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5. | R Y L E R

G E G E N W A R T
paralyzed
- NF

Ich hörte sie noch immer mit belegter Stimme meinen Namen krächzen. Ganz zu schweigen, von dem Ausdruck, der in ihren Augen gelegen hatte, als ich ihre Hand weg geschlagen, vor ihr zurück gewichen und schließlich wie ein verfluchter Feigling davon gerannt war.

Doch dieser kurze Augenblick auf dem Flur wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Nachdem ich auf die Toilette geflüchtet war, mich in einer Kabine verschanzt und unter größter Mühe minutenlang mit einer erneut aufwallenden Panikattacke zu kämpfen hatte, während ich prompt meine erste Englisch Stunde schwänzte, hatte ich den restlichen Tag damit verbracht diesen Moment auf dem Flur wieder und wieder durchzuspielen. Als könnte ich dann etwas daran ändern, auch wenn ein Teil von mir sich wünschte, es wäre so.

Doch andererseits wusste ich nicht, was ich großartig anders gemacht hätte - wenn man von meinem überstürzten Verschwinden absah. Denn selbst nach stundenlangem Kopfzerbrechen fiel mir nichts ein, dass ich hätte sagen können. Nichts, dass auch nur ansatzweise an das heran kam, was ich ihr schuldig war: Eine Erklärung.

Eine für all die Dinge, die ich ihr und ihrer Familie angetan hatte. Allerdings war ich diesbezüglich genauso ratlos, denn gab es überhaupt eine gute Erklärung dafür? Eine Entschuldigung hatte ich gleich ausgeschlossen, denn das, was ich getan hatte, war unverzeihlich. Aber zumindest eine Erklärung war ich ihr schuldig, doch ich hatte keinen blassen Schimmer, wo ich anfangen sollte.

Denn wenn ich ehrlich war, hatte ich schon den ersten Fehler gemacht, als ich an jenem Tag vor sieben Jahren mich in ihr Leben einmischte. Ich hätte nie ein Teil ihrer Welt sein sollen - das ist mir spätestens seit dieser Nacht schmerzlich bewusst-, doch andererseits fürchtete ich mich, wenn ich darüber nachdachte, wie mein Leben ohne sie ausgesehen hätte.

„Okay, ich mache jetzt Schluss. Der Rest kann auch bis morgen warten", seufzte mein Dad, als er unter dem alten Honda hervorgekrabbelt kam und leise ächzend aufstand. „Ich komme nicht mehr drum herum, ich bin ein alter Mann geworden", murmelte er und rieb sich geistesabwesend über die Stelle an seinem Rücken, die ihm schon seit ein paar Wochen Probleme bereitete. Andererseits war nach dreißig Jahren in einem Knochenjob wie diesem und unzähligen Überstunden bis tief in die Nacht hinein, um unsere Miete zahlen zu könne, es auch nichts anders zu erwarten. Mein Dad wischte sich die verschmierten Hände an der alten Jeans ab, bevor er sein Werkzeug zurück in eine der Kisten warf.

„Kommst du auch, mein Junge? Vielleicht können wir uns nochmal die Zusammenfassung des heutigen Spiels ansehen, wenn wir uns beeilen", schlug er vor und selbst nach all den Wochen hörte ich Hoffnung in seinen Worten mitschwingen.

Doch ich sah ihn nicht an, als ich sagte: "Nein, ich mach, dass hier noch kurz zu Ende und dann gehe ich mit Akela einen Spaziergang machen. Der Kerl liegt heute schon den ganzen Tag faul in seinem Körbchen herum."

Als hätte mein Hund verstanden, was ich gesagt hatte, hob der blauäugige Husky den Kopf und sah mich unschuldig an, als würde er sagen wollen: Keine Ahnung wovon du sprichst. Dabei hätte man meinen können, ein Hund, dessen Rassen dazu gezüchtet worden war, täglich über unzählige Kilometer hinweg einen Schlitten zu ziehen, könnte kaum still sitzen.

Dad lachte leise, doch die offensichtliche Enttäuschung darüber, dass ich ihn wieder einmal ausschloss, stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Mit einem traurigen Lächeln ging er rüber zu Akela und tätschelte seinen Kopf. "Okay, Kumpel, ich verlasse mich darauf, dass du darauf aufpasst, dass mein Sohn es nicht wieder übertreibt", meinte er an ihn gerichtet, worauf Akela bloß die Hand meines Dads zustimmend mit der Nase anstupste.

Einen Augenblick lang kraulte mein Vater ihn zur Belohnung hinter den Ohren, bevor er sich wieder an mich wandte. "Vergiss nicht, du hast morgen Schule", erinnerte er mich und runzelte besorgt die Stirn, als ich unwillkürlich das Gesicht verzog. Doch ich überspielte eilig meine Reaktion, nickte knapp und wandte mich wieder dem defekten Wagen zu, an dem ich schon seit knapp etwas über sieben Stunde arbeitete.

Gerade, als er die Hintertür aufzog, die in das modrige alte Treppenhaus zu unserer mickrigen Wohnung führte, hielt er inne. "Ryler?"

Ich brummte zustimmend vor mich hin, als ich an einem Modul drehte.

"Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht, aber wenn du darüber reden möchtest..."

"Schon gut, Dad. Es ist alles bestens", log ich und brachte es nicht mal über mich ihn auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. Sehr überzeugend, Ripley, sehr überzeugend. Ich spürte seinen Blick wieder einmal voller Sorge auf mir ruhen, bevor er sich räusperte und wenige Sekunden später die Tür, begleitet von dem leises Quietschen der Scharniere, hinter ihm ins Schloss fiel.

Ich horchte auf das Knatschen der Stufen unter den schweren Schritten meines Dads, ehe sie schließlich verstummten und ich allein war. Tatsächlich schraubte ich noch etwas an dem Wagen rum, doch relativ schnell, wurde mir klar, dass es zwecklos war. Meine Gedanken waren ganz wo anders, sodass ich noch Stunden an diesem Auto herumfummeln könnte, ohne wirklich weiter zu kommen.

Ergeben Seufzend klappte ich die Motorhaube zu, sammelte das von mir verstreute Werkzeug auf und versuchte noch etwas die Zeit tot zu schlagen, indem ich herumliegende Schrauben, Module und anderen Kram in die dafür vorgesehenen Kisten warf und sie zurück in das verstaubte Regal stellte. Als mein Blick plötzlich an einem inzwischen ziemlich mitgenommen Pappkarton hängen blieb und ich unwillkürlich erschauerte.

In einem Anfall blinder Wut hatte ich mein gesamtes Zimmer kurz und klein geschlagen. Bilder und gerahmte Fotos von den Wänden gerissen, Medaillen und Trophäen durch den Raum geschmissen und all meine Footballsachen aus dem Schrank gezerrt. Ich hatte mein Zimmer völlig verwüstet zurück gelassen und war - wieder einmal - einfach weg gerannt. Raus aus der Wohnung, fort von allem, was mich an das erinnerte, was ich verloren hatte und mich schmerzlich an ihn erinnerte.

Ich wusste noch wie ich stundenlang einfach die Straßen von Graham entlang gelaufen war, ohne ein einziges Mal anzuhalten oder mich wieder zu Atem kommen zu lassen. Als die Sonne schon lange untergegangen und ich entkräftet nach Hause gekehrt war, stand eine Kiste vor meiner Zimmertür mit all den Sachen gefüllt, die ich von Wänden, Regal und aus den Schränken gerissen hatte. Mein Vater hatte sie alle zusammengesucht und aufbewahrt für den Tag, an dem ich wieder mit einem Lächeln an früher zurück denken konnte. Für den Tag, an dem ich mich wieder erinnern wollte.

Nun stand sie hier, unten in unserer Werkstatt auf dem staubigen Boden und wartete darauf, dass ich sie wieder hervorholte.

Sanft strich ich mit den Fingern über die Pappe. Zögerte einen Augenblick lang. Doch dann zog ich die Hand zurück und schüttelte den Kopf. Heute würde nicht der Tag sein, an dem ich die Kiste freiwillig hervorkramte. ‚Irgendwann', versprach ich mir leise in Gedanken, als ich mich von dem Regal abwandte und zumindest vorerst den Erinnerungen den Rücken kehrte.

„Komm, Kumpel", pfiff ich nach Akela, der augenblicklich von seinem gemütlichen Plätzchen in der Ecke aufsprang und mir raus aus der Werkstatt folgte. Hechelnd und schwanzwedelnd wartete, bis ich das Licht aus und alles abgeschlossen hatte, bevor wir aus dem Hinterausgang nach draußen verschwanden.

Die kühle Abendluft nach einem schwülen Spätsommertag schlug uns entgegen, als ich die Tür aufdrückte und Akela freudig an mir vorbei durch den Türspalt flitzte. Während er fröhlich die Umgebung betrachtete und beschnüffelte, als würde er sie zum ersten Mal sehen, schob ich die Hände in meine Hosentasche und schlug den üblichen Weg ein, den wir jeden Abend nahmen.

Um diese Zeit trieb sich fast niemand mehr in Graham auf der Straße herum, außer ein paar zwielichtigen Gestalten oder irgendwelche zugedröhnten Junkies. Doch davon war weit und breit nichts zu sehen, als wir die verlassene Straße durchquerten, in der wir lebten und vorbei gingen an den renovierungsbedürftigen Bruchbuden dort.

In einer davon lebte Evelynn. Eine ältere Dame, die solange ich denken konnte auf der anderen Straßenseite lebte und aus ihrem Fenster das Treiben beobachtete. Ich wusste nicht viel von ihr. Nicht einmal ihren Nachnamen, denn selbst das Schildchen über der Klingel war verblasst, solange wohnte sie bereits in ihrem kleinen, zusammengeflickten Häuschen. Es war mittlerweile schon so zugerichtet, dass Dad und ich immer öfter vorbeikamen und ihr bei irgendwelchen Reparaturen halfen. Auch wenn ihr Stolz es kaum zuließ unsere Hilfe anzunehmen, nahm sie es inzwischen einfach grummelnd hin, weil sie wusste, dass sie in ihrem fortgeschrittenen Alter darauf angewiesen und jede Diskussion mit uns zwecklos war. Obwohl Evelynn eine schrullige, meckernde alte Lady war, die kaum redete, war sie mir irgendwie ans Herz gewachsen. Sie mochte zwar manchmal etwas stur sein, aber auf eine liebenswerte Art.

Ich schüttelte traurig lächelnd den Kopf. Selbst sie hatte angefangen mich mit anderen Augen anzusehen seit dieser einen Nacht. So wie allen anderen auch.

Außer Charlie.

Charlie war einfach immer noch Charlie und offenbar war ich in ihren Augen, immer noch der Junge, der sie in dieser einen Nacht im Arm gehalten und mit dem sie von der Zukunft geträumt hatte. Der Junge, der ihr in einem alten Diner bei einer Tasse Kakao die Sterne versprochen hatte, weil er wieder dieses Lächeln in ihrem Gesicht sehen wollte. Und der Junge, dessen naives Herz insgeheim schon seit der vierten Klasse ganz allein ihr gehört hatte.

Nur, dass das ich nicht mehr dieser Junge war.

Stattdessen war ich der Kerl, der sie trotz all der Versprechen und gemeinsamen Zukunftsträume einfach ohne ein Wort allein in ihrem Bett hatte liegen lassen. Der Kerl, der lieber feige vor ihr davon rannte, bevor sie sehen konnte, wie es in ihm aussah. Wie zerbrochen er eigentlich war... Der Kerl, der ihre Familie zerstört hatte.

Gefangen in meinen eigenen Gedanken, die sich wiedererwartend einmal mehr an diesem Tag um sie drehten, kickte ich einen Stein, der auf de verdreckten Gehweg lag, vor mich hin, während Akela brav einige Schritte vor mir lief.

Das Geräusch scheppernder Bierdosen, lautes Gepöbel an einer alten Kneipe ein paar Straßen weiter, das Jaulen einer Katze und der laute Streit eines alten Ehepaars, das inzwischen längst nicht mehr wusste, warum sie überhaupt geheiratet hatten, nahm ich nur am Rande war.

Stattdessen drifteten meine Gedanken weiter ab. Weg von den dunklen Gedanken und an einen schöneren Ort. Zurück in eine Zeit, wo ein Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch Loopings drehte und das Highlight meines Tages war, ihr zuzuhören, wenn sie mir von ihrem unspektakulären Tag erzählte, unwissentlich, wie wahnsinnig viel mir das bedeutete.

„Verdammt, mir wird gerade klar, dass mein Leben ungefähr so spannend ist, wie einem Schildkröten Rennen zuzusehen", hatte sie mit einem Lachen auf den Lippen gesagt und über sich selbst den Kopf geschüttelt. „Wie kannst du mir überhaupt zuhören, ohne einzuschlafen? Wäre ich an deiner Stelle, würde ich wahrscheinlich schon ein Nickerchen halten, seit ich zu erzählen begonnen habe."

Ich hatte damals nichts gesagt, während sie weiter Witze über ihre langweiliges Leben riss und auch danach, hatte ich ihr eigentlich nie erklärt, wie viel es mir bedeutete, der Mensch zu sein, dem sie als erstes von ihrem Tag erzählte. Derjenige, mit dem sie über die banalste Dinge sprach, weil sie wusste, dass sie sich nicht irgendwelche spannenden Geschichten ausdenken musste, damit ich sie interessant fand. Sondern weil ich ihr gerne zuhörte und ich der Mensch für sie sein wollte, dem sie alles erzählen konnte. Egal wie banal es gewesen sein mochte. Für mich war es das nie gewesen.

Plötzlich blieb Akela stehen und stieß ein leises Fiepen aus. Für gewöhnlich tat er das, wenn er sich unwohl fühlte oder verängstigt war. Alarmiert, weil ich dort einen Fremden vermutete, der ihn womöglich einschüchterte, sah ich mich um. Akela hatte bereits als Welpe ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht, als ihn seine damaligen Besitzer ziemlich mies behandelt hatten. Seitdem war er, was Menschen betraf, ziemlich misstrauisch und reagierte gegenüber Fremden meist verunsichert. In den meisten Fällen zog er sich dann in sein Körbchen zurück. Nur bei ein paar Ausnahmen hatte irgendwen angeknurrt oder die Zähne gefletscht. Doch das war meist alles, da Akela streng genommen zu große Angst hatte, als dass er jemanden attackieren würde.

Doch anstatt irgendeinen Fremden zu sehen, blieb mein Blick an einem alten rostigen Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite hängen.

Der Lakeshield Trailerpark.

Irgendwie hatten mich meine Füße ganz von selbst hier her getragen. Unwillkürlich ballte ich bei dessen Anblick die Hände zu Fäusten.

Die Laternen neben dem Schild flackerten und trugen nur noch mehr zu der gespenstischen Atmosphäre bei, die wie eine Nebelschwade über diesem Ort schwebte. Ich entdeckte die veralteten, lange verlassenen Wohnwagen mit ihren zerschlagenen Fenstern, den rausgerissenen Türen und dem mit Graffiti besprühten, verdreckten Lack. Meterhohes Unkraut ragte aus dem brüchigen Asphalt und wiegte sie in dem Wind, der leise pfiff. Dazwischen lag jede Menge Schrott verstreut. Glas leerer, zerschlagener Bierflaschen blitzte im flackernden Licht der veralteten Straßenlaternen und der Schatten einer mageren, herumstreunenden Katze huschte über den Platzt, bevor sie sich unter einem der demolierten Wohnwagen versteckte.

Schon seit meiner Kindheit lebte dort niemand mehr. Nur noch ein paar zwielichtige Kerle fanden sich dort zu manch später Stunde ein. Ein paar Kleinkriminelle Banden wickelten dort gelegentlich noch unteranderem ihre alles andere als legalen Geschäfte ab. Manchmal sah man dort auch ein paar Schnapsleichen und irgendwelche völlig zugedröhnten Junkies im Dreck liegen. Ansonsten war der Lakeshield Trailerpark schon seit langen nichts weiter als eine Geisterstätte. Ein verlassener, fast schon in Vergessenheit geratener Ort am Rande von Graham, der befleckt war mit den Verbrechen zahlloser.

Befleckt mit dem Blut von ihm.

Der Ort, an dem sich jeder meiner Alpträume abspielte, nachdem der denkbar Schlimmste sich in jener Nacht bewahrheitet hatte. Und der heute fast genauso aussah, wie damals.

Wieder hörte ich ganz klar seine von Kampf um jeden weiteren Atemzug geschwächte Stimme in meinem Kopf.

Versprich mir, auf sie aufzupassen.

Ich verschloss die Augen vor den Bildern aus jener Nacht und schluckte schwer, weil ich immer noch meine hilflosen Schreie aus dieser Nacht schmeckte. Noch Tage danach war ich heiser deswegen gewesen, weil ich mir so sehr die Seele aus dem Leib geschrien hatte. Einfach weil dieser Schmerz und die Last der Schuld zu groß gewesen waren, um sie zu ertragen.

Ich schüttelte den Kopf, verbannte die Gedanken aus jener Nacht eilig und wandte mich in einer einzigen Bewegung von dem Trailerpark ab. Stattdessen blickte ich meinen Hund an, der mich aus seinen treuen Augen irgendwie besorgt ansah. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein.

„Komm, Großer. Lass uns von hier verschwinden."


Ich war todmüde, als ich am nächsten Morgen durch die Schulflure schlürfte. So müde, dass ich kaum die verstohlenen Blicke auf mir spürte oder auf meinen geflüsterten Namen reagierte, wenn ich an den tuschelnden Leuten vorbei zog.

Als ich meinen Spind entdeckte, stand eine Gruppe schlaksiger Zehntklässlern davor, die wilde Theorien über die dritte Staffel Stranger Things austauschten. Früher hätte ich mein freundlichstes Lächeln aufgesetzt und sie höflich darum gebeten zur Seite zu gehen. Heute jedoch war mir nicht nach höflichen Floskeln zumute.

Ich setzte mein finsterstes Gesicht auf und kam mit schweren Schritte geradewegs auf sie zu. Als sie mich bemerkten, hielten sie inne und sahen mich unsicher an. Offenbar waren sie sich nicht sicher, ob sie Angst vor mir haben sollten oder nicht.

„Mein Spind", knurrte ich nur, als sich die drei Jungs noch immer nicht von der Stelle rührten. Doch die sahen mich weiterhin verdattert an.

„Ihr steht davor", fügte ich grummelnd hinzu und deutete mit einem Nicken noch einmal auf den Spind, an dem sie lehnten, damit sie ja verstanden, wovon ich redete. Aber anstatt endlich Platzt zu machen, weiteten sich die Augen, des Jungen, der unentwegt an seiner viel zu tief sitzenden Hose herum fummelte. Ich hatte nie verstanden, warum andere Kerle meinten, es würde cool aussehen, wenn man Hosen so tief trug, dass jeder wusste welche Farbe dessen Boxershorts hatte.

„Bist du nicht der beste Freund von diesem toten Typen?", fragte er mich neugierig und legte den Kopf nachdenklich schräg. Ich dagegen versuchte die Ruhe zu bewahren. „Ich muss zum Unterricht, also geht beiseite. Ich muss an meinen Spind", wiederholte ich mich. Diesmal hoffentlich deutlicher. Seine beiden Kumpels wichen bereits zurück, doch ihr Freund stand mir immer noch im Weg.

„Doch, ich bin mir ganz sicher. Du bist dieser Quarterback aus Graham, richtig? Ihr habt imselben Team gespielt. War der nicht sogar Captain?", rätselte er weiter. Langsam wurde ich sauer. Ich hatte eine verdammt kurze Nacht hinter mir und es war eindeutig zu früh, um mich jetzt mit irgendeinem rotzfrechen Bengel auseinandersetzen zu müssen, der offensichtlich nicht das leiseste Fünkchen Anstand besaß. Geschweigenden ein paar funktionstüchtige Gehirnzellen, denn sonst wäre er so clever und würde einfach seinen Mund halten.

„Geh. Mir. Aus. Dem. Weg", zischte ich zwischen zusammen gepressten Zähnen.

„Woah, heute mit dem falschen Fuß aufgestanden, Großer?", fragte er lachend und schien sich wirklich für lustig zu halten.

„Eddie, lass gut sein", versuchte es sein Kumpel und zog ihm am Ärmel seiner Sweatshirtjacke. „Wir k-kommen sonst noch zu spät", stammelte er der andere, als er mein zorniges Gesicht sah. Doch Eddie schüttelte die Hand seines Freundes ab. „Ach kommt. Ich hab ihn doch nur was gefragt. Er wird mir schon nichts tun, nicht wahr, Großer?", meinte er und grinste mich herausfordernd an.

„Stimmt es, was man so hört? Dass du dabei warst, als dieser Typ gestorben ist?"

Jetzt brannte mir endgültig eine Sicherung durch. Ich gehörte nicht zu der Sorte, die Schwächere verprügelten. Doch in diesem Moment sah ich rot und packte den Giftzwerg am Kragen. Mit einem lauten ‚Rumms' stieß ich ihn gegen meinen Spind, an dem er immer noch lehnte und zog ihn hoch, bis wir auf Augenhöhe waren und er nur noch auf den Zehnspitzen stand. Erschrocken keucht er und seine Augen weiteten sich, als ich mich zu ihm vorlehnte.

„Ein Rat: Denk bei nächsten Mal gefälligst nach, bevor du deine Klappe aufreißt. Es gibt genug Leute, die einem verzogenen Jungen wie dir die Scheiße aus dem Leib prügeln würden, einfach weil du den Mund aufgemacht hast. Glaub mir, ich weiß das besser, als jeder andere", stieß ich grollend hervor und sah dem Jungen direkt in die Augen.

Eigentlich war es nicht mal eine Drohung, sondern viel mehr eine Warnung, sich in Zukunft zweimal zu überlegen, was er zu wem sagte. Ich hatte oft genug am eigenen Leib spüren müssen, wohin einen eine viel zu große Klappe brachte, wenn man sich mit den falschen Leuten anlegte. Ich hatte mich einmal zu viel mit den falschen Leuten angelegt.

„Verstanden?", hakte ich nach, als der Junge mich weiterhin aus leichenblassen Gesicht ansah. Ich wusste, jeder im Flur starrte uns an, doch das ging mir gerade gehörig am Arsch vorbei. Ich stieß ihn noch einmal gegen den Spind. „Ich hab dich was gefragt."

Er nickte schnell, als befürchtete er, ich würde ihn wirklich jeden Augenblick schlagen.

„Gut", murmelte ich, ließ locker und setzte ihn wieder auf dem Boden ab. „Und jetzt seh zu, dass du deinen Arsch von meinem Spind weg bewegst."

Er nickte wieder panisch, bevor er sich immer noch blass an mir vorbei schlängelte. „Lasst uns gehen", meinte sein Kumpel und tätschelte ihm tröstend die Schulter.

„Ich sagte dir doch, lass es bleiben. Der Kerl hat gesehen, wie jemand gestorben ist! Der hat sowieso nicht mehr alle Latten am Zaun und dann provozierst du so einen auch noch", zischte der anderen.

„Und kauft euch ein paar Gürtel oder neue Unterhosen! Löchrige Boxershorts sind nicht wirklich ansehnlich!", rief ich ihnen hinterher, auch wenn das mit den löchrigen Unterhosen eine Lüge war. Aber ihre peinlich berührten Gesichter, als sich einige im Gang kichernd zu ihnen umdrehten, waren es wert.

Doch mir verging das schadenfrohe Grinsen, als ich plötzlich Evan und Brycon auf mich zukamen. „Was zum Teufel sollte das?", fragte mich Evan und sah mich entrüstet an. Brycon, der zweimetergroße afroamerikanische Center, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich genauso schockiert an, wie der der blonde Running Back neben ihm. Sie gehörten zu den wenigen an dieser Schule, die ich als Freunde betrachtete. Wir hatten gemeinsam in der Offense des Football Team gespielt. Allerdings erinnerte mich ihr Anblick nun mehr daran, dass diese Zeiten vorbei waren, in denen wir gemeinsam auf dem Spielfeld unsere eigenen, kleinen epischen Schlachten ausfochten. Die Tage an denen wir unsere Siege feierten oder uns Niederlagen nur noch entschlossener machten.

Ich verdrehte die Augen. „Er hat es verdient", murmelte ich nur schnaubend und wandte mich nun endlich meinem Spind zu, der überhaupt erst der Grund für diese Aufregung war.

„Oh und wie?", fragte Evan gereizt.

Ich drehte an dem Zahlenschloss meines Spinds, bis es mit einem leisen Klicken aufsprang. „Er war ein Idiot. Reicht das als Grund?", erwiderte ich patzig. Ich hatte keine Lust darüber zu sprechen. Wenn ich diese Nacht auch nur erwähnte, würden die beiden ebenfalls darüber sprechen wollen und das musste ich unter allen Umständen vermeiden.

„Nein, aber wenn du uns das nicht sagen willst, kannst du uns dann wenigstens erklären, warum du verdammt nochmal aus dem Team aussteigst?", hakte Evan nach, doch ich war damit beschäftigt ein paar Sachen aus meiner Tasche in den Spind zu sortieren. Ich machte nicht einmal Anstalten ihnen zu antworten.

„Verdammt, Shapiro, rede mit uns. Was ist los?", versuchte es Brycon.

„Es geht euch verdammt nochmal nichts an", murrte ich. Evan schnaubte.

„Wenn einer unserer Freunde seine Zukunft weg wirft und ganz nebenbei unser ganzes Team im Stich lässt? Doch, ich denke schon, dass es uns was angeht."

Ich schüttelte bloß den Kopf und schlug den Spind zu. „Ich muss zum Unterricht", grummelte ich. Tatsächlich begann in wenigen Minuten mein Kurs, aber anscheinend wollten meine alten Teamkameraden nichts davon wissen.

„Wir wissen, dass mit... das was passiert ist, muss hart für dich sein. Aber hier geht es um deine Zukunft, um das Stipendium, worauf du all die Jahre hingearbeitet und das jetzt zum Greifen nah ist. Und du willst das alles einfach weg werfen?", redete Evan weiter auf mich ein.

Ich sah ihn böse an. „Lass mich endlich mit dieser Scheiße in Ruhe. Ich habe es dem Coach schon erklärt und ich werde es euch nur einmal sagen: Ich werde nicht mehr spielen!"

„Glaubst du ernsthaft, er würde wollen, dass du das alles, deine Träume, deine Pläne, deine ganze Zukunft einfach aufgibst?", wandte nun Brycon ein. Ich schluckte hart und wandte den Blick ab. „Dass werden wir wohl nie erfahren, also was für eine Rolle spielt das schon?", flüsterte ich, machte den Reißverschluss meines Rucksacks zu und schob mir einen der Träger über die Schulter.

„Und was ist mit uns? Mit dem Team? Gerade jetzt brauchen wir einander mehr als je zuvor und du willst... was? Feige davon laufen?" Evan sah mich an, als hoffte er, mich damit umstimmen zu können. Und irgendwie erinnerte mich an den Anblick meines Dads gestern Abend in der Werkstatt, sodass es mir nur noch mehr weh tat, nun auch sie zu enttäuschen. Aber das würde ich so oder so.

„Du hast recht. Ihr Jungs braucht euch nach dem ihr euren Captain und einen Freund verloren habt", gestehe ich mit brüchiger Stimme. „Aber glaubt mir, ich bin das letzte, was dieses Team oder irgendwer von euch braucht."

A/N:

Wenn auch etwas verspätet, hier wäre dann das letzte Kapitel für heute.

Auch, wenn dieses nicht unbedingt so viel spannender, als das davor war, könnt ich euch schon mal auf die nächste Rückblende freuen. Denn das ist einer der Szenen, auf die ich mich mit am meisten freue. Dort werdet ihr dann auch erfahren, wie Ryler zu Akela kam und könnt euch auf ein ganzen Kapitel von Charlie und Ryler freuen.

Ich tue es zumindest XD

Somit wäre das mein letztes Kapitel, bevor 2018 endet. Krass und irgendwie unheimlich, dass das Jahr schon wieder vorbei ist. Jetzt werde ich wieder ein halbes Jahr brauchen, bis ich mich daran gewöhnt habe, 2019 statt 2018 zu schreiben. Aber ich habe mir vorgenommen im kommenden Jahr nicht nur produktiver zu werden, sondern nach 6 Jahren (die ich dann schon daran schreibe) dieses Buch im Sommer endgültig zu beenden.

Was sind eure Neujahresvorsätze?

Ansonsten wünsche ich euch ein guten Rutsch ins neue Jahr.

Hab euch lieb ihr Verrückten,

Arrivideci.

Ich widme dieses Kapitel @Nathi_Lina_66 . Du gehörst zu den Menschen, wegen denen ich so froh bin, mich damals bei Wattpad angemeldet zu haben und deswegen mich glücklich schätzen zu können, dich kennengelernt zu haben. Wegen Menschen wie dir liebe ich Wattpad. Danke

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