Because Of Me
"Who is that girl I see
Staring straight back at me?
Why is my reflection
Someone I don't know?
Must I pretend that I'm
Someone else for all time?
When will my reflection show
Who I am inside?"
-Reflection, Christina Aguilera
"Verdammte Scheiße nochmal! Jetzt lass mich doch endlich in Ruhe!", rief ich aus, als ich zum x-ten Mal heute unter meiner Decke hervorlugte, um nach meinem neuen Handy zu greifen und das schrille Klingeln zum Verstummen zu bringen. Natürlich hatte ich den Klingelton noch nicht geändert, was es umso nerviger machte, doch das war nicht mein Problem.
Mein Problem war Damon, der mir über Nacht zig SMS hinterlassen hatte und nun seit mehreren Stunden versuchte, mich anzurufen, was nur dadurch einmal unterbrochen wurde, wenn nicht er, sondern Elena mich anrief, die zweifelsohne schon durch Stefan mitbekommen hatte, was zwischen mir und dem schwarzhaarigen Vampir vorgefallen war.
Warum konnten mich nicht alle einmal in Frieden lassen?!
Es war ein sonniger Montag noch mitten in den Schulferien und es war nicht umsonst so, dass ich am späten Nachmittag noch immer in meinem Bett lag und mich unter meiner Decke vergrub.
Ich wollte einfach allein sein und nur einen Tag vergehen lassen, an dem nichts Schlimmes geschah oder ich mich irgendwem erklären musste. Nur einen Tag!
Doch diese Rechnung hatte ich ohne Elena und Damon gemacht.
Vor allem vor einem Gespräch mit Letzterem graute es mir.
Es war schon schlimm genug gewesen, ihn gestern zurückzuweisen. Da wollte ich jetzt nicht auch noch darüber reden, vor allem da ich genau wusste, dass das zu nichts führen würde.
Ich würde bis in alle Ewigkeit ein Werwolf sein und außer der Wahl, ob ich Damon belog und auf Abstand hielt oder ob ich ihm die Wahrheit sagte und er mich hassen würde, blieb mir nicht viel übrig.
Und mit Elena konnte ich genauso wenig darüber reden, da sie nicht über meinen neuen Zustand Bescheid wusste.
Ich war damit vollkommen auf mich allein gestellt...
Ich spürte, wie wieder einmal Tränen in mir aufstiegen und schluckte schwer, während ich die Decke wieder über meinen Kopf zog.
Ich würde einfach für immer hier drin bleiben.
"Nathalie?" Ich zuckte heftig zusammen, als ich eine gedämpfte Stimme an der Tür hörte, welche ich als die von Tyler erkannte, "Hey, bist du da drin?" Er klopfte leicht gegen die Tür und kurz spielte ich mit dem Gedanken, einfach zu schweigen und zu hoffen, dass er wieder ging, doch ich verwarf ihn schnell wieder. Ich war immerhin gestern den ganzen Tag verschwunden gewesen, wenn ich mich jetzt wieder nicht zeigte, würde er noch bei Mom Alarm schlagen.
"Nein", antwortete ich ihm schließlich seufzend, ehe ich hörte, wie die Tür aufging.
"Verkriechst du dich schon den ganzen Tag hier drin?", fragte er, während ich keine Anstalten machte unter meiner Decke hervorzukommen.
"Jep", erwiderte ich schlicht und hörte, wie er die Tür schloss, ehe das Bett neben mir leicht nachgab, als er sich setzte.
"Alles okay?" Sorge schwang in seiner Stimme mit und ich merkte, wie sich mein Gewissen meldete.
"Ja", murmelte ich, ehe ich kurz den Kopf über mich selbst schüttelte, "Nein", revidierte ich dann, ehe ich die Decke gerade so weit zurückzog, dass ich ihn ansehen konnte.
Es war sinnlos, ihn anzulügen. Mein ganzes Verhalten schrie geradezu danach, dass etwas nicht in Ordnung war.
"Damon?", fragte Tyler nach und ich begegnete seinem prüfenden Blick. Tja, wer sollte es auch sonst sein?
"Jap", seufzte ich und zog die Decke noch ein Stück hinunter, um tief durchatmen zu können.
"Ich schwöre dir, irgendwann bring ich den Kerl um", sagte Tyler leise und trotz dessen, dass Belustigung in seiner Stimme mitschwang, wusste ich, dass er es nur zum Teil als Scherz meinte.
"Naja, diesmal ist es nicht seine Schuld", sagte ich und fuhr mir mit einer Hand durchs Haar, "Sondern meine." Oh ja. Es war ganz allein meine Schuld...
"Was hast du angestellt?", fragte Tyler, der nun neugierig die Augenbrauen hob.
Ich zögerte einen kurzen Moment, ehe ich mich dazu entschied, ihm zumindest einen Teil der Wahrheit zu sagen. Tyler war vielleicht der Einzige, mit dem ich darüber reden konnte.
"Ich habe etwas getan, was ich ihm nicht sagen kann", antwortete ich und sah meinen Bruder hoffnungslos an, "Und solange ich nicht ehrlich zu ihm bin, kann ich auch nicht mit ihm zusammen sein." Tyler runzelte bei meinen Worten nachdenklich die Stirn.
"Was hast du denn getan?", fragte er nach und als ich ihm keine Antwort gab, erschien ein bitteres Lächeln auf seinem Gesicht, "Ah, du willst es mir auch nicht sagen."
"Ich kann nicht...", verbesserte ich ihn leise, ehe ich einen Moment lang innehielt.
Tyler wusste über das Werwolfgen in unserer Familie Bescheid... Vielleicht konnte ich es ihm doch sagen. Vielleicht konnte ich mit ihm darüber reden. Vielleicht-
Nein!
Energisch verwarf ich den Gedanken wieder.
Das Risiko war zu groß. Wenn er sich irgendwie verplapperte, wenn Mom oder sonst wer durch ihn irgendwie etwas mitbekam und es Damon erzählte- Nein!
Ich konnte es ihm nicht sagen.
"Das Problem kenne ich", riss mich Tyler da aus den Gedanken und überrascht sah ich zu ihm auf. Er hatte noch immer die Stirn in Falten gelegt und blickte nachdenklich ins Leere.
"Hast du auch ein tiefes dunkles Geheimnis?", fragte ich scherzhaft und hoffte dadurch, die Stimmung etwas aufzulockern, doch Tyler blieb ernst.
"Kann man so sagen", murmelte er und nun war es an mir die Stirn zu runzeln, als er kurz den Kopf schüttelte und zu mir aufsah, "Ist auch egal. Wo warst du gestern eigentlich? Hier war total der Trubel und Mom hat mich zig Mal gefragt, wo du steckst."
"Ähm...", entfuhr es mir perplex, "Also...", dieser plötzliche Themawechsel traf mich etwas unvorbereitet, "Ich war mit Elena unterwegs. Sie hatte... naja, sowas wie eine Krise." Gott, warum hatte ich mir nicht vorher eine Ausrede zurecht gelegt?
"Eine Krise?", fragte Tyler etwas ungläubig nach, "Und das hat dich daran gehindert, an dein Handy zu gehen?"
"Ich hatte es nicht dabei", antwortete ich, froh einmal etwas Wahrheitsgemäßes zu sagen, und zuckte mit den Schultern, was Tyler laut seufzen ließ.
"Verdammt nochmal, Nathalie...", murmelte er und ich senkte kurz schuldbewusst den Blick. Wie gerne würde ich ihm sagen, dass mich jemand entführt hatte und ich deshalb den ganzen Tag fort gewesen war.
"Entschuldige", sagte ich leise, ehe ich wieder zu ihm aufsah, "Kommt nicht wieder vor."
"Das sagst du immer", erwiderte mein Bruder und legte den Kopf leicht schräg, doch ich erkannte erleichtert, dass er nicht sauer auf mich war.
"Was war denn gestern los?", versuchte ich abzulenken und ich sah, wie sein Blick sich verdüsterte.
"Hast du denn gar nichts mitgekriegt?", fragte er nach, "Du warst doch vorgestern auf dem Ball!" Mehr als verwirrt sah ich ihn an. Auf dem Ball? War dort noch irgendwas geschehen?
"Naja, nicht lange", sagte ich zögernd, "Elena brauchte mich, deshalb bin ich relativ früh gegangen und habe bei ihr übernachtet." Oh je, ich musste Elena unbedingt sagen, dass sie das bestätigte, sollte Tyler bei ihr nachfragen!
"Sei froh", sagte Tyler kopfschüttelnd und kurz war ich froh, dass er meine Erklärung nicht hinterfragte, "Hier ging später alles drunter und drüber." Er sah ehrlich betroffen aus und so langsam machte ich mir Sorgen.
"Wieso? Was ist denn passiert?" Tyler atmete bei meiner Frage einmal tief durch, bevor er mich mit ernster Miene direkt ansah.
"Es sind zwei Mädchen gestorben", antwortete er und ich spürte wie mir vor Entsetzen der Mund aufklappte.
"Was?! Wer?!"
"Sarah Walsh und Aimee Bradley", erwiderte Tyler und mir wurde eiskalt.
Natürlich! Wie hatte ich Aimee vergessen können? Ihre Leiche musste noch immer dort auf der Wiese gelegen haben, bis man sie gefunden hatte! Aber wie war Sarah gestorben?
"W-was ist passiert?", fragte ich und versuchte verzweifelt nicht zu stottern.
Oh Gott, wenn die Polizei jetzt wegen Mordes ermittelte...
"Sarah ist gestürzt", murmelte Tyler, der nun den Blick abgewandt hatte, "Es war ein Unfall. Sie hatte getrunken und... und dann ist sie gestolpert und mit dem Kopf auf einer Tischkante aufgeschlagen."
"Du warst dabei?!" Erschrocken sah ich ihn an.
"Ja. Mit Caroline und Matt." Noch immer sah Tyler nicht zu mir auf, doch darauf achtete ich nicht wirklich. Was war mit Aimee?!
"U-Und Aimee?", sprach ich meine Gedanken aus, während sich mir innerlich der Magen umdrehte. Oh bitte, bitte nicht.
"Sheriff Forbes glaubt, dass es Selbstmord war", sagte Tyler und sah mich wieder an, "Sie hat sich wohl aus einem Fenster im Obergeschoss gestürzt. Eigentlich ist das ja Sicherheitsglas, weswegen es laut dem Sheriff zu bezweifeln ist, dass sie irgendjemand hindurch stoßen konnte. Sie muss das Glas selbstständig zerstört haben und ist dann einfach... gesprungen."
"Scheiße..." Das war alles was ich sagen konnte, während ich in diesem Moment alle Selbstbeherrschung der Welt aufbrachte, meine grenzlose Erleichterung zu verbergen.
Sie hielten es für Selbstmord! Oh Gott im Himmel, ich danke dir!
Aber natürlich! Wenn man genauer darüber nachdachte, ergab der Selbstmord-Verdacht Sinn.
In den Augen des Sheriffs hätte wohl nur ein Vampir die Kraft aufbringen können, ein Mädchen durch ein Fenster mit Sicherheitsglas zu stoßen. Doch Aimee hatte kein Blut verloren. So fielen Vampire als die einzigen Verdächtigen raus. Und von Werwölfen wusste sie ja nichts.
Noch immer hielt ich meine unendliche Erleichterung zurück, als unangenehmes Schweigen zwischen mir und Tyler entstand, während ich irgendwie versuchte, Worte zu finden, die nicht seltsam oder verdächtig klingen würden.
Doch was sagte man, wenn zwei Mädchen gestorben waren und man eines davon selbst umgebracht hatte?
Jedoch schienen auch Tyler die Worte zu fehlen, während er es zeitgleich vermied, mir in die Augen zu sehen, was mich stark an Damons Verhalten von vor ein paar Tagen erinnerte.
Fühlte er sich schuldig?
In dem Moment riss mich das laute Klingeln meines Handys aus den Gedanken, worüber ich jedoch mehr als dankbar war. Diese Dankbarkeit war in dem Moment wohl auch der einzige Grund, wieso ich nach dem Handy griff und trotz dessen, dass ich Elenas Namen auf dem Display sah, den Anruf annahm.
"Hey Elena", sprach ich ins Telefon und versuchte dabei möglichst entspannt zu klingen, "Was gibt's?"
"Was es gibt? Alie, ich versuche seit Stunden dich zu erreichen!", antwortete meine beste Freundin aufgebracht und sofort bereute ich es, rangegangen zu sein.
"Ist mir bewusst. Elena, was ist denn?", fragte ich seufzend und warf einen Seitenblick auf Tyler, der jedoch noch immer düster ins Leere starrte.
"Es ist etwas passiert! Rose ist bei Stefan und Damon aufgetaucht!"
"Was?! Warum?! Was wollte sie?!" Erschrocken setzte ich mich auf. Was zur Hölle hatte Rose hier verloren?
War das der Grund, warum sie die ganze Zeit versucht hatte, mich anzurufen? Ging es gar nicht um Damon?
"Erzähl ich dir später! Alie, ich brauche deine Hilfe! Wir müssen uns treffen!", sagte Elena kurz angebunden und meine Anspannung wuchs.
"Wo?"
"Vor dem Grill! In 20 Minuten!"
"Bin gleich da." Damit legte ich auf, ehe ich mich kurz seufzend in meine Kissen zurücksinken ließ.
"Sieht so aus, als müsstest du dein Versteck doch verlassen?", fragte Tyler nach und hob eine Augenbraue, während er mich etwas belustigt ansah. Sein finsterer Blick war von einem Moment zum anderen vollkommen verschwunden.
"Ja, sieht so aus", murrte ich und er erhob sich vom Bett.
"Dann nimm diesmal dein Handy mit", sagte mein Bruder noch, ehe er sich von mir abwandte und das Zimmer verließ.
Ich verdrehte nur die Augen, ehe ich mich langsam aus dem Bett quälte und zu meinem Kleiderschrank hinüber lief.
Meinen problemfreien Tag konnte ich jetzt wohl vergessen.
***
"'Echt, dass ich mich dazu breit schlagen lasse...'", sagte Caroline, die mir und Elena sichtlich widerwillig durch den Wald folgte. Sie diskutierte schon eine Weile mit Elena, doch ich hörte den beiden nicht wirklich zu.
Viel zu beschäftigt war ich mit dem, was Elena mir erzählt hatte, als sie mich beim Grill aufgelesen und zusammen mit Caroline zum alten Friedhof gebracht hatte.
Sie hatte nämlich von Rose erfahren, die wohl nur aufgetaucht war, um uns zu warnen, dass es neben Elijah noch einen anderen Urvampir gab, der viel schlimmer war.
Klaus.
Zugegeben, ich hatte bei dem Namen erst einmal zweifelnd die Augenbrauen gehoben, doch so wie Elena es mir geschildert hatte, war er wohl derjenige, der Elena und mich für dieses tödliche Ritual brauchte. Und obwohl Elijah tot war, konnten wir uns nun nicht wirklich sicher sein, ob Klaus von uns erfahren hatte oder nicht.
Genau das war auch der Grund, warum wir nun zu dritt durch den Wald liefen, auf dem Weg zu der Gruft, die Katherine neuerdings als Gefängnis diente.
Katherine hatte Klaus bereits bekämpft. Sie war vielleicht die Einzige, die wusste, wie man ihm entkommen konnte.
"Zumindest die Einzige, die noch lebte", schoss es mir durch den Kopf und mir wurde übel als ich an Kyra dachte. Ob Klaus wohl an ihrem Tod schuld war?
Aber das konnte uns nach wie vor nur Katherine sagen.
Auch wenn sich innerlich alles in mir dagegen sträubte, mit dieser Frau zu reden, so hatte ich dennoch Elenas Plan zugestimmt, sie auszufragen.
Sie war unsere einzige Chance.
"'Und beschäftige Stefan!'", riss mich Elena aus den Gedanken, die noch immer mit Caroline sprach, "'Ich will nicht, dass er erfährt, was wir vorhaben!'"
"Das gleiche gilt für Damon", sagte ich da, bevor Caroline etwas erwidern konnte, "Keiner von beiden wäre mit unserem Plan einverstanden." Die blonde Vampirin war die Einzige, die Elena eingeweiht hatte. Und das auch nur, weil wir ohne ihre Hilfe die schwere Steintür zur Gruft nicht aufbekommen würden. Zusätzlich konnte sie uns außerdem die Brüder vom Hals halten, solange wir Katherine ausfragten.
Und einmal abgesehen davon, dass Damon absolut dagegen wäre, wenn ich mich in die Nähe dieser Vampirin begab, so war es mir momentan mehr als recht, wenn Caroline ihn eine Weile von mir fernhalten würde.
"Ich bin aber total schlecht in Lügen und falschen Spielchen!", widersprach Caroline, die schon von Anfang an wenig begeistert gewesen war, "'Das wisst ihr!'"
"'Du hast es auch geschafft uns auf Trab zu halten, als Katherine Stefan einen Besuch abgestattet hat'", erwiderte Elena, als schließlich die alte Ruine der Kirche in Sicht kam und wir an der Treppe, die nach unten führte, stehenblieben.
"'Ja, weil sie mich bedroht hat!'", entgegnete Caroline kopfschüttelnd, "'Damit meine ich nicht, dass ihr diese Taktik anwenden sollt, nur... Stefan durschaut mich auf Anhieb! Mal ganz zu schweigen davon, dass Damon mir den Kopf abreißt, wenn er erfährt, dass ihr hier seid und ich es ihm nicht gesagt habe!'"
"Wird er nicht", sagte ich beruhigend und sah die Blonde ermutigend an, welche jedoch noch immer nicht überzeugt schien.
"'Caroline'", begann Elena und trat neben mich, "'Als unsere Freundin, versprichst du es oder nicht?'" Ich warf meiner besten Freundin kurz einen bösen Blick zu.
Damit ließ sie Caroline ja fast gar keine Wahl.
Die Blonde seufzte bei Elenas Worten leicht, ehe sie etwas hilflos die Schultern hob.
"'Musstest du die Freundinnen-Karte ausspielen?'", murrte sie, was Elena nur eine Augenbraue heben ließ, "Okay! Ich verspreche es euch!"
"'Gut'", sagte Elena nur noch, ehe sie die Treppe zur Gruft nach unten ging. Ich warf Caroline noch einen entschuldigenden Blick zu, ehe ich zusammen mit ihr der Dunkelhaarigen folgte.
Durch das Sonnenlicht fiel etwas Licht in den sonst so finsteren Vorraum, wodurch man auch ohne direkte Lichtquelle etwas erkennen konnte.
Als wir unten ankamen, fiel mein Blick sofort auf die große steinerne Tür, auf der ein großes Pentagramm eingeprägt war.
Gott, wie lange war ich schon nicht mehr hier gewesen?
"'Sicher, dass ihr das machen wollt?'", fragte Caroline, die ebenfalls auf die Tür starrte, während Elena nun ihre große Umhängetasche, die sie die ganze Zeit getragen hatte, auf den Boden vor die Tür warf.
"Ja", antworteten sie und ich im Chor auf Carolines Frage.
"'Sie ist die Einzige, die die Wahrheit über Klaus kennt'", fügte Elena noch hinzu, "'Nur sie kann uns sagen, wie wir ihn aufhalten können.'"
"'Aber ihr fragt jemanden nach der Wahrheit, der wahrscheinlich noch nie die Wahrheit gesagt hat!'", widersprach Caroline.
"Wir haben keine Wahl", sagte ich, "Sie ist unsere einzige Möglichkeit etwas zu erfahren! Und ich werde sicher nicht herumsitzen und warten bis Klaus hier plötzlich auftaucht!"
"Ich auch nicht", unterstützte Elena.
Bittend sah ich Caroline an, die schließlich aufgebend seufzte, ehe sie an die steinerne Tür der Gruft herantrat und sie beiseiteschob.
Sie gab den Blick auf einen langen, dämmrigen Gang frei, dessen Ende ich durch die Dunkelheit nicht einmal sehen konnte.
Ich konnte mich in diesem Augenblick nicht mehr erinnern, weshalb ich jemals freiwillig da rein gegangen war. Doch keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, es noch einmal zu tun.
"'Katherine?'", rief Elena in die Finsternis hinein, doch es kam keine Antwort, "'Wir kommen jetzt allein klar'", sagte die Dunkelhaarige da noch zu Caroline, welche jedoch keine Anstalten machte, sich zu bewegen. In dem Moment ertönten plötzlich langsame schlurfende Schritte und mein Blick schnellte zurück zum Eingang der Gruft, wo Katherine plötzlich in der Dunkelheit auftauchte und an der unsichtbaren Grenze, die sie am Weitergehen hinderte, stehen blieb.
Kurz erschrak ich innerlich bei ihrem Anblick. Sie trug noch immer ihr kurzes schwarzes Kleid vom Ball, jedoch war es nun vollkommen verdreckt, genau wie ihr zerzaustes Haar. Ihr einst makelloses Makeup war vollkommen verschmiert und ihre Haut hatte eine aschfahle Farbe angenommen.
Gott, sie sah so schlimm aus, dass man sie genauso gut für eine Leiche hätte halten können.
"'Hallo Nathalie'", ihre Stimme klang krächzend, als sie spöttisch zu mir aufsah, ehe ihr Blick zu meiner besten Freundin glitt, "'Elena.'" Kurz herrschte Stille, als sie einfach nur gleichgültig zwischen uns hin und her sah.
"'Wollt ihr mir zusehen, wie ich vertrockne?'", fügte sie hinzu, "'Auf Wiedersehen, Caroline.'" Zum ersten Mal sah sie die Blonde an, welche noch immer nicht daran dachte, sich zu bewegen.
"Ist schon gut, Care", sagte ich leise und versuchte sie beruhigend anzulächeln.
"'Solange wir vor dem Eingang bleiben, kann sie uns nichts anhaben'", versicherte Elena und genau diese Worte schienen Caroline wohl endlich zu überzeugen. Mit einem leichten Nicken setzte sie sich in Bewegung, ehe sie mit einem letzten besorgten Blick in unsere Richtung die Gruft verließ.
Ich sah wieder zu Katherine, die uns nach wie vor gleichgültig musterte, und musste zugeben, dass ich mich trotz der schützenden Barriere zwischen uns mehr als unwohl in ihrer Gegenwart fühlte.
"'Wissen Stefan und Damon, dass ihr hier seid?'", fragte sie schließlich und das Echo eines spöttischen Lächelns huschte über ihr Gesicht.
"'Ich habe dir etwas mitgebracht'", sagte Elena, ohne auf ihre Worte einzugehen, ehe sie die Tasche, die sie mitgebracht hatte, öffnete, und ein paar saubere Decken herauszog.
Ich wusste, dass Elena alles Mögliche eingepackt hatte, womit man vielleicht Katherine irgendwie beschwichtigen konnte. Denn sie würde uns wohl kaum einfach so helfen.
"Ihr kommt, um mich zu bestechen?", fragte Katherine und sah abschätzend auf die Decken, die ihr Elena vor die Füße warf, "'Also, was wollt ihr?'" Natürlich hatte sie uns direkt durchschaut.
"Wir wollen, dass du uns alles über Klaus erzählst", sagte ich frei heraus und zum ersten Mal, seit ich sie kannte, sah ich Anerkennung in Katherines Augen.
"'Hm, ihr wart ja fleißig'", murmelte sie und legte den Kopf leicht schräg, eine Geste, die sie überaus gerne zu machen schien.
"'Ich habe noch mehr für dich'", sagte Elena und zog ein dickes Buch aus ihrer Tasche, "'Das ist deine Familiengeschichte.'" Ich erkannte den alten ledernen Einband und schluckte schwer. Dieses Buch hatte mir Damon gegeben als wir zusammen an der Duke-University gewesen waren. An dem Abend hatte ich endgültig mit ihm Schluss gemacht...
"'Darin steht, dass der Familienstammbaum mit dir endet'", fuhr Elena fort und riss mich damit aus meinen düsteren Gedanken, "'Nur offensichtlich stimmt das nicht.'"
"'Glaubt ihr etwa, wegen ein paar Familienandenken würde ich auspacken?'", fragte Katherine und der spöttische Ausdruck war in ihr Gesicht zurückgekehrt.
"Natürlich nicht", erwiderte ich, noch bevor Elena antworten konnte, ehe ich zur Tasche hinüberlief, "Aber ich bin mir sicher, dass dich das hier überzeugen wird." Ich zog eine Flasche heraus, die Elena vor etwa einer Stunde mit einem Blutbeutel befüllt hatte, den sie aus dem Salvatore-Anwesen geschmuggelt hatte.
Ich sah, wie sich Katherines Augen weiteten, ehe sie hart gegen die unsichtbare Barriere prallte, im Versuch mir die Flasche aus der Hand zu reißen, was ich mit gewisser Genugtuung zur Kenntnis nahm.
"Was denn? Etwa durstig?", fragte ich und diesmal war der Spott auf meiner Seite, "Naja, nicht verwunderlich. Immerhin bist du schon mehrere Tage ohne Blut. Wie lange dauert es eigentlich, bis dein Körper vollständig austrocknet? Monate? Jahre? Jahrzehnte?" Ich wusste in diesem Moment, dass es unklug war, sie zu provozieren, vor allem da wir Antworten von ihr wollten, doch ich konnte mir diese erste und wahrscheinlich auch letzte Chance nicht entgehen lassen, ihr gegenüber einmal die Oberhand zu haben.
Katherine warf mir einen vernichtenden Blick zu, antwortete jedoch nichts. Stattdessen ließ sie sich an der Mauer zu Boden sinken, worauf Elena und ich einen triumphierenden Blick tauschten. Offenbar war sie bereit zu reden.
Ich nahm den Plastikbecher, den Elena mir reichte, ehe ich die Flasche öffnete und einen kleinen Schluck Blut hineinkippte.
Ich stellte den Becher langsamer als nötig an den Eingang der Gruft, ehe Elena ihn mit einem Zweig zu Katherine hinüberschob. Diese stürzte das wenige Blut sofort herunter, ehe sie wieder zu uns aufsah, während erneut ein kleiner Funke Anerkennung in ihren Augen aufblitzte.
"Du hast Kyaras Entschlossenheit", murmelte sie leise an mich gewandt, während sie den Becher demonstrativ wieder vor sich abstellte, worauf Elena ihn mit dem Zweig wieder zurückzog.
"Wie hast du sie eigentlich kennengelernt?", fragte ich nach und ließ mich ebenfalls auf dem Boden nieder, "Während deiner Flucht vor Klaus?"
"Nein, Kyara hat mich vor ihm gerettet", antwortete Katherine kopfschüttelnd und mir fielen Roses Worte wieder ein. Sie hatte ebenfalls etwas in der Richtung erwähnt.
"'Das ist eine lange Geschichte, Klaus, Kyara und ich'", fuhr Katherine fort, den Blick nun auf Elena gerichtet, die wieder etwas Blut in den Becher goss, "'Sie reicht zurück bis 1492 in England, als ich Bulgarien verließ... oder rausgeworfen wurde.'" Sie griff erneut nach dem Becher, den Elena ihr hingeschoben hatte und trank ihn aus.
"'Rausgeworfen?'", fragte Elena nach und setzte sich neben mich.
"'Meine Familie, deine wahren Vorfahren, haben mich verstoßen. Meine Affären wurden zu der Zeit nicht toleriert. Ich bekam ein außereheliches Kind. Eine Schande!'", sie betonte das letzte Wort übertrieben und schüttelte den Kopf.
"Das hat man dann wohl nicht ins Buch geschrieben", sagte ich nachdenklich, was Katherine den Kopf schütteln ließ.
"'Man nahm mir das Kind weg'", sagte sie, "'Ich wurde nach England verbannt und lernte, mich anzupassen. Ich wurde also schnell Engländerin. Dort fiel ich einem Edelmann namens Klaus ins Auge. Zuerst war ich von ihm angetan, doch dann fand ich heraus, was er war und was er von mir wollte...'", sie blickte langsam zu uns auf, "Da bin ich gelaufen wie der Teufel!'"
1492
New Forest, England
-Kyaras Sicht-
"Kyara, ich bitte dich!" Trevors leise, flehende Stimme passte zu dem Blick, mit dem er mich musterte, was mich verständnislos den Kopf schütteln ließ.
"Ist dir der Sinn des Wortes 'Nein' nicht geläufig, Trevor? Ich sagte doch, dass es mich nicht kümmert, in welchen Schlamassel du dich jetzt wieder gebracht hast! Dieses Mal musst du selbst sehen, wie du zurecht kommst!" Verärgert funkelte ich ihn an, während ich immer wieder Blicke über die Schulter warf und den Wald, in dem wir standen, nach Feinden absuchte.
Auch mein Gehör war bis aufs Äußerste geschärft, um jeden noch so leisen Schritt in unserer Nähe wahrzunehmen.
Ich konnte es einfach nicht fassen, dass Trevor mich hierher gebeten hatte!
Es machte mich nicht nur der Fakt wütend, dass er bei jeder Schwierigkeit, auf die er traf, meine Hilfe suchte, immerhin war ich seine Erzeugerin und nicht seine Mutter, er wusste außerdem auch genau, wie gefährlich es für mich war, überhaupt in England zu sein!
Und jetzt bestellte er mich auch noch in jenen Wald, der keine fünf Kilometer von Niklaus' momentaner Residenz entfernt war?!
"Was mit mir geschieht, ist ohne Belang!", sagte Trevor unnachgiebig, der sich genau wie ich immer wieder umsah, "Aber Katerina musst du helfen! Sie ist nur ein Mensch, sie schafft es allein nicht durch den Wald!"
"Ganz richtig, sie ist nur ein Mensch! Du willst dein Leben wirklich für einen Menschen riskieren?!", fragte ich spöttisch, "Hast du überhaupt einen Schimmer, was es bedeutet, Niklaus zu verärgern?! Glaub mir, ein Mensch ist so etwas nicht wert!"
"Ich liebe sie, Kyara", murmelte Trevor leise und sah zu Boden, "Und glaub mir, sie ist es wert." Etwas mitleidig hob ich die Augenbrauen.
Was für ein Narr er doch war, sich ausgerechnet in einen Menschen zu verlieben. Doch leider konnte man sich seine Gefühle nicht aussuchen. Das wusste ich selbst nur allzu gut.
"Was will Niklaus von ihr?", fragte ich schließlich nach kurzer Stille und Trevor sah hoffnungsvoll zu mir auf.
"Das kann ich jetzt nicht erklären. Ich bitte dich nur darum, sie zu finden und zu Rose zu bringen. Das ist alles!" Wieder lag ein tiefes Flehen in seiner Stimme und ich zweifelte kurz an meiner eigenen geistigen Gesundheit, als ich schlussendlich nachgab.
"Na schön", sagte ich leise und ich hörte, wie er erleichtert aufatmete, "Aber wehe, wenn ich ihretwegen in Schwierigkeiten gerate!"
"Ich glaube nicht, dass du in Klaus' Ansehen noch mehr sinken kannst", sagte Trevor und lächelte für einen Moment schief.
"Auch wieder wahr", stimmte ich ihm zu.
Niklaus wollte mich ohnehin schon tot sehen, da brauchte ich mir keine Gedanken zu machen, wenn ich ihm sein menschliches Spielzeug des Monats wegnahm.
"Ich werde mich jetzt den Suchtrupps anschließen und versuchen sie auf eine falsche Fährte zu locken", sagte Trevor und ich nickte ihm zu, ehe er mit übermenschlicher Geschwindigkeit verschwand.
Auch ich setzte mich in Bewegung und begann den Wald zu durchstreifen.
Es sollte nicht allzu schwer werden, dieses Mädchen zu finden.
Als Mensch würde sie sehr langsam sein und zudem allerlei Spuren und Gerüche hinterlassen.
Ich sollte mit dieser Vermutung Recht behalten, denn es war nicht einmal eine Stunde vergangen, als ich auf einem der sehr hohen Bäume Ausschau hielt und plötzlich schnelle, hastige Schritte vernahm, die rasch näher kamen.
Mein Blick glitt durch die Dunkelheit, die meine Sicht nicht im Mindesten einschränkte, und fiel schließlich auf ein Mädchen, das keuchend zwischen den vielen Bäumen und Wurzeln entlang stolperte.
Von meiner Position aus konnte ich lediglich sehr langes dunkles gelocktes Haar erkennen und ein vollkommen verdrecktes sperriges Kleid, das sie mit Mühe gerafft hatte, um überhaupt laufen zu können.
'Ein Wunder, dass man dich noch nicht geschnappt hat', schoss es mir durch den Kopf, während ich sie still beobachtete, ohne dass sie meine Anwesenheit bemerkte.
Trevor hatte Recht, in ihrem Aufzug würde sie allein wirklich nicht weit kommen.
Also entweder war sie sehr plötzlich aufgebrochen oder dieses Mädchen hatte keinen Schimmer davon, wie man erfolgreich von irgendwo floh.
Dabei trug man nämlich sicher nicht so ein Kleid, welche so oder so mehr als unpraktisch waren. Es gab Gründe, warum Männer nur Hosen trugen und wohl auch warum sie uns Frauen in diese sperrigen Stofffetzen zwangen.
Mein spöttischer Gedankengang wurde je unterbrochen, als das Mädchen plötzlich durch ein weiteres Stolpern endgültig den Halt verlor und hart zu Boden stürzte.
Keinen Moment zu früh, denn in diesem Augenblick ertönten entfernt noch andere Schritte. Schritte, die wesentlich schneller und sicherer waren.
Ihre Verfolger hatten sie fast eingeholt.
"'Katerina!'", eine mir sehr vertraute Stimme hallte durch den Wald, die das Mädchen heftig zusammenzucken ließ und mir einen Schauer über den Rücken jagte, "'Ich weiß, dass du in der Nähe bist! Ich kann dein Blut riechen!'" Elijah...
Ich spürte, wie ein Stechen durch mein sonst so gefühlloses Herz zog.
Er folgte Niklaus also noch immer blind. Was hätte ich auch anderes erwarten können?
Kopfschüttelnd schob ich diesen Gedanken beiseite, ehe ich lautlos vom Baum sprang und neben Katerina landete, die noch immer keuchend am Boden lag und es wohl nicht wagte, sich zu rühren.
Ich wartete noch einen Moment ab und als die Schritte der Jäger, wahrscheinlich dank Trevor, der sie in eine falsche Richtung führte, wieder leiser wurden, trat ich zu ihr.
"Katerina, nicht wahr?" Ich sprach sehr leise, um sie möglichst nicht zu erschrecken, wenn auch weniger, weil ich auf sie Rücksicht nehmen wollte, sondern um nicht Elijahs Aufmerksamkeit erregen, der sogar noch besser hören konnte als ich.
Doch leider hatte meine Stimme genau die gegenteilige Wirkung, denn Katerina keuchte bei ihrem Klang panisch auf und fuhr hoch.
Zum ersten Mal konnte ich ihr Gesicht sehen und als würde mich ein Blitzschlag treffen, erstarrte ich plötzlich.
Tatja...?
"Wer sind Sie?! Was wollen Sie?!", fragte Katerina in heller Panik und versuchte rückwärts von mir wegzukriechen, ehe sie gegen einen Baum stieß.
Ich konnte ihr nicht sofort antworten. Zu sehr war ich damit beschäftigt, den Schock, den ihr Anblick in mir ausgelöst hatte, zu bewältigen.
Natürlich hatte ich gewusst, dass Doppelgänger von mir und Tatja entstehen würden. Schließlich war dies Niklaus einzige Möglichkeit sein krankes Ritual durchzuführen und auch der Grund, wieso ich vor ihm schon beinahe 500 Jahre auf der Flucht war.
Doch dennoch hätte mich nichts auf der Welt auf diesen Anblick vorbereiten können. Auf das Ebenbild meiner toten besten Freundin, das mich all die Jahrhunderte immer wieder in meinen Träumen heimgesucht hatte und nun angsterfüllt anstarrte.
"Mein Name ist Kyara", schaffte ich es schließlich, ihr zu antworten, "Und ich will dir helfen." Noch während ich sprach, wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte.
Katerina war nicht eine von Niklaus' gelegentlichen Zeitvertreiben, die er einfach tötete, wenn er mit ihnen fertig war. Sie war eine Doppelgängerin, dazu verdammt so lange gewaltsam gefangen und am Leben gehalten zu werden. bis sie in einem Ritual geopfert werden würde. Es sei denn, sie weigerte sich und floh stattdessen für den Rest ihres Lebens.
Schmerzlich wurde mir bewusst, dass dieses Mädchen, das ich eben noch spöttisch belächelt hatte, wohl die Einzige auf dieser Welt war, die mich verstehen könnte. Sie und ich teilten das gleiche Schicksal.
"Ich brauche keine Hilfe", sagte Katerina, die sich nun zitternd am Baumstamm aufrichtete, wobei ein Wimmern in ihrer Stimme mitschwang, "Ich kenne Sie nicht. Bitte lassen Sie mich in Ruhe!" Damit wollte sie davon laufen, jedoch stolperte sie sofort erneut und wäre vermutlich auch wieder gestürzt, wäre ich nicht zu ihr geschnellt und hätte sie festgehalten.
"Hab keine Angst", sagte ich und anstatt sachlich wie beabsichtigt, klang ich eher sanft, "Trevor schickt mich. Ich kann dich in Sicherheit bringen."
"Woher weiß ich, dass Sie nicht Klaus' Befehl folgen?", fragte Katerina, die sich rasch aus meinem Griff wandte, jedoch diesmal nicht davon lief.
Ich musste bei ihren Worten für einen Moment lächeln.
Ihr Misstrauen übertraf ja sogar mein eigenes.
"Würde einer von Niklaus' Lakaien sich wirklich die Mühe machen, dich mit Worten zu überzeugen, anstatt dich gleich mit Gewalt zu ihm zurück zu schleifen?", fragte ich, was Katerina nun nachdenklich die Stirn runzeln ließ, ehe sie etwas den Kopf schüttelte, "Na siehst du. Nun komm. Ich bringe dich hier weg."
Ohne Widerworte folgte sie mir durch den Wald und der Weg, den ich als Vampir normalerweise in Minuten zurücklegte, dauerte nun mehrere Stunden, da ich es einerseits nicht wagte mit Katerina auf dem Arm blindlings loszurennen und vielleicht in eine Falle zu laufen, andererseits lief Katerina selbst für einen Menschen sehr langsam, was sowohl an ihrem Kleid als auch an ihrer Müdigkeit lag.
Als wir Roses Hütte schließlich erreichten, fielen bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumkronen, was mir jedoch nichts ausmachte. Ich war neben den Urvampiren wohl die einzige Vampirin, der das möglich war.
"Wo sind wir hier?", fragte Katerina unsicher und griff hilfesuchend nach meinem Arm, als ich zu der großen Holztür trat. Trotz dessen, dass sie anfänglich so misstrauisch gewesen war, suchte sie jetzt bereits meine Nähe, um sich sicherer zu fühlen.
Mit meiner freien Hand klopfte ich gegen das Holz, als keinen Moment später die Tür aufschwang und Roses Haushälterin Ann vor uns stand.
"Guten Morgen, Ann", sagte ich freundlich und als die alte Frau mich erkannte, erhellte sich ihr Gesicht.
"Ah guten Morgen, Miss Kyara. Bitte kommen Sie rein." Sie trat beiseite und gefolgt von Katerina, die noch immer meinen Arm umklammerte, betrat ich die Hütte.
"Na endlich! Ich dachte, ich müsste schon einen Suchtrupp losschicken", ertönte Roses Stimme aus der Küche, "Was hat Trevor jetzt wieder ausgefressen?" Sie trat ins Wohnzimmer, ehe ihr Blick auf mich und Katerina fiel und sie wie angewurzelt stehenblieb.
Ich sah, wie sich ihre Augen weiteten, und spannte mich an. Natürlich erkannte sie Katerinas Gesicht. Ich selbst hatte es schließlich hunderte Male in ihrer Anwesenheit gezeichnet.
"Sie müssen Rose sein", begann Katerina leise, "Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe."
"Was soll das werden, Kyara?!", fragte Rose aufgebracht und riss den Blick von der Dunkelhaarigen los, um mich anzusehen.
"Trevor bat mich, ihr bei der Flucht zu helfen", sagte ich kühl, während meine innerliche Anspannung wuchs. Ich ahnte bereits, was Rose von all dem halten würde und noch vor ein paar Stunden wäre es mir vollkommen egal gewesen. Doch nun erfüllte mich etwas, das ich mir selbst nicht ansatzweise erklären konnte: Der unglaubliche Drang, Katerina vor allem und jedem zu beschützen.
"'Trevor sagte, ich soll Ihnen das hier zeigen!'", sagte Katerina, bevor Rose mir antworten konnte und zog einen weißen Stein hervor, "'Damit Sie mir Glauben schenken und zur Freiheit verhelfen!'" Erschrocken erkannte ich den Mondstein und presste fest die Lippen zusammen. Ich wusste, dass sie damit Rose eigentlich hatte beschwichtigen wollen, doch ich wusste, dass nun das genaue Gegenteil folgen würde.
"'Du hast das von Klaus gestohlen?'", fragte Rose entsetzt und trat auf Katerina zu, worauf ich mich sofort zwischen die beiden schob.
"Rose, beruhige dich-", fing ich an, doch sie unterbrach mich sofort.
"Nein, fang nicht so an, Kyara!", rief sie aus, "'Du weißt genau, abgesehen von dir kann niemand Klaus entkommen! Jeder, der es versucht, endet wieder in seinen Fängen und jeder, der bei der Flucht hilft, stirbt!'", ehe ich reagieren konnte, war sie an mir vorbei gestürmt, hatte Katerina am Arm gepackt und zerrte sie nun ins Gästezimmer, "'Bei Einbruch der Dunkelheit bringe ich dich zu ihm zurück und bitte für uns beide um Gnade!'"
"Nein! Bitte!", flehte Katerina, als Rose sie achtlos in den Raum stieß und die Tür schloss.
"Das kannst du nicht ernst meinen!", rief ich fassungslos als sie wieder zu mir herumfuhr, "Du willst sie ausliefern wie ein Stück Rindvieh in der geringen Hoffnung, dass Niklaus dir dann nicht den Kopf abreißt?" Sie war noch sehr jung, doch dennoch hätte ich erwartet, dass sie intelligent genug war, um zu wissen, dass sie von Niklaus keinerlei Gnade erwarten konnte.
"Was kümmert es dich?! Sie ist nur ein Mensch, Kyara!", rief Rose und ich verengte die Augen, auch wenn ich wusste, dass ich Trevor vorhin die gleichen Worte an den Kopf geworfen hatte.
"Wenn todgeweihte Menschen mich nicht kümmern sollen", begann ich leise, "Dann hätte ich dich und Trevor wohl vor 20 Jahren in St. Austell einfach auf der Straße liegen lassen sollen?" Rose erbleichte bei meinen Worten und holte entsetzt Luft.
"Du weißt genau, dass das etwas anderes war", sagte sie kaum hörbar, "Uns zu retten, hat dich nicht zu einem Leben auf der Flucht verbannt."
"Nein, das hatte ich vorher schon", erwiderte ich und der Spott war in meine Stimme zurückgekehrt, "Und dieses Mädchen zu retten, wird an meinem Schicksal genauso wenig ändern."
"Aber an meinem und Trevors!", widersprach Rose und allmählich schien Verzweiflung in ihr aufzusteigen, "Kyara, ich will so ein Leben nicht! Ich habe nicht wie du die Stärke und das Wissen, es gegen Klaus aufzunehmen. Trevor und ich würden auf der Flucht kein Jahrhundert überleben!"
"Du würdest dich wundern...", murmelte ich bitter, als ich mich von ihr abwandte und in die Flammen des Kamins starrte. Sie würde noch früh genug lernen, dass man unter Todesangst zu Dingen fähig wurde, die man sich selbst nie zuvor zugetraut hätte.
"Ich weiß, ich kann dir nicht vorschreiben, was du tun sollst", sagte Rose und ihre Stimme war nur noch ein Flüstern, "Aber ich flehe dich an, lass sie mich zu Klaus zurückbringen. Bitte."
Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete schwer ein und aus. Wieso stritten wir überhaupt darüber?
"Trevor hat mich nur gebeten, sie hierher zu bringen", sagte ich und brachte mit Mühe die Kälte in meine Stimme zurück, "Was du jetzt mit ihr tust, ist deine Sache."
Ich hörte Rose nicht mehr zu, als sie mir erleichtert um den Hals fiel und begann Vorbereitungen zu treffen, um Katerina bei Anbruch der Dämmerung zu ihrem Verderben zu bringen.
Ich ließ mich kraftlos auf einem Stuhl vor dem Kaminfeuer sinken und kämpfte gegen den Gefühlssturm an, der gegen meine eiskalten schützenden Mauern schlug, die ich sorgfältig um mein Herz errichtet hatte.
Sonst gelang es mir doch auch so leicht, meine Gefühle unterdrückt zu halten. Die Kälte war der einzige Weg, mich von jenen, denen Niklaus Leid zufügte, fernzuhalten. Sie verhinderte, dass ich wahnwitzige Ideen, wie beispielsweise Elijah aufzusuchen, in der noch so geringen Hoffnung, dass er mir glauben und mich beschützen würde, tatsächlich in die Tat umsetzte.
Und doch wollte es mir nun einfach nicht gelingen, das dunkelhaarige Mädchen namens Katerina auszusperren und ihrem Schicksal zu überlassen.
Wieso schaffte sie es, meine Mauern zu überwinden?
Nur weil sie aussah wie Tatja? Wie meine beste Freundin?
***
Ich erwachte durch ein lautes Knarren, das durch die Hütte ging und schaute auf.
Ich musste am Feuer eingeschlafen sein.
"Es dämmert bereits", ich sah auf zu Rose, die mit einem straffen Seil in der Hand zu mir getreten war, "Sobald Trevor hier eintrifft, fessle ich sie und bringe sie zurück."
Ich bemerkte ihren unsicheren Blick und hob eine Augenbraue.
"Willst du meine Erlaubnis dafür?", fragte ich kalt und stand auf. Rose blickte bei meinen Worten zu Boden.
"Nein, ich... ich wollte nur, dass du Bescheid weißt." Ich kam nicht mehr zu einer Antwort, da es an diesem Moment an der Tür klopfte.
"Gib mir das", sagte ich und nahm ihr das Seil aus der Hand, "Ich kümmere mich um sie, solange du Trevor über dein selbstloses Vorhaben aufklärst." Ich machte mir nicht einmal die Mühe, den Spott in meiner Stimme zurückzuhalten. Rose warf mir nur einen bösen Blick zu, ging jedoch Richtung Haustür, während ich nun zum Gästezimmer schritt.
Auch wenn ich Rose gesagt hatte, dass es ihre Entscheidung war, was mit Katerina geschah, und sie zweifellos Trevor auch davon überzeugen würde, so stand meine eigene Wahl, ob ich eingreifen würde oder nicht, noch immer nicht fest.
Es hing nun ganz davon ab, was Katerina mir auf die Frage, die ich ihr stellen wollte, antworten würde.
Zügig schloss ich die Tür auf und ignorierte Roses und Trevors Stimmen hinter mir.
Ich trat in das Gästezimmer und ließ die Tür wieder ins Schloss fallen, ehe ich zu Katerina trat, die auf dem Bett lag und nun schläfrig zu mir aufsah.
"Es ist so weit", sagte ich leise und ihre Augen weiteten sich plötzlich, ehe sie sich ruckartig aufrichtete. Sofort stieg mir der betörende Geruch von Blut in die Nase und als sie schmerzerfüllt aufstöhnte, erkannte ich den Grund.
Sie hatte eine Wunde am Bauch.
"Wie ist das passiert?", fragte ich sofort und trat zu ihr, als mein Blick auf einen Dolch fiel, den sie versucht hatte, im Laken zu verstecken, "Wenn du dir den Tod wünschst, hätte dein Stich ins Herz gehen sollen. Ist deutlich schneller und weniger schmerzhaft." Prüfend sah ich sie an und Panik blitzte in ihren Augen auf.
"'Ich... Ich würde lieber sterben als zu Klaus zurückzugehen'", murmelte sie und blickte mich verzweifelt an, "'Bitte lassen Sie mich einfach sterben!'"
"Das ist eine Lüge", sagte ich leise, ehe ich das Seil beiseitelegte und mich neben sie auf das Bett setzte, ohne den Blick von ihr abzuwenden, "Du hast Angst vor dem Tod, mindestens genauso sehr wie vor Niklaus."
"Nein", widersprach Katerina heftig und schüttelte den Kopf, "Ich fürchte Klaus mehr als alles andere." Ich konnte in dem Moment nicht wirklich sagen, ob sie die Wahrheit sprach. Ich konnte nur ihre unfassbare Furcht spüren.
"Na schön, Katerina", murmelte ich und legte den Kopf leicht schräg, "Dann gebe ich dir jetzt die Wahl aus genau drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit: Ich heile jetzt deine Wunde, fessle dich und lasse zu, dass Rose dich zu Niklaus zurückbringt", ich ignorierte ihr panisches Aufkeuchen und fuhr fort, "Zweite Möglichkeit: Ich bringe dich von hier fort an irgendeinen friedlichen Ort, an dem du schließlich dieser Wunde erliegen und sterben wirst", Katerina begann zu zittern, "Oder die dritte Möglichkeit:", ich griff nach ihrer Hand und neigte den Kopf, um sie eindringlich anzusehen, "Ich verwandele dich hier und jetzt in einen Vampir." Geschockt sah Katerina mich an. Mit diesen Worten hatte sie augenscheinlich absolut nicht gerechnet.
Doch mir erschien es in diesem Moment als das einzig Richtige, ihr die Wahl zu lassen. Ich gab ihr die Kontrolle, die eigene Wahl über ihr Schicksal. Etwas, das ich damals selbst gerne gehabt hätte.
"Wenn du tatsächlich ein Leben auf der Flucht fristen willst, statt zu sterben", erklärte ich leise, als sie mich noch immer stumm anstarrte, "Dann hast du nur als Vampir eine reale Chance. Und es wird hart sein. Du wirst alles und jeden aufgeben müssen, der dir wichtig ist. Du wirst andere für dein eigenes Überleben opfern müssen und am Ende wahrscheinlich vollkommen allein da stehen", Katerina runzelte leicht die Stirn und dachte lange über meine Worte nach, "Wie lautet deine Entscheidung, Katerina?" Auffordernd sah ich sie an, worauf ihr unsicherer Blick langsam wich.
"Ich...", murmelte sie mit zitternder Stimme, "Ich will nicht sterben. Bitte."
Ich nickte verstehend.
"Wie du wünschst", sagte ich und ließ zu, dass Blut in meine Augen schoss und die Eckzähne in meinem Oberkiefer wuchsen. Mit einer schnellen Bewegung biss ich in die Pulsader meines Handgelenks und hielt es Katerina auffordernd hin.
Ohne zu zögern beugte sie sich vor, presste ihren Mund auf die Wunde und trank.
In diesem Augenblick hörte ich, wie die Tür hinter mir aufschlug.
"Was hast du vor?!", hörte ich Rose entsetzt rufen und sah langsam mit noch immer blutunterlaufenen Augen über die Schulter. Sie stand mit Trevor in der Tür und beide musterten mich geschockt. Sie mussten meine letzten Worte durch die Tür gehört haben.
"Kyara", Trevors Stimme klang leise und verängstigt, "Bitte tu das nicht."
Ich schnaubte verächtlich.
Hatte er ihr Leben nicht unbedingt retten wollen? Und jetzt, wo Rose ihm erfolgreich etwas eingeredet hatte, änderte er seine Meinung?
"Ich tue nur das, was du wolltest", murmelte ich, ehe ich mich kurz zurück zu Katerina wandte, die sich von meinem Handgelenk gelöst hatte, und ihr mit einer schnellen präzisen Bewegung das Genick brach, "Ich rette ihr das Leben!"
"Nein!", rief Rose aus und ich fuhr bedrohlich zu ihr herum, als ich ihre Schritte hörte, was sie innehalten ließ, "'Damit hast du gerade unser Todesurteil unterschrieben!'"
"Du warst auch bereit ihres zu unterzeichnen, um deinen Hals zu retten!", stieß ich hervor und es klang fast wie ein Knurren, "Ihr beide werdet noch lernen, dass es schlimmere Dinge gibt als den Tod!" Bevor einer von ihnen auch nur ansatzweise reagieren konnte, hatte ich mich mit übermenschlicher Geschwindigkeit herumgedreht, Katerina hochgehoben und verschwand mit ihr auf den Arm aus der Hütte in den Wald.
Gegenwart
-Nathalies Sicht-
Ich wusste nicht, wie lange ich mit Elena schon in der Gruft saß und Katherines Erzählung lauschte, während ich kaum glauben konnte, was ich hörte. Doch so seltsam und unglaubwürdig sich die Geschichte von Katherines Flucht anhörte, so ergab sie auf abstruse Weise irgendwie Sinn.
"Kyra hat dich einfach getötet?", fragte Elena nach längerer Stille schließlich leise und schien darüber ebenso entsetzt wie ich. Katherine hatte wie Stefan und Damon die Wahl zwischen Sterben und Monster werden gehabt und sich für das Monster entschieden.
"Sie hat mir das Leben gerettet", verbesserte Katherine und zum ersten Mal überhaupt schien sie ihre Worte von vorne bis hinten ehrlich zu meinen, "'Klaus brauchte einen menschlichen Doppelgänger. Als Vampir war ich nutzlos für ihn.'" Kurz hob ich die Augenbrauen. Das Ganze war über 500 Jahre her und noch immer war Katherine auf der Flucht vor Klaus. Da war das Wort 'Rettung' wohl etwas übertrieben.
"Naja, wirklich gerettet hat es dich auch nicht", sprach ich meine Gedanken aus, "Klaus jagt dich seitdem, oder nicht?"
"'Nun Kyara hatte mich gewarnt, doch trotzdem habe ich seinen Sinn für Rache unterschätzt'", sagte Katherine augenverdrehend, "Aber mit einer Freundin aus einem Koffer zu leben ist tausend Mal besser, als dass dein Blut wegen eines dummen kleinen Steins vergossen wird."
"Kyra und du wart seitdem beste Freundinnen?", fragte ich nach und Katherines Blick glitt ins Leere, ehe sie für einen kurzen Moment etwas lächelte.
"Wir waren viel mehr als das", sagte sie leise, "Sie sagte immer, wir teilten das gleiche Schicksal. Ihr habt keine Vorstellungen davon wie sehr einen sowas verbindet", da sah sie uns wieder an, ehe ihr Blick kurz zwischen Elena und mir hin und her glitt, "Oder vielleicht doch." Ihr Lächeln wurde zu einem bösen Grinsen.
"Das gleiche Schicksal?", fragte Elena, "Wollte Klaus auch an Kyra Rache nehmen, weil sie dem Ritual entflohen war?"
Katherine schnaubte.
"Nein. Da Kyara keine Doppelgängerin, sondern die ursprüngliche Anoar war, waren sie und die erste Petrova diejenigen, deren Blut zur Erschaffung des Fluches genutzt wurde, nicht um ihn zu brechen."
"Das heißt, Kyra ist bei der Erschaffung des Sonne-Mond-Fluchs gestorben?", fragte ich erschrocken. War sie so zum Vampir geworden?
"Ich vermute es. Sie wollte mir nie sagen, wie sie sich verwandelt hatte oder wie ihr Leben davor gewesen war", antwortete Katherine schulterzuckend. Wenn das stimmte, musste Kyra wirklich uralt gewesen sein...
"Aber warum war sie dann vor Klaus auf der Flucht?", fragte Elena verwirrt und auch ich runzelte die Stirn. Das war eine berechtigte Frage.
Sicher war Kyra gegen ihren Willen beim Ritual geopfert worden. Wieso sollte Klaus dann darauf aus sein, sie aus Rache zu jagen?
"Nun", sagte Katherine leise und ein bitteres Lächeln huschte über ihr bleiches Gesicht, "Ihr müsst wissen, anders als beim Petrova-Doppelgänger, der jederzeit wieder erscheinen kann", ich sah kurz zwischen ihr und Elena, die den eindeutigen Beweis dafür darstellten, hin und her, "Kann ein neuer Anoar-Doppelgänger nur geboren werden, wenn der vorherige nicht mehr existiert." Wie vom Donner gerührt starrten Elena und ich sie an.
Bevor ein neuer Anoar-Doppelgänger erscheinen konnte, musste der alte... sterben?
Ich dachte an alle Doppelgänger, die mir bekannt waren. Den letzten Lebensbeweis von Kyra hatten wir von 1794. Im 19. Jahrhundert war Eveline geboren worden. Zu dem Zeitpunkt war es gut möglich, dass Kyra bereits gestorben war. Und ungefähr 130 Jahre nach Evelines Tod war ich aufgetaucht. Sonst hatten wir keinerlei Hinweise auf irgendwelche anderen Doppelgänger gefunden. Es passte. Es passte zu gut.
"Klaus wollte also dafür sorgen, dass wieder ein neuer Doppelgänger erscheint?" Elenas Frage brachte mich in die Realität zurück.
"Richtig", sagte Katherine, "Auch wenn die Chance gering war, dass Klaus die Jagd auf mich je aufgeben würde, so stand fest: Kyara würde er niemals gehen lassen." Sie verstummte und mir wurde eiskalt bei dem Gedanken. Eveline und ich waren der Beweis dafür, dass es ihm schlussendlich gelungen war, sie zu töten.
Nun konnte er wieder Jagd auf menschliche Doppelgänger machen.
Beklemmende Angst stieg in mir hoch, als ich kurz zu Elena hinüber sah und sich unsere Blicke kreuzten. Ich wusste, dass wir das gleiche dachten.
Wir befanden uns praktisch auf dem Präsentierteller.
"'Was denn?'", fragte Katherine, die unsere Blicke bemerkt hatte, "'Angst, ich habe Recht?'", verzweifelt versuchte ich meine Gefühle zu bändigen und mein Gesicht zu einer steinernen undurchdringlichen Maske zu machen, doch weder das eine noch das andere wollte mir gelingen, "'Ihr wollt nicht sterben'", sprach Katherine weiter, die uns komplett durchschaut hatte, "'Nun, dann will ich Kyaras Andenken ehren und euch die Wahl geben, die sie mir einst gab.'" Entsetzt sah ich ihr dabei zu, wie sie mit ihrem Fingernagel ihr Handgelenk aufschnitt und uns auffordernd die blutende Wunde hinhielt.
Angewidert verzog ich das Gesicht, als sich mir allein schon bei dem Gedanken der Magen herumdrehte.
Es gab nur eine Sache, die schlimmer war, als ein Werwolf zu sein. Und das war, sich in einen Vampir zu verwandeln.
Auch wenn ich diese Seite an Damon, Stefan und Caroline vollkommen akzeptierte, so wollte ich das selbst niemals durchmachen.
"'Ihr solltet euch beeilen'", sagte Katherine, als keiner von uns eine Reaktion zeigte, und musterte uns amüsiert, "'Eure Gelegenheit verstreicht... verstreicht, verstreicht'", noch immer angewidert sah ich zu, wie sich ihre Wunder wieder schloss, "'Ist verstrichen'", sie ließ ihre Hand wieder sinken, "Aber wenn ich es mir Recht überlege, können Werwölfe sich ohnehin in keinen Vampir verwandeln... Zumindest nicht, wenn sie ihr Gen bereits aktiviert haben." Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und mein Magen zog sich krampfhaft zusammen, als ich auch Elenas Blick auf mir spürte.
Doch Katherine konnte nicht wissen, dass ich es aktiviert hatte. Das war einfach nicht möglich.
"Du und Kyara habt mit eurem Handeln Trevor und Rose zu einem Leben ewiger Flucht verurteilt!", sagte ich, teils, um vom Thema abzulenken teils, weil der Vorwurf mehr als berechtigt war. Ich hatte bereits vorher Mitleid für Rose und Trevor empfunden, doch nun konnte ich ihr Handeln absolut nachvollziehen. Sie waren bereits 500 Jahre auf der Flucht gewesen. Sie hatten mit unserer Entführung nur gewollt, dass es aufhörte...
"Trevor ist deswegen gerade getötet worden", fügte Elena hinzu und schien das gleiche zu denken. Sie schien sich glücklicherweise nicht weiter Gedanken um Katherines vorherige Worte zu machen.
"'Hätte nie gedacht, dass er so lange durchhält'", murmelte Katherine in einem Ton als würde sie übers Wetter reden.
"'Dir ist völlig egal, dass du ihr Leben ruiniert hast!'", sagte Elena und schüttelte ungläubig den Kopf, doch mich überraschte das nicht. Es war nicht verwunderlich, dass Katherine schon damals sich selbst über alle anderen gestellt hatte.
"Sie wollten mein Leben doch ebenfalls opfern, um ihr eigenes zu retten!", zischte Katherine spöttisch, "Außerdem musste ich selbst zusehen, wo ich bleibe! Und wenn ihr schlau seid, macht ihr das auch." Ich schnaubte.
Wie konnte ich Kyra äußerlich bis aufs Haar gleichen und im Inneren so anders sein? Ich könnte nie das tun, was sie getan hatte. Ich könnte nie das Leben zweier Leute einfach opfern und das nur um eine Frau zu retten, die ich fünf Minuten kannte.
Bedrückendes Schweigen legte sich über uns und ich bemerkte, dass das Licht, das die Gruft erhellte, allmählich dunkler wurde.
Es musste schon verdammt spät sein.
Langsam erhob ich mich, während ich kurz unauffällig auf mein Handy sah.
17 Uhr. Und wieder jede Menge verpasste Anrufe von Damon. Diesmal in viel geringeren Abständen. Verdammt, wahrscheinlich suchte er mich schon.
Und bisher hatten wir immer noch nicht erfahren können, was wir tun konnten, um Klaus aufzuhalten.
Wir wussten nur, dass er bei einem Fluchtversuch nicht locker lassen würde, bis er uns hatte...
Wieder drehte sich mir der Magen um und ich schluckte.
"'Und was an deiner kleinen Geschichte ist nun wahr?'", fragte Elena schließlich und erhob sich ebenfalls, während sie die inzwischen leere Flasche wegtrat.
"'Ich habe keinen Grund zu lügen, Elena'", sagte Katherine kühl und blätterte durch ihre Familiengeschichte, "'Ich habe keinen Grund, überhaupt irgendwas zu tun, außer hier zu sitzen, zu lesen und zu verrotten.'"
"'Angenommen, es stimmt zumindest teilweise'", begann Elena und drehte sich zu ihr, "'Dann ist das der Grund, warum du zurückgekommen bist, hm? Weil du diejenige sein wolltest, die uns Klaus übergibt?'" Ich hielt inne und blickte Elena mit geweiteten Augen an.
Daran hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. Doch jetzt, wo sie es aussprach, ergab es Sinn.
Das große Geheimnis um Katherines Rückkehr drehte sich einzig und allein darum, uns Klaus auszuliefern?
"'Nach über 500 Jahren auf der Flucht'", murmelte Katherine und legte das Buch beiseite, um sich schwerfällig an der Mauer hochzuziehen, "'Dachte ich, er könnte geneigt sein, einen Deal einzugehen.'"
"Das ist es", murmelte ich und trat einen Schritt auf sie zu, während sich das gewaltige Puzzle in meinem Kopf zusammensetzte, "Deswegen hast du Mason dazu gebracht, dir den Mondstein zu besorgen!"
"'Schon wieder richtig'", murmelte sie und wütend presste ich die Lippen zusammen. Sie hatte ihn tatsächlich nur ausgenutzt!
"Aber wieso dann der Angriff auf Alie?", fragte Elena stirnrunzelnd, "Wenn du sie getötet hättest-"
"Oh bitte, Elena", unterbrach Katherine sie spöttisch, "Denkst du in 500 Jahren habe ich nicht gelernt, wo man zustechen muss, damit ein Mensch stirbt und wo, damit es einfach nur wehtut?"
Ich spürte, wie mir der Mund aufklappte. Es war also tatsächlich ihre Absicht gewesen, mich nicht lebensgefährlich zu verletzen?! Das bedeutete, dass alle um mich herum vollkommen umsonst solche Sorgen um mich gemacht hatten, da ich nie in Gefahr gewesen war!
"Du verdammtes...", begann ich zornig und trat einen Schritt auf sie zu, doch Elena stoppte mich schnell. Sie warf mir einen beruhigenden Blick zu und mit Mühe atmete ich einmal tief durch, bevor ich wieder zu Katherine sah, die mich provozierend angrinste.
Elena hatte Recht. Ich musste ruhig bleiben, wenn wir noch mehr aus ihr herausbekommen wollten.
"'Was braucht man noch, um den Fluch zu brechen?'", fragte Elena und nachdenklich runzelte ich die Stirn. Man benötigte noch mehr?
"'Oh, da wird ja eine clever, sieh an'", murmelte Katherine und mir wurde klar, was Elena meinte. Katherine hatte außer der Sache mit dem Mondstein noch viel mehr getan.
"Du hast Mason nicht nur für den Mondstein gebraucht", sagte ich leise, "Du hättest dir irgendeinen Menschen manipulieren können, den Stein zu suchen, doch stattdessen machst du dir die Arbeit Mason zu verführen. Ich nehme an, aktive Werwölfe können nicht manipuliert werden?" Es war mehr eine Frage als eine Feststellung, doch anhand von Katherines beeindrucktem Grinsen, wusste ich, dass ich goldrichtig lag.
"'Hexen und ihre Zaubersprüche. So viele Zutaten, so viele Menschen zu opfern'", murmelte sie leise.
"'Man braucht also einen Werwolf!'", schlussfolgerte Elena und für einen kurzen Moment war ich von ihrem angespannten Blick irritiert, den sie Katherine zuwarf.
"'Ob ihr es glaubt oder nicht, die sind echt schwer zu kriegen'", sagte Katherine entnervt, ehe sie wieder zu mir sah, "Aber zum Glück hast du ja einen Bruder.'" Blankes Entsetzen stieg in mir hoch. Erst hatte sie Mason im Visier gehabt und nun war sie hinter Tyler her?!
Blitzartig stiegen in mir die Erinnerungen vom Maskenball hoch. Sie hatte Aimee manipuliert mich anzugreifen... Jedoch nicht um mich zu töten, das hatte sie selbst zugegeben.
Schnell presste ich eine Hand auf den Mund, im verzweifelten Versuch mich nicht zu übergeben, als es mir klar wurde: Sie hatte mein Gen auslösen wollen! Anscheinend brauchte Klaus mich ebenfalls als aktiven Werwolf!
Doch warum?!
Die Frage brannte mir auf der Zunge, doch ich konnte sie nicht stellen, solange Elena neben mir stand.
"'Was braucht man noch?"', fragte Elena weiter, die entschlossen Katherine fixierte und nicht im Mindesten so aus der Fassung wirkte wie ich.
"'Eine Hexe für den Zauberspruch'", antwortete Katherine, "'Meine ist abgesprungen, aber Klein-Bonnie wird es auch tun.'" Ich spürte, wie mir schwindelig wurde.
Sie also auch?!
"'Was noch?'", fragte Elena weiter und ich widerstand dem Drang mir die Ohren zu zuhalten. Ich wollte gar keine Antworten mehr. Ich wollte das alles gar nicht mehr wissen.
"'Ein Vampir'", erwiderte Katherine.
"Caroline...", hauchte ich und erinnerte mich an die Nacht des Jahrmarkts. Katherine hatte sie nur deswegen getötet.
"'Könnte irgendwer sein, würde ich sagen'", sagte Katherine schulterzuckend, "'Aber ich mag die Poesie von Caroline.'"
Ich musste mich an der Mauer abstützen als der Schwindel schlimmer wurde. Das war der Grund. Katherine hatte unser Leben nicht wahllos ins Chaos gestürzt.
Sie hatte ein Ziel gehabt.
"'Du wolltest uns alle ausliefern, um uns töten zu lassen'", sprach Elena mit gebrochener Stimme meine Gedanken aus und ich merkte, wie nun auch sie allmählich die Fassung verlor.
"Und zusätzlich hast du versucht, Damon und Stefan von uns zu entfremden, damit sie es geschehen lassen würden", hauchte ich kaum hörbar, während Katherine nun leicht die Schultern hob.
"'Besser sterbt ihr als ich'", sagte sie mit vollkommener Gleichgültigkeit und bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit der Gruft.
Noch immer war mir vollkommen übel und schwer atmend stützte ich meine Hände auf meine Knie ab, um mich irgendwie zu beruhigen, was mir schlicht weg nicht gelingen wollte.
Noch immer hallten Katherines letzte Worte in meinem Kopf, während vor meinem geistigen Auge jeder auftauchte, der Teil von Katherines kranken Plan sein sollte: Elena, Mason, Tyler, Bonnie, Caroline...
Schnell schüttelte ich den Kopf und unterdrückte einen Würgereflex.
"Wir sollten gehen", sagte Elena mit noch immer brüchiger Stimme und ich hörte, wie sie nach ihrer Tasche griff, als plötzlich Schritte vom Eingang der Gruft ertönten.
Erschrocken blickten wir in eben jene Richtung und mir wurde noch übler, als ich Stefan und zu allem Überfluss auch noch Damon erkannte.
"'Elena!'", rief Ersterer aus und lief zu ihr herüber, während ich schnell den Blick senkte, um zu verhindern, dass er sich mit dem von Damon kreuzte.
"'Was zur Hölle macht ihr hier unten?!'", rief der Schwarzhaarige halb besorgt halb verärgert aus und ich konnte im Seitenblick sehen, wie er zu mir trat, was mich noch fester den Boden fixieren ließ.
Ich konnte ihn jetzt nicht ansehen. Ich konnte mich jetzt nicht mit den Problemen zwischen uns befassen. Nicht nachdem, was ich gerade alles gehört hatte.
"Offenbar hat Caroline geredet", seufzte Elena und ich merkte, wie sie versuchte ihre Stimme ruhig zu halten.
"Das war nicht nötig", antwortete Damon noch immer verärgert, "Es gibt nicht viele Orte, wo ihr euch aufhalten und es uns verheimlichen würdet." Ich spürte seinen durchdringenden Blick auf mir und schluckte, während ich schützend die Arme vor der Brust verschränkte.
Wieso konnte er mich nicht einfach gehen lassen? Wieso musste er genau jetzt hier aufkreuzen?
"'Ich wusste, ihr würdet uns aufhalten!'", sagte Elena und eine Diskussion brach zwischen ihr und Stefan aus, der ich jedoch nicht weiter folgen konnte, da Damon mich in diesem Moment am Arm griff.
"Zoey, ich will, dass du mir ganz genau zuhörst", sagte er leise und schien sich nicht im Geringsten daran zu stören, dass ich ihm noch immer nicht in die Augen sah, "Ich weiß nicht, warum du sie aufgesucht hast oder was du dir für Antworten erhofft hast, aber glaube mir, egal, was sie dir gesagt hat, es war gelogen!" Tränen stiegen bei seinen Worten in mir auf.
Gott, wenn er nur wüsste.
"Diese Frau versucht nur dich zu manipulieren!", fuhr Damon fort und ich schloss die Augen, während ich kaum merklich den Kopf schüttelte, "Sie will dir Angst machen, Zoey! Aber glaub mir, dir droht keine Gefahr! Nicht, solange ich atme!" Nun sah ich doch langsam zu ihm auf und begegnete dem entschlossenen Blick seiner blauen Augen, der alles nur noch schlimmer zu machen schien.
Er würde nie zulassen, dass mir etwas geschah. Doch wie sollte Damon, der gerade mal anderthalb Jahrhunderte lebte, gegen einen Urvampir antreten, der schon vor 500 Jahren uralt gewesen war?
Mit Mühe unterdrückte ich die Tränen, die in meinen Augen brannten.
Die Antwort war einfach: Damon würde nicht in der Lage sein, Klaus aufzuhalten. Aber er würde bei dem Versuch sterben.
"Ihr beide könnt nichts dagegen tun." Erschrocken sah ich auf zu Katherine, die zurückgekehrt war und die Brüder fast mitleidig musterte, "'Den besten Teil der Geschichte habe ich noch gar nicht erzählt'", sie lächelte bitter, "Kurz nachdem ich zum Vampir wurde, reiste ich mit Kyara in mein Heimatland Bulgarien zurück. Ich war mir sicher, dass meine Familie uns Zuflucht gewähren würde. Doch als wir dort waren...", sie schloss kurz die Augen, "Das ganze Gut war in Blut getränkt. Ich fand die Mägde leblos im Flur, meinen Vater mit einem Schwert an die Tür zum Schlafzimmer genagelt, meine Mutter auf dem Bett in ihrem eigenen Blut.'" Vor meinem geistigen Auge tauchten die Bilder auf, die sie beschrieb, nur dass ich meine eigene Familie sah und nicht Katherines, und unfassbares Grauen erfasste mich.
"'Er hat sie getötet'", fuhr Katherine kaum hörbar fort und auf ihrem sonst so kalten Gesicht, erschien das gleiche Grauen, das ich spürte, "'Meine ganze Familie. Nur um es mir heimzuzahlen'", sie sah zwischen Elena und mir hin und her, "'Was auch immer ihr tut, um Klaus zu entfliehen, er wird sich dafür rächen! An euren Freunden, an eurer Familie, an jedem, den ihr je geliebt habt!'" Ich rang erstickt nach Luft, während ich erneut eine Hand auf meinen Mund presste, doch diesmal gelang es mir nicht die Übelkeit im Zaum zu halten.
"'Nein!'", hörte ich Stefan sagen, "'Nein, hört nicht auf sie!'" Er sprach noch weiter, doch ich hörte ihn nicht mehr. Ich wand mich aus Damons Griff und floh aus der Gruft die Treppen nach oben nach draußen.
Oben angekommen wankte ich zu einem der Bäume, ehe ich auf die Knie sank. Ich spürte, wie meine Beine leicht im schlammigen Boden einsanken, doch das nahm ich nur am Rande wahr.
Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf der schrecklichen Übelkeit und den grauenvollen Bildern, die Katherines Worte in meinem Kopf heraufbeschworen hatten und kein Ende nehmen wollten.
Sie waren totgeweiht. Meine Familie, meine Freunde... Sie alle waren totgeweiht. Egal, ob ich fliehen würde oder mich meinem Schicksal stellte.
Sie würden alle sterben. Und das nur wegen mir.
Wie durch Watte spürte ich eine Hand an meiner Schulter und wie jemand irgendwas sagte, doch ich verstand es nicht.
Nur noch dieser eine Gedanke raste durch meinen Kopf: Das alles war meine Schuld...
***
"Lass mich dir die Sachen abnehmen. Gut. Jetzt komm mit ins Bad. Wir müssen den Schlamm abwaschen." Ich war nicht fähig auf Damons Worte irgendeine Reaktion zu zeigen. Ich folgte nur stumm seinen Anweisungen und ließ mich von ihm in sein großes Badezimmer ziehen. Dort angekommen ließ er mich im Raum stehen und drehte sich zu der perlweißen Badewanne, um den Hahn aufzudrehen und heißes Wasser einzulassen.
Noch immer konnte ich mich nicht rühren. Mein gesamter Körper schien von dem Gefühlssturm, der in meinem Inneren tobte, wie taub geworden zu sein. So fühlte ich mich, seit ich die Gruft verlassen hatte und egal, wie sehr ich mich bemühte, ich erlangte die Kontrolle über meinen Körper nicht zurück. Noch nicht einmal, um auf irgendeine Frage von Damon zu antworten.
Er hatte mich vor ein paar Minuten zum Salvatore- Anwesen gefahren, da er der Meinung gewesen war, dass ich so meiner Familie nicht unter die Augen treten konnte.
Wahrscheinlich hatte er auch Recht damit.
"So, ich hole dir ein paar saubere Klamotten, ja?" Damon war wieder zu mir getreten und sah mich besorgt an. Ich konnte nicht einmal nicken, obwohl ich ihn verstanden hatte.
"Okay", murmelte Damon leise und strich kurz sanft über mein Haar, ehe er an mir vorbei in sein Schlafzimmer ging.
Ich ließ meinen leicht verschwommenen Blick ziellos durch den Raum schweifen, ehe er schließlich an dem großen Spiegel über dem Waschbecken hängen blieb.
Meine Hose und meine Hände waren über und über mit Schlamm bedeckt, doch das nahm ich nur am Rande wahr. Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf meinem Gesicht, welches auch ein wenig mit Schmutz bedeckt war.
Sehr langsam trat ich an Spiegel heran und musterte jeden einzelnen meiner Gesichtszüge, als wäre es das erste Mal, dass ich sie richtig sah.
Das war der Grund. Die gebräunte Haut, die grauen Augen, die schmale Nase, die hohen Wangenknochen und die dunklen Locken, die alles umrahmten... All das war der einzige Grund, warum meine Familie und meine Freunde dazu verdammt waren, zu sterben.
Es geschah nur meinetwegen. Wegen diesem verdammten Gesicht, das eigentlich einer anderen gehörte!
Ich sah, wie mein Spiegelbild begann zu zittern, als ich es nicht länger aushielt.
Ohne wirklich zu realisieren, was ich tat, hörte ich meinen eigenen Schrei, ehe meine Faust mit voller Kraft auf das Gesicht meines Spiegelbildes schlug. Der Spiegel zersplitterte in tausende Scherben und obwohl ich den stechenden Schmerz in meiner Hand kaum spürte, füllten sich meine Augen mit Tränen und ich schluchzte. Meine Knie gaben nach, doch bevor ich ganz zu Boden sinken konnte, spürte ich, wie Arme um mich griffen und mich festhielten.
"Zoey!", rief Damon entsetzt aus, "Was tust du denn?!" Sofort spürte ich, wie er mir sein Handgelenk auf den Mund drückte, um die tiefe Wunde in meiner Hand zu heilen, aus der bereits Unmengen scharlachrotes Blut floss.
Ich schluckte widerwillig Damons eigenes Blut, bevor erneut ein Schluchzen aus meiner Kehle kam und ich durch die Tränen vollkommen blind wurde.
"Er hat sie getötet. Meine ganze Familie..." Ich schloss die Augen, als ich Katherines Stimme in meinem Kopf hörte.
"Zoey!" Damon schüttelte mich heftig in seinen Armen und ich hielt mich verzweifelt an ihm fest.
"Es... ist meine Schuld, Damon!", wimmerte ich, ohne die Augen zu öffnen und umklammerte ihn so fest, als würde mein Überleben davon abhängen, "Es ist alles meine Schuld!"
"Unsinn!", widersprach der Schwarzhaarige, doch ich hörte ihn nicht. Ich spürte, wie er sich aus meinem Griff wandte und mein Gesicht umfasste.
Ich blickte auf und konnte nur verschwommen sein Gesicht dicht vor mir erkennen.
"Sie werden alle sterben!", hauchte ich mit bebender Stimme, während Angst, Verzweiflung und furchtbarer Zorn, bei dem ich nicht einmal wusste, gegen wen er sich eigentlich richtete, in einem riesigen Chaos in mir wüteten, "Nur meinetwegen! Weil ich so aussehe wie Kyra u-und Eveline! Wegen einer beschissenen Laune der Natur!"
"Schhhh, schhh", tröstend zog Damon mich an sich, "Niemand wird sterben, verstanden? Wir finden einen Ausweg! Ich verspreche es dir!"
Noch immer schluchzend klammerte ich mich an ihn und so sehr ich ihm in diesem Augenblick glauben wollte, ich konnte es einfach nicht.
Die schreckliche Angst um alle, die mir je etwas bedeutet hatten, brannte in meinem Inneren und schnürte mir so sehr die Kehle zu, dass ich glaubte zu ersticken.
Es ist meine Schuld...
Es ist alles meine Schuld...
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Sooo Leute, da ich momentan leider nicht so viel Zeit habe, halte ich es kurz.
Es tut mir leid für die lange Pause, aber wie gesagt bin ich momentan etwas im Unistress :'D
Wie ihr bereits gemerkt habt, ist das Kapitel dafür auch wieder ellenlang geworden, aber wie ich euch kenne, freut euch das sowieso xD
Ich danke all den Leuten, die beim letzten Kapitel ein Kommentar hinterlassen haben, auch wenn es nur kleine Anmerkungen waren, ich habe mich über jedes einzelne gefreut!
Und natürlich danke ich meiner lieben TheRealLoca fürs Betalesen!
Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Lyana:)
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