Man Or Monster
"When you close your eyes, what do you see?
Do you hold the light or is darkness underneath?
In your hands, there's a touch that can heal
But in those same hands, is the power to kill
Are you a man or a monster?
When you look at yourself, are you a man
Or a monster?"
-Man or a Monster, Sam Tinnesz
-Damons Sicht-
Die Sonne ging gerade unter, als Damon durch die Gärten des Anwesens seines Vaters lief. Die Vögel zwitscherten fröhlich in den Bäumen über ihm und die weite Wiese vor ihm war in ein warmes orangerotes Licht getaucht.
Der Schwarzhaarige wurde aus seiner Beobachtung gerissen, als er ein helles vertrautes Lachen hörte.
"Wo bleibst du denn?", fragend trat Eveline hinter einem Baum hervor und kam lächelnd auf ihn zu, "Ich dachte, du begleitest mich auf meinem Spaziergang?"
"Ja, natürlich...", murmelte Damon und schüttelte leicht den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen, "Ich war nur etwas abgelenkt, entschuldige."
Er hielt ihr seinen Arm hin, welchen sie noch immer lächelnd annahm, ehe sie zu zweit langsam über die Wiese liefen.
"Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das verzeihen kann, Mr. Salvatore", sagte Eveline kopfschüttelnd und verwirrt sah Damon sie an, ehe er das neckische Grinsen bemerkte, das ihre Lippen umspielte.
"Es tut mir wirklich leid, Miss Lockwood", spielte er mit, "Bitte sagen Sie mir, wie ich das wieder gut machen kann."
Eveline blieb stehen, ehe sie sich komplett zu ihm drehte und kurz schüchtern den Blick senkte.
"Nun, ich wüsste da etwas...", begann sie leise und sah zu ihm auf. Wie von allein glitt Damons Blick zu ihren Lippen, ehe er sich instinktiv zu ihr hinunter beugte, während sich ein kleiner Teil in ihm etwas wunderte. Sie wollte ihn hier in aller Öffentlichkeit küssen? Normalerweise war er doch immer derjenige gewesen, der so etwas gewagt hatte und sie diejenige, die ihn zurechtgewiesen hatte, dass sich das nicht ziemte.
"Aber zuerst musst du mich fangen!", riss sie ihn da aus den Gedanken, als sie sich, kurz bevor sich ihre Lippen berühren konnten, vor ihm zurückzog, mit beiden Händen ihren weiten Rock raffte und mit hellem melodischen Lachen davonlief.
Damon musste bei dem Klang ebenfalls schmunzeln, ehe er ihr folgte. Es dauerte nicht sehr lange bis er zu ihr aufgeholt hatte, immerhin fiel ihm das Rennen mit Hosen und flachen Schuhen leichter als ihr mit Absätzen und langem Kleid.
Er schaffte es, um ihre Taille zu greifen und sie an sich heranzuziehen, womit er ihren Lauf stoppte und auch selbst zum Stehen kam.
"Hab ich dich!", sagte er etwas außer Atem, während er triumphierend auf sie hinabsah.
Eveline, die seltsamerweise nicht im Mindesten aus der Puste war, lächelte nur wieder, ehe sie eine Hand an seine Wange legte und sich zu ihm hochstreckte.
Damon beugte sich ebenfalls zur ihr hinunter und versank in ihren dunklen braunen Augen, als-
Moment! Braune Augen? Evelines Augen waren doch immer grau gewesen. Genau wie die von...
Damon hielt inne, als er ein Knacken hinter sich hörte. Er entzog sich Evelines Griff und sah sich nach der Quelle des Geräusches um, als er sie sah.
Nathalie stand dort zwischen den Bäumen, seltsam verzerrt mit wehendem Haar und Klamotten, die so gar nicht in diese Szenerie zu passen schienen. Der anklagende, verletzte Blick in ihren sturmgrauen Augen, der ihm schrecklich bekannt vorkam, brannte sich in seinen und er spürte, wie kalte, furchtbare Reue in ihm aufstieg.
"Zoey, ich...", begann er, doch er konnte nicht weitersprechen. Es war, als hätte sich eine kalte Hand um seine Kehle gelegt, welche ihm nun die Luft abschnürte und verhinderte, dass er weitersprechen konnte.
"Wie konntest du nur?!" Nathalies Stimme ging ihm durch Mark und Bein, als sie sich einfach von ihm abwandte und zwischen den Bäumen verschwand.
"Nein!", rief Damon erstickt aus, wollte ihr hinterher, jedoch hinderte ihn jemand daran, als er am Arm gegriffen wurde. Verwirrt drehte er sich wieder zu Eveline herum, welche jedoch zu seinem Entsetzen gar nicht mehr seine Verlobte war, sondern eine andere Frau, deren Gesicht ihm trotzdem nur allzu vertraut war.
"Lass sie", sagte Katherine und ihr Lächeln ließ Damon das Blut in den Adern gefrieren, "Sie ist nur ein Mensch. Sie ist es nicht wert."
Schweißgebadet schreckte Damon aus seinem Schlaf und brauchte mehrere Sekunden, um zu realisieren, wo er sich befand. Er atmete hörbar aus, als er sein Schlafzimmer erkannte, ehe er sich angespannt durchs Haar fuhr und ihm die Szenen des Traumes wieder ins Gedächtnis kamen.
Er schüttelte schnell den Kopf, ehe er aufstand und ins Badezimmer lief. Dort angekommen trat er zum Waschbecken und schlug sich einen Schwall eiskaltes Wasser ins Gesicht, jedoch konnte er den Traum trotzdem nicht aus seinem Kopf verbannen.
Langsam sah der Schwarzhaarige auf und blickte sein Spiegelbild an.
Natürlich war ihm klar, warum er das geträumt hatte. Der Traum war einfach nur eine verzerrte Erinnerung gewesen. Und ein Zeichen seines schlechten Gewissens.
Damon schloss die Augen, als der gleiche Schmerz wie gestern in ihm hochkam.
Er hatte sie verloren. Durch seine eigene Naivität und Dummheit hatte er Nathalie für immer verloren.
Damon presste fest die Lippen zusammen und schloss seine Augen, im verzweifelten Versuch sein Gefühlschaos irgendwie im Zaum zu halten. Der unbeschreibliche Schmerz in seiner Brust, seine Sehnsucht nach Nathalie, dieser Hass auf Katherine und auf sich selbst. All das wütete in einem riesigem Sturm in ihm und Damon wusste, dass, wenn er es nicht unter Kontrolle hielt, noch jemanden verletzt werden würde. Und wie es Nathalie bereits gesagt hatte, dieser Jemand trug dann vielleicht keinen schützenden Ring.
"Ich habe einfach nur noch Angst, Damon. Ich habe solche Angst, dass so etwas wieder passiert und... Ich kann dir nicht mehr vertrauen. Vielleicht werde ich es auch nie wieder." Nathalies Worte hallten in seinem Kopf wider und er schluckte hart.
Natürlich hatte sie Angst. Damon konnte es ihr nicht verübeln. Wer hätte es nachdem, was er getan hatte, nicht gehabt? Er hatte ihr Vertrauen missbraucht und vollkommen zerstört.
Damon öffnete seine Augen wieder und sah sein Spiegelbild nachdenklich an.
Wenn er ihr nur beweisen könnte, dass er bereit war, sich zu ändern. Dass er sich geschworen hatte, weder ihr noch jemandem, den sie liebte, etwas anzutun. Dass er sie nie wieder so verraten würde. Dass sie ihm genauso viel bedeutete, wie er ihr bedeutet hatte... oder es immer noch tat.
Unweigerlich erinnerte sich Damon an den Jahrmarkt. Nathalie hatte sich freiwillig für ihn in Lebensgefahr begeben. So handelte doch niemand, der keinerlei Gefühle mehr für den anderen hatte.
Vielleicht gab es doch noch Hoffnung. Vielleicht musste er Nathalie einfach nur beweisen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte.
Damon sah auf, als er den Alarm seines Handy aus dem Schlafzimmer hörte.
Es war schon spät. Es wurde Zeit sich für die Grillparty fertig zu machen, die Elenas Tante Jenna veranstaltete. Mit etwas Glück würde Nathalie auch dort sein.
Damon nickte leicht seinem Spiegelbild zu.
Er würde sich noch nicht geschlagen geben. Er würde um Nathalie kämpfen.
Denn sie war es wert. Tausend Mal mehr als es Katherine je gewesen war.
***
-Nathalies Sicht-
"Ich weiß nicht, Mason", sagte ich kopfschüttelnd, als ich meinem Onkel in den Flur folgte und dabei zusah, wie er sich die Schuhe anzog, "Mir ist echt nicht nach Party zumute."
"Ich weiß, Kleines. Aber glaub mir, ein bisschen Normalität wird dir gut tun. Und mir auch", sagte Mason und warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu, was mich seufzen ließ.
"Du meinst, nachdem du letzte Nacht verkündet hast, dass wir alle dazu verflucht sind, uns in Wölfe zu verwandeln?", fragte ich und ließ mich auf der Treppe sinken. Nachdem ich gestern Abend von ihm und Tyler verlangt hatte, dass sie mir die Wahrheit sagen sollten, waren all meine Hoffnungen darüber, dass diese Lykanthropen-Geschichte vielleicht doch nur ein Mythos war, zunichte gemacht worden. Mason hatte mir gestanden, dass er tatsächlich ein Werwolf war und somit dazu gezwungen war, sich jede Vollmondnacht unfreiwillig in ein wildes Tier zu verwandeln.
Mason hielt bei meinen Worten in seinem Tun inne, ehe er langsam zu mir aufsah.
"Nathalie", begann er sanft, "Ich weiß, das ist alles ein bisschen viel. Aber glaub mir, weder dir noch Tyler wird das je passieren." Ich wollte etwas erwidern, jedoch kam mir Tyler zuvor, der in diesem Moment aus dem Esszimmer zu uns trat.
"'Woher willst du das wissen?'", fragte er und verschränkte skeptisch die Arme.
Mason richtete sich auf und sah zwischen uns beiden hin und her.
"'Weil ihr beide den Fluch nicht auslösen werdet'", sagte er schlicht und ich runzelte die Stirn, "'Euer Dad hatte von alldem keine Ahnung und ich auch nicht, bis mir das passiert ist.'"
"Wie löst man den Fluch aus?", fragte ich leise. Ich war mir selbst nicht sicher, ob ich das überhaupt wissen wollte, dennoch erschien es mir irgendwie sicherer, wenn ich wusste, worauf ich achten musste.
"'Unwissenheit ist ein Segen, glaubt mir'", sagte Mason jedoch nur und ich schluckte. Damit hatte er wahrscheinlich recht.
"'Du tauchst hier plötzlich mit einem übernatürlichen Familiengeheimnis auf und erwartest, dass wir vollkommen ruhig bleiben?'", fragte Tyler aufgebracht. Ihn schien das Ganze sogar noch mehr zu beschäftigen als mich. Naja, er hatte auch, wie er gestern erzählt hatte, Mason als Wolf gegenübergestanden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie verstörend das gewesen sein musste.
"'Ich kann nicht mehr sagen!'", sagte Mason kopfschüttelnd, "'Tut mir leid, Tyler. Es ist einfach besser für euch, wenn ich es nicht tue.'" Ich nickte etwas bei seinen Worten, während Tyler ihn weiterhin ungläubig ansah und Stille aufkam.
Wieso war er so erpicht darauf, es zu wissen? Wenn Mason sagte, dass es besser für uns war, im Unklaren zu sein, sollten wir es doch dabei belassen.
Ich hatte ohnehin genug Probleme...
"'Hast du diesen Mondstein gefunden?'", fragte Tyler da und ich sah ihn verwirrt an.
"Mondstein?"
"'Weißt du, wo er ist?'" Mason war ein paar Schritte auf Tyler zu getreten und reagierte gar nicht auf meine Frage.
"'Was ist so besonders daran?'", stellte Tyler eine Gegenfrage und ich stand auf.
"Hey, worum geht es?", fragte ich erneut nach und Mason sah zu mir.
"Ich suche einen Stein, sehr klein, weiß, etwa so groß wie deine Handfläche. Ziemlich hässlich und wahrscheinlich wertlos", erklärte Mason schulterzuckend, "Es ist ein Familienerbstück meiner Mutter, welches ich gern wieder hätte."
"Und du glaubst, er ist hier?", fragte ich nach, was Mason nur nicken ließ. Nun, möglich war es. Wir hatten hier so viel alten Krempel stehen und in den ganzen geheimen Fächern, die mein Vater noch überall im Haus hatte, gab es sicher auch noch solchen Kram.
"Wie dem auch sei", sagte Mason schließlich, "Ihr solltet euch um diese Sache nicht weiter einen Kopf machen. Zieh dir deine Jacke an, Kleines Ich starte schon mal den Wagen." Damit wandte sich Mason von uns ab und ging nach draußen, ehe ich irgendwie hätte widersprechen können.
"Toll", murrte ich, "Jetzt habe ich wohl keine Wahl mehr." Mason würde nicht Ruhe geben, bis er mich zu dieser Grillparty geschleppt hatte. Wenigstens würden Elena und Caroline auch da sein. Wie schlimm konnte es da schon werden?
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Tyler neben mir plötzlich in seine Tasche griff und einen kleinen, milchig aussehenden Stein herauszog, um ihn nachdenklich zu mustern.
"Ähm, Tyler?", fragte ich irritiert nach und trat zu ihm, "Ist das der-?"
"Der Stein, den unser lieber Onkel so verzweifelt sucht? Jap", antwortete mein Bruder schlicht, was mich die Stirn runzeln ließ.
"Du versteckst ihn vor ihm?"
"Als Druckmittel", sagte Tyler nickend und sah zu mir auf, "Ich will Antworten. Und bevor ich diese nicht kriege, bekommt er den Stein nicht." Ich begegnete seinem entschlossenen Blick und legte den Kopf leicht schräg.
"Hältst du das für klug? Sicher hat er einen guten Grund, uns den Auslöser zu verschweigen", sagte ich nachdenklich, was Tyler aber nur schnauben ließ.
"Wir sind keine Kinder mehr, Nathalie! Wir müssen nicht mehr vor irgendwas beschützt werden! Und es wird Zeit, dass auch Mason das einsieht!" Ich atmete bei seinen Worten nur hörbar aus. Wenn er wüsste, dass es da draußen neben Werwölfen noch andere Dinge gab, vor denen sich selbst ein Erwachsener nicht schützen konnte.
"Mach, was du meinst. Ich mische mich da nicht ein", murmelte ich nur, ehe ich meine Jacke vom Kleiderständer zog und Richtung Haustür lief.
"Ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas erfahre", rief mir Tyler noch hinterher und ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Nein, ich wollte es eigentlich gar nicht wissen.
"Okay", erwiderte ich nur leise, ehe ich die Tür schloss und die Treppe hinunter zu Masons Wagen lief, der bereits mit gestartetem Motor auf der Straße stand.
Hoffentlich brachte mich die Grillparty auf andere Gedanken.
***
-Damons Sicht-
"'Kleid! Ballerina!'", rief Jenna durch den Raum.
"'Nein, Welpe! Welpe mit Tutu!'", rief Caroline, was Damon, der vorne an der Staffelei stand und den zu erratenden Begriff zeichnen musste, nur den Kopf schütteln ließ.
Es war inzwischen schon etwas später am Nachmittag und Damon befand sich noch immer auf der Grillparty, wo er mit den anderen bestimmt schon seit einer Stunde Pictionary spielte. Das hieß, Jenna, Caroline und er spielten hauptsächlich, während Alaric schweigend zusah, Mason nur ab und an mal einen Begriff einwarf, der meist richtig war, und Nathalie einfach nur in einer Ecke saß und ihn mit giftigen Blicken erdolchte. Elena saß neben ihr und versuchte seit einiger Zeit erfolglos sie abzulenken, doch das war dem Schwarzhaarigen ganz recht.
Er hatte von Anfang an das Gespräch mit Nathalie gesucht, was ihm jedoch nicht gelungen war, da sie stets von Elena, Caroline oder Mason umgeben war und er so nicht in der Lage war, allein mit ihr zu sprechen. Das war auch der Grund, warum sich Damon seit einer halben Stunde ausschließlich Begriffe mit Wölfen ausdachte. Er wusste, dass das Nathalie aufregen würde und das hoffentlich so sehr, dass sie sich irgendwann allein aus dem Raum zurückziehen würde.
"'Okay, Hund!'", rief Jenna da, die noch immer ratlos auf Damons Zeichnung starrte, die einen Wolf darstellte, der auf seinen Hinterbeinen stand und ein rosa Tutu trug, was Damon erneut den Kopf schütteln ließ, "'Jagdhund! You ain't nothing but a hound dog!'" So schwer war seine Zeichnung doch nun wirklich nicht zu erkennen.
"'Der mit dem Wolf tanzt'", kam es da trocken von Mason und alle Blicke schnellten zu ihm.
"'Mason gewinnt!'", sagte Damon, "'Schon wieder.'"
"'So sieht doch kein Wolf aus!'", rief Jenna protestierend, als Nathalie plötzlich aufstand.
"Ich kümmere mich mal um den Nachtisch", sagte sie und Damon triumphierte innerlich, als sie Richtung Küche lief. Sein Plan ging tatsächlich auf.
"Warte, ich helfe dir-", begann Elena da, doch Damon unterbrach sie.
"Ich mach das schon!" Bevor einer der anderen reagieren konnte, verließ Damon ebenfalls den Raum und folgte Nathalie in die Küche. Er spürte Masons verärgerten Blick, doch das interessierte ihn herzlich wenig. Nathalies Onkel würde ihnen für die nächsten paar Minuten ohnehin nicht folgen können, da er nun an der Reihe damit war, ein Bild zu malen.
"Okay, was soll das?" Etwas abrupt blieb Damon stehen, als Nathalie, kaum, dass sie in der Küche angekommen waren, zu ihm herumfuhr und ihn anklagend ansah.
"Was soll was?", fragte er und lächelte sie unschuldig an, was sie noch wütender zu machen schien.
"Was sollen diese ständigen Anspielungen? Ein Wolf hier, ein Wolf da, was soll der Mist?"
"Nun, ich-", setzte Damon zu einer Antwort an, wurde jedoch sofort wieder von ihr unterbrochen.
"Du willst unbedingt wissen, ob du Recht hattest, stimmt's? Ob meine Familie wirklich verflucht ist?", fragte Nathalie nach und funkelte ihn verärgert an, "Ja, hattest du und ist sie! Also lass es sein, ich hab nämlich echt andere Probleme!" Damit wandte sie sich von ihm ab und griff nach der Kuchenschachtel, die auf der Küchentheke lag, um sie zu öffnen.
Damon sah ihr kurz erschrocken dabei zu, ehe er die Stirn runzelte. Ihm war nicht klar gewesen, dass sie bereits solche Gewissheit über ihre Familie hatte. Schließlich waren es erst gestern Abend nur Vermutungen gewesen, dass ihre Blutlinie mit Lykanthropie verflucht sein könnte. So gesehen hatte Damon sie, da sie sich inzwischen offensichtlich absolut sicher darüber war, noch mehr unter Druck gesetzt als ohnehin schon.
"Du weißt, dass...", Damon hielt inne und suchte nach den richtigen Worten, "Bist du dir sicher?" Nathalie wandte sich zu einem der Schränke, um einen großen Teller herauszuziehen, den sie mit einem lauten Klirren auf die Theke stellte.
"Ja. Ich habe Mason gestern Nacht erwischt, als er...", sie schluckte hörbar, "Nachdem es passiert war." Damon spürte, wie sich sein Gewissen meldete. Natürlich, gestern war Vollmond gewesen. Wieso hatte er das nicht bedacht? Da hatte er wieder schönen Mist gebaut.
"Das tut mir leid", murmelte er, "Mir war nicht klar, dass es nicht mehr nur eine Vermutung ist. Entschuldige." Er bemerkte, wie Nathalie in ihrem Tun innehielt und hörbar ausatmete, während sie ihm noch immer den Rücken zukehrte und es mehr als nur offensichtlich vermied ihn anzusehen.
"Was willst du, Damon?", fragte sie schließlich und drehte sich zu ihm herum, um ihn nun doch direkt anzublicken. Damon spürte einen kleinen Stich, als er in die schönen grauen Augen sah, die keinerlei Gefühle zeigten. Sie hatte wieder ihre schützende Mauer um sich errichtet, ähnlich wie er es anfangs getan hatte, mit der festen Absicht, ihn auf keinen Fall an sich heranzulassen.
"Ich will mit dir reden", antwortete der Schwarzhaarige auf die Frage, "Über gestern."
Als hätten seine Worte ihr einen Stromschlag verpasst, brach Nathalie den Blickkontakt und wandte sich wieder dem Kuchen zu, den sie nun aus der Schachtel auf den großen Teller schob.
"Da gibt es nichts mehr zu reden", sagte sie schlicht, ehe sie ein Messer aus einer der Schubladen zog und begann, den Kuchen in Stücke zu schneiden.
"Für mich schon", erwiderte Damon, ehe er einige Schritte auf sie zutrat, "Zoey, ich werde das so nicht auf sich beruhen lassen-"
"Hey, braucht ihr hier noch Hilfe?", wurde er da plötzlich unterbrochen und verärgert sah Damon auf zu Mason, der gerade in die Küche betreten hatte und Damons Blick mit verengten Augen erwiderte.
"Nein, alles gut", antwortete Nathalie ihrem Onkel und lächelte ihm kurz zu, "Ich bin fertig." Sie hob den Kuchenteller hoch, ehe sie ihn nach vorne zum Esstisch brachte, um ihn dort abzustellen, "Ich schaue dann mal nach den anderen." Ohne Damon eines Blickes zu würdigen, lief sie an ihm und Mason vorbei und verließ beinahe fluchtartig den Raum, was den Schwarzhaarigen wütend die Lippen zusammenpressen ließ. Das war ja super gelaufen.
Damon machte Anstalten ihr zu folgen, wurde jedoch von Mason aufgehalten, der sich ihm wie zufällig in den Weg stellte.
"Ich glaube, wir sind uns noch nicht offiziell vorgestellt worden", sagte er, ehe er Damon eine Hand hinhielt, "Mason Lockwood." Damon sah ihn prüfend an und konnte bei seinem Gegenüber trotz des halbherzigen Lächelns genau die gleiche Feindseligkeit spüren, die auch er selbst hegte. Dem Schwarzhaarigen gefiel es ganz und gar nicht wie sich Nathalies Onkel immer wieder in ihre Beziehung einmischte.
"Damon Salvatore. Sehr erfreut", erwiderte Damon und erwiderte Masons Lächeln ironisch, während er seine ausgestreckte Hand vollkommen ignorierte. Erneut versuchte er am Dunkelblonden vorbeizugehen, doch Mason ließ ihn noch immer nicht durch.
"Ich habe schon viel von dir gehört, Damon", sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während Damon langsam Mühe bekam seinen Ärger zu unterdrücken.
"Dann solltest du auch gehört haben, dass ich nicht gerade der Typ für Smalltalk bin. Du bellst also den falschen Baum an." Damon hatte sich den Kommentar eigentlich verkneifen wollen, doch sein Ärger war momentan einfach zu groß. Er wollte einfach nur mit Nathalie sprechen und sich nicht irgendwelche Reden von ihrem Onkel anhören.
"'Okay, Schluss mit den Anspielungen, du hast gewonnen'", sagte Mason plötzlich und unwillkürlich spannte sich Damon an, als der Dunkelblonde die aufgesetzte Freundlichkeit gänzlich fallenließ und ihn offen feindselig musterte, "Du weißt über mich Bescheid und ich über dich, belassen wir es dabei." Damon hob überrascht die Augenbrauen. Er wusste es?
"Du weißt über mich Bescheid?", fragte er nach, "'Woher? Dein Bruder war völlig ahnungslos!'" Damon konnte sich nicht vorstellen, dass Nathalie ihrem Onkel erzählt hatte, dass er ein Vampir war. Trotz ihres Streits hätte sie ihn niemals verraten, da war er sich sicher.
"Das spielt keine Rolle", antwortete Mason, "Hör zu, normalerweise würde ich das entspannt sehen. Ich sehe keinen Sinn hinter dieser uralten Vampir-Werwolf-Fehde, die uns nicht betrifft. Vampire und Werwölfe können in Frieden miteinander leben. Aber trotz dessen werde ich nicht dabei zu sehen, wie du dich immer wieder in Nathalies Leben einmischst."
Damon sah ihn kurz erschrocken an, ehe er etwas die Stirn runzelte und nahe dran war, aufzulachen. Das war nun wirklich ironisch. Damons Sichtweise unterschied sich um 180 Grad von Masons. Normalerweise hätte Damon ihn schon längst getötet, da er als Werwolf eine viel zu große Gefahr darstellen würde, und das nicht nur für Damon, sondern für alle Vampire in dieser Stadt. Nathalie war der einzige Grund, warum Damon noch keine Mordgedanken gegenüber Mason hegte und es auch niemals tun würde. Er hatte es sich geschworen, nie mehr jemanden etwas anzutun, der ihr etwas bedeutete. Und da zählte Mason leider Gottes dazu.
"Ich kenne deinesgleichen", fuhr Mason fort, als Damon nicht antwortete, "Um euch Vampire sterben Menschen, Unschuldige, immer und immer wieder. Nathalie ist kein Werwolf. Sie hat die Chance auf ein normales Leben-"
"Glaubst du, ich habe sie gezwungen mit mir zusammen zu sein?", unterbrach ihn Damon da und trat bedrohlich einen Schritt auf ihn zu, "Sie ist kein Kind mehr! Sie war sich der Konsequenzen absolut bewusst-"
"Falsch!", fiel ihm nun Mason ins Wort, "Sie ist gerade mal 17 Jahre alt. Sie hat überhaupt keine Vorstellung davon, was so ein Leben für sie bedeuten würde!" Damon schnaubte leicht. Mason hatte absolut keine Ahnung, was Nathalie schon alles durchgemacht hatte und wie stark sie trotz dieser Tatsache war!
"Du scheinst deine Nichte nicht im Geringsten zu kennen", sagte Damon gefährlich leise, bemüht seinen Zorn, der heiß in ihm brodelte, im Zaum zu halten, "Du hast keinen Schimmer, was zwischen uns vorgefallen ist oder was uns verbindet! Also halt dich da raus!"
Damon sah, wie für einen kurzen Augenblick etwas Goldenes in Masons Augen aufblitzte, als dieser noch einen Schritt auf ihn zutrat, so dass sie nur noch eine handbreit auseinander waren.
"Ich weiß, dass du sie betrogen hast", sagte er und seine Stimme war inzwischen so leise, wie Damons geworden, "So viel Verbundenheit kann da von deiner Seite nicht gewesen sein." Dieser Mistkerl hatte doch keine Ahnung!
Damon spürte wie sein Zorn bei diesen Worten überhand nahm und seine Hände sich zu Fäusten ballten, als er gerade noch so verhindern konnte, auf Mason loszugehen. Stattdessen schlug er mit voller Kraft auf die Küchentheke neben sich, ehe das laute Splittern von Porzellan zu hören war, als er mit seiner Faust einen Teller erwischte, der dort gestanden hatte.
Mason sah kurz auf den Scherbenhaufen unter Damons Hand, ehe er wieder unbeeindruckt zu dem Schwarzhaarigen aufsah.
"Halt dich von Nathalie fern. Sonst kriegen wir beide ein ernstes Problem", sagte er noch und Damon wollte etwas erwidern, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte.
"Was ist denn hier los?", hörte er Jenna fragen und drehte sich herum zu ihr und Alaric, die gerade die Küche betreten hatten und verwirrt auf die Scherben sahen.
"Ich schätze Damon hat einen deiner Teller zerlegt", antwortete Mason, der wieder seine freundliche Fassade aufgesetzt hatte und Damon nun kameradschaftlich auf die Schulter klopfte, "Du musst deine Kräfte besser einschätzen, Mann." Damon atmete hörbar aus und brachte in diesem Augenblick alle Selbstbeherrschung der Welt auf, um ihm nicht an die Kehle zu gehen.
Dabei dachte er nicht im Entferntesten daran auf Masons Forderung einzugehen. Niemand sagte Damon, was er zu tun und zu lassen hatte. Erst recht nicht, wenn es um Nathalie ging.
-Nathalies Sicht-
Ich war unendlich froh, der Situation zu entkommen, als ich die Küche verließ und ins Wohnzimmer zurückging.
"Nachttisch ist bereit", sagte ich und bemerkte, dass nur noch Jenna und Alaric im Raum waren.
"Wir kommen gleich", antwortete Letzterer mir, "Sag doch bitte auch Elena und Caroline Bescheid. Sie sind draußen." Er zeigte kurz Richtung Haustür und ich nickte etwas, ehe ich zurück in den Flur lief. Dabei atmete ich einmal tief durch, um die Gefühle zu bändigen, die in meinem Inneren mal wieder losgebrochen waren. Ich war mehr als nur erleichtert gewesen, dass Mason Damon und mich unterbrochen hatte. Als wäre es nicht schon schlimm genug gewesen, dass er auf der Party aufgetaucht war, hatte Damon unbedingt mit mir reden wollen.
Ich kam bei der Haustür an und schloss kurz die Augen, ehe ich leicht den Kopf schüttelte.
Mir hätte klar sein müssen, dass er nicht einfach so aufgeben würde. Dennoch hatte ich es irgendwie gehofft. Und zeitgleich befürchtet. Verdammtes Gefühlschaos.
Wie so konnte mich dieser Vampir nicht einfach in Ruhe lassen? Es würde alles so viel einfacher machen.
Ich seufzte leicht, als ich nach draußen trat und die Tür schloss, ehe ich mich dagegen lehnte. Ich wollte gar nicht wissen, was Mason jetzt mit Damon besprach.
"Alie? Alles okay?" Ich sah auf zu Elena, die mit Caroline auf der uralten Hollywood-Schaukel saß, die auf der Veranda stand.
"Alles bestens", sagte ich leise und versuchte ich mich an einem Lächeln, als ich mich von der Tür abstieß und zu den beiden trat, "Ich wollte nur Bescheid sagen, dass der Nachtisch fertig ist."
"Oh Gott sei Dank", sagte Caroline und lächelte erleichtert, "Ich kann gar nicht aufhören, zu essen!", sie stand auf und trat neben mich, "'Stefan meinte, das sei eine super Methode die Gelüste wegzudrücken.'" Ich nickte ein wenig. Das war wirklich die bessere Alternative. Lieber verschlang sie alles Essbare, das sie fand, als wenn sie in ihrer Blutgier jemanden verletzte. Doch bisher schien Caroline sich in ihrem Vampirdasein wirklich gut zu schlagen. Viel besser als Vicky damals. Stefan hatte sogar Bonnie, Gott weiß wie, dazu überredet, ihr einen Tageslicht-Ring zu machen, so dass sie nicht von ihrem alten Leben abgeschnitten war.
"Elena, kommst du?", riss mich die Blonde aus den Gedanken und ich sah zu meiner besten Freundin auf, die noch immer auf der Schaukel saß und unsicher ihr Handy musterte.
"Hat Stefan immer noch nicht angerufen?", fragte ich nach und trat zu ihr, was sie nur den Kopf schütteln ließ. Sie hatte bereits den ganzen Tag versucht ihn anzurufen, doch er hatte nicht einmal auf diese Anrufe reagiert. Er schien wie vom Erdboden verschluckt.
"'Wäre ich eine schreckliche Freundin, wenn ich euch beide hier allein lassen und zu ihm fahren würde?'", fragte Elena plötzlich und sah fragend zu uns auf, "Ich habe echt ein ungutes Gefühl."
"Ich komme gern mit, wenn du möchtest", sagte ich schulterzuckend und die Dunkelhaarige lächelte kurz, ehe sie etwas nickte. Mir war es mehr als nur Recht dieser Party zu entkommen. Außerdem sollte Elena wirklich nicht allein gehen, wenn Stefan tatsächlich etwas passiert war.
"'Das ist keine gute Idee, Elena!'", protestierte Caroline da und etwas verwirrt blickte ich zu ihr, "'Lass es dir von mir gesagt sein, es gibt nichts Schlimmeres als eine klammernde Freundin!'" Was war denn ihr Problem?
"'Ich klammer nicht, ich mache mir nur Sorgen'", erwiderte Elena.
"Was ganz normal ist, wenn sich ihr Freund den ganzen Tag lang nicht meldet", fügte ich hinzu. Ich fand Elenas Reaktion keineswegs übertrieben oder klammernd.
"'Ähm, wie wäre es, wenn ich euch fahre?'", bot Caroline darauf an, was mich nun noch mehr verwirrte. Da hatte sie ihre Meinung ja schnell geändert.
"'Ja, das wäre toll. Danke!'", erwiderte Elena, ehe sie aufstand, "Ich sage kurz den anderen Bescheid, dass wir wegfahren." Ich sah ihr nach, wie sie nach drinnen lief, ehe ich einen kurzen Seitenblick auf Caroline warf, die nun ziemlich nervös wirkte.
"Alles okay bei dir?", fragte ich skeptisch nach, was sie erschrocken aufsehen ließ.
"Klar, wieso auch nicht?", antwortete sie unbekümmert und ich runzelte die Stirn.
Echt seltsam.
***
"Gott, ich hätten den Kuchen echt brauchen können. Wieso müssen wir nochmal unbedingt nach Stefan sehen?", seufzte Caroline und wie soft zuvor verdrehte ich die Augen, was sie aber nicht sah, da ich genau hinter ihr im Auto auf der Rückbank saß.
"Du hast angeboten, uns zu fahren", erwiderte Elena, die neben der Blonden auf dem Beifahrersitz saß, schulterzuckend, doch ich konnte an ihrer Stimmlage hören, dass sie ebenfalls etwas genervt war. Wir waren noch keine zehn Minuten unterwegs und trotzdem hatte es Caroline mit ihren meist schnippischen Kommentaren geschafft, mich zur Weißglut zu bringen. Mir war bewusst, dass sie durch ihre Trennung mit Matt allen Grund hatte zynisch zu sein, vor allem wenn es um das Traumpaar namens Stefan und Elena ging, doch was sie hier abzog, war wirklich grenzwertig. Ich war immerhin in einer ähnlichen Lage und schaffte es dennoch, mich zusammenzureißen und Elena nicht mit Argumenten zu bombardieren, warum eine Beziehung zwischen Mensch und Vampir unmöglich war. Und diese Argumente stimmten meist nicht einmal!
"Ich weiß ja", murmelte Caroline, "Aber hier habt echt keine Ahnung, wie schlimm das ist! Gegen diese Wahnsinns-Gier nach Blut Tag für Tag anzukämpfen!" Ich hob etwas die Augenbrauen, sagte aber nichts dazu. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es anfangs schwierig war, doch Stefan selbst hatte gesagt, dass es leichter wurde.
"'Diese Seite hasst Stefan von sich wirklich abgrundtief'", sagte Elena leise und besorgt blickte ich zu ihr. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. Ich konnte es ihr nicht verdenken.
"'Ja na klar, er hasst es, dass du eine ständige Versuchung bist!'", sagte Caroline darauf und Elena sah sie erschrocken an.
"'Hat er das gesagt?"', fragte sie leise und ich blickte Caroline scharf an. Ich war mir sehr sicher, dass Stefan das so nie sagen würde.
"'Die Lust dir jedes Mal die Halsschlagader aufzureißen, wenn ihr zusammen seid? Glaub mir, die ist da! Deshalb musste ich mit Matt Schluss machen'", antwortete Caroline, als sie über den Rückspiegel zu mir sah, "Es wundert mich echt, wie du da heil rausgekommen bist, Alie! Ich meine, Damon würde im Gegensatz zu Stefan nicht einmal versuchen sich zu beherrschen." Zorn stieg in mir hoch und die Blonde konnte in diesem einen Augenblick froh sein, dass Blicke nicht töten konnten. Abgesehen davon, dass es sie nicht das Geringste anging, was sich alles zwischen Damon und mir abgespielt hatte, machte es mich rasend, dass sie Damon mal wieder als rücksichtsloses Monster hinstellte und Schlüsse zog, die nicht ansatzweise der Wahrheit entsprachen.
"Er musste sich nicht beherrschen", sagte ich mit kalter Stimme, "Ich habe ihm freiwillig mein Blut gegeben.'" Ich hörte wie sowohl Caroline als auch Elena erschrocken Luft holten, doch das war mir egal. Ich hatte es bisher niemandem erzählt, umso mehr Genugtuung brachte es mir nun, dass ich ihre Vorstellungen mal wieder vollkommen zerstört hatte.
"Das hast du nie erwähnt", sagte Elena und sah über die Schulter zu mir. Dabei rechnete ich ihr hoch an, dass sie lediglich überrascht wirkte, statt angewidert oder verurteilend.
"Wozu auch? Es war immerhin privat. Und ist es immer noch." Die letzten Worte richtete ich an Caroline, welche es inzwischen vermied mich durch den Spiegel direkt anzusehen.
"Schluss gemacht habt ihr trotzdem", bemerkte sie etwas kleinlaut, was mich den Kopf schütteln ließ.
"Ja, aber das hatte nicht das Geringste mit der Tatsache zu tun, dass Damon ein Vampir ist und ich ein Mensch. Caroline, genau wie jeder Mensch ist jeder Vampir anders und damit auch jede Beziehung, die Menschen und Vampire haben! Also vergleiche dein Drama bitte weder mit meinem noch mit Elenas!" Caroline nickte bei meiner Ansprache ein wenig, ehe sie kurz schuldbewusst zu Boden sah, bevor sie wieder auf die Straße blickte.
"Ist ja gut", sagte sie leise, "Entschuldige." Ich nickte zufrieden und lehnte mich etwas zurück. Eine Entschuldigung war auch das Mindeste gewesen.
Ich bemerkte, wie Elena mir ein dankbares Lächeln zuwarf, welches ich kurz erwiderte, als plötzlich eine Erschütterung durch das fahrende Auto ging.
"Was ist das?", fragte ich verwirrt und sah aus dem Fenster.
"'Oh, so ein Mist!'", fluchte Caroline und wurde langsamer, ehe sie mit dem Auto an den Straßenrand fuhr.
Auch das noch.
***
"'Sicher, dass der Pannendienst kommt? Wir warten schon ewig!'", sagte Elena und blickte auf ihre Handyuhr, was mich nur seufzen ließ. Wir standen bestimmt schon seit einer Stunde hier und warteten auf den Abschleppdienst, da Carolines Auto einen platten Reifen hatte.
Es war inzwischen schon dunkel geworden und so langsam waren meine Nerven wirklich am Ende.
"'Ich weiß, echt merkwürdig'", erwiderte Caroline und sah die Straße entlang, "'Die haben gesagt, dass es nicht mehr lange dauert.'"
"Klar", murmelte ich und tauschte einen Blick mit Elena, die genauso genervt wirkte wie ich.
"'Ich rufe jetzt Jenna an'", sagte sie schließlich und begann die Nummer auf ihrem Handy zu tippen, als Caroline sie zurückhielt.
"'Nein! Warte! Ich- ähm... ich rufe nochmal beim Abschleppdienst an!'", sagte sie schnell, "'Jetzt mache ich die zur Sau!'" Leises Misstrauen keimte in mir auf, als ich die Blonde skeptisch musterte. Mir war ihr Stottern keineswegs entgangen und so langsam bekam ich das Gefühl, dass sie Elena und mich so lange wie möglich aufhalten wollte.
"Wir sind doch sowieso fast da", sagte ich und deutete die Straße entlang, "Die paar Minuten Fußweg bringen uns auch nicht um. Kommt!" Elena nickte und wollte mir folgen, als Caroline sie plötzlich am Arm griff.
"'Aber ich lass doch nicht mein Auto hier stehen!'", sagte sie kopfschüttelnd und mein Misstrauen wuchs.
"'Wir können es doch später holen'", wandte meine beste Freundin ein.
"'Jetzt gebt mir doch mal eine Minute!'", widersprach Caroline und tippte wieder auf ihrem Handy herum.
"'Welchen Teil von 'Ich mache mir Sorgen um Stefan' ist nicht durchgesickert, Caroline?!'", fragte Elena aufgebracht und ich trat dicht neben sie. Hier stimmte doch etwas nicht.
"'Was soll die Eile?!'", fragte Caroline und fixierte Elena mit verärgertem Blick, "'Warum hast du es so eilig, dich in eine Beziehung zu werfen, die sowieso scheitern wird?!'", ich öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Caroline redete schon weiter, "Ja, Alie, mag sein, dass jede Beziehung anders ist, doch Mensch-Vampir-Bindungen haben etwas fundamental gemeinsam! Elena wird irgendwann uralt sein und Windeln tragen, während Stefan immer noch rattenscharf ist! Und Kinder wird sie von ihm auch nie bekommen! Elena, du bist viel zu sehr Familienmensch, um keine zu kriegen!'"
"'Wie bist du denn auf einmal drauf?'", fragte Elena nach, während ich einfach nur den Kopf schüttelte. Das waren alles Probleme, die man in ein paar Jahren besprechen konnte. Immerhin konnte sich Elena immer zu einer Verwandlung entschließen, genauso wie es zig andere Wege gab, Kinder zu bekommen, auch wenn man selbst nicht schwanger werden konnte. Aber wie gesagt, dass waren Probleme, die man mit 17 noch nicht wirklich hatte.
"'Ich versuche nur eine Freundin zu sein!'", rechtfertigte sich Caroline.
"Ein Tipp: Du machst es falsch", sagte ich trocken und die Blonde wollte etwas antworten, als Elena ihr zuvorkam.
"'Tu mir einen Gefallen und hör auf mit dem Versuch'", sagte die Dunkelhaarige kopfschüttelnd, als mein Blick hinter sie auf den großen Wagen fiel, der sich uns nährte.
"Der Pannendienst ist da", sagte ich und die beiden sahen auf.
"Dann können wir ja jetzt gehen", sagte Elena und nickte mir zu. Doch gerade als ich an Caroline vorbei wollte, griff sie mich genau wie Elena vorher am Arm. Und das so grob, dass es weh tat.
"Aua, verdammt!", fluchte ich und drehte mich zur Blonden herum, "Was soll das? Das tut weh!" Was zum Teufel war denn bloß los mit ihr?!
"'Lasst mich bitte nicht alleine hier!'", sagte sie und ihre Stimme wirkte fast panisch.
"'Was ist nur los mit dir?'", sprach Elena leise meine Gedanken aus, als in diesem Moment der Abschleppwagen bei uns hielt.
"'Hey, haben Sie wegen einem Platten angerufen?'", fragte der Fahrer.
"'Ja, sie'", antwortete Elena und nickte zu Caroline, "Komm, Alie." Ich befreite mich aus Carolines Griff und sah die Blonde, welche meinen Blick flehend erwiderte, kurz abweisend an, ehe ich mich abwandte und Elena folgte.
Wir sagten gar nichts, als wir der dunklen Straße folgten und ich wusste, dass Elena genau so sehr wie mir bewusst war, dass Caroline uns noch über weite Entfernungen hören konnte.
***
"Dir ist das auch aufgefallen, oder?", fragte ich schließlich, als wir nach einer viertel Stunde endlich vor dem Salvatore-Anwesen standen, und blickte Elena fragend an.
"Dass sie diese ganze Show abgezogen hat, um uns von hier fernzuhalten? Ja", antwortete die Dunkelhaarige und ich spannte mich an, als ich zu der großen Haustür aufsah, die im dämmrigen Licht nun irgendwie gespenstisch wirkte.
"Fragt sich nur, wieso", sagte ich leise, als Elena an die Tür trat und sie öffnete. Unverschlossen. Stefan war also Zuhause.
"Finden wir es raus", murmelte Elena, als ich ihr ins Haus folgte, "Stefan?!", rief sie, doch es kam keine Antwort. Zu zweit traten wir durch den Flur in den Salon, wo ebenfalls keine Menschenseele war.
"Stefan?!", wiederholte Elena, als ich plötzlich Schritte hinter uns hörte und herumfuhr. Meine Augen weiteten sich und ich spürte, wie das Adrenalin begann durch meine Adern zu rauschen, als sich auch Elena umdrehte und entsetzt Luft holte.
Katherine stand dort, so still wie die Ruhe vor dem Sturm, und musterte uns mit schräg gelegtem Kopf, als wären wir irgendeine interessante Ausstellung in einem Museum.
"Hallo Nathalie", sagte sie leise zu mir und ich ballte meine Hände zu Fäusten, während ihr Blick zu meiner besten Freundin hinüberwanderte, "'Und du musst Elena sein.'" Da stand sie. Die Frau, durch die ich Damon verloren hatte, stand direkt vor mir und obwohl sie das Ebenbild meiner besten Freundin war, sah ich mit einem Mal so viele Unterschiede. Ihre schwarzen Klamotten, die irrsinnig hohen Stiefel, ihr langes, lockiges, volles Haar, das dunkle Makeup, das sie trug, all diese Dinge ließen sie viel älter und reifer als Elena wirken. Sie war wunderschön. Ein stechender Schmerz fuhr durch meine Brust, als mich diese Erkenntnis absolut gegen meinen Willen traf und welche ich niemals zugegeben hätte. Es war tatsächlich kein Wunder, dass ihr sowohl Damon als auch Stefan damals verfallen waren...
Ich spürte, wie mit diesen Gedanken der altbekannte Zorn in mir aufstieg. Es war alles ihre Schuld!
"Warum bist du hier?!", fragte ich scharf und trat einen Schritt vor, während ich sie hasserfüllt ansah. Mir war bewusst, dass diese Aktion mehr als nur dumm war, da sie mich innerhalb eines Wimpernschlags töten konnte, wenn sie wollte, doch der Hass brodelte zu heiß in mir, als dass ich auf meine warnende innere Stimme gehört hätte. Sie hatte mir bereits Damon genommen. Etwas Schlimmeres konnte sie mir nicht mehr antun.
"Wahrscheinlich aus den gleichen Gründen wie ihr", erwiderte sie auf meine Frage und trat einige Schritte auf uns zu, "Neugierde, Sehnsucht, Verlangen...", sie kam noch näher und instinktiv schob ich mich schützend vor Elena, während Übelkeit in mir aufstieg, als ich direkt in Katherines Augen sah, die zwar grundlegend Elenas ähnlich waren, sich aber vom Ausdruck von ihnen unterschieden wie Tag und Nacht, "Vielleicht wollte ich den Brüdern auch einfach nur 'Hallo' sagen", fuhr die Dunkelhaarige fort und kam direkt vor mir zum Stehen, ehe ein spöttisches Grinsen auf ihrem Gesicht erschien, "Nathalie kann bezeugen, wie sehr vor allem Damon mich vermisst hat."
"Miststück!", entfuhr es mir da zornig, als ich instinktiv die Hand erhob, um ihr das verdammte Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. Doch noch bevor ich sie berühren konnte, griff Katherine blitzschnell mein Handgelenk und hielt es schmerzhaft fest, während ihr spöttisches Grinsen um eine Spur breiter wurde.
"Alie!", rief Elena besorgt aus und ich griff mit meiner freien Hand nach ihrem Arm, um sie hinter mir zu halten, während nun etwas Angst in mir hochstieg und sich mit meinem Zorn und Hass vermischte. Sie durfte auf keinen Fall dazwischen gehen. Ich war bereits dumm genug gewesen, sie anzugreifen.
"Du solltest dich nicht mit Vampiren anlegen, die 30 Mal so alt sind wie du", sagte Katherine leise und ihr Griff wurde fester, "Ich glaube, das wäre...", Katherine drückte einmal kräftig zu und ich schrie auf, als sie mich darauf losließ und unerträgliche Schmerzen durch meinen Arm schossen, durch welche ich zu Boden auf meine Knie sank, "Ungesund."
Ich spürte, wie mir der Schmerz und die Demütigung, die in mir aufkam, Tränen in die Augen trieben, als ich mein pochendes Handgelenk umklammerte, doch ich hielt sie mit aller Macht zurück. Ich würde mir vor ihr nicht die Blöße geben.
"Oh Gott, Alie!", hörte ich Elenas Stimme wie durch Watte, als ich merkte, wie sie neben mir auf die Knie sank und schützend ihre Arme um mich legte, "Wieso machst du das?!" Wütend sah sie zu Katherine auf, doch ich hielt weiterhin den Blick gesenkt, damit Katherine nicht die Tränen, sah, welche mir in den Augen brannten.
"'Du stellst die falschen Fragen'", erwiderte die Dunkelhaarige nur leise, ehe sie einfach an uns vorbeiging und plötzlich Schritte vom Flur her ertönten. Nun sah ich doch auf, als Stefan plötzlich den Raum betrat und uns erschrocken ansah. Seiner blutverschmierten Kleidung nach zu urteilen, hatte Katherine ihn wohl außer Gefecht gesetzt, bevor sie bei uns aufgetaucht war. Zeitgleich mit Elena blickte ich hinter mich, als er schnellen Schrittes zu uns trat, doch Katherine war verschwunden.
"Elena! Nathalie! Alles okay?", fragte Stefan und musterte uns besorgt. Nein... nichts war okay.
"Sieht das so aus?", fragte Elena leise, ehe sie sich zu mir wandte und vorsichtig nach meinem verletzten Arm griff, "Geht's? Ist es gebrochen?"
"Keine Ahnung", erwiderte ich kaum hörbar und schluckte schwer, als mir doch eine Träne entkam. Ich fühlte mich in diesem Moment so erniedrigt und bloßgestellt, dass ich mich am liebsten Elenas Griff entzogen hätte und einfach von diesem Ort geflüchtet wäre. Ich hatte der Frau, die Damon dazu gebracht hatte, mich fallenzulassen, direkt gegenüber gestanden. Und ich hatte ihr absolut nichts entgegensetzen können. Ich war nichts im Vergleich zu ihr.
"Ich glaube nicht, dass es gebrochen ist", riss mich Stefan aus meinen düsteren Gedanken und erst jetzt merkte ich, dass er vor mir in die Hocke gegangen war und mein Handgelenk untersuchte, "Du solltest es trotzdem schonen. Ich kann es auch sofort heilen, wenn du willst." Fragend sah er zu mir auf, doch ich schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, geht schon. Ich will einfach nur Nachhause", murmelte ich und atmete einmal tief durch, um den dicken Kloß mit Mühe herunterzuschlucken, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Ich wollte mich nur noch in meinem Bett verkriechen.
"Ich kann dich fahren", sagte Stefan leise und ich merkte, wie er mit Elena einen besorgten Blick tauschte, "Aber lass mich deinen Arm trotzdem verbinden, das wird dein Handgelenk etwas entlasten." Ich nickte nur stumm.
Solange ich nach Hause konnte, war mir alles andere gerade egal.
***
Ich wollte nicht wisse, wie spät es schon wieder war, als ich gedankenverloren meine Haustür aufschloss und möglichst laut los in den Flur trat. Ich wollte nicht, dass mich irgendwer hörte und mir Fragen darüber stellte, wo ich war. Vor allem der weiße Verband an meiner Hand würde Fragen aufwerfen, auf die ich absolut nicht antworten wollte.
Seufzend schloss ich die Tür und zog meine Jacke aus, als ich in dem Moment laute Stimmen hörte, die aus dem Salon drangen.
Wer war denn so spät noch auf?
Neugierig trat an die Tür zum Salon heran, die etwas offen stand, und blickte hinein.
"'Wie wird der Fluch ausgelöst?'", hörte ich Tylers Stimme und ich entdeckte ihn kurz darauf, wie er Mason direkt gegenüber stand und mit ihm in einem hitzigen Streit verwickelt zu sein schien.
"'Wenn ich dir das sage, kannst du an nichts anderes mehr denken! Das will ich dir und vor allem Nathalie ersparen!'", erwiderte Mason kopfschüttelnd und ich schluckte. Tyler hatte in seinem Vorhaben also noch immer nicht locker gelassen.
"Wir müssen es ihr ja nicht sagen! Und ich kann sicher damit umgehen!", widersprach Tyler unbeeindruckt und ich spürte, wie Übelkeit in mir aufstieg. Ich wollte dieses Gespräch nicht hören. Ich wollte es nicht wissen.
Wie Blitze rasten diese Gedanken durch meinen Kopf, doch trotzdem war ich nicht fähig mich von der Tür zu lösen und zu gehen.
"'Du kannst damit umgehen, du Superheld?!'", fragte Mason spöttisch und trat einen Schritt auf Tyler zu, "'Du hast keine Ahnung!'"
"'Willst du den blöden Stein oder nicht?!'", fragte Tyler aufgebracht, der inzwischen wohl die Geduld verlor.
"'Sag mir, wo er ist!'", rief Mason wütend werdend und ich zuckte unweigerlich zusammen, als er Tyler am Kragen packte und gegen die nächste Wand drückte.
"'Sag mir, was den Fluch auslöst!'", erwiderte Tyler wieder, als in diesem Moment bei Mason wohl endgültig die Sicherungen durchbrannten.
"'DU MUSST JEMANDEN UMBRINGEN!'", schrie er und mir wurde bei seinen Worten eiskalt. Das war es also? Man musste... einen Mord begehen?
Nur am Rande hörte ich, wie Mason weitersprach.
"'Menschenblut! Du musst einem anderen Menschen das Leben nehmen und dann ist dieser Fluch für immer dein!'" Ich spürte, wie mir schlecht wurde, als ich mich endlich von der Tür lösen konnte und ich instinktiv durch die Hintertür nach draußen auf die Veranda lief.
Hilfesuchend krallte ich mich an der steinernen Brüstung fest und versuchte verzweifelt tief ein- und auszuatmen. Mord... Töten... Sobald ich jemanden tötete...
Meine Übelkeit verstärkte sich, als ich an die unzähligen Male dachte, in denen ich mich bereits vor Vampiren verteidigt hatte. Wie leicht hätte es da passieren können, dass ich einen von ihnen aus Notwehr gepfählt hätte. Aber zählten Vampire bei sowas überhaupt?!
Ich schnappte panisch nach Luft, als ich das Gefühl hatte zu ersticken.
Ich wollte kein Werwolf werden! Ich wollte mich nicht jeden Vollmond in ein wildes Tier verwandeln! Ich wollte kein Todfeind von Vampiren werden! Von Damon...
"Zoey?" Erschrocken fuhr ich herum, als ich Damon erkannte, der aus der Dunkelheit zu mir trat und mich besorgt musterte, "Alles okay?" Ich schloss kurz die Augen, während es mir noch immer nicht gelang, die schreckliche Panik unter Kontrolle zu kriegen. Wenn man an den Teufel dachte...
"Ich kann nicht, Damon... Ich... ich...", stotterte ich, während ich noch immer verzweifelt versuchte, Luft zu kriegen.
"Hey", sagte Damon da, der wohl erkannt hatte, was mit mir los war, als er an mich herantrat und sanft meine Hände griff, "Sieh mich an. Alles ist gut. Ganz ruhig", ich sah zu ihm auf und fixierte hilfesuchend seine blauen Augen, "Atme einfach tief durch. Genau so. Alles ist gut." Es war mir selbst ein Rätsel, wie er es allein mit diesen einfachen Worten und seinem ruhigen Blick schaffte, dass sich mein Herzschlag verlangsamte und ich wieder Luft bekam. Das Zittern in meinen Händen ließ nach und ich spürte, wie sich mein gesamter Körper allmählich wieder beruhigte, was mich erleichtert aufatmen ließ.
"Danke", seufzte ich kaum hörbar und schloss für einen Moment die Augen, bevor ich wieder zu Damon aufsah, der mich nach wie vor besorgt musterte.
"Was hat dich so entsetzt, dass du eine Panikattacke bekommen hast?", fragte er leise und ich schluckte schwer, als ich erneut an Masons Worte dachte. Eigentlich wollte ich es Damon nicht erzählen. Doch ich musste zugeben, dass es besser wäre, wenn er Bescheid wusste.
"Ich...", fing ich zögerlich an und sah zu Boden, "Ich habe erfahren, wie... wie der Fluch ausgelöst wird", unsicher sah ich zu Damon auf, der mich nur abwartend ansah, "Es passiert, wenn... wenn...", es kostete mich ungemeine Überwindung es laut auszusprechen, "Wenn ich jemanden umbringe." Damon runzelte bei meinen Worten nachdenklich die Stirn, während er mit dem Daumen beruhigend über meinen Handrücken strich, was mich ermutigte, weiterzusprechen.
"Ich habe solche Angst, Damon", flüsterte ich und ungewollt traten mir Tränen in die Augen.
"Schhht", murmelte er kopfschüttelnd und trat einen Schritt näher an mich heran, während er meine Hände noch immer festhielt, "Das wird nicht geschehen."
"Aber was, wenn doch?", fragte ich und hielt mit Mühe die Tränen zurück, "Was, wenn..." Was, wenn er mich dann hassen würde? Genau diese Frage spukte durch meinen Kopf, doch ich schaffte es einfach nicht, sie auszusprechen.
"Es wird nicht dazu kommen", wiederholte Damon und sah mir fest in die Augen, "Das lasse ich nicht zu. Niemals. Das verspreche ich dir." Ich nickte bei seinen Worten etwas und versuchte dabei die grausigen Gedanken zu verdrängen. Ich musste mir keine Sorgen darüber machen, solange ich ein Mensch war. Solange ich ein Mensch blieb, würden wir keine Feinde sein... und ich kein Monster.
"Danke", murmelte ich erneut, was Damon etwas lächeln ließ, ehe er sanft den Kopf schüttelte. Wieso war es für ihn noch immer so selbstverständlich für mich da zu sein?
Ich spürte, wie ein wenig von der alten vertrauten Wärme bei diesem Gedanken in mir aufstieg. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten schien diese Kluft, die sich seit der Trennung zwischen uns gebildet hatte, nicht mehr ganz so entsetzlich groß zu sein.
"Was machst du eigentlich hier?", fragte ich schließlich nach kurzem Schweigen und sah mich um. Es war doch kein Zufall, dass er bei meinem Haus gewesen war.
Unweigerlich musste ich an heute Nachmittag denken, als er so vehement das Gespräch mit mir gesucht hatte. War er deswegen hier?
Ich wunderte mich etwas über mich selbst.
Vorhin war ich so abgeneigt gewesen ihn anzuhören, doch jetzt wollte ich es wissen. Was war los mit mir?
"Das ist im Moment unwichtig", antwortete Damon, nachdem er für einen Moment gezögert hatte, "Du hast wichtigere Probleme", wie eben schon strich er mit dem Daumen über meinen Handrücken, als ihm wohl erstmals der Verband auffiel, der um mein Handgelenk gewickelt war, "Was ist denn da passiert?" Seine Stimme klang teils neugierig teils besorgt, als er meine gesunde Hand losließ, um meine andere näher zu betrachten. Ich merkte, wie mir vor Scham die Röte in die Wangen stieg und hoffte inständig, dass er es in dem dämmrigen Licht nicht sah.
"Ach das ist nichts", sagte ich kopfschüttelnd und versuchte möglichst unbekümmert zu klingen.
"Das sieht aber nicht nach 'Nichts' aus", erwiderte Damon und sah skeptisch zu mir auf.
"Es ist wirklich nichts", beharrte ich kopfschüttelnd, "Ich bin nur gestolpert. Das ist alles." Um nichts in der Welt würde ich ihm die Wahrheit sagen. Dass ich mich aus Eifersucht mit seiner Ex angelegt und sie mir darauf mit nur einer Hand fast den Arm gebrochen hatte.
Damon öffnete den Mund und wollte offenbar etwas erwidern, als ihm jemand zuvorkam.
"Nathalie?", hörte ich plötzlich Masons Stimme und mein Blick schnellte zur Hintertür, die ich offengelassen hatte, "Was machst du denn hier draußen? Es-", er hielt inne, als er Damon sah, "Was machst du denn hier?" Ich erschrak kurz darüber, wie feindselig er klang, ehe ich Damon meine Hand entzog und ein paar Schritte auf Mason zuging.
"Es ist alles okay. Damon und ich haben uns nur unterhalten", sagte ich ruhig, in der Hoffnung meinen Onkel dadurch zu beschwichtigen. Jedoch ging Mason gar nicht auf meine Worte ein, sondern lief an mir vorbei, ehe er sich schützend vor mich schob.
"Ich dachte, ich hätte mich heute klar ausgedrückt", sagte er leise an Damon gewandt, welcher die Augen verengte.
"Dummerweise höre ich nicht auf Hundegebell", erwiderte der Schwarzhaarige und seine Stimme wurde genauso feindselig wie Masons.
"Hättest du aber", murmelte dieser und trat einen Schritt vor, "Denn jetzt hast du dir einen Feind gemacht."
"Okay, was ist hier los?!", fragte ich und trat aufgebracht zwischen die beiden. Hier war doch eindeutig irgendwas vorgefallen, wovon ich nichts mitbekommen hatte!
"Frag das am besten deinen Onkel", sagte Damon nur, bevor er sich, ohne mich nochmal anzusehen, abwandte und im nächsten Moment verschwand.
Verwirrt drehte ich mich zu Mason herum, der noch immer eisern auf die Stelle starrte, wo Damon gerade noch gestanden hatte.
"Was sollte das?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Da löste Mason seinen Blick und sah mich eindringlich an.
"Ich will, dass du dich so weit wie möglich von Damon fern hältst", sagte er ernst und ich hob mehr als nur irritiert die Augenbrauen.
"Ich soll was?", fragte ich ungläubig nach. Seit wann machte mir mein Onkel darüber Vorschriften, was ich zu tun und zu lassen hatte?
"Du hast richtig gehört", sagte Mason leise, "Nathalie, dieser Mann ist gefährlich!"
"Das ist doch Unsinn!", widersprach ich sofort, "Wie kommst du überhaupt-", ich hielt inne, als plötzlich die Erkenntnis in mir hochstieg, "Du weißt es?", fragte ich geschockt, während Mason keinerlei Reaktion auf meine Worte zeigte, mir jedoch trotzdem damit eine eindeutige Antwort gab, "Woher?"
"Spielt keine Rolle", blockte er sofort ab, "Nathalie, denkst du ernsthaft, dass ein Vampir der richtige Umgang für dich ist?! Er ist ein Mörder! Er-"
"Okay", fiel ich ihm ins Wort, ehe ich meine nächsten Worte leise und langsam aussprach, "Ich sage das jetzt nur einmal: Halt dich aus meinem Leben raus! Es geht dich nichts an, mit wem ich meine Zeit verbringe und mit wem nicht! Ich bin alt genug, um meine Entscheidungen allein zu treffen! Also hör auf, dich in meine Probleme einzumischen, es sei denn, ich bitte dich darum!" Damit wandte ich mich ab, um wieder nach drinnen zu gehen.
"Nathalie!" Ich reagierte nicht auf Masons Ruf, sondern lief schnellen Schrittes durch den Flur, die Treppen hinauf, zu meiner Zimmertür, ehe ich schnell eintrat und sie etwas lauter als geplant wieder ins Schloss fallenließ.
Was fiel ihm überhaupt ein?! Wieso dachte er, dass er mich einfach wie ein Kleinkind behandeln und Entscheidungen für mich treffen konnte.
Ich seufzte leise, ehe ich mich an die Tür lehnte und langsam zu Boden sank.
Meine Situation mit Damon war auch so schon verwirrend und schwierig genug. Da brauchte ich neben Elena, Caroline und Gott weiß wem nicht auch noch Mason, der mir seine Meinung aufzwang.
Ich schloss die Augen, während ich mir erschöpft durchs Haar fuhr.
Wieso konnten uns nicht einfach alle in Frieden lassen?
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