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Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlage, frage ich mich zunächst, wo ich bin. Dann kommen meine Erinnerungen zurück. Mein Besuch bei Dad und wieso ich überhaupt jemanden zum Reden brauchte... Ich versuche die Gedanken an gestern aus meinem Kopf zu verbannen und mir fällt auf, dass ich noch immer den Umhang von letzter Nacht trage. Also stehe ich auf, mit dem Ziel, im Mädchenschlafsaal frische Sachen zu hohlen. Dabei stolpere ich fast über etwas vor meinem Bett, das sich doch tatsächlich als mein Koffer herausstellt! Wie der hierher gekommen ist, weiß ich nicht, aber ich will mich nicht beschweren. Ich ziehe mich also um und bin froh, dass dieser Tag so gut beginnt. Wieder warte ich draußen im Gemeinschaftsraum auf Draco, der auch nicht lange braucht. "Hey Sam. Wie geht's dir, wegen gestern und so?", fragt er freundlich, doch auch etwas besorgt. "Schon okay. Ich bin es gewohnt, nicht akzeptiert zu werden", dann füge ich noch hinzu, "Wow, das klingt echt bitterer als beabsichtigt!" Draco erwidert mein Lächeln und wir machen uns auf zum Frühstück. Auch diesmal verschlinge ich einen Toast mit Marmelade, doch als ich mich über einen zweiten hermachen will, setzt sich jemand uns gegenüber hin. Verblüfft erkenne ich eine von Parkinsons Anhängerinnen. Ich glaube, es war die die gesagt hat, sie fände mich interessant. "Hey", begrüßt sie uns schüchtern. Als Draco und ich nicht reagieren, fährt sie fort: "Das mit gestern, in der Bibliothek, das tut mir echt leid! Ich finde überhaupt nicht, dass du abstoßend oder etwas derartiges bist!" Verlegen schaut sie nach unten und ihre kurzen, schwarzen-blauen Haare fallen ihr in die dunkelbraunen Augen. "Entschuldigung angenommen", meine ich ehrlich erfreut. Auch sie lächelt, genau wie Draco. "Mein Name ist übrigens Nico", sagt das Mädchen noch. Sieht so aus, als ob wir jetzt zu dritt wären! Gemeinsam frühstücken wir zu ende und machen uns auf den Weg in den Unterricht.
Heute ist die Zeit wie im Flug vergangen, denn zusammen haben wir viel geredet und noch mehr gelacht. Mir und den anderen beiden sind die erzürnten Blicke von Pansy Parkinson und ihrer übrig gebliebenen Freundin nicht entgangen, doch darüber können wir uns nur krumm und kringelig lachen. Nach dem Unterricht setzen wir uns in den Gemeinschaftsraum um uns um die Hausaufgaben zu kümmern, diesmal mit mehr Erfolg als gestern. An diesem Tag falle ich glücklich, aber sehr erschöpft ins Bett neben Draco.
Und schon wieder bricht ein neuer Tag an, denke ich, als ich mich aufrichte. Heute bin ich weiblich, ich bleibe nie allzu lange das gleiche Geschlecht. Schnell ziehe ich mich an und gehe in den Gemeinschaftsraum. Wie immer ist Draco noch nicht da, dafür aber meine neue Freundin Nico. Heute bin ich etwas früher aufgewacht als die letzten Tage. Ich lasse mich neben dem Mädchen auf das Sofa fallen und murmle eine noch schläfrige Begrüßung. Diese erwidert sie deutlich wacher, anscheinend braucht sie nicht so viel Schlaf, worum ich sie nur beneiden kann. Einige Minuten sitzen wir still da, dann stellt sie mir eine Frage, die ich nicht erwartet hätte. "Hey Sam, wie hast du eigentlich das mit dem genderfluid-sein herausgefunden?" So früh arbeitet mein Gehirn noch nicht richtig, deshalb schweige ich kurz, bis mir ihr Gesagtes bewusst wird. "Naja, also irgendwann habe ich gemerkt, dass ich anders bin, als Mädchen in meinem Alter, sowie vom Verhalten her, als auch von den Interessen. Ich hatte auch Glück mit meinen Eltern. Als ich ihnen versucht habe, zu sagen, wie ich fühle, waren sie direkt sehr unterstützend. Irgendwie hat es sich dann weiterentwickelt zu meiner jetzigen Existenz" Bei diesen Worten muss Nico leicht lächeln und auch ich kann ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. "Was gibt es denn da zu Grinsen?", fragt auf einmal eine Stimme und erschrocken rucken unsere Köpfe in die Richtung, aus der sie gekommen ist. Ich seufze leicht auf, als ich Draco erkenne, der sich lautlos an uns angeschlichen hat. "Erschreck mich doch nicht so! Ich habe gerade einen halben Herzinfarkt bekommen!", empört sich Nico halb amüsiert. "Ihr solltet mal eure Gesichter sehen!", kichert der Angesprochene auch schon los und ich kann nicht anders, als mit zulachen. So machen wir uns gut gelaunt auf den Weg zum Frühstück in die Große Halle. Auf dem Weg kommt uns jedoch Potter und seine Bande entgegen. Draco, der mit den Gedanken wohl schon beim Frühstück ist, läuft direkt in die junge Berühmtheit hinein und beide fliegen zu Boden. Als Draco ihn erkennt, werden seine Wangen etwas rot. "Pass doch auf, wo du hinläufst, Potter!", wobei er das letzte Wort eher ausspuckt als sagt. Bevor das ganze eskalieren kann, ziehe ich Draco mit mir in die Große Halle mit, denn es ist noch viel zu früh für Streit. Am Tisch angekommen lasse ich ihn los und setze mich. Er funkelt mich wütend an, beginnt dann aber auch mit dem Frühstück. Heute haben wir Kräuterkunde, Geschichte der Zauberei und Besenflugstunden. Auf das Letzte freue ich mich am meisten, obwohl fliegen nicht so meins ist.
Der Vormittag verläuft unfassbar langweilig. Professor Sprout, die Hauslehrerin von Hufflepuff, unterrichtet uns in Kräuterkunde und hat die ganze Stunde nur uninteressantes Zeug gelabert. Ich dachte, schlimmer konnte es kaum werden, aber Geschichte der Zauberei war auf einer anderen Stufe. Unser Lehrer, Professor Binns, ist ein Geist, der nach seinem Tod einfach weiterhin unterrichtet hat. Er leiert alles Mögliche über die Aufstände der Kobolde herunter, was theoretisch gar nicht mal so uninteressant wäre, aber bei dieser Stimme fallen mir immer wieder die Augen zu. Er scheint auch nicht zu bemerken, dass so gut wie keiner ihm zuhört. Jeder starrt nur gelangweilt aus dem Fenster oder plaudert mit dem Sitznachbar. Als es endlich zum Ende der Stunde klingelt, zucke ich leicht zusammen. Wir packen unsere Schultaschen zusammen und gehen zu dritt zum Mittagessen. Hungrig falle ich über meine Pasteten her und verputze zum Nachtisch zwei Portionen Pudding. Danach bin ich ganz schläfrig, aber Nico, die mich and die Besenflugstunden erinnert, schafft es damit, mich wieder hellwach zu kriegen.
Der Unterricht findet im Innenhof statt, wo schon einige Besen in zwei Reihen liegen. Sofort beginnt Draco, sich über dessen Qualität und Veralterung aufzuregen, doch Nico sieht sie nur ehrfürchtig an. Anscheinend hat sie noch nie einen zu Gesicht bekommen. Ich selbst bin bisher nur ein paar mal auf einem Besen von Dad geflogen, aber es ist nicht so meins. Dann taucht auch schon Madam Hooch auf, die uns beibringen soll, wie man mit einem Besen fliegt ohne sich zu verletzen, was sich als schwerer herausstellt als gedacht. Zuerst sollen wir versuchen, den Besen in unsere Hand zu rufen, einfach mit dem Wort "hoch". Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich, von perfekt auf den ersten Versuch über keine Reaktion des Besens zu Neville Longbottem, der es doch ernsthaft schaffte, sich zu verletzen, wo Draco es nicht lassen kann, etwas darauf herum zu reiten. Zu seiner Verteidigung, es sah echt lustig aus! Harry Potter denkt darüber offensichtlich anders. Er tritt direkt zu Nevilles Verteidigung an und wieder meine ich einen leichten Rotschimmer auf Dracos Wangen zu erkennen. Er stibitzt sich eine Kugel aus der Tasche des tollpatschigen Jungen und fordert Potter auf, ihm zu folgen. Sofort meldet sich Granger, dieses besserwisserische Mädchen zu Wort mit der Warnung, dass Harry Ärger bekommen würde, wenn jemand ihn erwische. "Genau das ist der Punkt, Granger! Du musst schlau genug sein, dass sie dich nicht kriegen." Mit diesen Worten trete ich neben meinen Freund und auch Nico gesellt sich dazu. Mit einem provokanten Blick auf Potter steigt Draco auf seinen Besen und fliegt in die Luft. Mit einem Schmunzeln im Gesicht folgt ihm Nico, die ein Talent fürs Fliegen zu haben scheint. Nach kurzem Zögern versuche ich mein Bestes, um ihnen nach zu kommen, was für mich nicht allzu leicht ist. Wie von Draco geplant folgt uns Potter, um diese Kugel zurück zu holen. Als er auf meinen besten Freund zurast weicht dieser nur lässig mit einer Drehung aus und wirft dieses Ding von Neville Nico zu, die es geschickt auffängt. So beginnt eine kleine Jagd, bei der sich Potter ziemlich lächerlich macht, da er die Kugel immer um ein paar Zentimeter verfehlt. Plötzlich sehe ich jedoch Madam Hooch vom Krankenflügel zurück kommen, wo sie Longbottem hingebracht hat. "Achtung Lehrer!", rufe ich und Nico wirft die Kugel weit über Harrys Kopf weg, der ihr verzweifelt und dämlicherweise nachfliegt. Wir drei lassen uns schnell auf den Boden zum Rest der Klasse sinken, um nicht aufzufallen. Madam Hooch, die auf Potter fixiert ist, würdigt uns nicht mal mit einem Blick. Lachend gehen wir wieder ins Schloss, als sie die Stunde für beendet erklärt, damit sie den Jungen zu McGonagall bringen kann.
"Hast du Potters Gesicht gesehen? Wie verwirrt der war, als er immer und immer wieder vorbeigeflogen ist!", amüsiert sich Draco beim Abendessen immer noch. "Und die Augenbrauen hatte er so süß zusammengezogen...", fügt er noch in Gedanken versunken hinzu. Ich kann einfach nicht unterstehen, da etwas 'nachzuforschen'. "Soso, ich wusste gar nicht, dass Potter dein Typ ist!" Draco wird sofort rot wie eine Tomate. "W-was?! Der doch nicht! Nicht dieser arrogante, selbstverliebte, eingebildete, niedliche Junge!" Nicht überzeugt schauen Nico und ich ihn an. "Willst du vielleicht nochmal deinen Text üben?", fragt sie scherzhaft. Darauf hin schaut uns Draco nur gespielt empört an, was uns den Rest gibt. Wir prusten alle zugleich los und können uns einfach nicht beruhigen. Erst als wir uns auf den Weg zum Gemeinschaftsraum machen und uns unser Hauslehrer Professor Snape entgegenkommt, schaffen wir es wenigstens halbwegs, ernstere Gesichter zu machen, weil wir den scheinbar emotionslosen Mann nicht unbedingt gegen uns aufhetzen wollen. Aber auch das hält nicht lange an, kaum dass er außer Hörweite ist, geht das Ganze wieder von vorne los. Irgendwann schaffen wir es trotzdem, nicht mehr durchgängig zu lachen, was auch gut ist, denn mein bauch tut schon weh und an der Art, wie Draco sich den seinen hält, vermute ich, dass er das gleiche 'Problem' hat. Zu meiner Überraschung verabschiedet dieser sich bald, um schlafen zu gehen. So sitzen Nico und ich alleine im Gemeinschaftsraum, die anderen sind noch nicht vom Abendessen zurück. "Erinnerst du dich noch an unser Gespräch heute früh?", fragt sie etwas verlegen. Ich nicke und schaue sie interessiert an. "Ok ich weiß nicht wirklich, wie ich das sagen soll", redet sie Weiter. Ohne sie zu drängen sehe ich ihr ruhig in die Augen. "Ich bin Transsexuell." Sie hält ihren Blick fest in ihren Schoß gerichtet. Um ihr zu zeigen, dass ich für sie da bin, umarme ich sie fest. Nach einiger Zeit lösen wir uns wieder voneinander und ich schaue ihr in die Augen. "Danke, dass du mir das gesagt hast. Wollen wir deinen Koffer in den Jungschlafsaal bringen?" Sie, oder eher er, nickt erfreut von dieser Idee, die wir auch gleich in die Tat umsetzen. Überrascht schaut Draco uns an, als wir durch die Tür kommen. Schnell steht er auf um uns zu helfen und gemeinsam stellen wir Nicos Koffer vor ein neues Himmelbett, das genauso aus dem Nichts erschienen ist wie das meine. Auf den fragenden Blick Dracos hin erzählt Nico auch ihm, dass er Transsexuell und somit ein Junge ist und deshalb von nun an bei ihm im Schlafsaal nächtigt. Da es jetzt doch schon etwas später geworden ist, verabschiede ich mich mit einem "Gute Nacht Jungs" und gehe in den Mädchenraum.
Vor mir taucht eine große, vermummte Gestalt auf. Sie geht schnellen Schrittes gerade aus durch lange Korridore, die durch nichts als dem blassen Licht eines Zauberstabs erleuchtet werden. Ich schaue mich um, kann aber keinerlei Hinweise sehen, wo ich mich befinde, außer, dass die Wände aus kaltem, grauem Beton sind. Ich frage mich, wie zum Teufel ich hierher gekommen bin, wo auch immer das sein mag. Auf Grund der Körperform, die ich von hinten sehe, glaube ich, dass die Gestalt vor mir ein Mann ist. Wir gehen an Eisentüren vorbei, die sich auf beiden Seiten befinden. Auf jeder ist ca. auf Augenhöhe eine kleine Klappe angebracht. Langsam kommt mir der Verdacht auf, dass ich in einem Gefängnis bin. Plötzlich sind wir in einem Treppenhaus. Der Mann vor mir steigt eine nach der anderen hinauf und ich laufe ihm schnell nach, damit ich ihn nicht verliere. Als wir ganz oben angekommen sind, sehe ich eine einzelne Tür. Die vermummte Person wühlt in ihren Manteltaschen und holt nach einiger Zeit einen Schlüsselbund heraus. Einer von den vielen Schlüsseln sieht altmodisch groß aus. Genau dieser wird ausgewählt und in das Schlüsselloch gesteckt. Die Tür öffnet sich und-
Ich setze mich erschrocken in meinem Bett auf. Mein Atem geht schnell und ich kann mich nur langsam beruhigen. Alles nur ein Traum, rede ich mir ein. Doch warum hat es sich so echt angefühlt? Ich fahre mir mit beiden Händen übers Gesicht und schaue auf die Uhr neben meinem Bett. Verdammt! Ich bin spät dran. In aller Eile ziehe ich mich an und und werfe mir die Schultasche über die Schulter. Der Gemeinschaftsraum ist schon fast leer, bis auf meine Freunde, die unschlüssig vor der Tür stehen und wohl gerade überlegen, ob sie nicht doch schon ohne mich gehen sollen. "Hey. Sorry, dass ich so spät dran bin!", rufe ich queer durch den Raum. Die beiden drehen sich mit einem erleichterten Gesichtsausdruck zu mir um. Zum Frühstück ist es schon zu spät, so lange habe ich geschlafen. Wir müssen uns spurten, um überhaupt noch pünktlich zu Verwandlung zu kommen. Professor McGonagall sieht es gar nicht gern, wenn ihre Schüler zu spät kommen und genau dieses Fach ist mir besonders Wichtig. Gerade als wir uns hinsetzen läutet es. Zum Glück, aber auch zur allgemeinen Verwirrung sitzt auf dem Lehrerpult nur eine silbern-schwarz getigerte Katze, dessen Augen mir aber seltsam bekannt vorkommen. Das Tier steht auf und springt vorne vom Tisch und noch im Flug verwandelt es sich in unsere Lehrerin. Begeistert schaue ich sie an, ich war schon immer ein großer Fan von Animagi. Auch der rothaarige Weasley-Junge neben Potter ist offensichtlich sehr beeindruckt, denn er stößt ein "Krass ey" aus. Ein Lächeln stiehlt sich bei diesen Worten auf das Gesicht von der sonst so ernsten Professor McGonagall, die uns, passend zu ihrem Auftritt, einen Vortrag über Animagi hält, wo ich begeistert zuhöre und mitschreibe, denn ich will mir alles merken. Draco neben mir jedoch scheint nicht wirklich interessiert, denn er kritzelt nur auf seinem Pergament etwas herum. Auch Nico schreibt nicht mit, aber im Gegensatz zu Draco hört er zu. Danach haben wir Astronomie, aber selbst das vergeht einigermaßen schnell Dank meinen Freunden. Erleichtert gehen wir zum Mittagessen, als der Unterricht für den Vormittag endlich vorbei ist. Kräuterkunde sorgt jedoch dafür, dass wir auch am Nachmittag nicht entspannen können und danach müssen wir uns um unsere Hausaufgaben kümmern. Einzig und allein die Aufgabe in Verwandlung, in der wir einen Aufsatz über Animagi schreiben sollen, erledige ich mit Freude. Es fällt mir da auch nicht schwer, eineinhalb Meter Pergament zusammen zu bekommen, da ich ja fleißig mitgeschrieben habe und auch in der riesigen Schulbibliothek war, um mir ein-zwei Bücher zum Thema zu holen. Draco und Nico lasse ich den Aufsatz abschreiben, die mir dafür in Astronomie die Sternenkarte zeichnen. Nach einiger Zeit ist endlich alles gemacht und wir setzen uns nebeneinander vor den angenehm warmen Kamin. So geht auch dieser Tag zu Ende, den nächtlichen Traum habe ich schon fast vergessen.
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