Kapitel 316 "You asked for my tragic backstory?™"
~Erzähler - Levi~
Vor etwa 13 Jahren hatte ich Gerüchte über ein verschollenes Dorf an der Oberfläche zu Ohren bekommen. Natürlich bekam nicht nur ich davon Wind, auch viele andere bis endlich mein Chef und geplanter zukünftiger Schwiegervater Nikolov Smirnov zu mir kam und mir den Auftrag übergab, an die frische Luft zu gehen und diesen Ort ausfindig zu machen.
Also tat ich wie befohlen und schon nach wenigen Tagen brach ich auf, schmuggelte mich durch die Grenze und stand endlich wieder im Sonnenlicht. Es kostete mich Wochen des Suchens, doch im Endeffekt konnte ich es ausfindig machen.
Mir war damals klar gewesen, dass ich somit das ganze Dorf verkaufen würde, da sie nur als Sklaven von Nutzen waren. Anfangs machte ich mir darüber keinerlei Gedanken, versuchte es einfach zu verdrängen.
Zwei Monate später lief ich durch einen dichten Wald, es war natürlich Nacht, schließlich sah man da deutlich weniger. Ich wusste, dass es eine Patrouille und eine Wache gab, welche ich um jeden Preis umgehen musste.
Flink huschten meine Augen über den moosigen Boden bis mir mehre Stöcke auffielen, die wie eine Markierung in das Gras gerammt worden waren. Nicht mehr weit konnte es sein, also gab ich mir noch mehr Mühe, nicht aufzufallen.
Doch keiner war da -oder ich hatte einfach Dusel. Mehrere Stunden vergingen bis ich endlich auf einer Lichtung Häuser entdeckte. Doch es schien fast unbewohnt, nur spärlich flackerten Kerzen hinter den schrägen Fenstern. Zudem hatte es nicht die Größe eines Dorfes, sondern eher das eines Gebietes einer Großfamilie.
Entweder ich lag falsch und es war alles um sonst gewesen, oder ich hatte den Hauptteil einfach noch nicht gefunden. Mich an Hauswänden vorbeidrückend schlich ich mich zwischen dem Dutzend Häuser entlang bis mein Blick plötzlich auf einen hellen Lichtschein fiel.
Er kam aus einer Scheune, welche sperrangelweit offen stand. Bingo!
Eine Treppe führte nach unten, welche ich vorsichtig hinabblickte. Sachte schritt ich sie hinunter, die Geräusche wurden immer lauter, bis ich letztendlich vor einer riesigen Höhle stand -oder wie man das auch immer nennen wollte.
Licht brannte überall, die Geräusche von Stimmen und vielem mehr war bis nach ganz oben zu hören. Auf den ersten Blick hin hätte man denken können, dass ich gerade erneut in den Untergrund gelangt war - doch etwas war anders.
Es klang nicht nach Leid, Tod, Armut, wie ich es sonst gewohnt war. Nein, es war fröhlich, voller Leben. Die erste halbe Minute blieb ich einfach wie festgefroren auf einer Stelle stehen und betrachtete die Umgebung der Häuser völlig fasziniert.
An sich hätte all das ja nun mehr oder weniger gereicht, ich wusste, dass dieses ominöse Dorf tatsächlich existierte und wo der Eingang war. Doch für mich war es noch nicht genug, ich wollte mehr. Dieser Ort hatte mein Interesse geweckt.
Da der Platz für mehrere hundert Leute reichen würde und nicht gerade wenig auf den Straßen los war, folgte ich einfach mal der Treppe nach unten. Eine Leiter gab es auch, doch ich war so lange auf Trab gewesen, dass es mir mehr nach Gemütlichkeit war.
Die Straßen waren gepflastert und zu meiner Überraschung war die Luft extrem gut- wie auch immer die das machten, den richtigen Untergrund sollte irgendeiner mal echt durchlüften.
Beachtet wurde ich von keinem richtig, manche Augen blieben an mir hängen, doch nicht misstrauisch, damals konnte ich es noch nicht richtig einschätzen. Im Nachhinein würde ich behaupten, dass die Meisten mich wahrscheinlich recht gerne abgeschleppt hätten, aber nun gut. Hätte ich jedenfalls nicht so ungesund ausgesehen.
Ziellos lief ich also herum, bis die Leute immer weniger wurden. Gerade das fand ich interessant, mitten zwischen riesigen Häusern, welche vollkommen verlassen waren.
Sie alle sahen hier ziemlich gleich aus. Etwa um die vier Stockwerke, gebaut aus Stein mit rechteckigen, hohen Fenster, welche weder Simse noch was zum zumachen hatten.
Mein Nacken tat fast schon weh, doch ich erkannte einen Unterschied zu meiner Heimat. Hier unten gab es nicht diese seltsamen, leuchtenden Steine, welche in den Decken hingen und Licht spendeten. Überall waren Straßenlaternen, was mich überaus wunderte, schließlich mussten die Kerzen ja andauernd gewechselt werden. Wo auch immer die ihre gute Belüftung her hatten...
Nur noch von Weitem hörte ich die Geräusche der Stadt, es war ziemlich ruhig hier.
'Alles leicht verstaubt, da sollte einer mal durchwischen...'
,,Hast du dich verlaufen?"
Erschrocken drehte ich mich um, nur um in das Gesicht eines Mädchens zu blicken, welches um ein paar Jahre jünger aussah als ich.
Entgegnen tat ich nichts, stattdessen musterte ich sie von oben bis unten.
,,Hier lebt keiner, dafür sind wir zu wenige."
Ein freundliches Lächeln legte sich auf ihre leicht geschminkten Lippen während sie mich aus braunen Augen ansah.
Doch was mich noch mehr ablenkte war ihre seltsame Kleidung, die zugegebenermaßen auch noch zu groß für die Jüngere war.
Neben flachen Schuhen trug sie eine normale, schwarze Hose -also nichts ungewöhnliches an sich. Aber ihr hellgraues Oberteil bestand wie aus einer Decke, welche ihre Schultern abdeckte. Der gleiche Stoff führte von dem jeweiligen Arm zur anderen Seite der Taille, der linke war dabei über dem rechten. Oben war das Kleidungsstück so aufgestellt wie ein Kragen.
Und der Rest, der dann übrig blieb, hing unten einfach raus, nachdem das von den Armen mithilfe eines Gürtels festgehalten wurde.
,,Na komm, ich bring dich zurück. Alleine wirst du es ja kaum finden."
Mit ihrer Hand winkte sie mich zu ihr und ich musste der Unbekannten wohl oder übel folgen. Ihre langen schwarzen Haare, welche sie wie ihr merkt offen trug, schwang bei jedem Schritt fröhlich hin und her.
,,Du bist der Neue, nicht wahr? Der, der mit seiner Familie hierher gezogen ist. Mann, es tut mir echt leid, dass ihr alles verloren habt. Den ganzen Hof, euer Zuhause....", brabbelte der Teenager weiter vor sich hin. Ich hingegen gab aber keine Antwort, sondern blieb still.
Doch genauso schnell wie sie mitleidig aussah, legte sich ein extrem breites Lächeln auf ihre Lippen.
,,Aber deswegen bist du ja hier bei uns! Wir Ackermanns haben dieses Dorf gegründet, um allen Schutz zu bieten, die verfolgt oder alles verloren haben. Also wie du."
,,Hmpf..."
Während wir also nebeneinander liefen fiel mir erst auf, dass ich ein kleines Stückchen kleiner war als sie -noch. Natürlich war ich älter, doch wenn man eine schlechte Versorgung hat, so wie meine Wenigkeit, dauert das mit dem Entwickeln deutlich länger. Is halt so.
,,Nicht gerade der gesprächige Typ, was?"
,,..."
,,Wie dem auch sei, ich hoffe, dass ihr euch schnell einlebt."
,,Was ist eigentlich deine Aufgabe in diesem Dorf? Wirkst wie 'ne Fremdenführerin."
Laut lachte die neben mir los:
,,Haha, das stimmt! Ne, eigentlich bin ich zum Bewachen und weitergeben von Wissen da. Ich muss also alles lernen, was wir noch an Überlieferungen von vor den Mauern haben. Ist sogar relativ viel, denke ich...."
Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Denn ihr Tonfall verriet Freude, doch ihr Gesicht nicht wirklich.
,,Wieso wirkst du so traurig? Ist vermutlich 'ne ziemliche Ehre", versuchte ich das Gespräch weiterzuführen. Vielleicht konnte ich ja ein paar nützliche Informationen aus ihr herausbekommen...
,,Du kennst das Gefühl nicht", eine gewisse Ernsthaftigkeit lag in ihren Augen und Tonfall, während sie in meine blauen Seelenspiegel blickte.
,,Wenn du mir nicht sagst was es ist, kann ich's nicht beantworten."
Im Nachhinein war das eine ziemlich kühle und schroffe Antwort, doch damals war mir das gar nicht aufgefallen.
,,Nur geboren worden zu sein, um einen Sinn und Zweck zu erfüllen - das Gebären von Kindern und Weiterreichen von Wissen. Als mehr werde ich auch gar nicht gesehen... Weißt du, sobald ich 18 bin muss ich heiraten und am laufenden Band Kinder bekommen, möglichst starke, damit diese als nächste Generation das Dorf beschützen müssen. Unfair, oder? Jeder andere hier darf sein Leben leben wie er will, aber ich nicht."
,,Es ist besser mit einem Sinn zur Welt gekommen zu sein, also ohne irgendetwas."
Ich selbst war über meine Antwort überrascht, irgendwie war mir das einfach so rausgerutscht. Nicht nur mich überrumpelte das, auch die Fremde, welche zum ersten Mal kurz ihre Klappe hielt.
,,Huch, die Zeit vergeht so schnell wenn man sich unterhält, wir sind schon da!", überspielte die Schwarzhaarige den unangenehmen Moment, ,,Geh einfach die Straße da entlang, bieg nach rechts ab und das Gebäude mit dem großen Banner drüber ist dann das richtige. Dort wird man dir weiterhelfen!"
Als würde ich verstehen nickte ich einmal. Natürlich hatte ich nicht vor hier noch weiter herumzulungern.
,,Naja, vielleicht sieht mich mal irgendjemand mal nicht als Gefäß...."
Ihr Satz klang fast schon so, als würde sie ihn endlich vor jemandem mal aussprechen. Einen Rat wusste ich nicht und im Thema Aufbauen von Menschen war ich definitiv kein Vorbild.
,,Viel Glück dabei in dieser Welt."
Keine nette Antwort, aber eine realistische. So, wie ich sie kannte, war dieser Ort weder fair noch gütig. Das war jedenfalls zu der Zeit meine Überzeugung.
,,Naja, wir treffen uns bestimmt wieder! Weißt ja, man sieht sich immer zwei mal im Leben!", rief sie mir noch halb zu während sie winkend rückwärts davonlief. Antwortend hob ich einfach nur meine Hand und blickte dem Mädchen hinterher, wie sie beschwingt über die Straße joggte.
Im Nachhinein bin ich der festen Überzeugung, dass das spätestens genau der Moment war, in dem ich falsch abgebogen war. Alles, mein ganzes Leben hätte viel einfach seien können, keine Titanen, keine Mafia mehr, keinen Kummer. Hätte ich damals einfach nur die Wahrheit gesagt und um Asyl gebeten.
Vielleicht hätten Ally und ich uns trotzdem ineinander verliebt, hätten mit Glück auch geheiratet und müssten nicht in ständiger Angst leben, von einem Tag auf den nächsten zu sterben.
Jeder normale Mensch wäre wohl bei diesem idyllischen Anblick dort geblieben, hätte den Ort des Dorfes niemals an die Mafia verkauft.
Aber mir erging es anders. Ich empfand keinerlei Mitgefühl mit den Menschen dort, stattdessen brodelte Wut in mir hoch.
Wenn sie Leute in Not halfen, warum hatten sie dann nicht mir und meiner Mutter geholfen? Dann wäre sie noch am Leben und ich hätte meines nicht in einer verdammten Kloake verbringen müssen. Ich gab ihnen die Schuld an allem. An allem, was mir, meiner Familie und Freunden widerfahren war.
Eigentlich war das ziemlich dumm, aber damals suchte ich wohl irgendetwas, um diese Ungerechtigkeit zu erklären.
Warum konnten manche Menschen so glücklich leben und ich nicht?
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Damn boi, u dumb af
Irgendwie macht es Spaß, unlogisches Denken in einen Charakter reinzubringen, auch wenn es echt schwer ist....
Ich hoffe, der Schreibstil ist nicht etwas seltsam, denn ich weiß noch, dass als ich das geschrieben habe, ich mir nicht sicher war wie detailreich ich die Kapitel gestalten sollte.
Soll ja nicht noch ein extra Buch werden😂
Lg, eure Kaori :*💖
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