20. | C H A R L I E
V E R G A N G E N H E I T
Ich presste mir die schweren Bücher für meine nächste Stunde an meine Brust. Irgendwie schaffte ich es, meine Spindtür zuzuschlagen, ohne dabei etwas fallen zu lassen und mir womöglich meinen Fuß wegen des zentnerschweren Atlanten zu brechen, den ich für Geographie brauchte.
„Brauchst du Hilfe?"
Bei dem klang der tiefen Stimme neben mir, setzte mein Herz kurz aus und in der nächsten Sekunde stolperte ich bereits über meine eigenen Füße. Aber bevor ich oder meine Bücher einen denkwürdigen Sturz am Montagmorgen mitten Flur umgeben von Menschen hinlegen und nähere Bekanntschaft mit dem Fußboden unserer Schule machen konnten, stieß ich mit einer breiten Brust zusammen. Rylers Brust.
„Also hätte ich geahnt, dass du mir so um den Hals fallen würdest, wenn ich dir meine Hilfe anbiete, hätte ich das schon viel früher getan", hörte ich Ryler leise glucksen, als seine Hände an meinen Armen nach oben glitten und er mich schließlich wieder vorsichtig aufrichtete.
Ich spürte wie mein Gesicht heiß wurde, während er mir meine Bücher aus der Hand nahm und auf mich hinunter lächelte. Wenn ich so dicht vor ihm stand, kam er mir plötzlich noch viel größer vor.
„Hey", brachte ich schließlich hervor. Wie einfallsreich.
Das Lächeln auf seinen Lippen verzog sich zu einem schiefen Grinsen und das Grübchen in seiner rechten Wange, das daraufhin erschien, lenkte mich für einen kurzen Augenblick ab.
„Selber Hey."
Er legte den Kopf schief und plötzlich kam mir ein ganz anderer Gedanke. Verdammt, begrüßte man sich überhaupt so, wenn man zusammen war? Sollte ich ihn umarmen oder doch eher küssen? Aber wenn ja, sollte ich ihn auf den Mund küssen? Aber andererseits wäre das vielleicht überhaupt nicht angebracht in aller Öffentlichkeit oder er fühlte sich dabei unwohl. Aber wenn ich ihn auf die Wange küsste, könnte es ihm womöglich den Eindruck vermitteln, mir wäre es peinlich ihn in der Öffentlichkeit auf den Mund zu küssen.
Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe. Plötzlich bereute ich es, dass ich nicht einen dieser schnulzigen Nicholas Sparks Filme gesehen oder eines dieser kitschigen Bücher gelesen zu haben. Dann hätte ich sicherlich gewusst, was zu tun wäre.
Doch in der nächsten Sekunde wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Ryler mit dem Daumen seiner freien Hand über meine Unterlippe glitt, auf die ich mir bis eben noch gebissen hatte.
„Wenn du machst, möchte ich dich am liebsten sofort wieder küssen. Gleich hier, mitten im Flur", gestand er. Ich musste schlucken, als ich sah, wie sich seine Augen bei seinen Worten verdunkelten. „Dabei will ich mir unseren nächsten Kuss eigentlich aufheben."
Er ließ die Hand sinken.
„Au- aufheben?"
Den Blick noch immer auf meinen Mund geheftet, stieß Ryler ein zustimmendes Brummen aus, bei dem ich unwillkürlich erschauerte. „Für unser Date", erklärte er schlicht.
„Date?", hackte ich nach und konnte nichts gegen das dämliche Grinsen tun, das sich daraufhin auf meinen Lippen ausbreitete. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du mich gefragt hättest, ob ich mit dir ausgehen möchte."
Ein amüsiertes Glitzern funkelte in seinen Augen, als sich unsere Blicke wieder kreuzten. „Deswegen bin ich hier."
Er beugt sich ein Stück zu mir herunter, sodass sich unsere Nasenspitzen beinahe berühren. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht, während ihm eine schwarze Locke in die Stirn fiel.
„Geh mit mir aus, Charlie Ashbeern", wisperte er und sah mir fest in die Augen.
„Das klingt nicht nach einer Frage." Mir gefiel es ihn zu ärgern.
Er hob eine seiner dichten Brauen, als würde fragen, ob das tatsächlich das einzige wäre, dass ich darauf zu erwidern hätte. Dann seufzte er ergeben. „Also gut." Er räusperte sich. „Würdest du, Charlie Ashbeern, mir, Ryler Shapiro, mir die unsagbare Ehre erweisen und mit mir ausgehen?"
Ich kicherte. „Ein einfache ‚Möchtest du mit mir ausgehen', hätte auch gereicht."
„Also, ist das ein Ja?"
Ich nickte seufzend. „Natürlich, ist das ein Ja. Aber wir müssen nicht schick essen gehen, oder so. Von mir aus könnten wir auch einfach zum Rosies fahren und"-
„Nein. Unser erstes Date soll etwas Besonderes sein", unterbrach er mich und sah mir fest in die Augen. Er wirkte entschlossen. „Ich möchte alles richtig machen, okay? Ich will dich auf Dates einladen, mit dir ins Kino gehen und in den Pausen heimlich unter der Tribüne knutschen."
„Auch in der Besenkammer?" Ich grinste.
Er nickte schmunzelnd. „Von mir aus auch da." Dann wurde sein Blick wieder ernster. „Ich möchte dich auch meinem Dad als meine Freundin vorstellen und andersherum möchte ich mich deinen Eltern als dein Freund vorstellen. Ich will es offiziell machen, Charlie. Wenn ich könnte, würde ich es von den Dächern schreien und es der ganzen Welt sagen."
Gerührt sah ich ihn an, weil die meisten auf solche Dinge keinen Wert mehr legten. „Meine Mom hatte recht. Du bist einer echter Gentleman."
Er verzog das Gesicht. „Ich bin mir sicher, ein Gentleman hätte die Tatsache, dass er unter einer Tribüne über die herfallen will, wesentlich diplomatischer ausgedrückt."
Ich lachte. „Streite es ruhig ab, aber ich kenne die Wahrheit. Tief im Herzen bist du ein wahrer Gentleman."
Er öffnete den Mund, um mir zu widersprechen, doch dann ertönte die Klingel. Er fluchte. „Verdammt, ich komme zu spät zu Bio. Mrs. Cavannah wird mich umbringen." Er gab mir meine Bücher mit einem entschuldigenden Lächeln zurück, bevor er auch schon los rannte. Bereits nach wenigen Metern machte er wieder auf dem Absatz kehrt und kam zu mir zurück.
In der nächsten Sekunde lagen seine Lippen warm auf meiner Wange. Meinem Mund so gefährlich nahe, dass ich unwillkürlich nach Luft schnappte. „Samstag, um Acht. Ich hole dich ab", flüsterte er an meiner Haut. Als er einen Schritt zurück wich, grinste er wie ein kleiner Junge, der den Weihnachstmorgen nicht mehr abwarten konnte.
„Ich kann es kaum erwarten, dich wieder zu küssen."
Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe herum, als ich mich im Spiegelbild zum hundertsten Mal an diesem Abend kritisch beäugte und wie jedes Mal an meinen Schuhen hängenblieb.
Ich hatte keine Ahnung, ob man Turnschuhe zu einem Date tragen konnte. Auch wenn ich vielleicht nie viele dieser schnulzigen Liebesfilme gesehen hatte, wusste ich jedoch, dass sich die Mädchen zu einem Date immer in Schale schmissen. Angefangen bei einem umwerfenden Kleid und aufwendigen Make-Up, bis hin zu mörderisch hohen Schuhen. Ich dagegen trug ein einfaches Sommerkleid, hatte lediglich ein bisschen Mascara und farblosen Lipgloss aufgetragen und war in alte Chucks geschlüpft.
Aber was wusste ich schon von Dates. Immerhin war ich bis zum heutigen Abend noch nie auf einem gewesen. Vorausgesetzt man zählte den Kinobesuch mit Tristan Petersen in der sechsten Klasse nicht mit. Ich konnte nur hoffen, dass Ryler nicht vor hatte, mich in irgendein edles Restaurant zu zerren.
Ich blies mir gerade die widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, die sich andauernd aus der Klammer löste, mit der ich meine vordere Haarpartie zurückgesteckt hatte, als die Klingel ertönte.
Ich riss die Augen auf und begann plötzlich mich hektisch im Zimmer umsehen. Während ich hörte, wie unten die Tür geöffnet wurde und Cole Ryler begrüßte, fischte ich nach meiner Jeansjacke, die über meiner Stuhllehne lag. Eilig tastete ich meine Taschen nach meinem Schlüssel und meinem Handy ab, bevor ich noch einmal tief durchatmete. Oder vielleicht auch drei oder vier Mal.
Dann knipste ich das Licht aus, zog meine Tür hinter mir zu und versuchte Ruhe zu bewahren, als ich nach unten ging.
„Oh, verdammt, du hättest sein Gesicht sehen sollen", gluckste Cole in dem Augenblick, als ich schließlich die untersten Treppenstufen erreichte und ich die beiden an der geöffneten Haustür im Flur stehen sah.
Ryler wollte gerade ansetzen, um etwas darauf zu erwidern, als er mich über die Schulter meines Bruders hinweg am Absatz der Treppe entdeckte. Was auch immer er hatte sagen wollen, schien in Vergessenheit zu geraten, als sein Blick anerkennend über mich hinweg glitt. Ich hätte schwören können, dass seine Mundwinkel zuckten, als er meine Chucks bemerkte. Doch als er mir wieder ins Gesicht sah, lag ein stolzes Glitzern in seinen Augen.
„Ich glaub du sabberst, Kumpel", mischte sich Cole mit einem Mal ein und verzog das Gesicht. „Hör auf meine Schwester so anzuschmachten, wenn ich neben dir stehe. Das ist ja widerlich."
Ryler boxte ihm fest gegen den Arm. Doch während Cole sich die Stelle rieb, feixte er.
Aber Ryler beachtete meinen Bruder gar nicht weiter, sondern machte stattdessen einen Schritt auf mich zu. „Bereit?", fragte er mit einem sanften Lächeln und griff nach meiner Hand.
In der vergangenen Woche hatte Ryler mich zwar nicht geküsst, dennoch hatte er meine körperliche Nähe gesucht. Manchmal waren es nur flüchtige Berührungen am Knie in der Cafeteria gewesen, das kurze Streichen seines Daumes über meinen Handrücken oder ein unschuldiger Kuss auf die Stirn. Und manchmal, wenn er mich zu meinen Kursen begleitete oder wir zusammen zur Cafeteria gingen, hielt er meine Hand.
Jedes Mal wenn er das tat, wurde mir ganz eng in der Brust und von meinem Arm ausgehend, breitete sich dieses seltsame Kribbeln in meinem ganzen Körper aus. Genauso wie jetzt, als er unsere Finger miteinander verschränkte und mich ein Stückchen näher zu sich zog, als wäre ihm die Entfernung zwischen uns noch immer viel zu groß, obwohl uns nicht mal ein ganzer Schritt voneinander trennte.
Ich nickte, als ich zu ihm hochsah. „Bereit."
„Kommt ja nicht zu früh nach Hause", warnte uns mein Bruder, als wir hinaus auf die Veranda in die laue Sommernacht traten.
Wir hatten gerade Rylers Wagen erreicht, als Cole uns hinterher rief: „Und denkt an Verhütung! Nicht vergessen, rausziehen bringt nichts."
„Dass hat er nicht wirklich gerade vor unserer ganzen Nachbarschaft gesagt, oder?" Ich verzog gequält das Gesicht, während Ryler mir leise glucksend die Tür aufhielt „Wieso kann ich keinen dieser normalen Brüder haben, die nicht einmal das Wort Sex mit ihrer Schwester in einem Satz hören wollen?", murmelte ich leise zu mir selbst, als ich in den Pickup kletterte.
Ryler schlug die Tür hinter mir zu und umrundete den Wagen, während ich sah, wie mir mein Bruder mit einem dämlichen Grinsen von der Veranda aus zuwinkte.
„Manchmal kann ich kaum glauben, dass ihr Zwillinge seid", erklärte Ryler, sobald auch er eingestiegen war.
„Zweieiige Zwillinge", betonte ich, wie nur unschwer zu erkennen war, als er den Zündschlüssel umdrehte und der Motor leise aufheulte.
„Ach, echt? Dass ist mir noch gar nicht aufgefallen."
„Ha ha, spar dir deine Ironie", brummte ich und streckte ihm die Zunge raus, doch er schmunzelte bloß amüsiert über mich. Sobald er auf die Straße gebogen war und wir uns von meinem Haus entfernten, kehrte die Nervosität zurück. Unruhig zupfte ich an dem Saum meines Kleides herum, während ich den Blick durch den Wagen gleiten ließ.
Dabei fiel mir ein Korb hinten auf der Ladefläche auf.
„W- Was hat es mit diesem Korb auf sich?", fragte ich neugierig.
„Das verrate ich dir nicht", erklärte Ryler, den Blick auf die Straße geheftet.
„Wieso nicht?"
„Weil es eine Überraschung ist."
Ich begann wieder auf meiner Unterlippe zu kauen, während ich ihn von der Seite musterte. Er sah in den dunklen Jeans und dem weißen Hemd, das er lässig hochgekrempelt hatte, auf völlig unkomplizierte Weise gut aus. Der Knopf an seinem Kragen stand offen und gab den Blick frei auf ein Stück der gebräunten Haut darunter. Ich hätte zu gerne gewusst, wie sie sich anfühlte. Ob sie weich war oder doch so rau und von Narben gezeichnet wie seine Hände?
„Du bist nervös, mhm?", riss mich Rylers Stimme aus meinen Gedanken. Ich blinzelte und senkte den Blick, als ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden.
Dann nickte ich. „Irgendwie schon", murmelte ich und begann wieder mit dem Saum meines Kleides zu spielen.
„Ich würde dir gerne sagen, dass du das nicht zu sein, brauchst, aber", - er kratzte sich am Hinterkopf – „Ehrlich gestanden, bin ich selbst ganz schön nervös."
„Davon lässt du dir aber nichts anmerken", gestand ich und runzelte die Stirn, während ich mich fragte, wie er dabei trotzdem so gelassen wirken konnte.
Er grinste. „Naja, ich bin eben gut darin, mir nichts anmerken zu lassen. Sonst hättest du wohl auch kaum angenommen, dass ich in jemand anderes verliebt sei."
Ich hob eine Braue. „Ach ja? Wenn du so gut darin bist, dir nichts anmerken zu lassen, woher wusste es dann mein Bruder?"
Er lachte. „Okay, vielleicht bin ich doch nicht so gut darin. Aber ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass er seit sieben Jahren mein bester Freund ist und wir den anderen wahrscheinlich besser kennen, als uns selbst", erklärte Ryler. In derselben Sekunde fuhren wir an einem Schild vorbei, dass die Knightley High ausschilderte.
„Ähm, wieso fahren wir zur Schule?"
Ryler grinste nur verschwörerisch, bevor wenige Minuten später das rote Backsteingebäude auftauchte und wir auf den menschenleeren Parkplatz bogen. Irgendwie war es seltsam die Schule so verlassen zu sehen.
Der Wagen kam direkt hinter den Tribünen des Spielfeldes zum Stehen.
„Was hast du vor?", fragte ich verwirrt, als Ryler die Tür aufschwang und ausstieg. Er lehnte im Türrahmen und zwinkerte mir zu. „Dass wirst du nur erfahren, wenn du aussteigst."
Damit warf er die Tür zu und schnappte sich den Korb von der Ladefläche. Völlig ratlos sah ich ihm dabei zu, wie er den Wagen umrundet und meine Tür öffnete. Er hielt mir seine ausgestreckte Hand entgegen.
„Wir brechen aber nicht in die Schule ein, oder?", hakte ich skeptisch nach.
Er schüttelte lachend den Kopf. „Nein und jetzt komm. Ich will dir was zeigen."
Ich griff ergeben seufzend nach seiner Hand und ließ mir von ihm aus seinem Wagen helfen, bevor er mich in Richtung des Spielfeldes führte, das im silbernen Licht des Vollmondes noch größer als sonst wirkte. Hier draußen war es völlig still, bis auf unsere leisen Schritte im Gras.
Als ich den Blick hob und hoch in den Himmel sah, war ich für einen Augenblick völlig benommen von den tausenden Sternen über uns. Es sah aus, als würden wir in einen ganz anderen Nachthimmel sehen, an dem viel mehr Sterne funkelten. Einer heller als der andere.
„Hier in der Nähe sind nirgendwo Straßenlaternen und wenn die Strahler aus sind, sieht man die Sterne hier viel deutlicher", sagte Ryler mit sanfter Stimme ganz dicht an meinem Ohr. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass wir stehen geblieben waren, so sehr nahm mich der Anblick des Himmelzeltes ein.
„Ich wollte dich erst, in dieses neue Steakrestaurant ausführen, dass vor ein paar Wochen eröffnet wurde. Aber dann dachte ich mir, dass viele behaupten können, an ihrem ersten Daten irgendwo schick essen gewesen zu sein", erklärte er und fuhr sich durch das Haar. Plötzlich wirkte er nicht mehr so gelassen und gefasst wie eben noch im Wagen. „Ich meine, was wäre persönlicher für ein Date von uns beiden, als Käse Sandwiches auf dem Footballfeld unter dem Sternenhimmel zu essen, nicht wahr?", stammelte er verunsichert, als ich immer noch nichts gesagt hatte.
Doch statt ihm zu antworten, stellte ich mich auf die Zehnspitzen und küsste eines seiner Grübchen. Ich drückte seine Hand.
„Also, gefällt es dir?", fragte er hoffnungsvoll. „Wenn nicht, fahre ich mit dir auch sofort zu jedem Restaurant, das du willst."
Ich schüttelte den Kopf, während ich den Kopf in den Nacken gelegt zu ihm hoch lächelte. „Aber ich wette, die haben keine so tollen Käse Sandwiches."
Augenblicklich verwandelte sich das nervöse Lächeln in ein breites Strahlen. „Dann sollten wir uns wohl beeilen. Wenn wir Glück haben, sind sie noch warm."
Eine Stunde später lagen wir nebeneinander auf der ausgebreiteten Picknickdecke im Gras und sahen hoch zu den Sternen. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Ryler neben warmen Käsesandwiches, auch Bagels mit Putenbrust, Obst und einige Dosen Fanta eingepackt, mit denen wir lachend angestoßen hatten. Als ich die Oreos mit Double Cream entdeckt hatte, entschloss ich, dass Ryler der Mann meiner Träume sein musste.
Mittlerweile standen vier leere Fanta Dosen neben der Picknickdecke und von den Käsesandwiches war nur noch die Alufolie übrig, in die sie eingewickelt gewesen waren.
„Guck mal", sagte ich und deute mit dem ausgestreckten Finger in den Himmel. „Da ist die Corona Borealis."
„ Ich dachte Corona wäre ein Bier."
Ich lachte leise in mich hinein.
„Die Corona Borealis, auch als nördliche Krone bekannt, besteht aus sieben Sternen. Es sieht aus wie ein großes C", erklärte ich und zeichnete mit dem Finger in der Luft Linien zwischen den Sternen.
Als er schwieg, drehte ich den Kopf zu ihm und sah, wie er stirnrunzelnd den Himmel absuchte. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, weil er wirklich süß aussah, wenn er so völlig ahnungslos in den Himmel starrte. „Ich sehe absolut gar nichts", gab er sich geschlagen. „Ich habe keine Ahnung wie du da am Himmel irgendwas widerfindest. Mir kommt es immer so vor, als würde der Himmel jedes Mal anders aussehen, wenn ich ihn anschaue. Selbst wenn ich nur ganz kurz weggeguckt habe."
„Kennst du denn zumindest den Großen Wagen?", fragte ich.
Er sah mich hilflos an. „Wenn ich Nein sage, verurteil mich bitte nicht."
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich werde einfach so tun, als hätte ich dich nie danach gefragt."
Er seufzte gespielt erleichtert auf, bevor wir beide uns wieder den Sternen zuwandten.
„Also welche Geschichte hat diese Corona Boris?"
Ich kicherte. „Corona Borealis"
„Na gut, dann ebenso. Also, was für eine Geschichte hat sie?"
Ich sah einen Augenblick die Sternenkonstellation an, bevor ich zu erzählen begann: „Laut der griechischen Mythologie handelt es sich um die Krone Ariadne. Sie war die Tochter von Minos, dem König von Kreta. Man erzählte sich, dass sie Herkules damals aus dem Labyrinth des Minotaurus heraus half. Und das nur, indem sie ihm einem Faden gab, mit er den Ausweg fand."
Ich spürte wie Ryler seine Finger zwischen meine schob. Als er begann, mit dem Daumen sanfte Kreise auf meiner Handfläche zu beschreiben, war ich für einen kurzen Augenblick von dem Prickeln unter meiner Haut abgelenkt.
„Und dann?", holte mich Ryler mit sanfter Stimme aus meinem Gedanken an seine magischen, schwieligen Finger zurück.
Ich räusperte mich. „Ähm, naja, nach der Flucht, brachte Herkules Ariadne nach Naxos, wo er sich dann allerdings nicht weiter um sie kümmerte. Er ließ sie im Stich. Doch dann traf sie Bacchus, der sich schon bald in sie verliebte. Als Beweis seiner unsterblichen Liebe, ließ er ihre Krone in den Himmel emporschweben, um die Frau, die er liebte, für immer am Himmel zu verewigen."
Ich lächelte, als ich daran zurück dachte, wie oft mein Großvater mir diese Geschichte hatte erzählen müssen. „Als kleines Mädchen, fand ich diese Geschichte immer unglaublich romantisch. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass der Mann, der mich eines Tages liebte, dasselbe für mich tun würde. Andernfalls würde er mich nicht wirklich lieben."
Ich schüttelte amüsiert über das kleine Mädchen von früher den Kopf. „Ich hatte ganz schön hohe Ansprüche als kleines Mädchen an den Mann meiner Träume."
Ich drehte den Kopf, bis ich Rylers Blick begegnete. In seinen mitternachtsblauen Augen, die mich so sehr an den Sternenhimmel erinnerten, der mich mein halbes Leben lang faszinierte, lag so viel Zärtlichkeit, dass sich mir die Kehle zuschnürte. Es war derselbe Ausdruck wie an dem ersten Abend in dem Diner. Danach hatte er mich oft so angesehen. Nur hatte ich ihn nie verstanden, bis jetzt.
Er setzte sich auf und lehnte sich über mich, bis ich nur noch ihn sah. Er stemmte eine Hand neben meinem Kopf auf und sah auf diese bestimmte Weise auf mich hinunter. Sein rechter Mundwinkel wanderte ein Stück nach oben, bis ein schwaches, schiefes Lächeln auf seinen Lippen lag.
„Ich würde die Sterne für dich stehlen, Charlie", sagte er mit rauer Stimme, bei der ich unwillkürlich erschauerte. „Dass hatte ich dir doch versprochen", erinnerte er mich und lehnte sich noch etwas weiter vor, bis ich sich unser Atem vermischte. Mein Herz klopfte wie wild.
Unsere Münder schwebten nur noch Zentimeter voneinander entfernt, als ein schelmisches Funkeln in seinem Blick aufblitzte. „Heißt das dann, dass meine Chancen gut stehen, um der Mann deiner Träume zu sein?"
Ich verpasste ihm einen Stoß zwischen die Rippen. „Idiot", grummelte ich. „Jetzt ganz bestimmt nicht mehr."
Das Lächeln auf seinen Lippen verwandelte sich in ein herausforderndes Grinsen. „Lass mir eine Chance, um dich umzustimmen. Nur eine einzige", wisperte er, ehe er auch schon seinen Mund auf meinen presste.
Der Kuss begann langsam. Wir ließen uns Zeit um die Lippen des anderen zu erkunden. Fast schon so, als versuchten wir uns jedes Detail davon einzuprägen.
Ich krallte eine Hand in sein Hemd, um ihn noch näher zu mir zu ziehen, während die andere in seinem dichten Haar vergrub. Als ich daran zog, stieß er ein Knurren aus, das tief aus seiner Brust drang, bevor er den Kuss intensivierter. Er biss mir sanft in die Unterlippe und als mir ein überraschtes Keuchen entwich, schlüpfte seine Zunge in meinen Mund.
Ich hatte mir Zungenküsse immer irgendwie ziemlich feucht und eklig vorgestellt. Die Vorstellung, jemand anderem die Zunge in den Mund zu stecken, hatte auf mich nie sonderlich reizvoll gewirkt. Doch als Rylers Zunge sanft mit meiner spielte, war ich mir sicher, dass ich meine Einstellung zu Zungenküssen in jedem Fall überdenken musste.
Als er sich von mir löste, keuchten wir beide. „Und, stehen meine Chancen jetzt wieder gut, der Mann deiner Träume zu werden?"
Ich biss mir auf die Lippe, als müsste ich ernsthaft darüber nachdenken. „Mhm, ich bin mir ganz sicher", murmelte ich. „Ich glaube, dafür reicht ein Kuss nicht, um das zu entscheiden."
Ich sah, wie seine Mundwinkel zuckten, bevor ich ihn wieder an den Haaren zu mir herunterzog, um dort weiter zu machen, wo wir aufgehört hatten. Doch gerade, als sich unsere Lippen wieder berührten, hörte ich ein seltsames Zischen. Im nächsten Moment spritzte Wasser aus allen Richtungen. Eiskaltes Wasser.
Ich stieß einen überraschten Schrei aus, während Ryler leise fluchte. „Verdammt, ich hab die blöde Sprinkleranlage vergessen", sagte er, als wir uns aufrappelten und uns hektisch unsere Sachen schnappten.
Dann rannten wir quer über das Feld, mitten durch das spritzende Wasser hindurch. Doch dummerweise rutschte ich auf dem feuchten Rasen aus und landete auf meinen Knien. „Verfluchter Mist!"
Ryler tauchte neben mir auf und griff nach meiner Hand, um mich wieder auf die Beine zu ziehen. „Komm, beeil dich."
Doch schon innerhalb weniger Sekunden waren wir völlig durchnässt. Als wir den Parkplatz erreichten, keuchten wir beide schwer und hinterließen eine feuchte Spur auf dem Asphalt. Ryler hielt immer noch meine Hand, als wir schließlich an seinem Wagen zum Stehen kamen. Oder besser gesagt, er blieb stehen. Ich dagegen schlitterte förmlich auf meinen glatten Sohlen über den feuchten Asphalt, bis ich gegen ihn prallte.
„Langsam habe ich das Gefühl, du schmeißt dich mit Absicht an mich ran", erklärte Ryler lachend, als er in letzter Sekunde seine Arme um mich schlang, bevor ich auf dem Hintern gelandet wäre.
Ich warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu. „ Weil ja auch nichts unwiderstehlicher ist, als ein Mädchen ohne Gleichgewichtssinn", brummte ich, als Ryler mir das feuchte Haar aus dem Gesicht wischte.
Als wir uns ansahen, wie wir wie begossene Pudel auf dem menschenleeren Parkplatz vor unserer Schule standen, prusteten wir plötzlich los. Ich vergrub lachend mein Gesicht an Rylers feuchter Brust, während er von seinem tiefen Lachen geschüttelt wurde.
Ich wusste vielleicht nicht viel über Dates, aber das war definitiv das beste, erste Date aller Zeiten.
A/N:
Heyo, wie gehts, wie stehts?
Ehrlich gestanden bin ich gerade ziemlich verzückt von den beiden. Benutzt man das Wort verzückt heute überhaupt noch? Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls macht es unglaublich viel Spaß von den beiden zu schreiben, wenn sie so verliebt sind. Ich hoffe euch macht es mindestens genauso viel Spaß, davon zu lesen.
Gleichzeitig ist mir heute klar geworden, dass es nach diesem Kapitel noch etwa zwölf Kapitel (Epilog eingeschlossen) übrig bleiben. Das mag nach viel klingen, vielleicht auch nicht, aber ich persönlich finde das total verrückt. Denn angenommen ich bin in den Sommerferien produktiv und würde es schaffen, jede Woche zwei Kapitel zu schreiben, wäre ich mit dem Buch fertig, wenn die Schule wieder beginnt. Und selbst, wenn ich eine oder zwei Wochen nicht so produktiv bin, wäre es dennoch realisierbar, dass ich bis spätestens Ende August fertig bin. Damit hätte ich es tatsächlich geschafft, bis zum meinem Geburtstag (13. September) fertig zu sein, wie ich es mir vorgenommen hatte. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht mal erwartet, dass mir das gelingen würde, doch jetzt scheint das gar nicht mehr so abwegig zu sein. Und der Gedanke ist echt verrückt. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass das große Finale und auch die Enthüllung, was in jener Nacht passiert ist, immer näher rückt.
Einerseits kann ich es mir gar nicht vorstellen, dass das Ende von Rylers und Charlies Geschichte in gar nicht all zu weiter Ferne liegt. Inzwischen begleiteten die beiden mich seit fünf Jahren, auch wenn sich ihre Geschichte in all der Zeit sehr verändert hat. Doch obwohl der Gedanke beängstigend ist, mit etwas abzuschließen, dass mich solange begleitete hat (gefühlt meine ganze Pubertät) und zusammen mit mir gereift ist, denke ich doch, dass es an der Zeit ist. Ich fühle mich bereit zu und ich freue mich auch auf all die Charaktere und Geschichten, die schon so lange darauf warten, dass ich sie erzähle. Auch wenn ich nach Beenden des Buches, sicherlich erstmal eine Pause vom Schreiben nehmen muss. Einfach um meine Gedanken zu sortieren und zu überlegen, für welche Geschichte mein Herz brennt. Und auch um Abstand zu gewinnen zu Ryler und Charlie, bevor ich ein letztes Mal Korrektur lese und ein paar minimale Änderungen vornehmen (,falls ich etwas finde, dass geändert werden muss, wie z.B. Logik-Fehler oder dergleichen).
Aber nun gut, noch ist es nicht so weit. Noch stecken wir mitten drin in der Liebesgeschichte der beiden und können und noch auf einige süße Szenen freuen. Doch vor allem könnt ihr euch auf viel, vieeeeel Drama gefasst machen, ihr Süßen...
Frage der Woche (2, weil ich schon einmal geupdatet habe diese Woche):
Was gefällt euch am besten an Charlie und Ryler, wenn sie zusammen sind?
Und wann beginnen eure Ferien oder habt ihr schon Ferien, so wie ich?
Arrivideci Biatchos!
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