Kapitel 235 "Der Tod Olympia's"
~Levi POV~
Stöhnend rieb ich mir die Schläfe.
'Eine Erinnerung also....', schoss es mir gleich durch den Kopf, als ich bemerkte, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper hatte.
Alles um mich herum war dreckig, bis vor ein paar Sekunden hatte ich wohl noch auf dem kalten Steinboden gelegen. Es dauerte einen kurzen Moment, bis ich das Bett am anderen Ende des Zimmers entdeckte, denn alles war so dunkel, dass man kaum etwas sehen konnte.
Schwach drückte ich mich vom Boden ab und trottete zu dem Gestell, auf welchem ein regungsloser Körper lag. Ich war so klein, dass ich mich auf der Matratze hoch stützen musste, um darauf zu gelangen.
,,Mama?", fragte ich, wobei meine Stimme ungewohnt hell war. Vorsichtig legte ich eine Hand an die Wange meiner Mutter, doch sie regte sich nicht mehr.
Alles an mir war abgemagert und auch meine Fingernägel waren extrem lang und verbogen. Ein paar mal stupste ich die Frau an, gab dann aber doch auf.
Ohne recht zu wissen was ich da tat, lief ich auf die Türe zu und ging auf die Zehenspitzen, um an die Türklinke zu gelangen. Ächzend schwang das gesamte Ding so weit auf, dass ich nach draußen treten konnte.
Ich befand mich in einer Art Bar, wobei es sich eigentlich um ein Bordell handelte. Das erfuhr ich aber erst später, denn für mich war die Umgebung immer normal gewesen.
Alles war laut, Gläser klirrten und auch Gespräche füllten die Luft. Zwei unqualifizierte Straßenmusiker saßen am Rand und spielten etwas auf zwei verschrammten Gitarren vor sich hin.
Die Besucher waren ausschließlich Männer, welche sich nur so vor Wollust von den Prostituierten betören ließen. Vereinzelte von denen saßen mit gespreizten Beinen auf den Schößen ihrer Kunden, andere hatten ihre Hände in ihre Hosen gesteckt.
Leicht bekleidete, junge Frauen tanzten aufreizerisch und zogen sich ein Kleidungsstück aus, gab man ihnen Geld. Irgendjemand drückte dem Mann an der Bar einen Geldschein in die Hand, woraufhin der Käufer dann von einer Angestellten in einen hinteren Raum gezogen wurde.
Es roch stark nach Alkohol und Zigaretten, doch es war angenehmer als der Geruch in dem Zimmer, aus dem ich gerade gekommen war.
'Was mache ich hier eigentlich?', frage ich mich selbst in Gedanken, als ein Mann plötzlich vor mir stand. Bevor ich in sein Gesicht sehen konnte, mussten meine Augen erstmal seinen riesigen Bierbauch überwinden. Für mich erschien er riesig, doch das war im Allgemeinen alles für mich.
Urplötzlich packte er mich an den Schultern und drückte mich auf den Boden. Strampelnd versuchte ich mich zu wehren, als er eine Hand an meinen Schritt legte und mit sabberndem Mund darüber fuhr.
Panisch versuchte ich ihn zu treten, kratzen, was auch immer, doch er war mir einfach kräftemäßig überlegen. Seine rote Nase verriet, dass er gerade extrem betrunken war.Mit seiner zweiten Hand öffnete er seinen Gürtel und holte sein Glied hinaus.
Tränen stiegen mir in die Augen, als der Mann einen Stöckelschuh ins Gesicht bekam. Grob wurde er nach hinten geschleudert und landete unsanft auf dem Boden.
Meine Augen wanderten zu meiner Retterin, es war wie zu erwarten eine käufliche Dame. Damals kam sie mir schon erwachsen vor, doch im Nachhinein bemerkte ich, dass sie wohl gerade mal um die vierzehn bis sechzehn war.
,,Hey, Perverser, hier sind zwar auch minderjährige, aber elf ist das Mindestalter. Außerdem hast du nicht gezahlt und er nicht eingewilligt. Also verpiss dich lieber, bevor ich dir die Auen mit meinen Absätzen ausquetsche."
Beleidigt murrend zog der Unbekannte sich zurück und torkelte ungeschickt aus dem Laden hinaus, wobei ihm natürlich einige verwirrt und unverständlich nachsahen.
,,Hey, Kleiner. Alles okay bei dir?", fragte die mit den blond gefärbten Haaren neben mir. Sie trug ziemlich unseriöse Kleidung, doch als Kind fiel mir das nicht mal auf. Ihr Gesicht war so stark geschminkt, dass ich das Gefühl hatte, sie hätte egal wie aussehen können, man hätte sie nicht erkannt.
Wortlos nickte ich und schaffte es irgendwie mich aufzurichten. Abschätzend besah mich das Mädchen von oben bis unten.
,,Bist du nicht der Kegel von Olympia?"
[Erklärung: Kegel = uneheliches Kind]
Erneut machte ich die gleiche Geste, sah aber nicht zu ihr hoch. Damals dachte ich ›Olympia‹ sei der zweite Vorname meiner Mutter oder so, erst im erwachsenen Alter hatte ich verstanden, dass das ihr Deckname gewesen war.
,,Wie alt bist du denn?"
Prüfend hob ich meine Finger und begann die abzuzählen. Leise hob ich meine piepsige Stimme.
,,Ähm.... sechs."
Abwertend hob die Prostituierte eine Augenbraue.
,,Du zeigst aber gerade sieben Finger."
Mein ganzes Gesicht spiegelte wohl meine Verwirrung wieder, selbst, als ich nach dem zweiten Mal auf das gleiche Ergebnis kam. Enttäusch lies ich meine Hände wieder nach unten fallen.
,,Ich bin trotzdem sechs."
,,Aha.... bist du nicht etwas zu klein für dein Alter?"
Unwissend und gleichgültig zuckte ich mit den Schulter, auf welche die Blonde nun ihre Hände legte. Unsanft schob sie mich zu dem Ort zurück, aus dem ich gerade gekommen war.
,,Geh zurück zu deiner Mutter. Hat die dir nicht gesagt, dass du drinnen bleiben sollst? Hier ist es viel zu gefährlich. Also kusch."
,,Aber Mama-"
Weiter kam ich nicht, denn schon wurde ich in den Raum geschubst und hinter mir die Türe zugeschlagen. Einen Moment verharrte ich dort wo ich war, lief dann aber wieder zu der Wand, an der ich zuvor schon gesessen hatte.
Traurig zog ich meine Knie zu meinem Gesicht und starrte einfach emotionslos nach vorne.
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~Ally POV~
Die letzte Zeit war für mich ziemlich anstrengend gewesen, denn die Kälte machte alles nicht gerade besser. Momentan saß ich mit meinen Freunden am Tisch beim Mittagessen und stand nun mich dehnend auf.
,,Ich bin dann mal weg. Komm nachher noch zum Training, muss vorher aber noch ein paar Akten sortieren."
,,Mach das, bis dann.", sagte Christa noch zu mir, welche wie die Anderen noch immer am essen war.
Mit einem kleinen Lächeln nahm ich mein leeres Tablett und nachdem noch ein paar vereinzelte etwas zu mir gesagt hatten, brachte ich das Ding zurück in die Küche. Den sogenannten Küchendienst hatte ich schon die letzten zwei Wochen ausgeführt, schließlich übernahm ich ja gerade freiwillig Levis Schichten.
Kaum war ich in dem Appartement angekommen, ging ich schon in das Büro meines Freundes, auf wessen Schreibtisch ein kleiner Stapel Ordner lag.
Unmotiviert packte ich ihn und ging damit zurück ins Wohnzimmer. Kurzerhand lies ich mich auf eines der Sofas plumpsen und nahm eine Akte.
Schon nachdem ich wenige durchgesehen hatte, merkte ich, wie ich langsam schläfrig wurde. Unbewusst lies ich mich einfach zur Seite fallen und schloss meine Augen.
Hätte ich vielleicht nicht machen sollen, denn wie ihr ja schon wisst kann ich immer und überall einschlafen. So passierte es natürlich auch da und im Nachhinein kann ich nichtmal mehr sagen, was und ob ich überhaupt geträumt habe. Natürlich träumt man immer, vergisst es halt nur. Besonders ich war da ein Spezialist für.....
Die Zeit verging also wie ein Wimpernschlag, bis ich plötzlich etwas an meinem Hals fühlte. Aus Reflex zuckte ich sofort nach hinten, knallte gegen die Rückwand des Sofas und hielt mir meine Hand vor die Kehle.
Mein Herz schlug schnell vor Überraschung, doch als ich die Person vor mir erkannte, beruhigte ich mich etwas.
,,Mike!", fuhr ich ihn vorwurfsvoll an.
Der Blonde kniete direkt vor mir auf dem Boden und sah mir nun ernst ins Gesicht.
,,Sag mir die Wahrheit. Was ist das da an deinem Hals?"
,,N-Nichts..."
,,Versuch dich gar nicht erst rauszureden. Zwar trägst du immer diesen Schalverschnitt, aber ich hab diese Flecken trotzdem kurz gesehen. Anfangs dachte ich noch das wären Knutschflecken, aber ich habe keinen ungewohnte Geruch an dir erkannt. Und natürlich weiß ich, dass du niemals sowas machen würdest."
Den letzten Satz fügte der Mann noch schnell hinzu, nachdem ich ihm einen ›Nicht-dein-Ernst‹-Blick zugeworfen hatte. Ausweichend fuhr ich mir über die bunt gefärbte Stelle. Zwar war es schon zwei Wochen her, dass ich sie abbekommen hatte, doch sie verloren nur langsam ihre Farbe.
Anfangs hatte sich alles extrem blau und lila verfärbt, weshalb ich so einen rundum Schal angezogen hatte. Nicht so einen wie Mikasa, sonder einen, der wie ein Kreis ist. Ihr wisst schon was ich meine.
Bei den Temperaturen war das nichts ungewöhnliches, also fiel ich nicht weiter damit auf. Dachte ich jedenfalls....
,,Du hast das Ding zum ersten Mal getragen, nachdem du Levi einmal am Abend besucht hast. Mach mir nichts vor, ich weiß, dass das Würgegriffe sind."
Beschämt sah ich noch immer zur Seite und blieb dabei stumm.
,,Hat er dir das angetan?"
Keine Antwort. Seufzend richtete Mike seinen Oberkörper ein Stückchen auf.
,,Mensch, Ally. Du musst von ihm fern bleiben, er ist gefährlicher als du denkst. Zwar ist es loyal von dir, weiter zu ihm zu halten, aber du unterschätzt ihm. Wenn Levi will, könnte er jemanden mit bloßen Händen den Kopf zerbrechen. Du musst froh sein, dass du das überlebt hast!"
Genervt verdrehte ich meine Augen:
,,Aber es ist doch alles gut gegangen und außerdem passe ich auf mich auf."
,,Es geht hier doch nicht nur um dich. Was glaubst du, wie Levi sich fühlen wird, wenn er wieder in einen normalen Zustand kommt und er erfährt, dass er dich im Rausch umgebracht hat?! Glaubst du etwa, er könnte dann einfach weiter machen?!"
,,Ich hab's schon verstanden, danke für den Hinweis. Meine Güte, Mike, ich weiß doch auch nicht mehr was ich machen soll. Jedesmal wenn ich ihn sehe verschlechtert sich sein Zustand... und ich kann absolut nichts machen...."
Ein kleines Lächeln schob sich auf die Lippen des Blonden, bevor er um einiges wärmer weitersprach als zuvor:
,,Das wird schon. Irgendwie. Jetzt gib aber erst mal auf dich selber acht."
Dankend nickte ich. Einen Moment sagte ich nichts, bis mir plötzlich etwas in den Sinn kam.
,,Sag mal, warum bist du eigentlich hergekommen?"
Mit einem Finger zeigte der Große nach draußen und ich folgte seiner Geste. Erschrocken weiteten sich meine Augen, als ich die untergehende Sonne entdeckte.
,,Du bist nicht zum Training erschienen, deswegen sind wir davon ausgegangen, dass du wohl eingeschlafen bist. Wir haben uns entschlossen dich nicht zu wecken, aber ich wollte dann jetzt doch noch nach dir sehen. Schlaf ruhig weiter, Abendessen gibt's erst in einer Stunde und so wie du aussiehst solltest du dich mal endlich etwas mehr ausruhen."
,,So schlimm?", grinste ich belustigt und bekam den gleichen Gesichtsausdruck zurück.
,,Nicht so schlimm wie Levi, aber dennoch nicht sonderlich gesund. Also dann, falls du verschläfst bring ich dir was vorbei."
,,Danke...."
,,Ist doch selbstverständlich."
Während der Mann sich aufrichtete, setzte ich mich so wie die alten Römer hin. Kaum stand der Blonde, legte er seine Hand auf meinen Kopf und wuschelte über meine Haare.
Damit verschwand er auch schon wieder und ich lies mich seufzend erneut auf das Sofa fallen. Er hatte recht, in der vergangenen Zeit hatte ich mich wirklich etwas übernommen. Wurde Zeit, den Schlaf endlich wieder einzuholen.
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Jeder andere Autor: OC bekommt tragische (*hust* klischeehafte *hust*) backstory
Kaori Mizora(Ich): Anderer Charakter bekommt die tragische backstory
Tja, deswegen seid ihr ja hier. Und ich versuche noch immer mein Bestes, nicht klischeehaft zu schreiben; ob das so gut klappt bin ich mir da nicht immer sicher...😂
Jedenfalls war es tatsächlich anfangs meine Idee, Ally die traurigste Hintergrundgeschichte zu geben, aber im Laufe der Story hat sich das dann aber auf Levi übertragen....
Hehe, ups😇
Wie dem auch sei, habt ne schöne Woche, wir lesen uns am Freitag wieder!😊
Lg, eure Kaori :*💖
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