Kapitel 273 "Vor den Mauern"
~Erzähler~
,,Sag uns endlich einen Namen!", brüllte ein Mann und kurz darauf ertönte ein Schlag. Jemand fiel stöhnend zu Boden.
Schon wollte Levi seinen Oberkörper wieder aufrichten, als ihm der Militärpolizist mit seinem Schuh das Kiefer wegtrat. Mit einem überraschten Laut fiel er wieder auf den harten Untergrund und als er seinen Kopf erneut ein paar Zentimeter anhob, sah er wie Blut auf die kalten Fließen unter ihm tropfte.
Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, sodass er seine Arme kaum bewegen konnte. Inzwischen wusste der ehemalige Hauptgefreite gar nicht mehr wie oft und wie lang dieser Soldat ihn schon geschlagen und getreten hatte, um an Informationen zu gelangen.
Doch keine Silbe hatte Levis Stimmbänder verlassen. Natürlich hätte er den Typen überwältigen können, doch leider standen noch mindestens zwei weitere bewaffnete Wachen vor der Tür, sowie andere Angestellte, welche durch die Gänge patrouillierten.
Er wusste eh selbst, dass es somit keinen Nutzen hatte.
Unsanft packten ihn der Mann an seinem Schopf und zog ihn damit ein kleines Stückchen hoch.
Der Größere hatte sich neben dem Schwarzhaarigen auf die Knie gesetzt und flüsterte nun bedrohlich, während sein Gesicht dem des andere relativ nahe kam.
,,Es könnte alles so einfach sein. Du musst nur ein paar für uns nützliche Namen aus der Mafia sagen."
Egal was dieser Soldat drohen würde, Levi würde niemals auch nur ein Sterbenswörtchen von sich geben.
Durch den Mund atmend starrte er mit halb geschlossenen, völlig abwesenden Augen nach vorne ins Leere.
,,Hm?"
So langsam wurde der Unbekannte ungeduldig und presste Levis Gesicht erneut auf den harten Stein, sodass ein Knacken ertönte.
,,Antworte!"
Schwer atmend spürte der Angesprochene, wie etwas warmes anfing über seine Stirn und anschließend über seine Wange zu fließen schien.
Durchdringend sah der Uniformierte ihn an, bis der Gefangene seinen Mund eng zusammenpresste. Er brauchte nichts zu sagen, um anzudeuten, dass er ihm nicht die kleinste Information geben würde.
Wütend schleuderte ihn der andere erneut nach hinten und trat auf ihn ein. Jedes Mal war es das selbe Spiel. Die Wachen holten Levi aus seiner Zelle, ein einzelner prügelte danach so lange in einem kargen Raum mit nur einem Tisch darin auf ihn ein, bis er das Bewusstsein verlor.
Offensichtlich hatte der Angreifer an diesem Tag die Geduld verloren, denn bevor Levis Wachzustand verschwand, hörte er plötzlich auf. Der Brünette pfiff durch die Zähne und die Türe wurde aufgemacht.
Zwei weitere Militärpolizisten betraten den Raum, ihre Gesichter zeigten keinerlei Überraschung -obwohl das der Schwarzhaarige gar nicht mehr sah, da seine Sicht inzwischen schon zu sehr verschwommen war.
,,Wir machen morgen mit ihm weiter.", orderte der Erste, welcher schon die ganze Zeit da gewesen war. Die anderen Soldaten packten den Gefangenen unter den Achseln und zogen ihn nach oben, wobei sein Kopf schlaff nach unten hing.
Schon ertönte die Stimme eines zweiten:
,,Gleicher Raum wie jedes Mal?"
,,Nein, bei dem klappt die sanfte Methode nicht. Ab morgen steht ein anderes Programm auf dem Plan."
Den letzten Satz flüsterte der anscheinend Vorgesetzte, wobei er erneut Levis Haar packte und somit seinen Kopf nach oben riss. Doch er zeigte keinerlei Emotion.
Offensichtlich langweilte es den Typen gegenüber von ihm, weshalb er mit einem Zischen seinen Kopf nach unten drückte und anschließend losließ.
Seine Schritte ertönten und sobald er den Raum verließ, gingen auch die beiden Soldaten los, welche den ehemaligen Captain festhielten. Irgendwie versuchte er noch mit zu stolpern, was aber fast unmöglich war.
Immer wieder blieben seine Füße an dem anderen oder einer Fließe hängen. Sie durchkreuzten wie jeden Tag die ganzen Gänge, an wessen Seiten "die Durchgeknallten" -wie sie dort so schön genannt wurden- eingesperrt waren. Von überall drangen Schreie hinter den dicken Mauern hervor.
Die Meisten brüllten irgendetwas, andere schlugen wütend gegen Wände und Türen, manche warfen mit den wenigen Möbelstücken um sich. Andere wiederum murmelten etwas vor sich hin oder starrten einfach nur mit leeren Blicken durch die Gegend.
Doch nichts von alledem bekam der Neunundzwanzigjährige mit. Stattdessen konzentrierte er sich darauf nicht einfach umzukippen. Die Treppen waren immer die größte Hürde, doch auch diese schaffte er irgendwie.
Schon kamen die altbekannten Zellen in sein Sichtfeld, woraufhin die extra abgeschlossene Stahltür geöffnet wurde. Keine Minute später wurde er auch schon erneut in seine eigene "Räumlichkeit" verfrachtet.
Die Geräusche der Militärpolizisten wurden leiser als sie gingen, weshalb er sich mit Mühe und Not etwas aufrappelte. Mehrfach schnappte er Luft über seinen Mund, sodass sich sein Zustand etwas stabilisierte.
Vor seinem Bett -oder wie man das auch immer nennen konnte- setzte er sich auf den Boden, den Rücken gegen das Gestell gelehnt. Unter seinem Kissen holte er den Ring hervor und spielte gedankenverloren damit zwischen den Fingern herum.
Mehrere Minuten verstrichen, bis plötzlich eine Stimme aus der Zelle gegenüber der seinen ertönte:
,,Ist sie hübsch?"
Überrascht holte dieser Kommentar Levi zurück in die Wirklichkeit. Die ganze Zeit über hatte er schon gewusst, dass da jemand drin war. Doch bisher hatte er noch keinen einzigen Laut von sich gegeben. Seiner Stimme nach war es ein erwachsener Mann.
,,Huh? Wer?", entgegnete der Schwarzhaarige kalt, während er seinen Kopf zu der linken Seite drehte.
,,Na deine Freundin", lautete die Antwort und jemand tapste mit nackten Füßen auf ihn zu. In das spärliche Licht trat ein Mann.
Er schien um die Mitte Vierzig zu sein, hatte lange, schwarze Haare und einen ungepflegten Stoppelbart. Sein Gesicht war kantig und sah aschfahl aus, was durch die kleinen Falten noch mehr betont wurde.
Seine Körpergröße betrug vermutlich ungefähr die ein Meter fünfundsiebzig -geschätzt. Auch er trug das gleiche, weiße Hemd und Hose wie Levi.
Unbeirrt sprach der Unbekannte weiter:
,,Nur wegen ihr willst du hier raus, richtig?"
,,Huh?"
Der Mann verwirrte den ehemaligen Soldaten. Wieso sprach er plötzlich über Dinge, von der er gar nichts wissen sollte, obwohl er vorher noch keinen Mucks von sich gegeben hatte? Das ergab doch keinen Sinn...
,,Ich hab' das Feuer in deinen Augen gesehen."
,,Ach ja?", entgegnete der Kleinere kalt, ,,Bis jetzt ist mir nur eine Person begegnet, die etwas in meinen Augen gesehen hat."
,,Auf den ersten Blick dachte ich du wärst so'n gestörter Psychopath, dem es scheißegal ist, ob er stirbt oder nicht. Du aber willst hier raus, doch nicht für dich selbst. Für jemanden anderen und wenn ich dich so sehe, wird es wohl ein Mädchen sein."
Mit einem durchdringenden Blick sah er Levi mit seinen leuchtend hellbraunen Augen an.
,,Das.... ist richtig. Ich wünschte, ich könnte sie nur noch einmal sehen... Aber das ist nun wohl unmöglich."
,,Also, ist sie hübsch?", wiederholte der Namenlose leicht grinsend.
,,Ja, sehr sogar. Und sie hat einen unglaublichen Charakter."
,,Was hat dich an ihr so beeindruckt?"
Normalerweise hätte Levi mit niemanden darüber geredet, geschweige denn so viel erzählt. Doch er hatte nun nichts mehr zu verlieren.
,,Sie war die Erste, die mich nicht wie ein Monster ansah. Sie zeigte keinerlei Scheu oder Respekt, sagt ihre Meinung wenn es ihr passt und kümmert sich um jede noch so verkommen Seele. Sie hat mich so akzeptiert, wie ich bin."
,,Ouh, Mann!", seufzte der Größere laut, ,,Ich wünschte, ich hätte auch so ne Freundin gefunden..."
Kurz zuckten die Mundwinkel des Sitzenden nach oben.
,,Ja. Im Übrigen: sie ist nicht meine Freundin, sondern meine Verlobte."
Während er sprach hatte Levi sich den Ring auf seinen linken Ringfinger geschoben und hob nun so die Hand hoch, dass der Gegenüber den glänzenden Verlobungsring sehen konnte.
,,Oh..."
,,Alles schien perfekt, die Hochzeit war in der Planung und dann das. Ich wünschte, ich könnte ihr nur noch einmal in die Augen blicken und ihr sagen, wie dankbar ich bin. Doch vermutlich wird sie niemals erfahren, was mit mir geschehen ist..."
Für ein paar Minuten blieb es still, bis der Unbekannte erneut seine Stimme erhob.
,,Das tut mir leid, Bro. Ehrlich."
,,Braucht es nicht."
,,Doch. Allein schon weil ich dachte, du wärst einer dieser Gefühlskalten."
,,Denkt jeder."
,,Nur sie nicht, richtig?"
Nun stand der Große so weit am Ende seiner Zelle, dass er mit seinen Händen die Gitterstäbe umfasste. Wortlos nickte der Kleinere.
,,Ich bin übrigens Rudolf. Ja, ich weiß. Der bescheuertste Name auf Erden. Und du?"
Nun endlich stand auch der Angesprochene auf und drehte den Körper zu seinem Gegenüber.
,,Levi."
Ein warmes Lächeln breitete sich auf Rudolfs Lippen aus.
'Dieses Gesicht.... er kommt mir etwas bekannt vor...'
,,Freut mich dich kennenzulernen, Levi. Warum bist du eigentlich hier?"
,,Ich glaube nicht, dass du das unbedingt wissen willst."
,,Keine Sorge!", lachte der Mann, ,,Ich bin schon gefühlt jedem nur erdenklichen Verbrecher begegnet. Also bloß keine falsche Scheu. Was hast du vorher gemacht?"
,,Du... erkennst mich nicht?", sagte Levi perplex, weshalb der andere Schwarzhaarige überrascht seine Augen öffnete.
,,Äh.... kennen wir uns? Wenn ja tut's mir leid, dass ich mich nicht mehr erinnere!"
,,Nein, nein. Wir sind uns meines Erachtens noch nie begegnet. Die meisten Leute kennen mich nur...."
,,Bist du ne Berühmtheit oder so?"
Auf diese Frage zu antworten war Levi irgendwie etwas unangenehm. Schließlich klang das ja dann ziemlich eingebildet.
,,Nun ja... ich bin der stärkste Soldat der Menschheit, daher kennen mich die Meisten..."
Rudolf riss seine Augen weit auf und sah den Mann ungläubig an.
,,Was?! Warum zum Henker wurdest du dann eingesperrt!?"
Traurig senkte Levi seinen Kopf und sah gen Boden.
,,Ich war nicht immer so glorreich und das kam nun wie ein Boomerang zurück."
,,Also, was hast du getan?"
Die Stimme des Größeren war wohlwollend, so als wolle er sagen, dass egal was nun kommen würde, er würde ihn nicht verurteilen.
,,Als ich jung war habe ich als Auftragsmörder gearbeitet."
,,Und hattest du da auch einen Namen?"
Der Angesprochene nickte.
,,›Sensenmann‹"
Wortwörtlich klappte dem Älteren die Kinnlade herunter, woraufhin er ein paar Anläufe brauchte, um einen vernünftigen Satz herauszubekommen.
,,W-..W-...W-Warte, was?! Du bist das?! Ja heilige Scheiße, da hab ich ja tatsächlich eine Berühmtheit vor mir!"
,,Huh?"
'Wieso sieht der jetzt auch noch so begeistert aus...?'
,,Ich sitz' hier schon relativ lange, manche, die vor dir in genau der gleichen Zelle gesessen sind, haben mir von dir erzählt."
,,Vermutlich dann nichts gutes."
,,So würde ich das nicht ausdrücken. Sie haben dich verehrt und sich mehr gewundert, wieso du von der Bildfläche verschwunden bist. Vereinzelte sind sogar an dem Gedanken verzweifelt, du könntest tot sein."
Darauf konnte der Schwarzhaarige nichts antworten. Ja, tatsächlich hatte er mal einen guten Ruf gehabt, aber das würde ihm vermutlich nicht mehr viel nützen.
,,Wie lange bist du schon hier, Rudolf?"
,,Welches Jahr haben wir?", stellte er die Gegenfrage.
,,März 553."
,,Dann seit fast neunzehn Jahren."
,,NEUNZEHN!?"
Entsetzt sah Levi seinen Gegenüber an, welcher nur mit seinem Kopf nickte.
,,Was zum Fick hast du getan, dass du seit neunzehn Jahren in dieser verdammten Zelle hockst?!"
Laut seufzend setzte sich der Größere auf sein Bett und so tat es dann auch der Andere unbewusst.
,,Vor ungefähr zwanzig Jahren bin ich von meiner Familie abgehauen. Ich wollte ihre Werte nicht mehr unterstützen, da sie eine meiner Nichten ausschlossen und verabscheuten, nur, weil sie etwas anders war und somit nicht in ihr Schema passte. Daraufhin bin ich abgehauen, aber ich habe sie nicht mitgenommen, da ich ein elender Feigling bin."
Während er diese Worte sprach sah er viel älter und verkümmerter aus als schon zuvor.
,,Zwar habe ich mir dadurch kurzzeitig die Freiheit beschaffen, doch ich habe meine Familie zurückgelassen. Besonders eine meiner anderen Nichten hat danach bestimmt ein schlimmes Schicksal getroffen, das ich hätte verhindern können, wäre ich damals nicht weggerannt. Jedenfalls bin ich dann durch die Städte gezogen, nur wusste ich nicht, wie sehr der König darauf achtet, dass keiner zu viele Informationen hat. Und als ich mich bei den falschen Leuten nichtsahnend verplapperte, schnappte mich die Militärpolizei. Niemand wusste so genau, was mit mir nun geschehen sollte."
,,Und worauf wartest du dann?"
,,Für viele Jahre dachte ich, ich würde hier bis an mein Ende versauern. Aber jetzt wurde es festgelegt, was mit mir geschehen soll. Das nächste Mal, wenn der Aufklärungstrupp die Mauern verlässt, soll ich in der Nacht auch nach draußen geschickt werden. Nur werde ich keine Ausrüstung, sondern Fesseln tragen..."
,,Dann... ist es also wahr, dass diese Methode eingesetzt wurde und noch immer in Betrieb ist...."
Nachdenklich sah Levi auf die Steine unter ihm.
Der andere Schwarzhaarige nickte und sah ihn durchdringend an.
,,Ich kenne deine genaue Situation nicht, aber selbst wenn jemand von außerhalb dich so entlasten kann, dass dein Todesurteil nicht vollstreckt wird, wirst du dennoch angeblich im Gefängnis versauern."
,,Aber stattdessen werde ich dann mit Dir vor den Mauern abgesetzt.... fuck...."
Verzweifelt fuhr sich der ehemalige Soldat mit den Fingern über das Gesicht, während er den letzten Teil vor sich hin flüsterte.
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Ja, die Idee mit dem vor die Mauern schicken stammt aus ›Attack on Titan: Before the Fall‹. Also ist es legit, dass sowas tatsächlich in AoT durchgeführt wurde😶
Nutzt eure Zeit in Quarantäne gut, auch an Schüler: Seid fleißig und bleibt am Ball, überarbeitet euch aber nicht😊💖
Und an alle, deren Abitur wegen Corona verschoben wurde: Das tut mir echt leid, ich hoffe, dass es für euch nicht allzu stressig wird🥺 Alles Gute und viel Erfolg!💪🏻💖
Lg, eure Kaori :*💖
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