Shattered
"It feels like a tear in my heart
Like a part of me missing
And I just can't feel it
I've tried and I've tried
And I've tried
Tears on my face I can't take it
If lonely is a taste then it's all that I'm tasting
Do you hear my cry?
I cry..."
-Can You Hold Me, NF
Regen. Große Wassertropfen, die vom Himmel fielen und beständig auf alles niederprasselten. Ich hatte einmal gelesen, dass er beruhigend wirken sollte. Dass das Geräusch von Regen einen Menschen entspannen konnte. Davon spürte ich jedoch nichts.
Der Regen, der von meinem Schirm hinunterlief, das Grass zu meinen Füßen durchnässte und am hölzernen, blumenüberladenen Sarg, der direkt vor mir langsam in die Erde gelassen worden war, abperlte, hatte auf mich keine beruhigende oder entspannende Wirkung.
Für mich war er kalt, trostlos... und tot.
So gesehen machte dieses Wasser, das vom Himmel kam, keinen großen Unterschied zu der Flüssigkeit, die über meine Wangen lief.
Ich sah auf, als ich eine warme Hand spürte, die meine griff und sanft drückte. Tylers ruhiger, gefasster und dennoch sorgenerfüllter Blick, welcher in den letzten Tagen nicht einmal aus seinen Augen gewichen war, traf meinen und ich rang mir irgendwie ein trauriges Lächeln ab, das wahrscheinlich eher einer Grimasse glich.
Ich hörte das leise Schluchzen meiner Mutter und für einen kurzen Moment glitt mein Blick zu ihr. Sie stand rechts neben Tyler, wie wir in komplett schwarzen Stoff gehüllt und versuchte verzweifelt ihr Weinen zu unterdrücken.
Ich schüttele nur innerlich den Kopf.
Als wenn es ihr irgendwie möglich wäre, das vor uns zu verbergen.
Ich wandte den Blick von ihr ab und sah zu meiner linken Seite, während meine Hand im selben Moment ebenfalls in diese Richtung glitt. Doch wie so oft zuvor ging sie ins Leere. Niemand stand dort. Nur Tyler und meine Mutter waren an meiner Seite.
Derjenige, dessen Anwesenheit ich mir heute so sehr herbei gesehnt hatte war nicht da.
Kurz sah ich über die Schulter über die vielen Menschen, die zur Beerdigung erschienen waren und respektvollen Abstand zu uns hielten. Doch auch dort war er nicht.
Ich schluckte hart, als noch mehr Tränen über meine Wange liefen.
Damon war nicht da.
Seit ich ihn im Krankenhaus vor ein paar Tagen weggeschickt hatte, hatte ich ihn weder gesehen noch mit ihm gesprochen und dennoch war ich mir sicher gewesen, dass er heute da sein würde.
Ich hatte mich getäuscht.
"Nathalie...", hörte ich Tylers sanfte Stimme und langsam sah ich zu ihm auf, "Es ist vorüber. Komm. Wir fahren nach Hause." Etwas erschrocken blickte ich wieder zum Grab.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war.
Ich schloss kurz die Augen, ehe ich Tyler etwas zunickte und ihm und meiner Mutter über den Friedhof folgte. Die Menge vor uns machte uns willig Platz und ich sah wie viele meiner Mutter ihr Beileid aussprachen, während Tyler dicht neben mir ging und jeden abwies, der uns ansprach, was mich ungemein erleichterte.
Ich hatte ihn zwar gebeten, das zu tun, wenn es so weit war, da ich auf irgendwelche Beileidsbekundungen von Fremden verzichten konnte, doch dass er es tatsächlich so hart durchzog, hätte ich nicht erwartet.
Ich konnte nur hoffen, dass man mich bei der Trauerfeier, die jetzt bei uns zu Hause stattfand, ebenfalls in Ruhe lassen würde.
Mit schnellen Schritten bahnten wir uns einen Weg zum Parkplatz, wo unser Auto stand, als eine Stimme hinter uns ertönte.
"Alie?" Langsam drehte ich mich um und sah direkt in Bonnies glasige Augen, die mich reuevoll musterten. Ich spürte die fragenden Blicke von Tyler und meiner Mutter auf mir und musste kurz tief durchatmen, um die Fassung zu behalten. Sie durften das nicht hören.
"Steigt schon mal ein. Ich komme gleich", sagte ich leise zu ihnen, ehe ich etwas an Bonnie herantrat.
"Wie... wie geht's dir?", fragte sie unsicher, als meine Familie im Auto saß, was mich nur die Augenbrauen heben ließ. Meinte sie das ernst?
"Ich weiß, dumme Frage...", fügte sie da schnell hinzu und sah kurz zu Boden, ehe sie mich wieder direkt anblickte, "Alie, es tut mir so-"
"Oh nein!", sagte ich gefährlich leise, "Wage es ja nicht, dich zu entschuldigen!" Wie konnte sie es wagen hier aufzukreuzen und um Verzeihung zu bitten?!
"Bitte, Alie! Ich-", begann sie erneut, doch ich unterbrach sie wieder.
"Denkst du ernsthaft, dass du das mit einer Entschuldigung wieder gutmachen kannst?", fragte ich und versuchte verzweifelt meine Stimme leise zu halten, damit die anderen im Wagen nicht doch etwas mitbekamen, "Dass du auf der Beerdigung meines Vaters hier auftauchen kannst, um dein Gewissen zu beruhigen?!", sprach ich weiter und ich sah wie Bonnie den Mund öffnete, doch ich ließ sie nicht zu Wort kommen, "Du hast gelogen, Bonnie! Du hast uns alle angelogen... Und warum? Weil es dir egal war, ob denen, die mir oder Elena wichtig sind etwas passiert? Weil du die ach so bösen Vampire tot sehen wolltest?!"
"Ich habe getan, was ich für richtig hielt!", rief Bonnie aus, die nun den Tränen nah war.
Ich stieß einen Laut aus, der eine Mischung aus Schluchzen und Schnauben war, während ich mir über meine nassen Wangen wischte.
Sie war immer noch der Meinung vollkommen im Recht zu sein.
"Und schau, wohin es uns gebracht hat...", sagte ich leise und ließ meinen Blick zum Friedhofseingang gleiten, wo nun die restlichen Trauergäste heraustraten und langsam in Hörweite kamen, "Ich will dich bei der Trauerfeier nicht sehen", sagte ich ernst und sah meine ehemalige Freundin wieder direkt an, die mich vollkommen entsetzt anblickte.
"Alie-", begann sie, doch ich schnitt ihr das Wort ab.
"Ich will dich nie mehr in meiner Nähe haben, es sei denn wir haben Schule und damit keine Wahl!", ich trat einen Schritt auf sie zu und fixierte sie mit hasserfülltem Blick, "Du bist für mich gestorben, Bonnie Bennett! Fahr zur Hölle!"
Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte ich mich ab und stieg in den schwarzen Wagen hinter mir ein, wo ich sofort Tylers besorgtem Blick begegnete.
"Alles klar?", fragte er leise, was mich nur etwas nicken ließ. Ich hätte meinen Zorn von Anfang an an Bonnie auslassen sollen. Sie hatte ihn im Gegensatz zu Damon mehr als verdient.
Ich schloss schmerzerfüllt die Augen, als ich an den Schwarzhaarigen dachte. Es war nicht fair von mir gewesen ihm die Schuld zu geben. Das war mir inzwischen bewusst geworden. Bonnie hatte dieses Unglück durch ihren Verrat herbeigeführt, nicht er.
"Warten wir noch auf Elena?", fragte meine Mutter da und ich öffnete die Augen wieder, um zu ihr nach vorne zu blicken. Ihre Stimme war ruhig und auch ihr Gesichtsausdruck wirkte gefasst. Sie hatte sich wohl wieder im Griff. Anders als ich.
"Nein", antwortete ich auf ihre Frage, "Ihr ist etwas dazwischen gekommen. Sie musste etwas früher gehen", ich schluckte hart, als ich daran dachte, was genau ihr dazwischengekommen war, "Sie kommt nachher bei der Trauerfeier wieder dazu." Meine Mutter nicke verstehend und wies den Chauffeur an, loszufahren, während ich einmal tief durchatmete, um mich zu beruhigen.
Elena war mit Stefan vorhin ins Krankenhaus gefahren, um mit ihrem gottverfluchten Onkel John zu reden. Dieser war nämlich von Katherine angegriffen worden und hatte geradeso überlebt. Elena wollte ihn deswegen befragen und ihn danach, wie sie es mir beschrieben hatte, mit Stefans Hilfe dazu zwingen, die Stadt für immer zu verlassen.
Mir wäre es zwar lieber gewesen, dass Katherines Angriff ihn tatsächlich das Leben gekostet hätte, doch diese Option war mir auch ganz recht. Ich wollte einfach nur, dass er endgültig aus meinem Leben verschwand. Genau wie Bonnie.
Denn nur die beiden waren an allem schuld. Sie hatten mir meinen Vater genommen.
***
"Danke", murmelte ich, als mittlerweile die fünfte fremde Person zu mir getreten war und mir ihr Beileid ausgesprochen hatte. Ich hätte mich am liebsten in diesem Moment durch das nächstbeste Fenster geworfen, nur damit man mich endlich in Ruhe ließ.
Genau das hier hatte ich vermeiden wollen.
Diese teils besorgten teils neugierigen Blicke von Menschen, die ich nicht einmal kannte, welche mich beobachteten als wäre ich ein menschlicher Verkehrsunfall.
Ich wollte dieses Mitleid nicht.
Doch ich hatte im Moment keine andere Wahl.
Da meine Mutter gerade etwas mit Sheriff Forbes bereden wollte, hatte sie mich gebeten, mich um die Gäste zu kümmern. Und da Tyler die Aufgabe hatte, jeden neuen Gast an der Haustür in Empfang zu nehmen konnte er mir auch nicht zur Hilfe kommen.
Das war der Grund, warum ich allein im Salon stand und mit Beileidsbekundungen überschüttet wurde.
Kopfschüttelnd griff ich nach meinem Weinglas und leerte es in einem Zug.
Immerhin konnte dieser Tag nicht mehr schlimmer werden.
Ich drehte mich zu dem Tisch um, wo die ganzen Alkoholflaschen standen und schüttete mir erneut ein volles Glas von dem verdammt teuren halbtrockenen Wein ein, ehe ich es erneut in einem Zug austrank.
Aber mit Wein konnte man sich leider einfach nicht vernünftig betrinken.
"Sieh einer an, noch so jung und trinkt schon mehr als Großvater Lockwood in seinen besten Jahren", hörte ich da plötzlich eine vertraute Stimme hinter mir und ich fuhr herum, als ich in ein ebenso vertrautes Gesicht sah, "Hallo, Nathalie."
"Onkel Mason?", hauchte ich vollkommen ungläubig und blinzelte ein paar Mal in der festen Annahme, dass mir meine Augen einen Streich spielten. Doch das taten sie nicht. Mason Lockwood, mein Onkel, den ich das letzte Mal vor fast zwei Jahren gesehen hatte, stand direkt vor mir und legte nun den Kopf leicht schräg.
"Ist dieser ungläubige Gesichtsausdruck alles, was ich zur Begrüßung bekomme?", fragte er etwas belustigt nach, was mich das erste Mal seit Tagen zum Lächeln brachte, als ich energisch den Kopf schüttelte.
"Nein", murmelte ich, ehe ihn auch schon umarmte. Gott, hatte ich ihn vermisst.
Trotz dessen, dass er so selten zu Besuch kam, stand mir Mason genauso nah wie Tyler und meine Mutter. Ich hatte mit ihm immer über alles reden können, besonders bei Themen, die mir bei meinen Eltern oder Tyler zu unangenehm gewesen waren.
"Das will ich auch schwer hoffen", antwortete Mason und erwiderte die Umarmung, als in mir die altbekannte Geborgenheit aufstieg, die mir schon wieder die Tränen in die Augen trieb.
Ich schluckte schwer und versuchte sie zurückzudrängen, doch dennoch konnte ich nicht verhindern, dass eine Träne meine Bemühungen überwand und über meine Wange lief.
"Geht's?", fragte Mason leise, als er sich von mir löste und mich besorgt musterte.
"Ja, schon gut", sagte ich schnell und wischte die Träne weg, "Ich hab dich nur wahnsinnig vermisst. Das ist alles." Ich versuchte mich an einem Lächeln, was mir wohl auch halbwegs gelang, da Masons ernster Blick wich und er ebenfalls etwas lächelte.
"Ich dich auch, Kleines", erwiderte er und erneut hätte ich bei dem Kosenamen in Tränen ausbrechen können.
Er und mein Vater waren immer die Einzigen gewesen, die mich so genannt hatten.
Doch diesmal schaffte ich es, mich zusammenzureißen.
"Darf ich dir einen Rat geben?", fragte Mason da nach kurzer Stille und ich sah zu ihm auf.
"Hm?"
"Wenn du schon deinen Kummer ertränken willst, mach das irgendwo, wo es deine Mutter nicht sieht." Er deutete auf das leere Weinglas in meiner Hand, was mich bitter lächeln ließ. Da hatte er recht. Meine Mutter sollte wirklich nicht sehen, wie ich mich betrank.
"Wäre vielleicht besser", sagte ich nickend, als mein Blick durch die offene Tür des Salons zum Esszimmer glitt und sich mit dem von Damon kreuzte. Dieser wandte jedoch in dem Moment den Blick ab und drehte mir den Rücken zu.
"Entschuldige mich kurz, ja?", sagte ich abwesend zu Mason ohne Damon aus den Augen zu lassen. Ich musste dringend mit ihm sprechen.
"Sicher", hörte ich Mason sagen, als ich auch schon an ihm vorbeiging und Richtung Esszimmer lief.
Dort angekommen blieb ich unsicher im Türrahmen stehen. Einer der Bediensteten hatte gerade den Raum verlassen, weswegen Damon und ich allein waren.
Ich schluckte leise, als ich den Schwarzhaarigen abwartend ansah, welcher jedoch nur abwesend die dekorativen Kerzenhalter musterte, die auf dem Esstisch aufgebaut waren.
Er ignorierte mich.
Ich spürte einen kleinen Stich in meinem sowieso schon gesprungenem Herzen, doch ich ließ mir nichts anmerken, als ich langsam zu ihm trat.
"Hey", murmelte ich leise.
"Hey", erwiderte er kurz angebunden, während er noch immer nicht zu mir aufsah, was mich noch mehr verunsicherte. Wie sollte ich nur mit ihm umgehen? Anscheinend war er noch immer sauer auf mich.
"Ich... ich hätte nicht erwartet, dass du hier bist", sagte ich nach kurzem Schweigen.
"Ich muss nur etwas Geschäftliches mit dem Sheriff bereden. Danach bin ich wieder weg", antwortete er kühl und ich schüttelte etwas aufgebracht den Kopf. Er hatte meine Aussage vollkommen falsch verstanden.
"So meinte ich das nicht, ich... Ich dachte nur, du würdest auch zur Beerdigung kommen. Nicht nur zur Trauerfeier", sagte ich und sprach mit Mühe, die beiden Worte aus, die für mich noch immer so surreal klangen.
"Und ich dachte, dass du mich da bestimmt nicht haben willst", sagte Damon, als er endlich zu mir aufsah und meinen Blick erwiderte. Ich begegnete der Kälte, die in seinen Augen lag, und erzitterte ein wenig.
Gott, was hatte ich nur getan? Wie hatte ich ihn so sehr von mir stoßen können?
"Es tut mir leid", flüsterte ich und sah zu Boden, "Was ich im Krankenhaus zu dir gesagt habe, war nicht fair. Ich war aufgewühlt und... Es war falsch, dir die Schuld zu geben."
Ich schaute wieder zu ihm auf und trotz der Tatsache, dass sein Blick etwas weicher geworden war, wirkte er auf unerklärliche Weise immer noch weit entfernt von mir.
"Ist in Ordnung, Zoey", sagte er leise, was ich ihm aber nicht im Geringsten glaubte.
"Sicher?", fragte ich nach, "Du wirkst nämlich ganz und gar nicht so."
"Ich sagte, alles bestens!", erwiderte er nun etwas härter und ich wich einen Schritt vor ihm zurück, als ich spürte, wie sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
Es war, als hätte ich mit meinen Worten, die ich ihm im Krankenhaus an den Kopf geworfen hatte, eine Kluft zwischen uns gerissen. Und diese Kluft war in den wenigen Tagen, die wir nicht miteinander gesprochen hatten zu einer solchen Größe gewachsen, dass es mir nicht mehr möglich war, ihn irgendwie zu erreichen.
Ich spürte, wie mir bei dieser Erkenntnis Tränen in die Augen stiegen, doch ich hielt sie zurück, während ich innerlich den Kopf schüttelte. Es konnte nicht sein, dass nur meine Worte diese Distanzierung ausgelöst hatten.
Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als ich mich plötzlich an den Augenblick im Krankenhaus zurückerinnerte, nachdem Katherine aufgetaucht war und Damon angegriffen hatte. Der abwesende Ausdruck, der in diesem kurzen Moment in seinen Augen gelegen hatte, war dem Blick, mit dem er mich jetzt ansah, erschreckend ähnlich.
"Es ist Katherine, oder?", sprach ich da meine Gedanken aus, "Du machst dir wegen ihr Gedanken." Kurz sah er mich ungläubig an, ehe ein freudloses Lächeln in seinem Gesicht erschien und er bitter auflachte.
"Das ist es also", murmelte er kopfschüttelnd, "Deshalb redest du mit mir."
"Damon-", begann ich erschrocken, als ich realisierte, dass er meine Aussage schon wieder völlig falsch interpretierte, doch er schnitt mir das Wort ab.
"Du hast Angst", sagte er feststellend und trat einen Schritt an mich heran, um mich mit seinem Blick zu fixieren, "Du denkst, dass mich Katherine wahnsinnig macht. Dass ich wegen ihr den Verstand verliere, richtig?", ich wollte etwas erwidern, jedoch ließ er mich gar nicht zu Wort kommen, "'Dazu brauche ich sie nicht.'" Damit wandte er sich von mir ab und verließ schnellen Schrittes den Raum.
"Damon, bitte! Ich...", rief ich ihm hinterher, während ich hilflos den Kopf schüttelte, doch er war bereits fort.
Ich seufzte schwer und strich mir niedergeschlagen das Haar aus dem Gesicht.
Wie immer hatte ich mich geirrt. Der Tag war noch schlimmer geworden.
***
"Warum ist es nochmal besser, wenn ich nüchtern bleibe?", fragte ich deprimiert und blickte aus meiner liegenden Position zu meiner besten Freundin auf, die neben mir auf meinem Bett saß.
Ich hatte mich nachdem die Trauerfeier endlich zu Ende gewesen war in mein Zimmer zurückgezogen und wie die letzten paar Nächte davor, war Elena bei mir und leistete mir Gesellschaft. Immerhin hatte ich das ja genauso gemacht, als ihre Eltern gestorben waren.
"Weil dir Alkohol bei sowas auch nicht hilft", antwortete Elena, "Vielleicht geht es dir für den einen Moment besser, aber am nächsten Morgen fühlst du dich noch schlimmer als vorher. Glaub mir, ich weiß wovon ich rede."
Ich stieß nur einen genervten Seufzer aus.
Ich wollte doch einfach nur diesen ganzen verdammten Tag vergessen. Oder gleich die gesamte Woche, wenn wir schon dabei waren.
"Außerdem kommst du nicht auf dumme Ideen, wenn du nüchtern bleibst", fügte Elena da hinzu und ich runzelte die Stirn.
"Ideen?"
"Ja. Wie zum Beispiel Damon peinliche SMS zu schicken", scherzte sie, doch ich konnte über ihren Witz nicht lachen. Dafür war meine Situation mit dem schwarzhaarigen Vampir zu angespannt.
"Oh je", murmelte Elena, die wohl meinen wenig begeisterten Gesichtsausdruck gedeutet hatte, "So schlimm?"
"Schlimm ist gar kein Ausdruck", murmelte ich und richtete mich etwas auf, um sie direkt ansehen zu können, "Ich hab das Gefühl, dass ich gar nicht richtig zu ihm durchdringe. Als hätte ich ihn mit meinen Anschuldigungen für immer von mir gestoßen." Hoffnungslos blickte ich meine beste Freundin an, welche ungläubig den Kopf schüttelte.
"Alie, du hast deinen Vater verloren. Weißt du, wie normal das ist, dass deine Emotionen da überkochen?", sagte sie verärgert, "Damon sollte das sogar noch mehr bewusst sein als mir! Das kann er doch nicht so ernst nehmen!"
"Ich denke auch nicht, dass es das ist", murmelte ich nachdenklich, "Ich glaube einfach, dass Katherine ihm zu schaffen macht."
"Du meinst, er ist noch nicht über sie hinweg?", fragte Elena und sah mich ehrlich erschrocken an, was mich den Kopf schütteln ließ. Sie hatte seine Besessenheit für Katherine gar nicht richtig mitbekommen.
"Elena, er hat 145 Jahre lang versucht diese Gruft zu öffnen, in der sie angeblich eingesperrt war", erklärte ich, "145 Jahre lang war er in eine Frau verliebt, der er vollkommen egal war. Ich denke niemand kommt über sowas innerhalb von ein paar Monaten hinweg." Jetzt, wo ich es laut aussprach, wurde mir klar, wie richtig ich lag. Es war unmöglich, dass Damon so schnell von Katherine losgekommen war. Und jetzt, wo sie hier aufgetaucht war, vergiftete sie seine Gedanken zusätzlich. Und ich hatte das ganze mit unserem Streit vielleicht sogar noch verschlimmert.
"Du solltest dringend mit ihm reden", sagte Elena nach kurzem Schweigen und sah mich ernst an, "Bevor das Ganze aus dem Ruder läuft."
"So kritisch ist es noch nicht", wank ich ab, was sie nur den Kopf schütteln ließ.
"Alie, eigentlich sollte er hier jetzt neben dir sitzen und für dich da sein, nicht ich. Wenn das, was du sagst stimmt, ist Katherine so tief in seine Gedanken eingedrungen, dass er gar nicht mal mehr darüber nachdenkt, wie es dir geht." Ich schluckte bei ihren Worten schwer und blickte zu Boden. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass Damon momentan mehr an Katherine dachte als an mich. Und dennoch... Sein Verhalten heute passte genau in dieses Bild.
Elena hatte recht. Ich musste wirklich dringend mit ihm sprechen.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als Elenas Handy plötzlich vibrierte und sie stirnrunzelnd darauf schaute.
"Stefan?", fragte ich nach, als ich das kleine Lächeln sah, das auf ihrem Gesicht erschien, und sie nickte.
"Ja. Er fragt, ob wir uns nochmal treffen können..." Zögernd sah sie zu mir auf und ich sah die unausgesprochene Frage in ihrem Blick.
"Geh ruhig. Ich komme klar", sagte ich und versuchte sie beruhigend anzulächeln, was mir anscheinend kläglich misslang, da Elena den Kopf schüttelte.
"Nein, ich sag ab. Dafür ist auch noch morgen-"
"Jetzt geh schon, Elena!", unterbrach ich sie, "Du hast bereits die letzten drei Nächte hier geschlafen. Du musst auch mal wieder woanders übernachten!" Auffordernd sah ich sie an und für einen Moment schien sie mit sich zu hadern, ehe sie seufzend nickte.
"Okay", murmelte sie und griff nach ihrer Jacke, die neben ihr lag, "Aber ich übernachte nicht bei Stefan. Wir treffen uns nur im Grill."
"Klar. Bis einer den anderen nach Hause bringt", murmelte ich und konnte einen bitteren Unterton nicht unterdrücken. Wieso musste ich schon wieder den Beziehungsstress haben? Und das auch noch ausgerechnet jetzt.
"Rede mit ihm", sagte Elena, die meinen Unterton wohl gehört hatte und sah mich mitfühlend an, "Ruf ihn einfach an." Damit stand sie auf und ging Richtung Tür.
"Soll ich dich rausbringen?", fragte ich und stand ebenfalls auf, was sie aber nur den Kopf schütteln ließ.
"Ich kenne den Weg", sagte sie, ehe sie mich aufmunternd anlächelte, "Ruf an. Und erzähl mir nachher, wie es gelaufen ist." Damit verließ sie das Zimmer und ließ mich allein zurück.
Seufzend ließ ich mich wieder auf mein Bett sinken, ehe ich nach meinem Handy auf dem Nachttisch griff. Für einen Moment zögerte ich, ehe ich die Nummer wählte und mir mein Handy ans Ohr hielt.
Es klingelte. Lange. Zu lange.
Stirnrunzelnd legte ich wieder auf und überlegte.
Er hatte mich nicht weggedrückt. Also entweder ignorierte er meinen Anruf einfach oder sein Handy lag irgendwo, wo er es nicht hörte.
Ich schüttelte den Kopf. Vermutlich war es eher die erste Variante.
Da fasste ich einen Entschluss.
Schnell stand ich auf und lief zu meinem Schrank hinüber, um eine Jacke hervorzukramen.
Ich würde diese Angelegenheit keine weitere Nacht auf sich beruhen lassen.
Ich würde zu ihm fahren und ihn einfach zwingen mit mir zu reden.
Eilig lief ich zu meiner Zimmertür, ehe ich kurz innehielt und tief durchatmete. Ich würde das schon hinkriegen.
Schlimmer als das Gespräch heute Mittag konnte es nicht werden.
-Damons Sicht-
Es war bereits spät am Abend als Damon, der im Salon des Salvatore-Anwesens saß, abwesend sein Whiskey-Glas austrank und wie mechanisch nach der Bourbon-Flasche griff, um es wieder aufzufüllen. Jedoch musste der Schwarzhaarige feststellen, dass auch die Flasche bereits leer war, weshalb er sie murrend zu den anderen beiden stellte, die ebenfalls keinen Tropfen Alkohol mehr in sich hatten.
Damon lächelte emotionslos.
Hätte ein Mensch die gleiche Menge an Whiskey konsumiert wie er heute Abend, wäre er bereits tot. Und dennoch vermochte diese massive Menge Alkohol es nicht, Damons Gedanken abzustellen, was das eigentliche Ziel von ihm gewesen war.
Er hatte nur seinen Kopf zum Schweigen bringen wollen und dennoch kreisten seine Gedanken immer noch nur um das eine.
Katherine.
Damon spürte wie ihm sein Gewissen wie so oft zuvor einen Stich versetzte.
Er wusste selbst, dass es falsch war, so viele Gedanken an diese Vampirin zu verschwenden. Dass er seine Aufmerksamkeit eigentlich auf Nathalie richten müsste.
Doch er schaffte es nicht. Egal, wie sehr er sich bemühte.
Der Anblick von Katherine im Krankenhaus hatte alles in ihm wieder wach gerufen. Alles, was er durch Nathalie bereits dachte überwunden zu haben. Alles, was er bereit war zu vergessen.
Es war alles wieder da. Seine Gefühle für sie. Seine Sehnsucht, die seit 145 Jahren andauerte. Und der unbeschreibliche Schmerz, den Annas Worte vor ein paar Monaten in ihm ausgelöst hatten: "'Sie wusste, wo du warst, Damon. Es hat sie nicht interessiert.'"
Damon schloss kurz die Augen.
Er hatte sich nie mehr so fühlen wollen. Einsam, verlassen... und allein.
Nathalie war diejenige gewesen, die ihn aus diesem Loch geholt hatte. Sie hatte ihn all den Schmerz vergessen lassen. Und dennoch kreisten seine Gedanken nur um die Frau, die ihm das angetan hatte.
Damon schüttelte energisch den Kopf und stand auf.
Er hasste sich selbst dafür.
Er hatte es heute nicht zugeben wollen, doch Nathalie hatte recht gehabt. Katherine machte ihm zu schaffen. Und das viel zu sehr. Und er konnte einfach nichts dagegen unternehmen.
Sie verdiente es nicht einmal, dass er sich über sie Gedanken machte. Und trotzdem wollten ihm die vielen Fragen, die durch seinen Kopf schwirrten und auf die er Antworten verlangte, keine Ruhe lassen.
Wieso war sie zurückgekommen? Was wollte sie hier? Warum war sie überhaupt im Krankenhaus aufgetaucht? Hatte sie ihn sehen wollen? War sie vielleicht seinetwegen zurückgekehrt? Gab es einen guten Grund, eine vernünftige Erklärung, wieso sie ihn damals verlassen und nie mehr zurückgeblickt hatte?
Damon atmete hörbar aus, ehe er zur Minibar neben dem Kamin ging, um nach einer weiteren Flasche Bourbon zu suchen. Er wollte nicht mehr nachdenken.
Der Schwarzhaarige hielt plötzlich inne, als er ein Knarren hinter sich vernahm. Er fuhr herum und erkannte Katherine, die entspannt auf dem Sofa saß und ihn musterte.
Damon spürte wie er innerlich zu Eis zu erstarren schien, doch bewahrte er nach außen hin eine gleichgültige Miene.
"'Ganz schön mutig von dir, hier einfach aufzutauchen'", sagte er leise, was die Dunkelhaarige nur lächeln ließ.
"Ich hatte dir doch eine richtige Begrüßung versprochen", erwiderte sie und ihr Lächeln wich einem verführerischen Grinsen, "Du kannst es aber auch als Abschied sehen, wenn du willst."
"'Du reist schon wieder ab?", fragte Damon bemüht gleichgültig und trat an das Sofa heran ohne sie aus den Augen zu lassen. Es sähe ihr gar nicht ähnlich, klein bei zu geben.
"'Ich merke, wenn ich nicht erwünscht bin'", sagte sie und ein Hauch Bedauern schwang in ihrer Stimme mit, was Damon ihr jedoch nicht abkaufte.
"'Hör auf zu schmollen. Das steht einer Frau in deinem Alter nicht'", sagte er nur und Katherine hob die Augenbrauen.
"'Autsch'", murmelte sie und legte den Kopf leicht schräg, was Damon aber nicht weiter beachtete. Er wollte dieses Spiel, das sie hier mit ihm trieb, nicht mitspielen. Er wollte hier raus.
Diesem Gedanken folgend, drehte er sich um Richtung Haustür, als Katherine ohne Vorwarnung vor ihm auftauchte und ihm den Weg versperrte.
"'Was denn? Kein Abschiedskuss?'", fragte sie leise und Damon schluckte kaum hörbar.
Das hier war die reinste Gefühlsfolter für ihn und er war sich sicher, dass sie das wusste.
"Ich rate dir zu verschwinden", murmelte er kaum hörbar, "Oder ich beende, was ich im Krankenhaus begonnen habe, und reiße dir dein verkommenes Herz heraus!" Dann wären sie zumindest quitt.
"Oh bitte", sagte Katherine, die von seinen Worten nicht im Mindesten beeindruckt war, und lachte auf, "Wir wissen beide, dass du dazu nicht fähig bist." Sie trat dicht an ihn heran und strich mit einer Hand sanft über seine Wange. Damon spürte wie ihre Finger ein glühendes Feuer unter seiner Haut auslösten, was durch seinen gesamten Körper zog, doch er ignorierte es. Stattdessen griff er sie grob am Handgelenk, um sie an einer weiteren Berührung zu hindern.
Er durfte diese Nähe nicht zulassen. Egal wie sehr er sich all die Jahre lang danach gesehnt hatte. Es war falsch.
"Was willst du hier?", fragte er schließlich und hoffte dabei inständig, dass Katherine die Heiserkeit in seiner Stimme überhört hatte. Sie grinste nur.
"Vielleicht war ich neugierig", murmelte sie und streckte ihre noch freie Hand nach ihm aus, "Oder ich hatte Sehnsucht. Wäre das ein annehmbarer Grund?" Sie ließ ihre Hand von seinem Schlüsselbein über seine Brust hinunter zu seinen Bauchmuskeln gleiten und sein gesamter Körper reagierte prompt darauf.
Verlangen durchströmte ihn und vermischte sich mit der schmerzhaften Sehnsucht nach ihr, was ihn leise keuchen ließ.
Nein! Er durfte es nicht zulassen!
Schnell entzog sich Damon ihrer Berührung und wandte sich ab, während er versuchte, die aufgekommenen Gefühle abzuschütteln.
Er durfte Katherine nicht an sich heranlassen. Er war es sich selbst und Nathalie schuldig, standhaft zu bleiben... Nathalie...
Verzweifelt versuchte er den Gedanken an sie festzuhalten, als er plötzlich spürte, wie Katherine ihn an der Kehle packte und gegen die nächste Wand drückte.
Keinen Moment spürte er ihre Lippen an seinem Ohr und wie ihr warmer Atem über seine Haut strich.
"'Mein süßer, unschuldiger Damon...'", flüsterte sie und er spürte, wie ihn eine Gänsehaut durchlief und seine Gedanken langsam verschwammen. Mit äußerster Willenskraft riss er sich los und packte die Dunkelhaarige grob an den Schultern, um sie von sich wegzuziehen.
"Was... willst du von mir?", fragte er kaum hörbar, während in seinem Inneren ein Kampf tobte. Seine Sehnsucht nach ihr, die gegen seine Logik und Verstand ankämpfte und ihn langsam aber sicher zu überrollen drohte.
"Ist das nicht offensichtlich?", säuselte Katherine und strich ihm mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht.
"Offensichtlich ist nur, dass du lügst", murmelte Damon atemlos, nicht in der Lage sie endgültig von sich zu stoßen.
"Ach wirklich?", fragte Katherine nach und beugte sich trotz seines Griffes um ihre Schultern zu ihm vor, "Tue ich das?" Zweifel schlichen sich in Damons Gedanken, die in einem einzigen Chaos durch seinen Kopf rasten.
Log sie tatsächlich? Oder war sie wirklich hier, weil sie sich nach ihm gesehnt hatte?
Da spürte er wie ihre Lippen seine streiften und diese Kälte, die trostlose Einsamkeit, die ihn erfüllt hatte, wurde von einer unglaublichen Wärme verdrängt. Der Wärme, nach der er sich so lange gesehnt hatte.
Und in diesem einen kurzen Moment gab Damon nach.
Er ließ zu, dass sich ihre Lippen zu einem verhängnisvollen Kuss verschlossen, dass Katherine ihm das Hemd in der Mitte aufriss, sich an ihn schmiegte.
Er stöhnte leise in den Kuss hinein, genoss es sie im Arm zu halten, als es ihn plötzlich wie einen eiskalten Blitzschlag durchfuhr.
Was zum Teufel tat er hier?!
Er liebte Nathalie! Er sollte jetzt bei ihr sein und stattdessen stand er hier mit...
"Nein...", murmelte er kaum hörbar gegen Katherines Lippen, als er sie wie eben schon an den Schultern griff und versuchte sie von sie wegzuziehen, "Stopp..."
Halb verwirrt halb genervt ließ Katherine von ihm ab, als ihn das leise Gefühl beschlich, beobachtet zu werden.
Langsam sah er auf, ehe sein Blick zur Haustür glitt und ihm augenblicklich das Blut in den Adern gefror.
Sie stand da wie eine zu Eis erstarrte Statue. In der einen Hand die Türklinke, in der anderen die Autoschlüssel stand Nathalie vollkommen unbeweglich in der Tür und blickte ihn mit glasigen leeren Augen an.
Damon spürte, wie Schmerz bei diesem Anblick in ihm hochstieg und schüttelte energisch den Kopf, während er Katherine, ohne auf sie zu achten, von sich wegschob.
Er hatte keine Ahnung wie lange Nathalie bereits dort stand, aber er war sich sicher, dass sie genug gesehen hatte.
"Zoey...", begann er mit gebrochener Stimme, während er einige Schritte aus sie zutrat, "Hör mir zu, ich-" Er verstummte, als sie auf dem Absatz kehrt machte und die Haustür krachend hinter ihr zufiel.
"Nein! Nicht!", rief Damon aus und wollte ihr hinterher, hielt aber inne, als er Katherine hinter sich lachen hörte.
"Oh bitte!", sagte sie spöttisch, während sich Damon langsam zu ihr drehte, "Spar dir die Mühe. Sie ist nur ein Mensch. Sie ist deine Zeit nicht wert."
Wut stieg in Damon hoch und er spürte, wie er sich in diesem Moment fast mehr selbst hasste als Katherine. Noch vor einem halben Jahr hätten diese Worte aus seinem Mund kommen können.
"Waren wir das auch für dich?!", rief Damon zornig und fixierte die Dunkelhaarige mit seinem Blick, "Waren Stefan und ich für dich auch nur Menschen?!" Jegliche Belustigung wich aus Katherines Blick und sie sah zu Boden, als er bedrohlich auf sie zutrat.
"War das der Grund, warum du deinen Tod vorgetäuscht hast?! Warum du mich in dem Glauben gelassen hast, du wärst in dieser Gruft eingesperrt?!", er war bei ihr angekommen und widerstand den Drang sie an der Kehle zu packen, "Ich habe deine Lügen satt, Katherine! Ich will die Wahrheit hören! Nur einmal!"
Auffordernd sah er sie an und er stutzte für einen Moment, als sie langsam wieder zu ihm aufschaute und er ehrliches Bedauern in ihrem Blick sah.
"Du willst die Wahrheit?", fragte sie leise, "Wie du willst... Die Wahrheit ist... ich habe dich niemals geliebt. Sondern immer nur Stefan."
Diese Antwort traf ihn wie einen Schlag in den Magen und wie Rauch verpuffte mit einem Mal seine gesamte Wut.
Stattdessen stieg nun blankes Entsetzen in ihm hoch, als er es realisierte.
Er hatte Katherine tatsächlich noch nie etwas bedeutet. Er war ihr immer egal gewesen. Und dennoch hatte er ihr in seiner eigenen naiven Dummheit nachgegeben und dadurch die eine Frau verloren, die ihn tatsächlich liebte...
Nur am Rande merkte Damon, wie Katherine den Kopf senkte und an ihm vorbei Richtung Haustür ging, während er zitternd versuchte Luft zu holen.
Was hatte er Nathalie nur angetan?
-Nathalies Sicht-
Einatmen... Ausatmen... Einatmen...
Immer wieder ließ ich diese Worte durch meinen Kopf gehen, als ich zitternd den Wangen zum Stehen brachte.
Für einen Moment schloss ich die Augen, um weiterhin die Fassung zu behalten, ehe ich aufsah und suchend die Maple Street entlang blickte. Es war niemand zu sehen.
Ich atmete nochmals tief ein und aus, ehe ich ausstieg und dabei eine Träne von meiner Wange wischte, die meine Bemühungen überwunden hatte.
Ich zitterte am ganzen Leib, als ich auf Elenas Haustür zulief und egal, wie sehr ich es versuchte, ich konnte meinen Körper nicht beruhigen.
Elena... Ich musste dringend zu Elena...
Noch nie zuvor hatte ich meine beste Freundin so sehr gebraucht wie jetzt.
Wieder atmete ich tief durch, um irgendwie ruhig zu bleiben, ehe ich an der Tür klingelte.
Eine Ewigkeit schien zu vergehen, als die Tür endlich aufging. Jedoch stand dort nicht Elena.
"Alie! Was machst du denn hier?", kam es überrascht von Jeremy und ich schluckte, während es mir immer schwerer fiel, nicht zusammenzubrechen.
"Hey Jer... Ich, ähm... ist Elena da?", fragte ich leise.
"Nein, noch nicht. Sie-", Jeremy hielt plötzlich inne, als er mir ins Gesicht sah, "Alie? Alles okay?" Besorgt trat er einen Schritt auf mich zu und in dem Moment fiel meine Mauer wie Sand in sich zusammen, als ich versuchte ihm zu antworten, was mir jedoch nicht mehr gelang. Ein lautes Schluchzen entwich meiner Kehle und die Tränen flossen wie Wasserfälle über meine Wangen, als der Schmerz in meiner Brust überhand nahm und mir die Kehle zuschnürte.
Meine Knie gaben nach und ich spürte, wie Jeremy mich festhielt und ich weinend in seinen Armen zusammenbrach.
Ich nahm nichts mehr wahr. Ich hörte nur noch Jeremys beruhigende Worte wie durch Watte zu mir durchdringen und den glühenden Schmerz in meiner Brust, der mich innerlich zerriss.
Warum hatte er das getan? Warum?!
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als meine heftigen Schluchzer schließlich nachließen und einem Schluckauf wichen. Ich merkte, wie sich mein Atem langsam beruhigte, und löste mich aus Jeremys Armen, die mich bis jetzt festgehalten hatten. Mit tränenverschleiertem Blick sah ich zu ihm auf und bemerkte am Rande, dass wir nun in seinem Zimmer auf seinem Bett saßen. Er musste mich raufgetragen haben.
"Geht es wieder?", fragte Jeremy, der mich besorgt musterte und ich nickte etwas, ehe ich dankend das Taschentuch annahm, was er mir reichte, "Willst du mir erzählen, was passiert ist?" Fragend sah er mich an und ich spürte wie mir erneut Tränen in die Augen traten, als ich mich an den Moment zurückerinnerte. An diesen einen Moment, der mein Herz in ein nicht enden wollendes Scherbenmeer verwandelt hatte.
"Ich...", hauchte ich mit gebrochener Stimme, "Ich weiß nicht... wie." Es erschien mir unmöglich, das Geschehene mit Worten zu wiederholen.
"Versuch es einfach", sagte Jeremy sanft, ehe er meine Hand nahm und sie aufmunternd drückte. Ich nickte etwas und atmete tief durch.
"Damon und ich... hatten uns gestritten", begann ich leise, "Ich... ich wollte es klären... mit ihm reden... Und als er nicht ans Handy ging... bin ich zu ihm gefahren." Wieder stieg das grauenhafte Bild in mir auf und mir entwich ein neues Schluchzen, als ich die Tränen von meiner Wange wischte.
"Was ist dort passiert?", fragte Jeremy sanft und drückte meine Hand fester.
"Ich... er...", ich hielt inne und versuchte verzweifelt die richtigen Worte zu finden, "Ich hab nicht geklopft... Sie lassen die Tür immer offen, wenn jemand da ist, also bin ich einfach reingegangen, und da...", ich wimmerte leise, "Damon stand dort... mit Katherine... und sie haben... sie haben sich..." Ich verstummte, als die Schluchzer erneut unkontrolliert in mir hochkamen und Jeremy mich wieder in seine Arme zog.
"Verstehe", sagte er leise, während er mir tröstend über den Rücken strich, ehe ich mich wieder beruhigte und kraftlos an ihn lehnte.
"Warum tut man sowas?", fragte ich schließlich nach langem Schweigen und löste mich etwas von ihm, um ihn direkt anzusehen, "Warum betrügen Menschen?"
Jeremy atmete hörbar aus, während er meinen Blick erwiderte.
"Ich kann nicht aus Damons Sicht sprechen...", begann er leise, "Aber als ich damals mit Vicky geschlafen habe...", er zögerte kurz und ich erinnerte mich, "Ich habe da nicht nachgedacht. Mein Verstand war wie betäubt von dem ganzen Gefühlschaos bis es bereits zu spät war. Dann hat mich die Reue fast aufgefressen...", etwas ungläubig sah ich ihn an, doch er blickte mir vollkommen ehrlich in die Augen, "Glaub mir, nie kommt man sich dämlicher vor, als wenn man die Frau betrügt, die man liebt."
Ich schüttelte nur den Kopf.
"Wenn er mich wirklich lieben würde, hätte er das nie getan...", murmelte ich und wischte eine weitere Träne von meiner Wange.
"Er hat Katherine doch auch geliebt, oder nicht?", fragte Jeremy nach und ich sah ihn verwirrt an, "Vielleicht ist das Ganze komplizierter als du denkst."
Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Konnte das sein?
"Was ich damit sagen will...", fuhr Jeremy fort und sah mich aufmunternd an, "Du solltest ihm die Chance geben sich zu erklären, bevor du ihn komplett aufgibst. Ich wäre froh gewesen, wenn ich sie bekommen hätte." Sprachlos sah ich ihn an, während ich mehr als überrascht von seiner Selbstlosigkeit war. Eigentlich hatte ich fast erwartet, dass er Damon schlecht reden würde. Dass er ihn aufs Tiefste verurteilen und mir sagen würde, dass ich ohne ihn besser dran war. Das hätte Elena zumindest hundertprozentig getan.
Doch Jeremy sprach mir stattdessen den Mut zu, ihn noch nicht aufzugeben?
So verhielt sich kein Mann, der darauf aus war, das Mädchen zurück zu gewinnen.
Nein, so verhielt sich nur ein Mann, der jemandem ein Freund sein wollte.
Jeremy behandelte mich wie eine Freundin und ließ seine Gefühle für mich außen vor.
Diese Erkenntnis ließ ein kleines, trauriges Lächeln in meinem Gesicht erscheinen.
"Danke", sagte ich ehrlich und drückte seine Hand, die er noch immer festhielt, was Jeremy sachte erwiderte.
"Nicht dafür", murmelte er, als in dem Moment das Auf- und Zuschlagen der Haustür im Flur ertönte.
"Das muss Elena sein. Jenna ist heute nicht da", murmelte Jeremy und stand auf, "Ich klär sie kurz auf, ja?" Dankbar nickte ich ihm zu. Ich hätte nicht die Kraft gehabt, es nochmal zu erzählen.
"Soll ich dir was aus der Küche mitbringen?", fragte Jeremy noch, als er an der Tür war, ehe er mich kurz verschmitzt angrinste, "Heiße Schokolade?" Das brachte mich wieder etwas zum Lächeln.
Er kannte mich gut.
"Ja, bitte", erwiderte ich, "Mit-"
"Mit extra viel Zucker, ja, ja", unterbrach mich Jeremy und verließ das Zimmer, was mich noch mehr lächeln ließ.
Wie oft hatten wir zu dritt hier schon zusammen gesessen und heiße Schokolade getrunken?
Ich griff nach dem Taschentuch, um mir auch die letzten Tränen aus den Augen zu wischen, ehe ich aufstand, um es in den Papierkorb neben Jeremys Schreibtisch zu werfen.
Ich drehte mich wieder zum Bett herum, nur, um erschrocken einen Schritt zurückzuweichen.
"Was zum Teufel willst du hier?", fragte ich leise und blickte feindselig zu Damon auf, der mitten im Zimmer aufgetaucht war und mich undefinierbarem Blick musterte.
"Zoey...", murmelte er kaum hörbar, als er ohne Vorwarnung auf mich zukam und Anstalten machte, mich zu umarmen, doch ich wich schnell vor ihm zurück.
"Fass mich nicht an!", sagte ich warnend, was ihn inne halten ließ, ehe er mich mit einem seltsam verschleierten, verzweifelten Blick musterte.
"Zoey, bitte, Ich...", murmelte er und als ich den Alkohol an ihm roch, wurde es mir klar. Er war betrunken. Wie hätte es auch anders sein können.
"Ich will, dass du gehst!", sagte ich fest und deutete auffordernd Richtung Tür.
Ich wusste nicht, ob ich Jeremys Worte beherzigen und Damon noch eine Chance geben würde, doch jetzt in diesem Moment war der Schmerz noch zu präsent. Ich wollte ihn weder sehen noch mit ihm sprechen.
"Nein, du musst mir zuhören!", sagte Damon energisch und trat wieder auf mich zu, während ich genauso vor ihm zurückwich, "Es... es tut mir leid! Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist! Ich habe nicht nachgedacht, nicht im geringsten, ich-"
"Es ist mir scheißegal, was du in dem Moment gedacht hast, als sie dir die Klamotten vom Leib gerissen hat!", rief ich aus, als die Tränen schon wieder in mir aufstiegen.
Kurz war es still zwischen uns und ich sah wie Damon schuldbewusst den Blick senkte.
"Ich will, dass du gehst", wiederholte ich schließlich mit belegter Stimme. Doch anstatt, wie ich gehofft hatte, einfach hinauszugehen, sah Damon nur zu mir auf, mit einem Blick, der von einer Entschlossenheit erfüllt war, die mir etwas Angst machte.
"Nein!", sagte er fest und kam wieder auf mich zu. Jedoch scheiterte diesmal mein Rückzugsversuch, als ich mit dem Rücken an eine Wand stieß.
"Ich werde nicht zulassen, dass sich Katherine zwischen uns drängt!", sagte er und trat dicht an mich heran, während die kalte, verzweifelte Entschlossenheit noch immer in seinem Blick lag.
"Das hat sie doch schon längst!", rief ich aus und spürte wie die Tränen erneut über meine Wangen liefen, als ich den Versuch unternahm mich an ihm vorbeizudrängen. Doch Damon durchschaute mein Vorhaben und griff mit seinen Händen meine, um mich festzuhalten.
"Da liegst du falsch", murmelte er leise und neben der Enttäuschung und der Wut stieg langsam Panik in mir auf. Er war definitiv nicht er selbst.
"Lass mich sofort los!", sagte ich bedächtig und versuchte mich aus seinem Griff zu winden, der darauf nur fester wurde, "Damon, du tust mir weh!"
"Was ist hier los?" Zeitgleich sahen Damon und ich auf zu Jeremy, der gefolgt von Elena ins Zimmer getreten war, die dampfende Tasse heiße Schokolade in der Hand.
"Nichts", antwortete ich leise, ehe ich es diesmal schaffte mich aus Damons Griff zu winden, auch, wenn es weh tat, "Es ist alles gut. Damon wollte gerade gehen." Kalt sah ich den Schwarzhaarigen an, der langsam zwischen mir und Jeremy hin und her sah, ehe sein Blick sich gefährlich verdunkelte.
"Nein... gar nichts ist gut...", murmelte er.
"Du solltest jetzt gehen", sagte Jeremy da und trat dabei direkt neben mich, was mich kurz an den Moment im Krankenhaus erinnerte, als Tyler ihn ebenfalls gebeten hatte zu gehen. Da fixierte Damon Jeremy plötzlich und ehe ich oder Elena hätten reagieren können, hatte Damon ihn an der Kehle gepackt und gegen die nächste Wand gedrückt, während die Tasse dabei aus Jeremys Hand glitt und laut am Boden in einer braunen Pfütze zersplitterte.
"Nein!", rief ich zeitgleich mit Elena aus, als Jeremy verzweifelt versuchte sich gegen den Griff zu wehren, was ihm aber nicht gelang.
"Damon, lass ihn los!", rief ich aus, doch der Schwarzhaarige schien mich gar nicht zu hören.
"Du willst also ein Vampir werden?! Damit du eine Chance bei Nathalie hast?! Schließlich liebt sie mich nur deswegen, nicht wahr?!", rief er aus, erfüllt von blinder Wut, was meine Panik noch mehr steigerte. Wieso hatte ich ihm davon nur erzählt?
"Damon, hör bitte auf!", rief ich aus.
"Lass ihn gehen!", rief Elena im gleichen Moment, doch es brachte nichts.
"Sicher, lasst uns ausgeglichene Verhältnisse schaffen!", fuhr Damon fort, der uns gar nicht zu hören schien, und hielt Jeremy noch fester, welcher inzwischen kaum noch Luft bekam, "Das Einfachste der Welt! Ein bisschen Vampirblut und dann ein schneller Tod! Und Schnapp!" Entsetzt sah ich zu, wie er mit nur einer einzigen, kurzen Bewegung Jeremys Genick brach und dieser wie eine Puppe leblos zu Boden fiel.
"NEIN!" Mein Schrei mischte sich mit dem von Elena, welche sofort zu Boden stürzte und Jeremy umklammerte. Auch ich ging zu Boden, fühlte verzweifelt nach Jeremys Puls, in der noch so geringen Hoffnung, dass er noch lebte. Doch ich fand nichts.
"Nein, nein, nein, nein!", wimmerte ich und schluchzte kopfschüttelnd, ehe ich langsam zu Damon aufsah, der selbst ungläubig auf die Szene starrte.
Ich spürte, wie der Zorn brodelnd heiß in mir aufstieg, sich mit dem Schmerz und dem Entsetzen vermischte. Und dann spürte ich nur noch eines: Hass. In diesem einen Moment hasste ich ihn.
Da kreuzten sich unsere Blicke und als würde er unter Schock stehen, wich er langsam zurück, ehe er einfach aus dem Zimmer flüchtete und uns allein zurückließ.
Doch darüber konnte ich nicht nachdenken.
Ich blickte wieder hinab zu Jeremy, den Elena immer noch festhielt, und schloss die Augen, während ich Mühe hatte zu atmen.
Das konnte nicht sein. Er konnte nicht tot sein. Nicht auch noch er...
Damon hatte ihn getötet. Einfach so.
Ich schluchzte und ließ meinen Kopf langsam auf Jeremys Brust sinken.
"Alie...", sagte Elena da plötzlich mit zitternder Stimme, "Alie, sieh doch!" Verwirrt blickte ich auf, als ich erkannte, was sie meinte. Elena hatte Jeremys Hand umgriffen, wo ich nur allzu deutlich einen protzigen silbernen Ring erkennen konnte. Das war der Gilbert-Ring.
Genau der, der übernatürliche Tode verhinderte.
Damon war ein Vampir... Übernatürlich... Jeremy würde also...
"Er wird wieder aufwachen...", hauchte Elena und ich nickte langsam, ehe ich Jeremys Kopf sachte anhob und auf meinem Schoß bettete, während ich ihm zitternd übers Haar strich und versuchte mich zu beruhigen.
Er würde wieder aufwachen...
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