Kapitel 324 "Ein kleiner Abschied"
~Ally POV~
Es war der letzte Tag. Der letzte Tag, an dem Lisbeth noch bei uns war. Levi hatte mir erzählt, was zwischen ihm und dem Kind "vorgefallen" war, jedoch hatte ich sie bewusst nicht darauf angesprochen.
Denn es schien tatsächlich etwas gebracht zu haben. Die Blonde wirkte nicht mehr ganz so deprimiert und hatte sogar von selbst zugegeben, dass sie sich etwas auf die nächste Zeit freute.
Denn Miss Evergarden hatte es geschafft, ihr einen Platz an einer sehr nahen Schule zu organisieren. Natürlich würde die Zukunft nicht einfach für Lisbeth werden, schließlich war sie mehr oder weniger eine Waise und lebte von nun an in einem Waisenhaus.
In nur wenigen Stunden würde eine Kutsche ankommen, in ihr die rustikale Miss Evergarden, welche das Kind mit sich nehmen würde. Am liebsten hätte ich noch die letzte Zeit mit der Kleinen verbracht, doch leider kam das nicht in Frage.
Denn nachdem wir bekannt gegeben hatten, wann die nächste Expedition stattfinden würde, war ein strenger und genauestens überlegter Trainingsplan an der Tagesordnung.
Frühstück gab es um sechs Uhr dreißig, eine Stunde später hieß es dann aufwärmen. Unsere einer-gegen-einen Einheit wurde komplett gestrichen, schließlich half sowas im Titanengebiet nur wenig.
Nach dem Aufwärmen -das etwa eine Dreiviertelstunde ging- hieß es bis zwölf Uhr Krafttraining. Um zwölf dreißig gab es dann Mittagessen. Anschließend gab es dann eine Pause von zwei Stunden -die war uns ursprünglich natürlich nicht gestattet gewesen, doch wir Soldaten hatten uns durchgesetzt. Zähneknirschend musste Erwin nachgeben, da wir angefangen hatten in der Zeit zu streiken.
Nein, das habe bestimmt nicht ich angezettelt, wie kommt ihr denn dadrauf?
Nach dieser hart erkämpften Pause folgte von fünfzehn bis siebzehn Uhr eine weitere Einheit. Jeden Tag wechselte es sich zu dieser Zeit ab, ob wir Reittraining oder mit den 3D Manövern übten.
Natürlich kam danach das Abendessen, nur, um danach weitere zwei Stunden das jeweilige zu machen, was man am Nachmittag nicht getan hatte. Also entweder Titanenbekämpfung oder Reiten.
Nachdem diese Einheit dann um zwanzig Uhr fertig war, hieß es direkt im Anschluss Theorie. Zwar nur eineinhalb Stunden -also ungefähr bis halb zehn, meistens dauerte es aber sogar bis elf oder ähnliches.
Und dann kam es. Endlich. Der lang ersehnte Schlaf! Zwar nur rund sechs bis sieben Stunden -wenn es SEHR gut lief- aber es war besser als nichts. Denn die Möglichkeit, diese lange Zeitspanne außerhalb des Menschengebiets pennen zu können, es nahezu undenkbar.
Von vorne bis hinten war also alles durchgetaktet und Ausnahmen gab es keine. Nur den Sonntag, da hatten wir frei. Nun gut, von "frei" kann man da nicht wirklich reden, denn die meisten Soldaten schliefen einfach durch.
Nur war heute leider nicht Sonntag, sondern Dienstag. Also hatten wir noch so einige Tage vor uns, bis wir uns endlich mal wieder ausruhen konnten!
Zudem war gerade -es war rund vier Uhr- 3D Manövertraining angesagt. Erinnert ihr euch noch, wie viel Levi, Mike, Mikasa und noch viele mehr mir mit diesem Apparat beigebracht hatten?
Das war natürlich schön und gut, ich hatte von allen die beste B-Note bekommen, doch leider war uns ein kleiner Schrecken überkommen:
Ich hatte noch nie mit Trainingspuppen gekämpft. Toll, oder? Das Manöver beherrschte ich wie ein Profi, aber einem Titanen den Nacken rausschneiden? Ja gar keinen Plan!
Dementsprechend hatte ich einen Herzinfarkt bekommen, als dieser Gedanke während dem Essen plötzlich über Nanaba gekommen war.
Und schon wieder bekam ich eine Extrawurst. Eine Zeit lang war mir das peinlich gewesen, aber inzwischen hatte ich das schon so oft durchgemacht, dass das Schamgefühl sich verdünnisiert hatte.
,,UAAHH!!", kam es irgendwo zwischen den Bäumen geschrien, dann ein kleines Krachen. Offensichtlich war -mal wieder- jemand gegen einen Baum geflogen. Passierte gar nicht so unüblich, wenn man eine Kurve etwas zu schnell nahm und sich um den Baum wickelte...
Konzentriert peilte ich mein nächstes Ziel an, die Klingen fest in meiner Hand. Damit kein anderer mir mein Ziel wegschnappte, hatten meine Titanen rosa Fähnchen auf dem Kopf. Ja, rosa. Auf meine Bitte hin. Ich fand's lustig...
Konzentriert presste ich die Lippen aufeinander, schoss meine Hacken in einen Baum hinter dem Ziel und gab extra Gas. Im vollem Karacho wurde ich durch die Luft gezogen, meine Schwerter zu meiner Rechten gehalten.
Immer näher kam meine Puppe und kurz bevor ich knapp an dessen Nacken vorbeiflog holte ich mit den Armen aus und schnitt durch das weiche Nackenteil. Kaum war dies auch schon passiert, holte ich meine Hacken zurück, machte währenddessen einen Salto mit Pirouette -eine meiner Spezialitäten- und lies mich mit einem weiteren Schuss sanft auf die Erde hinunter.
Zufrieden mit mir selbst schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen, als auch schon meine Lehrkraft auf mich zukam. Dabei handelte es sich nicht um ein Naturtalent wie Mikasa oder meinen Mann, die konnten nämlich schlecht erklären, was sie machten, da es ihnen selbst nicht mal wirklich bewusst war.
Da wir aber einen sehr engagierten Soldaten in unseren Reihen hatten, der für sein Können sehr viel trainieret hatte, hatte ich genau diesen auserkoren.
In schnellen Schritten kam Eren über den mossigen Untergrund auf mich zugeeilt, auch er sah nicht ganz unzufrieden aus.
,,Nicht schlecht, Ally!"
,,Danke. Ein glatter Schnitt, oder?", letzteres war mehr eine rhetorische Frage.
,,Ja, gerade noch so tief genug", wägte der Brünette seinen Kopf ab, ,,Versuch beim Nächsten nicht so geradlinig auf die Puppe loszugehen. Wenn du zu lange in einer Linie bist, um einen anzugreifen, könnte dich plötzlich ein Titan von der Seite aus packen. Oder gar deine Drähte."
,,Hä? Sowas passiert echt?"
,,Ja."
Leicht betrübt sah der junge Mann mich an. Sofort verstand ich, was es war.
,,O-Oh...Tut mir leid."
,,Also versuch es beim nächsten Mal etwas anders. Komm, da hinten hab ich bereits einen markiert!"
Doch wie immer zog der Titanenwandler ein ziemlich fröhliches Gesicht auf. Wahrscheinlich tröstete er sich mit dem Gedanken, schon bald Titanen mal wieder abschlachten zu können....
Ohne zu widersprechen joggte ich dem Größeren hinterher, welcher aber schon nach wenigen Bäumen anhielt. Mir zu sagen brauchte er nichts -dazu ließ ich ihm nicht mal Zeit- denn ich schoss schon direkt los.
Etwa einhundert Meter weiter erkannte ich zwischen dem Gestrüpp eine rosa Flagge. Meins!
Anstatt einen einzigen Baum anzufeuern wechselte ich nun zwischen rechten und linken, auch ließ ich mich immer wieder etwas ach unten fallen, sodass meine Drähte nie schnurgerade waren.
Zuversichtlich befestigte ich meine Haken in dem Baum, welcher vor dem "Titanen" war, legte mein gesamtes Körpergewicht in den Gurt an meinem linken Fuß und drehte mich damit um den gigantischen Baum herum.
,,Hab dich!", entfloh es mir aus meinem Munde, während ich meine beiden Klingen über meinen Kopf zog, die Beine gespreizt nach hinten gewinkelt, meine Haken in den Boden weiter hinten gerammt.
Nahezu perfekt schnitt ich den Nacken heraus. Naja, hätte zumindest.
HÄTTE DIESES BESCHISSENE DING SICH NICHT PLÖTZLICH BEWEGT!!
,,HÄÄÄÄ??!!!! Was soll das denn jetzt?!!!", schrie ich den Soldaten halb überrascht, halb wütend an, welcher mir gerade mein Ziel verrückt hatte. Was ein Idiot!
Schon wollte ich auf den Armen in Rage losgehen -natürlich nicht mit körperlicher Gewalt- doch da griff auch schon mein Mentor ein, welcher mich flink an meinem linken Arm packte. Wo auch immer der jetzt schon wieder herkam....
,,Beruhig dich, Ally. Das war genau das, was ich dir sagen wollte, bevor du von selber losgerannt bist."
,,Aber der Typ hat meinen Kill versaut!", verteidigte ich mich wie ein trotziges kleines Kind.
,,Ein...was? Ach, egal, jedenfalls haben wir hier auch Puppen, die sich bewegen lassen. Weil wie du dir vielleicht schon denken kannst, bleiben echte Titanen nicht einfach so stehen, um von dir getroffen zu werden."
,,Pfft...", schmollte ich mit dicken Backen. Meinen Blick richtete ich gar nicht zu dem Braunhaarigen, so beleidigt war ich. Nicht, weil er mir nicht rechtzeitig etwas gesagt hatte. Sondern weil ich wusste, dass er recht hatte. Das machte die Sache echt nicht besser...!
,,Jetzt hör-"
Weit kam der Jäger nicht, denn plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen rufen.
Hehe, Wortwitz verstanden?
Überrascht drehte ich mich zu der Geräuschkulisse, bei welcher es sich um meinen Ehemann handelte, welcher mit den Händen in den Hosentaschen in unsere Richtung gelaufen kam. Mit einer Hand winkte er mich zu ihm, wodurch ich gleich verstand, um was es sich handelte.
,,Komme!! Sorry, Eren, ich bin gleich wieder da!"
Wie einen begossenen Pudel ließ ich den Armen Jungen einfach stehen, der so perplex war, dass er gar nichts entgegnete.
Mit recht flotten Schritten joggte ich Levi hinterher, der wie vom Erdboden verschluckt war. Das war aber nicht allzu wichtig, denn ich wusste selbst, wo ich nun hin musste.
Also entfernte ich mich von unserem Trainingsort und lief einmal um das große Gebäude herum, um anschließend zu einem Weg zu kommen. Der war etwas zwischen Trampel- und Schotterweg, da stritten wir uns ab und zu mal darüber.
Und genau da stand auch schon eine Kutsche, davor mein Chef -Erwin-, mein Mann sowie die kleine Lisbeth. In ihren Armen hielt sie ganz fest die Puppe von Levi, Sawney und Bean. Mein Gott, was ein Engelchen!
,,Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. War gerade mitten im Training", kratzte ich mich beschämt am Hinterkopf. Verneinend schüttelte das Kind ihren blonden Kopf.
,,Immerhin bist du noch gekommen."
,,Na aber klar doch! Wie könnte ich denn nicht?"
Kurz kniff die Kleine ihren Mund zusammen, sah zu Boden, nur um ihre Augen feste zu schließen:
,,Ich danke Ihnen alle für Ihre Gastfreundschaft!"
Überrascht blinzelten wir drei Erwachsenen, schließlich hatten wir mit solch einer Höflichkeit nicht gerechnet. Ich war wohl die Erste, die sich wieder fing, denn ich ging in die Knie und sah die Fünfjährige warm lächelnd an.
,,Das haben wir wirklich gern gemacht. Na komm her..."
Vorsichtig nahm ich sie in den Arm, wobei sie ihren Kopf in meine Schulter drückte. Kaum ließ ich sie los, trat die Fünfjährige einen Schritt weiter.
Vor Erwin machte sie einen tadellosen Salut, welcher diesen genauso auch erwiderte.
Als letztes kam dann Levi dran, bei welchem ich nicht so genau wusste, wie er reagieren würde. Das Kind kam auf ihn zu und umarmte dann seine Beine.
Liebevoll wuschelte er der Kleinen über den Kopf, sogar ein kleines Lächeln war auf seinem Gesicht zu erkennen.
,,Wir werden uns Wiedersehen, versprochen?", fragte er zart das kleine Geschöpf, welche penetrant ihren Kopf auf und ab bewegte.
,,Na dann geh, und richte Miss Evergarden bitte liebe Grüße aus, wenn du sie am Haus triffst. Leider konnte sie heute nicht kommen, weil es ihr momentan nicht wirklich gut geht...", sagte der Kommandant noch zum Abschied.
,,Mach ich! Macht's gut und bis dann!", sagte die Fünfjährige noch bevor sie in die Kutsche Einstieg. Wir alle winkten ihr noch einmal zu und auch noch nach, als die Pferde sich langsam in Bewegung setzten.
,,Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so gut mit Kindern auskommen könntest!", neckte ich Levi, indem ich ihm etwas in die Seite boxte.
,,Tch...."
Der große Blonde erwiderte nichts, sondern sah uns nur an. Und was sein Blick bedeutete, war offensichtlich.
,,Sag jetzt bloß nichts, Erwin!"
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Ich entschuldige mich für alle Fehler in Wortwahl, Grammatik, Typos etc. in diesem Kapitel. Leider hatte ich keine Zeit mehr es zu korrigieren😫
Aber dafür bekommt ihr pünktlich am Freitag ein neues Kapitel😅
LG, eure Kaori :*💖
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