Der Tod höchstpersönlich
Als ich mich umdrehte, erkannte ich die Person sofort. „Lena? Was machst du hier?", fragte ich überrumpelt.
Konnte es man mir verübeln?
Gegenüber von mir stand der Tod höchstpersönlich. Und auf einmal steht meine Schwester neben mir? Was passierte hier?
Es war einfach alles zu viel. Meine Nerven lagen blank. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich erkläre es dir später. Verdammt! Warum musstest du hierherkommen! Das wird jetzt kompliziert!", sagte meine Schwester nervös. Fragezeichen füllten meinen Kopf. „Aber...", setzte ich an. „Nein. Sei einfach ruhig. Mach es nicht noch schlimmer!", fauchte sie.
Sie drehte sich zu unsrem Gegenüber. Zu viert starrten wir es an. Ich konnte nicht einmal sagen, wie groß es war. Es hatte sich nicht bewegt. Doch nun schien es Lena um einiges interessanter zu finden.
„Tu ihnen nichts!", sagte meine große Schwester entschlossen. Sie warf dem Wesen einen bösen Blick zu. Verwirrt standen meine Freunde und ich einfach nur da. Wir sagten nichts.
Ich hörte das Wesen flüstern. Es sprach zu meiner Schwester. Der Schatten wollte uns nicht leben lassen. Warum auch? Wir waren schließlich in seine Falle getappt.
„Ich sagte lass sie in Ruhe!" Lena wurde ungeduldig. Doch das Wesen lächelte sie an. Es zeigte seine weißen, spitzen Zähne. Ich schluckte. Diese Zähne konnten alles zerschneiden. Hoffentlich würden sie keine Bekanntschaft mit meinem Kopf machen. Ich fand den Platz nicht unbedingt schlecht, wo er zurzeit war.
„Lena, warum sollte es auf dich hören", fragte Luke. Sie seufzte. „Falls ihr das überlebt, erkläre ich euch alles, was ihr wissen wollt." Sie hatte keine Hoffnung. „Du kannst meiner Schwester nichts tun! Also versuche es gar nicht erst! Und halte dich auch von ihren Freunden fern!", rief Lena.
Ich hörte ein Lachen. Der kalte Schweiß rannte mir über den Rücken. Das war das schlimmste Geräusch, das ich je gehört hatte.
„Pah! Du denkst also, deine Schwester ist sicher? Vielleicht in deinen Träumen! Ich warte schon so lange auf sie! Du gabst mir einen Teil deiner Seele bereits. Aber Bella noch nicht. Wieso sollte ich ihre so wertvolle Seele verschonen? Mit ihr wäre ich endlich frei!", hörte ich den Schatten sagen. Ich schaute Lena alarmiert an. Wie bitte? Wieso hatte es ihre Seele? Sie hatte wirklich einiges zu erklären.
„Und was die beiden anderen angeht. Ich lasse mir doch nicht diese wunderbare Mahlzeit entgehen", fuhr das Wesen fort. April hatte keine Farbe mehr im Gesicht. Auch Luke stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Doch das Geschöpf vor uns lächelte befriedigt.
„Nun zu dir meine kostbare Bella", lächelte es mich an, „Willst du mir deine Seele freiwillig geben oder soll ich sie mir holen? Es ist egal. Du kannst mir nicht mehr entkommen." „Ich werde mich niemals ergeben!", sagte ich. Ich hatte vorgehabt, es furchtlos zu sagen. Doch meine Stimme war anderer Meinung gewesen. „Ich hatte mit dieser Antwort gerechnet", erwiderte es.
„Wage es ja nicht", fuhr April das Geschöpf an, „Du willst Bella? Dann musst du erst an mir vorbei." In ihrer Stimme lag deutlich mehr Mut als in meiner.
Der Schatte hatte seinen Blick von mir abgewannt und lachte nun April an. „Kein Problem April. Du weißt, dass ihr hier nicht mehr herauskommt. Ich mag diesen Realismus", hauchte unser Gegenüber. Luke sah sie besorgt an.
Das Wesen setzte sich in Bewegung. Es war unfassbar schnell. Schon war es bei April. Es hob sie hoch und...und saugte ihre Seele aus.
„NEIN! AUFHÖREN! SOFORT! LASS SIE IN RUHE!", schrie ich wie noch nie zuvor. „Bella nicht!", Lena und hielt mich fest. Ich löste mich aus ihrem Griff und rannte auf April und den Schatten zu.
Doch als ich ankam, lag meine Freundin auf dem harten Boden. Ich hob sie hoch. Doch in ihren Augen war nur noch weiß zu sehen.
„WARUM HAST DU DAS GETAN?! DU WILLST DOCH MICH! LASS MEINE FREUNDE IN RUHE!!" „Ja, ich will deine Seele. Und ich habe sie", grinste es.
Schon spürte ich den Boden unter den Füßen nicht mehr. Es hob mich an. Ich hörte nur noch die Schreie von Lena und Luke.
Das Wesen starrte mir genau in die Augen. „Endlich. Endlich habe ich dich", meinte es. Die Augen des Wesens veränderten sich. Ich spürte auf einmal ein Zerren in mir. Es war schrecklich. Ich sträubte mich mit jeder Faser meines Körpers gegen dieses Herausreißen meiner Seele. Doch lange hielt ich es nicht aus.
Kurze Zeit später sah ich meinen Körper zur Erde fallen. Warte was? Ich konnte mich sehen. Aber nicht durch meine Augen. Nein durch die Augen des Schattens. Luke und Lena liefen nach hinten. Sie hatten eine riesige Angst.
„Wie konntest du nur? Du brauchst doch nur ihre halbe Seele! Was hast du getan?!", schrie Lena. „Pah! Ich habe nur einen kleinen Teil deiner Seele gestohlen. Eigentlich brauchte ich nur Bellas. Und die habe ich nun!", sagte es. Hilfe! Ich steckte in diesem Wesen fest! Ich musste hier raus!
„Aber jetzt, wo ich ihre habe, brauche ich dich nicht mehr!", erklärte das Geschöpf. Es hauchte. Ein gräulicher Nebel legte sich um Lena. Sie brach in Tränen aus. Nein, nein, nein! Ich konnte das nicht zu lassen! Ich konnte nicht nur zusehen!
Ich nahm all meine Kraft zusammen. Ich war die Seele des Wesens. Irgendwie musste ich es doch hier herausschaffen! Das Wesen hielt an mir fest. Ich spürte es. Doch ich würde nicht aufgeben. Ich musste kämpfen! Für meine Freunde! Für April!
Ich wehrte mich. Ich rief! Ich zerstörte es von innen heraus! Meine Rufe wurden immer lauter! Mein Umherwinden immer stärker. Das Wesen ließ von meinen Freunden ab und hatte nun mehr mit sich zu tun. Bessergesagt mit mir.
„Du verdammte Göre! Glaubst du wirklich, du kannst mir entfliehen?", hörte ich es sagen. Ich hatte keine Zeit zu antworten. Denn ich musste meine ganze Kraft bündeln, um zu entkommen.
Ich nahm alles, was ich hatte, und schrie so laut, so lang ich konnte. Immer wieder. Ich konnte den Schatten rufen und jammern hören. Es war ein Kampf des Geistes. Es tat weh. Als ob meine Seele jeden Moment zersplittern würde. Aber ich gab nicht auf. Ich durfte nicht aufgeben. Also kämpfte ich weiter. Immer weiter.
Der Schmerz wurde stärker und mir ging allmählich die Kraft aus. Doch ein letztes Mal sammelte ich meine Kraft und schrie so laut, wie es möglich war. Und dann...
Und dann sah ich ein Licht. Um mich herum. Ein grelles Licht. Ich bekam nichts mehr mit, denn schon hörte ich ein lautes Piepen in meinen Ohren. Naja, ich war eine Seele. Ich hatte keine Ohren. Aber als Mensch, hätte ich einen Tinnitus.
Nach kurzer Zeit verblasste das Licht. Auch das Piepen wurde leiser. Als ich meine Augen öffnete, blickte ich gen Decke. Die Lampe leuchtete wieder. Und zwar heller als je zuvor. Lena und Luke hatten sich über mich gebeugt. Sie sahen mich geschockt an.
Ich setzte mich langsam auf. Das konnte nicht wahr sein...oder doch? Ich war wieder in meinem Körper.
Schnell atmete ein paar Atemzüge. Ich umarmte mich selbst. Noch nie war ich so glücklich über meinen Körper gewesen.
Doch mein Glücksmoment verging zu schnell.
Denn neben mir lag die...tote...April. Ich brach in Tränen aus. Nein! Nicht April! Bitte nicht! „Wach auf! Bitte! Bitte wach auf!", sagte ich weinend.
Doch auf einmal hörte ich einen Atemzug neben mir. Aprils Atemzug. Ihr Bauch begann sich langsam zu heben. Ich hielt die Luft an. Sie schloss ihre Augen. Nach wenigen Sekunden öffnete sie sie wieder.
Hervor kam ihre wunderschöne Augenfarbe. Sie blickte mich aus ihren erschöpften Augen an. Vorsichtig lächelte sie mir entgegen. Ich lächelte erleichtert zurück und begann wieder zu atmen.
„Haben wir gewonnen", fragte sie zerknautscht. „Ja April. Ja das haben wir", kam Luke zuvor. Ihm saß der Schock immer noch im Nacken. Sofort schloss er April fest in die Arme.
Aber auch ich bekam eine feste Umarmung. Lena hielt mich ganz fest. Ich sah eine Träne über ihre Wange rennen. Ich erwiderte ihre Umarmung.
Da saßen wir. Mitten in der Nacht in den unterirdischen Gängen von Berlin.
„Mach sowas nie wieder! Hast du mich verstanden?", ermahnte mich Lena. „Versprechen kann ich nichts. Aber ich werde es versuchen", meinte ich.
„Was macht eigentlich die Kiste? Deswegen sind wir doch schließlich hergekommen", fragte April. „Stimmt", sagte Luke.
„Ehm Leute? Das eine normale Kiste. Den Schatz gibt es nicht", erklärte Lena schüchtern. Wir alle 3 schauten sie verwirrt an. „Ich werde euch morgen alles erklären. Versprochen", sagte sie, „Aber zuerst führe ich euch hier heraus."
Lena kannte sich hier merkwürdigerweise exzellent aus. Es machte mich misstrauisch. An sich war es doch super. Wir wären sonst hier unten verrottet. Aber woher kannte sie diesen Ort. Und woher kannte sie den Schatten? Irgendetwas war seltsam. Ich hoffte sie würde die Wahrheit sagen. Ich würde auf jeden noch so kleinen Fehler achten.
Als wir endlich dort ankamen, wo wir reingegangen sind, tankte ich das Licht. Es war 1 Uhr morgens, doch immer noch stiegen Leute ein und aus. Die Türen waren offen, so konnten wir ganz leicht hier raus. Ich wollte gerade den ersten Schritt machen, da hielt mich Lena zurück. „Bist du wahnsinnig?! Weißt du überhaupt, wie du wieder da hochkommen willst? Außerdem sind da noch die Bahnen. Und diesmal laufen wir sozusagen auf sie zu. Das bedeutet, wir müssen noch schneller sein!", ermahnte mich Lena.
Was hieß den hier wir? Sie war nicht mitgekommen. Lena war dann später urplötzlich neben mir aufgetaucht. Luke, April und ich mussten uns selber dadurch schlagen.
„Okay", war das Einzige, was ich herausbrachte. „Seid so schnell wie ich könnt. Ich laufe vor und zeige euch die Strickleiter. Seid vorsichtig", erklärte sie und rannte los.
Nach einer Weile gab sie uns ein Zeichen. Wir rannten los. Doch es kam mir viel zu langsam vor. Ich hoffte nur, dass meine Beine wenigstens diesmal durchhielten.
Renn. Renn. Ich rief es mir immer wieder in den Kopf. Und es klappt. Meine Freunde waren vor mir. Aber ich war ihnen dicht auf den Fersen.
Zu unserem Glück erreichten wir gerade so noch die Strickleiter. Auch diesmal bekamen wir besorgte und verstörte Blicke von den U-Bahn-Gesten. Doch das war egal. Wichtig war, dass wir noch lebten. Auch wenn April schon tot gewesen war. Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment dachte. Es war einer der schlimmsten Momente meines Lebens gewesen. Ich wollte ihn nie wieder erleben müssen.
Wir liefen die Treppen hinauf bis zu dem Park. Von da an trennten sich unsere Wege. Zumindest bis morgen. Ich blieb bei April. So hatte ich es schließlich Mum gesagt. Es ging nicht anders. Wir verabschiedeten uns.
Ich ging mit April zu ihr nach Hause. Dort machten wir uns fertig und gingen sofort ins Bett.
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