auf ihn einredete, bevor ich mich endlich rühren konnte. Ein ersticktes Schluchzen entwich mir und ich wischte mir eine Träne aus dem Gesicht, als ich zurück in Rylers Zimmer ging und mich anzog.

Ich legte das Shirt über seinen Schreibtischstuhl, bevor ich den Raum wieder verließ und durch den Flur zur Tür lief. Doch als ich so öffnete, warf ich noch einen letzten Blick über die Schulter zum verschlossenen Badezimmer, wo Ryler noch immer mit diesen Dämonen kämpfte, die offenbar Besitz von ihm ergriffen hatten.

Dann verließ ich die Wohnung und, obwohl er mich darum gebeten hatte, bei ihm zu bleiben, ließ ich Ryler allein mit dieser Dunkelheit.

A/N:
PUH, ganz schön emotional, was?

Tja, dieses Kapitel ist eine Erweiterung das anderen Kapitels aus Charlies Sicht in der Gegenwart. Also nach ihrem Streit im Flur.
Ich hatte erst später gemerkt, dass ich das hier noch geplamt hatte und es nun mal nur aus Charlies Sicht funktioniert.

Jedenfalls ein sehr ereignissreicher Tag.

Doch was denkt ihr jetzt, wo ihr zum ersten Mal eine von Ryler Panikattacken erlebt hat?

Und überhaupt inwiefern wird sich das wohl auf die beiden auswirken?

Und was passiert wohl als nächstes und was haltet ihr von diesem Kapitel.

Sorry nochmal, dass ich erst so spät update. Ich hoffe ihr seit mir deshalb nicht böse, aber 6.000 Wörter quasi an einem Tag, brauchen ihre Zeit.

So ich verabschiede mich jetzt, immernoch ohne richtigen Spitznamen für euch und wünsche euch noch einen schönen Sonntag.

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