Kapitel 286 "Ein letzter Knall"
~Ally POV~
Spät abends hallten meine Schritte laut durch die Gänge. Eigentlich waren sie das gar nicht, doch da es sonst keine anderen Geräusche gab -außer leises Schnarchen- war es um so auffallender.
Es war nun der Tag nachdem ich meinen kleinen „Besuch" bei der Mafia gehabt hatte. Tatsächlich hatten sie mich auch wieder gehen lassen. Sehr zu meiner Verwunderung.
Nun befand ich mich wieder in Mauer Rose, um genau zu sein im altbekannten HQ. Erst vor etwa zehn Minuten war meine Kutsche hier angekommen, trotzdem trug ich schon wieder meine richtige Uniform.
Das Gepäck hatte ich schnell ins Appartement gestellt, denn auf meinem Weg ins Gebäude hatte ich einen Brief im dafür vorgesehenen Briefkasten entdeckt -er war ziemlich schlampig reingesteckt worden. Da er an Anna adressiert war und recht wichtig aussah, hatte ich ihn genommen, um ihn ihr zu bringen. Denn so wie ich sie kannte, war sie bestimmt noch wach.
Zwar ging es jetzt schon auf Mitternacht zu, doch das störte sie normalerweise nicht.
Keiner wusste, dass ich nun wieder da war, daher hatte ich eine ziemliche ruhige Ankunft gehabt.
Inzwischen kannte ich mich hier schon so gut aus, dass ich alles im Schlaf hätte gehen können. Genauso wie die Anzahl der Schritte und Meter, da ich diese ja vor vielen Monaten mit Levi hatte abzählen und einüben müssen.
Somit kam ich schneller als erwartet im Krankenabteil an und mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Die Türe zu einem der Behandlungszimmer war einen Spalt breit geöffnet, helles Licht fiel auf den dunklen Holzboden.
Die Geräusche von klirrenden Instrumenten und das Herumräumen von sonstigen Dingen verriet sofort, dass die Ärztin noch nicht ihr Bett aufgesucht hatte. Ich trat also an die Holzplatte, drückte sie vorsichtig auf und klopfte währenddessen mit meinen Knöcheln gegen den Türrahmen.
Etwas erschrocken drehte sich die Brünette um und als sie mich erkannte, weiteten sich ihre Augen überrascht.
,,Ally! Wie schön, dass du wieder da bist", begrüßte sie mich und kam sofort mit einer Umarmungsgeste auf mich zu.
,,Hallo, Anna."
,,Mensch, ist ja eine Ewigkeit her, dass wir zwei uns gesehen haben. Komm doch erst mal rein!"
Mit einem schwachen Lächeln zog ich die Türe hinter mir wieder zu und folgte der fröhlichen Dame. Sie verstaute noch eine Spritze in einem Behälter, welchen sie dann in einen Schrank legte. Auch ein Krankenbett befand sich in dem Zimmer, sowie ein paar Medikamentenschränke, ein normaler Schrank, eine Fensterfront, Parkett und ein Nachtkästchen. Leider Gottes war mir das alles hier viel zu bekannt.
,,Den hab ich grad im Briefkasten stecken sehen als ich ankam. Dachte mir, er sei vielleicht wichtig", sagte ich und übergab der leicht pummeligen Frau das Kuvert, welche es offensichtlich gleich erkannte.
,,Ach, danke. Der ist von meinem Mann. Das macht er öfters, vermutlich bekommt er unsere Kinder mal wieder nicht in den Griff. Aber jetzt setz dich erst mal."
Mit ihrer Hand zeigte sie auf das Bett, und obwohl ich etwas überrascht war, lies ich mich trotzdem auf der Matratze nieder. Auch die andere Vertreterin des weiblichen Geschlechts setzte sich hin, doch sie holte sich einen kleinen Hocker.
Dieser war so ein typischer vom Arzt: Eisengestell mit schwarzem Überzog. Die Form war natürlich rund -also oben.
Damit platzierte sich die Brünette exakt vor mich und sah mir direkt ins Gesicht:
,,Wie geht es dir denn?"
,,Soweit in Ordnung."
,,Wir wissen beide, dass das gelogen ist.", entgegnete sie ernst, ,,Ally, ich bin hier Ärztin und somit für euer körperliches, sowie auch geistliches Wohl verantwortlich. Du siehst -es jetzt mal ganz legere ausgedrückt- echt beschissen aus und auch so, als bräuchtest du jemanden zum reden. Also, was ist los?"
,,Musst du das echt noch fragen?", lautete meine Antwort brüchig mit einem unsicheren Schnauben, ,,Ich.... Ich weiß einfach nicht wie es weitergehen soll.... Ich kann das ohne Levi einfach nicht."
Meine Stimme war fast schon flüsternd, da ich fast nichts mehr herausbekam. Beschwichtigend sah mich die gegenüber von mir mich an:
,,Du schaffst das. Natürlich wird es nicht einfach werden und trauern ist vollkommen normal und in Ordnung, aber es ist immer noch dein Leben. Es gehört dir und dreht sich um dich. Momentan müssen wir wohl von dem Schlimmsten ausgehen, aber du bist ja nicht alleine. Wir alle, besonders deine engen Freunde, sind für dich da und unterstützen dich."
,,Nein.... du verstehst das nicht... Ich schaffe es alleine nicht...."
Schon spürte ich, dass mir bald die Tränen kämen. Doch Anna fuhr unbeirrt fort, nicht nach vollziehen könnend was ich meinte.
,,Doch, das wirst du. Die Welt dreht sich weiter, auch wenn ihr getrennt seid. Immer schreitet das Leben fort, es geht weiter und es geht aufwärts. Du wirst schon sehen, es wird klappen, du wirst es schaffen-"
,,Nein. Du verstehst es einfach nicht...."
,,Was verstehe ich nicht?", entgegnete sie fachlich. Meine Augen glänzten schon vor Tränen und meine Stimme versiegte schon nach dem zweiten Satz in Weinen.
,,Das wäre doch alles viel einfacher. Ich meine, es wäre ja nicht so, als hätten wir nun April und dass ich im Januar das letzte Mal meine Periode hatte...."
Mir entfuhr ein lautes Schluchzen, vergrub mein Gesicht in meinen Händen, krümmte meinen Rücken und spürte nur noch wie mir die Tränen unaufhaltsam kamen.
Kurz passierte nichts, während ich nur verzweifelt vor mich hin weinte. Verunsichert hob die Ärztin ihre Stimme:
,,Du willst mir also sagen, dass du schwanger bist?"
,,Ich weiß es doch nicht!", rief ich fast schon hysterisch, ,,Ich weiß es einfach nicht! I-Ich denke eher, dass das von dem Stress kommt. Beziehungsweise... hoffe ich es einfach."
Und schon wieder musste ich weiterheulen. Diese Ungewissheit nagte schon seit Wochen an mir und sie fraß mich förmlich von innen auf.
,,Anna, ich habe einfach nur Angst...!"
,,Schhh, das ist ganz normal. Es gibt keinen Grund Panik zu schieben. Versuche erstmal wieder zu Atem zu kommen."
Während ich also noch immer nach Luft rang, wurde es plötzlich rechts von mir etwas schwerer. Die Frau hatte sich neben mich auf das Bett gesetzt und schlang nun behütend ihre Arme um mich. Dankbar umarmte ich sie zurück und vergrub mein Gesicht in ihr.
Zärtlich wie eine Mutter strich sie mir über den Rücken, damit ich mich wieder etwas entspannte. Doch das dauerte seine Zeit, denn nun kamen all diese angestauten Gefühle der letzten Wochen auf einmal hoch.
Angst, Trauer, Furcht, Ungewissheit und vieles mehr.
Mehrere Minuten verstrichen, in denen nicht anderes passierte, als dass ich hemmungslos heulte.
Kaum hatte ich mich wieder etwas beruhigt, richtete ich mich etwas auf und wischte mir die letzten Tränen schniefend von den Augenwinkel.
,,Danke, Anna."
,,Ist doch quasi eine Selbstverständlichkeit. Aber sag mal, hast du in letzter Zeit Alkohol getrunken? Fisch gegessen? Von Drogen gehe ich mal nicht aus."
Entschlossen schüttelte ich meinen Kopf.
,,Nein, davon habe ich mich bewusst ferngehalten. Auch wenn das nicht immer so einfach war. Vermutlich gehen überall wo ich war die ganzen Pflanzen ein, ich weiß nämlich echt nicht wie gut die das vertragen."
Gleichzeitig kicherten wir los, was die Situation ungemein lockerte.
,,Das hast du gut gemacht. Es besteht also die Möglichkeit einer Schwangerschaft?"
,,Ja, aber ich glaube nicht so recht dran. Das kommt vermutlich nur von dem Stress."
,,Und wie kommst darauf?"
,,Naja, ich... ich glaube, dann würde ich mich.... anders fühlen? Keine Ahnung."
,,Nein, nein, das klingt nicht wirklich abwegig. Aber wir sollten lieber noch mal auf Nummer sicher gehen und ein paar Untersuchungen machen -das geht ganz schnell und ist in ein paar Tagen da."
Durchdringend sah die Mutter mir mit ihren Augen direkt in die meinen.
,,Du weißt, was du machen musst, falls es positiv sein sollte. Du kannst Levi nicht einfach in dem Unwissen sterben lassen, dass er ein Kind hat."
,,Ich weiß.", hauchte ich, erneut kurz vor den Tränen, ,,A-Aber es fällt doch auf, wenn jemand hier aus dem Aufklärungstrupp überprüfen will, ob sie schwanger ist oder nicht. Und-Und so viele Paare gibt es nicht, ich will nicht, dass andere davon etwas erfahren..."
,,Hmm, da hast du recht.", schien sie zu überlegen, ,,Dann sag ich einfach, dass es mein Blut ist. So viele Kinder wie ich schon habe, kann es ja durchaus sein, dass da noch mal eins kommt. Kommt's nicht, aber das müssen die im Labor ja nicht wissen. Bist du damit einverstanden?"
Heftig nickte ich.
,,Ja. Vielen, vielen Dank, Anna."
,,Natürlich. Also komm, leg dich auf die Matratze und lass dich mal untersuchen."
~Levi POV~
,,In zehn Minuten bist du tot. Klingt doch gar nicht mal so schlimm, oder? Dann bist du noch ein Klumpen Fleisch, völlig unbedeutend und so nutzlos, dass wir dein Übriges an die Hunde verfüttern werden", sagte Praschak völlig zufrieden, in seiner Hand die Pistole.
Mein Herz pochte wie wild und obwohl ich mit meinem Tod abgeschlossen hatte, fühle ich mich so seltsam.
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen hob er die Waffe und richtete den Lauf gen meine Stirn. Er schnalzte drei Mal mit der Zunge, bevor er den Anzug drückte.
Ein Klacken erklang. Mehr nicht. Enttäuscht öffnete er erneut das Magazin und lies rotieren. Irgendwann mal lies er es erneut hineinschnappen und wiederholte seinen Vorgang.
Das gefährliche Ende auf meinen Kopf zielend, den Abzug drückend. Immer wieder wiederholte er diesen Vorgang und bei jedem Mal verspannte ich mich.
,,Russisches Roulett. Das hast du schon oft genug gespielt, offensichtlich mit ziemlich viel Glück. Auch jetzt scheint es nicht von deiner Seite zu weichen."
Erneut das Schnarren.
,,Na, wie fühlt man sich so als nutzloses Stück nichts? Du bist für nichts mehr zu gebrauchen. Niemand ist mehr für dich da. Niemand mag dich mehr, jeder verachtet dich. Niemand liebt dich mehr. Niemand möchte dich mehr haben. Selbst deine Verlobte bereut es schon zutiefst, dich überhaupt berührt zu haben. Du bist vollkommen allein auf dieser Welt, wartest nur auf den Tod. Also, was hast du noch zu verlieren?"
'.... Nichts.....'
,,Exakt. Nichts.", sprach Javier meine Gedanken aus, bevor er erneut fast schoss, ,,Also, nenne mir endlich ein paar Namen. Nur wenige reichen vollkommen. Weißt du, du verrätst sie ja nicht. Diese Verbrecher kümmern sich einen Scheiß um dich, also musst du es auch genauso andersrum machen. Dadurch verrätst du niemanden. Und? Bekomme ich noch eine Antwort?"
Nein. Egal was er tun würde, ich würde dicht halten. Jedenfalls war das mein Plan gewesen...
,,Offensichtlich nicht.... Na dann muss ich es dir wohl sagen. Du verschwendest meine Zeit und wenn du so stur bist, wird das wohl nichts mehr. Keinen interessiert es, was mit dir passiert. Also werde ich jetzt wohl kurzen Prozess machen."
Bei seinen Worten drückte er erneut ab, doch er veränderte die Position des Magazins nicht. Auch beim zweiten Mal nicht. Diese Waffe hatte für insgesamt neun Kugeln gleichzeitig Platz.
Kurz gesagt: In höchstens sechs Schüssen würde ich mit einer Kugel im Hirn tot auf diesem Stuhl gefesselt sitzen.
,,Sechs..."
Klack.
,,Fünf..."
Klack.
,,Willst du dir es dir nicht doch lieber noch mal überlegen?"
Klack.
,,Drei. Deine letzte Chance."
Klack.
,,Zwei..."
Klack.
,,Eins....."
Mein Herz pochte wie wild. Ich hatte Angst. Pure Angst und Panik ummantelte mich.
So saß ich nun also da. In Zwangsjacke in einem dunklen Raum und starrte in den Lauf der Pistole, welche mich nun gleich töten würde. Mein Ende bedeuten.
Ich verspürte nur noch Angst.
Ich wollte nicht sterben.
Ich wollte leben.
,,Null."
Und ein letzter Knall ertönte.
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Falls jemand Bock hat mitzugehen: Ich verkrieche mich mal und heule.
Warum tu ich mir (und euch & den Charakteren) sowas immer an? Eigentlich sollte ich echt mal eine rein glückliche Geschichte schreiben....
.....wäre ja nicht so, als würde mir da schon was vorschweben.....
Nun gut, die Zukunft wird noch so einiges mit sich bringen!😊
Lg, eure Kaori :*💖
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